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Liebe Leserinnen und Leser, Diese Ausgabe hat drei Schwerpunkte: Fürsorge Arbeit, Demokratie und die Rezeption der Marxschen Theorie. Zudem setzt Stefan Junker unsere Debatte zur Räteproblematik fort. Walter Winter versucht in seinem Beitrag den Begriff der Sorgearbeit sehr weit zu fassen. Sorgearbeit sei, so der Autor, als umfassendes soziales Verhältnis zu verstehen, das über bloße Pflegearbeit weit hinausgeht. Mathias Rude verweist auf den kaum bekannten Zusammenhang der feministischen Bewegung mit der Tierrechtsbewegung in Großbritannien. Martin Birkner beschäftigt sich mit theoretischen Fragen der Demokratie; ebenso Andreas Exner, der dabei an aktuellen Ereignissen anknüpft. Die Beträge von Christoph Lieber, Slave Cubela und Karl Reitter haben gemeinsam, dass sie sich auf die Marxsche Begrifflichkeit beziehen. Stefan Lieber zeigt, dass die Kategorien der Kapitalanalyse ein nützliches Werkzeug für die Dechiffrierung von Bewusstseininhalten darstellen. Slave Cubela zeichnet die ideengeschichtliche Entwicklung des Arbeitsbegriffes vor Marx nach; Karl Reitter porträtiert das Buch von Urs Lindner Marx und die Philosophie....weiter Stefan Junker: Zur Rätediskussion – kurze Ergänzung zu Roman Danyluk und Ewgeniy Kasakow Es ist sehr erfreulich, dass das Thema „Räte“ auf breiteres Interesse stößt. „Arbeiterräte“, „Sowjets“ sind zuerst nur Wörter unter vielen oder wenn wir so wollen Ausdruck dessen, was in der Arbeiterbewegung vor allem des 19. Jahrhunderts als Selbstbefreiung oder Emanzipation verstanden wurde. Sozialdemokratie und Bolschewismus haben dieses Verständnis in ihr Gegenteil verkehrt und die dominierten Arbeiterinnenbewegungen wieder der Dichotomie von Führern und Geführten unterworfen. Darum habe ich mich sehr über Danyluks Zustimmung in dieser Frage gefreut und ich gebe ihm absolut recht, dass die Diskussionen und die Beschäftigung mit den historischen Formen, worin die Befreiung der Klasse der Arbeitenden ihren Ausgang nimmt, wichtig sind....weiter Walter Winter: Care, Sorge, Für-Sorge; 5 Thesen 1. These: Wo die sozialen Bewegungen Sorge zentral stellen, werden sie, von punktuellen, impulsartigen und vorübergehenden gesellschaftlichen Erscheinungen, zu dauerhaften, sich selbst reproduzierenden Phänomenen. Dies kann besonders anschaulich an den aktuellen emanzipativen Bewegungen und besonders an denen der jüngeren Vergangenheit gesehen werden, wie der Occuby-Wallstreet-, der Tahir-Platz-, und der Refugees-Bewegung. Aber auch die Frauenbewegung seit ihren Anfängen ist ein anschauliches Beispiel....weiter Matthias Rude: Frauen- und Tierrechtsbewegung: Eine doppelt verschwiegene Geschichte Auf den versteckt liegenden Pfaden des Londoner Battersea Parks kann man einem kleinen Stück einer doppelt verschwiegenen Geschichte nachspüren: Kaum auffindbar, am Rand eines Weges nahe des Old English Garden, steht die Statue eines Hundes auf einem Sockel mit Inschriften, die besagen, dass das unauffällige Denkmal 1985 von der British Union for the Abolition of Vivisection und der National Anti-Vivisection Society gestiftet worden ist – um ein im Jahr 1910 von prominenterer Stelle im Park entferntes Denkmal zu ersetzen, und um an die Ereignisse zu erinnern, die sich damals an ihm entfacht hatten....weiter Martin Birkner: Was tun mit Demokratie – in Praxis und Theorie?