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Inhalt der Nr. 48 der grundrisse     

Liebe Leserinnen und Leser,

Diese Ausgabe ist Antonio Negri gewidmet, der im August dieses Jahres seinen 80. Geburtstag feierte. Die Strömung des italienischen Operaismus und Postoperaismus ist untrennbar mit seinem Werk verbunden – genug Anlass also, einige Aspekte seines Denkens zu thematisieren.

Philipp Metzger zeigt in seinem Beitrag auf, dass der Postoperaismus stets in Verbindung mit radikalen Bewegungen stand und eine wichtige theoretische Intervention in revolutionäre Praxis war und ist. Die Rolle des Staates im Kapitalismus war Toni Negri schon seit Beginn seiner revolutionären Aktivität ein Anliegen. Martin Birkner beschäftigt sich in seinem Betrag mit seinen Ausführungen zum Staat in dessen frühen Schriften. Thomas Seibert informiert in einem Interview mit Karl Reitter über sein Buchprojekt, in dem ausgehend von der Spinoza Rezeption Negris mit Bezug auf Heidegger ein zureichender Materialismusbegriff entwickelt werden soll. Und schließlich kritisiert Katharina Poeter das Konzept der immateriellen Arbeit an Hand von empirischen Untersuchungen....weiter

Philipp Metzger: Kampf für das Gemeinsame
Der (Post-)Operaismus als Interventionsstrategie für die radikale Linke

Seit der Veröffentlichung der Empire-Trilogie von Antonio Negri und Michael Hardt, die weltweit die Bestsellerlisten erklommen und beide weltberühmt machte, ist der (Post)Operaismus die einflussreichste postmarxistische Bewegungstheorie. Der Philosoph Slavoj Žižek sah in dieser gar das „Kommunistische Manifest des 21. Jahrhunderts.“ Von vielen Autor_innen wurde dem (Post-)Operaismus reflexartig vorgeworfen, unstringent und in Teilen sogar widersprüchlich zu sein. Auch wenn dies mitunter zutreffen mag wird bei diesem Urteil von den Kritikern_innen meist der verhandelte Analysegegenstand des (Post-)Operaismus ignoriert. Denn im Zentrum des Erkenntnisinteresses stehen die antagonistischen Bewegungen gegen den Neoliberalismus. Diese sind mitunter in sich sehr plural bis gegensätzlich. Eine Theorie der Kämpfe kann aber in sich nur soweit stimmig sein wie es die Kämpfe selber sind. Deshalb ist der (Post-)Operaismus bei der Beantwortung der Frage Was Tun?  auch vielen seiner Kritiker_innen überlegen, weil er die aktuellen Veränderungen der sozialen Auseinandersetzungen seismographisch erfasst und diese für eine emanzipative Theorie nutzbar macht. In dieser kann die radikale Linke Antworten und Werkzeuge für ihre gegenwärtige Praxis in der Krise finden. Wer dagegen eine in sich harmonische  Revolutionsanleitung lesen möchte, kann im Anschluss immer noch zu Lenin greifen....weiter

Katharina Poeter: Zum Begriff der immateriellen Arbeit von Michael Hardt und Antonio Negri, eine Kritik aus entwicklungspolitischer Sicht

Der Begriff der immateriellen Arbeit wird von Antonio Negri und Michael Hardt, in ihrem Buch „Empire“ (2000) verwendet, um auf veränderte Arbeitsprozesse aufmerksam zu machen. Diese neue Arbeitsform wird von Robert Foltin (2004) weiterhin wie folgt beschrieben: „Die jetzt dominierende immaterielle Arbeit ist materiell, es werden Körper und Hirne eingesetzt, aber die Produkte sind immateriell wie etwa Wissen und Kommunikation. Die Hegemonie dieses Arbeitstypus ist qualitativ, nicht quantitativ.“
Darunter lässt sich die weitverbreitete Ansicht verstehen, dass sich die gesellschaftlichen Arbeitsformen verschieben; weg von fordistischen Arbeitsprozessen hin zu einer postfordistischen Arbeitsform. Es ist nicht zu leugnen, dass sich der Arbeitsprozess in einem konstanten Wandel befindet und dass vor allem der technische Fortschritt, zu Veränderungen führt und immer geführt hat. Der Begriff des Postfordismus beschreibt, dass sich die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit vermischen, und die Fließbandarbeit durch eine Arbeitsform ersetzt wurde, welche zumindest oberflächlich betrachtet, mehr Freiheit und Individualität beinhaltet....weiter

Martin Birkner: „Das Kapital wird identisch mit dem Staat“
Entstehung und Entwicklung der marxistischen Staatskritik beim frühen Negri

