Inhalt der Nr. 36 der grundrisse |
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Editorial
Kurz und
bündig ist es diesmal geworden, unser Thema. Nicht zuletzt aufgrund der
Tatsache, dass es auch in Wien einen neuen Versuch linker Organisierung gibt (superlinke.org),
an dem auch einige RedakteurInnen der grundrisse beteiligt sind, haben wir diese
Nummer einem Evergreen der Linken gewidmet. Dass es die „Partei neuen Typs“
nicht (mehr) ist, ist klar; ebenso aber war es die Unzufriedenheit mit dem
aktuellen Status der zersplitterten österreichischen Linken, der uns dieses
Thema wählen ließ. Dementsprechend österreichlastig sind einige der
SchwerpunktTexte, wir sind jedenfalls der Meinung, dass die in den Beiträgen
besprochen Themen auch jenseits dieses unbedeutenden Landes von Interesse sind...weiter
Call for Papers:
Geschlechterverhältnisse und gesellschaftliche Arbeitsteilung
Wie wirken sich
veränderte Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse im Kapitalismus auf die
Geschlechterverhältnisse aus? Die Zunahme der Frauenbeschäftigung veränderte die
gesellschaftliche Arbeitsteilung, nicht jedoch die geschlechtliche. Kann die
zunehmende Prekarisierung als „Feminisierung“ oder „Hausfrauisierung“ der Arbeit
gesehen werden? Wie ist die Verteilung persönlicher Dienstleistungen zwischen
Lohnarbeit auf der einen Seite und Familien und Beziehungen auf der anderen zu
analysieren? Wie ist das jetzt mit der Aufteilung von bezahlter und unbezahlter
Arbeit? Was bedeutet die Ethnisierung von Haus_ und Pflegearbeit? Wozu dient die
Projektion des Patriarchats in das vorgeblich „barbarische“ Andere (Islamophobie
und Kopftuchdiskussion)? Welche Rolle spielen Frauen-NGOs bei der weltweiten
Kommodifizierung aller Lebensverhältnisse? Sind Gender Mainstreaming und
Diversität nur Teil des neoliberalen Managements oder bieten sie auch Chancen
zur Veränderung (bzw. für welche Frauen bieten sie welche Chancen)? Was bedeutet
die Krise des Kapitalismus für die Geschlechterverhältnisse? Gibt es einen
„neuen“ Sexismus (etwa der Väterrechtsbewegung)? Und welche neuen Formen von
Organisierungsansätzen gibt es (z.B. das Kollektiv Kindergartenaufstand)?...weiter
Erklärung zur Durchsuchungswelle in Berliner linken Buch- und Infoläden
Am 13. Juli 2010 erschienen Beamte
des Landeskriminalamts Berlin in den Buchläden oh21 und Schwarze Risse, sowie im
Infoladen M99. Sie durchsuchten die Räume nach den zuletzt erschienen zwei
Ausgaben der Szenezeitschrift Interim (Nr. 713 + 714) und beschlagnahmten die
gefundenen Exemplare und die Computer. Einige der eingezogenen Arbeitsgeräte
konnten erst nach drei Tagen beim LKA („Abteilung Linksextremismus“) wieder
abgeholt werden. Es war nicht das erste Mal, dass sich Justiz und Polizei macht
ihrer ausübenden Gewalt Zutritt zu linken Läden und Einrichtungen verschafften
und diese nach den Zeitschriften Interim, Prisma, Radikal, nach Plakaten,
Flugblättern und elektronischen Daten durchsuchten. Innerhalb des letzten Jahres
wurden die Läden von Schwarze Risse fünfmal, der Infoladen M99 viermal und der
Buchladen oh21 und der Antifa-Laden Fusion/Red Stuff zweimal durchsucht....weiter
Das Ende der
Krise
Vorwort des ÜbersetzerInnenkollektivs
Wir veröffentlichen hier das Vorwort zum Buch „Die Krise denken.
Finanzmärkte, soziale Kämpfe und neue politische Szenarien“. Das Buch ist soeben
im Unrast Verlag erschienen.