* Einen Text über Demokratie zu schreiben ist ebenso problematisch wie über Gerechtigkeit (siehe Blume/Sinakusch 2013). Unweigerlich handelt mensch sich einen Rattenschwanz an Assoziationen, „Nebenthematiken“ und Begriffen ein, die untrennbar mit Demokratie verknüpft sind. Ein paar Beispiele: Repräsentation, Parlamentarismus, (Menschen)Rechte, Parteien, Wahlen, Diktatur – als (vermeintlicher) Gegenpol, Politik, das Politische, Souveränität, Volk, Mitbestimmung, Verfassung, Republik, Staat, StaatsbürgerInnenschaft, Geschlechtergerechtigkeit, Gewaltenteilung, um nur einige der wichtigsten zu nennen … Ein anderer erschwerender Aspekt ist die immense Vielfalt gesellschaftlicher Vorstellungen, die mir dem Begriff der Demokratie verbunden sind. ...weiter Andreas Exner: Die Tränengasdemokratie. Istanbul, Frankfurt und der globalisierte Widerstand Wer Meldungen zu den Protesten in Frankfurt anlässlich der Blockupy-Aktionen 2013 verfolgte und zeitgleich die Mitteilungen zur Revolte in der Türkei, die über die social networks eintrudelten, wusste manchmal nicht mehr genau, wovon die Rede war. So ging es einem Facebook-Leser, so ging es mir. Der Staat wird als eine Front von Robocops wahrgenommen und, wie sich zeigt, ist er das auch in der letzten Instanz – da steht eine so genannte entwickelte Demokratie einem allseits als autoritär bezeichneten Staat kaum mehr nach. Die letzte Instanz kommt immer dann zum Zuge, wenn der Staat Forderungen aus der Menge nicht mehr befriedigen kann oder nicht befriedigen will. Der neoliberale Staat zieht diese Grenze ziemlich eng. Denn die Kapitalisten sind seit über zwei Jahrzehnten im Durchschnitt hohe und vor allem steigende Profitraten gewöhnt....weiter Christoph Lieber: Marx’ Kritik der politischen Ökonomie – (noch) Schlüssel für die Ideologie- und Bewusstseinstheorie der Linken heute? Die globale Finanzkrise hat die kapitalistische Gesellschaftsordnung in den Grundfesten erschüttert. Aber die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise erweist sich damit noch keineswegs als „Stunde der Linken“ und radikaler Bewusstseinsveränderungen. Bei aller Skepsis einer Mehrheit der Bevölkerung gegenüber den „Rettungsschirmen“ und „Konjunkturprogrammen“ gelingt es bislang dem bürgerlichen Lager vornehmlich in Deutschland durch „vertrauensbildende Maßnahmen“ größeren Systembrüchen im gesellschaftlichen Alltagsleben vorzubeugen. Ausmaß, Tiefe und Dauer der Krise sind bei vielen Menschen noch nicht angekommen....weiter
Slave Cubela:
Klassenkampf ohne Marx! So unbestritten es ist, dass der materialistische Ansatzpunkt der Marxschen Theorie in seinem beständigen reflexiven Rekurs auf die (Re-)Produktionspraxis der Menschen besteht, so sehr wirft diese besondere Bedeutung der menschlichen Arbeit innerhalb der Marxschen Theorie doch auch bei vielen Marx wohl gesonnen Interpreten Fragen auf. Warum wird eine bestimmte Form menschlicher Praxis bei Marx derart hervorgehoben, und wie aktuell ist diese Hervorhebung heute noch? Geht mit dieser Exposition der menschlichen Arbeit bei Marx nicht eine Reduktion der komplexen menschlichen Verhältnisse und der Geschichte einher? Mündet diese Hervorhebung nicht notwendig in einen schematischen Basis-Überbau-Determinismus? Legt schließlich die Zentrierung der Marxschen Theorie auf die Dynamik menschlicher Arbeit nicht den Grund für jenen Arbeitsfetisch, den viele Interpreten für das emanzipative Scheitern der Arbeiterbewegung verantwortlich machen, so dass heute die Befreiung von der Arbeit als entscheidender Bezugspunkt linker Praxis gilt?....weiter
Karl Reitter: Knapp daneben ist auch vorbei Mit dem Buch Marx und die Philosophie hat Urs Lindner eine umfangreiche Interpretation des gesamten Werks von Karl Marx vorgelegt. Diese genaue und sorgfältige Arbeit enthält eine Fülle interessanter Aspekte und scharfsinniger Überlegungen. Im Detail ist das über 400 Seiten starke Buch oftmals interessant und erhellend. Sehr trefflich finde ich seine Argumente, die Marx aus dem Bannkreis der Philosophie Hegels heraustreten lassen. Lindner zeigt auch überzeugend, dass es Marx letztlich gelungen ist, so etwas wie eine empirisch gestützte Sozialwissenschaft zu entwickeln, deren Elemente und Verfahren sich nicht auf Hegel zurückführen lassen. Ebenso finde ich seine Interpretation der Methodik von Marx im so genannten Manuskript M, einer Arbeit im Kontext der Abfassung der Grundrisse, sehr lesenswert....weiter |
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