Bereits als Student setzte sich Toni Negri, damals noch stark hegelianisch geprägt, mit staatstheoretischen Fragestellungen auseinander. Seine Doktorarbeit aus dem Jahr 1958 trägt den Titel Stato e diritto nel giovane Hegel, also Staat und Recht beim jungen Hegel. Im Laufe seiner darauffolgenden marxistischen Entwicklung hat Negri einige zum Teil weitgehende Veränderungen an seiner Staatstheorie vorgenommen. Diese Änderungen sind zureichend nur zu begreifen, wenn wir Negri sowohl als Theoretiker als auch als politischen Aktivisten verstehen. Denn trotz all der Transformationen seines theoretischen Zugriffs auf den Gegenstand „kapitalistischer Staat“ war und ist das Erkenntnisinteresse von Negris Theorieproduktion stets die Überwindung von kapitalistischen Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnissen und somit eine Überwindung von Staatlichkeit als solcher....weiter

Physik des Begehrens, Phänomenologie der Freiheit.
Karl Reitter stellt Fragen an Thomas Seibert

1. Lieber Thomas, du arbeitest an einem „ungeschriebenen, aber immer wieder eingeforderten Buch“.Wenn ich dich richtig verstehe, willst Du im Anschluss an Antonio Negri einen neuen Materialismus entwerfen, in dem Marx, Spinoza und Heidegger zusammen gedacht werden. Du unterstellst offenbar dem bisherigen Materialismus ganz im Sinne der ersten Feuerbachthese einen strukturellen Mangel. Worin besteht der „Hauptmangel allen bisherigen Materialismus“ und warum benötigen wir gerade Heidegger, um diesen zu überwinden?

Lass’ mich zum Einstieg eine Geschichte erzählen, um deutlich zu machen, wie alt und zugleich aktuell dieses Projekt ist. In der ersten seiner Thesen über Feuerbach nimmt Marx eine entscheidende Verschiebung der Diskussion vor, die seine Generation umtreibt. Ihm geht es nicht mehr um die Grenzziehung zwischen Idealismus und Materialismus, sondern um die zwischen dem „bisherigen“ und einem neuen Materialismus. Dem bisherigen wirft er vor, trotz des Wechsels (grob gesagt) von den Ideen zur „Wirklichkeit“ und vom Geist zum leiblich-gesellschaftlichen „Leben“ einem Vorurteil zugunsten des „theoretischen Verhaltens“ erlegen zu sein. Der eigenen Absicht zuwider habe sich Feuerbach, so sagt Marx, der Wirklichkeit und dem Leben „nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung“ genähert: in einer vorgeblich objektiven Perspektive, die vorgeblich objektive „Wesenheiten“ fassen will. Dabei hat er das „subjektive“ Moment dieser Wirklichkeit übersprungen, das Marx allgemein „Praxis“ und im radikalen Sinn die „revolutionäre“, weil „praktisch-kritische Tätigkeit“ nennt. Diese Verfehlung ist theoretisch, ethisch und politisch von entscheidender Bedeutung: Belegt sie doch, dass dem Materialismus die Kritik des auf die Objektform fixierten „abstrakten Denkens“ gar nicht gelungen ist. Damit bleibt der „bisherige Materialismus“ in das jahrtausende alte Herrschaftsverhältnis zwischen Geist und Leben eingeschlossen, dem die Trennung von „Kopf-“ und „Handarbeit“ entspricht....weiter

Jakob Graf: Führung, Masse, wir und die?
Edukationismus – ein Problem linker Politik
[1]

Zur Geschichte der Linken gehört auch die schreckliche Entwicklung der russischen Revolution zur stalinistischen Herrschaft und die Stalinisierung der kommunistischen Parteien in vielen anderen Ländern. Theorie wurde zum Dogma, politische Bildung eine Erziehung von oben und eigenständiges Denken bestraft. Das Scheitern der Linken, das in dieser Entwicklung zum Ausdruck kommt, hat seine Vorgeschichte auch innerhalb dieser Linken und ist nicht einfach nur durch die ökonomische Rückständigkeit Russlands und die Angriffe auf die Revolution von außen zu erklären. Das heißt nicht, dass die Arbeiterbewegung aufgrund ihrer Tradition zwingend den Stalinismus hervorbringen musste, jedoch, dass letzterer durch ein bestimmtes Verständnis dessen, wie die sozialdemokratische Bewegung geführt werden sollte, schon begünstigt wurde....weiter

Dieter Sauer: Arbeit im Übergang – Gesellschaftliche Produktivkraft zwischen Entfaltung und Zerstörung

Der Titel meines Vortrags verweist erst mal auf einige begriffliche Klärungen: Übergang, Produktivkraft und die Dialektik von Entfaltung und Zerstörung. Darauf will ich zunächst eingehen und mich dabei auch in der linken Kapitalismuskritik verorten. Danach werde ich was zur Entwicklung von Arbeit in historischen Umbruchprozessen sagen: zum Formwandel von Herrschaft, zur neuen Autonomie in der Arbeit, zur Rolle des Individuums.   