„Aktien,
Anleihen, Rohstoffe – oder doch die Immobilie? Im Ausklang der schlimmsten
Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten sollten Anleger auch ihr Portfolio aufräumen“,
rät das zur Spiegel-Gruppe gehörende manager magazin seinem
geneigten Publikum Ende Juli 2010. Mit der Einschätzung, die Krise sei zu Ende,
steht das Wirtschaftsblatt indes nicht alleine da. Bürgerliche Medien versuchen
seit Monaten, das Ende der Krise herbeizufabulieren und von den Gipfeln wie aus
den Niederungen lächeln Regierung und die größeren Teile der Opposition
strahlend den kommenden blühenden Landschaften entgegen. Staatspleiten
(einstweilen) abgewendet, Banken gerettet, Ende gut – alles gut. Ganz anders
hingegen sieht die Situation für jene übergroße Mehrheit von Menschen aus, die –
allem Anschein nach – diese blühenden Landschaften eines künstlich am Leben
gehaltenen Neo-Keynesianischen-Neoliberalismus nicht zuletzt mit ihrem
Verzicht auf einst hart erkämpfte soziale Leistungen (Bildung, Gesundheit,
Rente) teuer werden bezahlen müssen …weiter
Martin Birkner: Jenseits des
post-autonomem Tellerrandes: Die Notwendigkeit einer neuen linken Organisierung
Die 1990er Jahre
verbrachte ich größtenteils in einer trotzkistischen K-Gruppe, war in
antifaschistischen Initiativen und ansonsten im Aufbau der jetzt aber wirklich
stärksten der Parteien neuen Typs engagiert. Inzwischen war aus dem kleinen
Angestellten ein Philosophiestudent geworden, marxistische Theorie wurde zur
Hauptbeschäftigung und die wiederum zum Grund organisationspolitischer
Veränderung. Beschleunigt durch die Bewegung gegen Blau/Schwarz war ich an der
Gründung der grundrisse.zeitschrift für linke theorie & debatte beteiligt, mein
theoretisches Interesse wandte sich über den Umweg Gramsci – Althusser dem
italienischen Linksradikalismus zu. Politisch aktiv war ich seither in
autonomen, oder wie es heute so schön heißt „post-autonomen“ Zusammenhängen –
einerseits gegen den Verkauf des besetzten Ernst-Kirchweger-Hauses durch die
KPÖ, andererseits im Rahmen des EuroMayday-Prozesses sowie bei diversen
universitären Protestbewegungen. So sehr ich die Politisierung des Alltagslebens
und die Freiheit von organisationspolitischer Weisungsgebundenheit schätzen
lernte (und dies auch heute noch tue), so sehr missfielen mir andere Aspekte des
Politikverständnisses der autonomen Szene....weiter
Robert
Foltin: Das Kochen organisieren
Ich lehne nicht
jede Form der Organisierung ab, allerdings gewisse politische Formen der
Organisation. Ich bin dafür, dass sich die Protagonist_innen so genannter
„Einpunkt-Bewegungen“ koordinieren, dass mehr Diskussionen stattfinden. Ich bin
aber skeptisch, wenn versucht wird ein „gesamtgesellschaftliches“ Konzept
darüber zu stülpen. Jeder einzelne Kampf für eine emanzipatorische Veränderung
zielt „aufs Ganze“, auf den Kapitalismus....weiter
Dieter A. Behr:
Zur Notwendigkeit der politischen
Neu-Ausrichtung von transnationaler Organisierungs- und Solidaritätsarbeit
Kampagnen an der Schnittstelle von
antirassistischen sowie klima- und landwirtschaftspolitischen Netzwerken
zwischen Europa und Afrika
Angefangen mit
dem Algerienkrieg Ende der 1950er Jahre hat die Solidarität mit antikolonialen
Befreiungsbewegungen in Ländern des globalen Südens mindestens 30 Jahre lang
eine äußerst wichtige Rolle in der (westeuropäischen) Linken und ihren
Vorstellungen von globaler Organisierung gespielt. Der Protest gegen den Krieg
in Vietnam, die Unterstützung afrikanischer, asiatischer und
lateinamerikanischer Befreiungsbewegungen, von Kambodscha und Laos über den
Kongo, Angola, Zimbabwe, bis El Salvador und Nicaragua sowie die Organisierung
von breit angelegten Kampagnen – beispielsweise gegen das südafrikanische
Apartheidsregime oder gegen den Putsch Pinochets in Chile – sind aus den
Biographien mehrerer Generationen Linker nicht wegzudenken....weiter
Benjamin Opratko und Stefan Probst:
Äquivalenzketten und Überraschungseier.
Zu Form und Funktion linker Organisierung
Die anhaltende
Bedeutungslosigkeit der politischen Linken in Österreich hat in den letzten
Jahren dazu geführt, dass in verschiedenen Teilen derselben über die
Notwendigkeit und (Un-)Möglichkeit neuer „Organisierung“ diskutiert wird.[1]
Die Initiative zur „Superlinken“ steht in diesem Zusammenhang, will sie doch
nicht weniger als einem Projekt mit klar antikapitalistischem Profil, das zur
Umwerfung aller Verhältnisse, in denen der Mensch „ein erniedrigtes, ein
geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Marx) beitragen
will, „gesellschaftliche Bedeutung“ zu verleihen (vgl. Superlinke 2010)....weiter
Michael Wolf: Über die Zurichtung von Arbeitskraft im Zeitalter des
Neoliberalismus oder
Was haben ›Bologna-Prozeß‹ und Hartz IV gemein?
Im Sommer
vergangenen Jahres erschien in der Süddeutschen Zeitung ein Artikel, in dem
Gustav Seibt sich mit der Frage befaßt, ob die ›Bologna-Prozeß‹ genannte
Hochschulreform nicht dem gleichen »Geist« (Seibt 2009) entstammt wie die
Hartz-IV-Reform. Seibts Antwort ist ein unmißverständliches Ja. Und doch
ist sie etwas unbefriedigend, da er sein Ja mehr assoziativ denn systematisch
begründet, was aber nicht heißt, daß Seibts Überlegungen nicht
Plausibilität für sich in Anspruch nehmen können. Im Gegenteil. Sobald man sich
der Mühe unterzieht, sich mit Seibts These etwas intensiver
auseinanderzusetzen, kommt man nicht umhin einzugestehen, daß zwischen der
Hochschul- und Arbeitsmarktreform ein innerer Zusammenhang existiert....weiter
Günter Buchholz: Wirtschaft
Grundlagen, Geschichte, Perspektiven
Jede menschliche
Gesellschaft muss auf der Grundlage der jeweiligen natürlichen Bedingungen und
der von den vorhergehenden Generationen geschaffenen Umständen eine nachhaltige
Lebenserhaltung anstreben und verwirklichen. In biologischer Hinsicht gehört
hierzu die Fortpflanzung der Gattung sowie die Bewahrung der natürlichen
Existenzgrundlagen, in wirtschaftlicher Hinsicht die Organisation der
gesellschaftlichen Arbeit. Denn durch gesellschaftliche Arbeit werden die
notwendigen Mittel zur Lebenserhaltung erzeugt: Nahrung, Kleidung, Behausung
sowie Mittel und Werkzeuge der Arbeit selbst decken die Grundbedürfnisse der
Menschen und ermöglichen darüber hinaus ihre Entwicklung und kulturelle
Entfaltung in gesellschaftlicher Praxis....weiter
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