Was heißt hier Übergang?

Die These von der Arbeit im Übergang verortet den Formwandel von Arbeit in gesellschaftlichen Umbruchprozessen, die als historische Übergänge zwischen gesellschaftlichen Formationen gefasst werden. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass Wirtschaft und Gesellschaft der Bundesrepublik, wie auch die anderen kapitalistischen Metropolen, seit Mitte der 1970er Jahre in eine neue Entwicklungsphase getreten sind. Seit dem ist – nicht nur in der Arbeitssoziologie - von einer Krise des Fordismus die Rede. Mit dem Fordismusbegriff wird der Begriff der gesellschaftlichen Formation eingeführt, der bestimmte historische Phasen im Verlauf kapitalistischer Entwicklung bezeichnet, in denen jeweils stabile Entsprechungen zwischen ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturen, zwischen der Makroebene der gesellschaftlichen Regulierung und der Mikroebene der Arbeitsorganisation bestehen. Wir gehen  von der These aus, dass es gegenwärtig keine historische Zäsur zwischen dem fordistischen und einem dessen Krise überwindenden neuen (postfordistischen) Entwicklungsmodell gibt. Es handelt sich immer noch um eine Anpassung an die Krise des Fordismus, nicht um deren Überwindung. In diesem Zusammenhang sprechen wir von einer Phase des Übergangs. Dieser Begriff bringt zum Ausdruck, dass wir es mit einem Prozess gesellschaftlicher Entwicklung zu tun haben, der durch erhöhte Instabilität und neuartige Spannungsverhältnisse gekennzeichnet ist. Deren Folge ist eine  reflexive, auf Dauer gestellte Restrukturierun....weiter

Slave Cubela: Klasse gemacht!
Zum 50. Jahrestag der Erstausgabe von „The Making Of The English Working Class“

Es gibt Bücher, die kauft man einfach deshalb, weil ihnen ein legendärer Ruf vorauseilt. Zumeist verbringen sie dann eine ganze Zeit lang ungelesen im eigenen Bücherregal, denn – das haben solche Werke häufig an sich – ihre schiere Länge aber auch die hohe Erwartung sorgt dafür, dass man ihre Lektüre immer wieder aufschiebt. Schließlich gibt es meist wichtigeres zu lesen und irgendwo finden sich ja doch kurze Extrakte dieser vermeintlichen Meisterwerke. Allein: wenn man sich dann nach einiger Zeit doch irgendwann an diese Bücher heranmacht, dann kann nur noch zweierlei geschehen: man legt sie nach einer Weile enttäuscht weg, weil sie sich doch als zu schwierig oder überschätzt erweisen. Oder aber man verliebt sich unweigerlich in diese Bücher und versinkt von der ersten Seite so sehr in deren Stoff, dass man sich noch Jahre später an diese Lektüre erinnert....weiter

Daniel Andersen: Die Ökonomie als “letztes Bollwerk des Essentialismus”?
 “Ökonomischer Determination in letzter Instanz” – ein Schlüssel zum Verständnis des Übergangs von Revolution zu Reformismus im “Post-Marxismus” von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe

“Seitdem die Gesellschaft auf den Boden der ökonomischen Tatsachen zurückgeholt wurde, ist der kulturalistische Karneval der Differenzen vorbei. Unter dem bunten Überbau der Gesellschaft kommt, in orthodoxer Diktion, ihre eintönige gemeinsame Basis wieder zum Vorschein. Und was um die Verknüpfung von Kämpfen bemühten Aktivisten in Jahrzehnten nicht gelang, hat die globale Krise binnen kürzester Zeit geschafft: Millionen gehen gleichzeitig an allen Orten der Welt mit demselben Anliegen auf die Straße. ...
Es geht ums Ganze.”
(Kosmoprolet #3, November 2011)

“It’s the economy, stupid!” – eine eher diffuse Erkenntnis dieser Art zieht seit dem Ausbruch des aktuellen kapitalistischen Krisenzyklus 2007, der wachsenden Prekarisierung der Mittelschicht und damit auch weiter Teile der eher bürgerlich und akademisch geprägten Linken und dem Abflauen des postmodernen Theorie-Hypes zunehmend weite Kreise. Aus guten Gründen möchte gleichzeitig kaum jemand zurück zu einer Privilegierung des “Hauptwiderspruchs” Kapital-Arbeit, gar zu einer ideologischen Überhöhung des (oft männlichen-weiß gedachten) Proletariats....weiter

phpMyVisites : Ein Open Source-Website-Statistikprogramm in PHP/MySQL veröffentlicht unter der GNU/GPL. Statistics

 
ISSN 1814-3164 
Key title: Grundrisse (Wien, Online)

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