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Liebe Leserinnen und Leser, Kommunismus! Der Schriftzug auf dem Umschlag dieser Ausgabe verweist auf den auszugsweisen Abdruck einer Textpassage aus dem Buch Kommunismus 2.0 von Martin Birkner, Mitherausgeber dieser Zeitschrift. Zugleich geht es uns darum, diesen Begriff erneut zu rehabilitieren, ihn von üblichen Verzerrungen und falschen Identifikationen loszulösen und auf die Aktualität der Möglichkeit eine freie Gesellschaft jenseits von Kapital und Staat zu verwirklichen zu verweisen. Kommunismus eben. Mit dem Ringen um einen aktuellen Übergang zum Kommunismus war auch stets der italienische Operaismus verbunden...weiter Martin Birkner: Revolutionäre Subjekte & Organisation* KommunistInnen sind eine kleine Minderheit der politisch Aktiven, gesellschaftliche Umwälzungen von unten erfordern jedoch Massenbewegungen. Es ist also notwendig, breite Allianzen zu schmieden, um grundlegende Veränderungen gesellschaftlicher Strukturen durchzusetzen. Das bedeutet nicht, dass soziale Bewegungen per Willensentscheid ins Leben gerufen werden könnten. Bei aller Wichtigkeit vorbereitender Gruppierungen und Strukturen gehorchen Massenbewegungen eigenen Gesetzen und können nicht vorherbestimmt oder gar strategisch geplant werden. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – ist es wichtig, die Zusammensetzung sozialer Bewegungen zu analysieren und Bündnispartner für kommunistische Kräfte auszumachen. In den gegenwärtigen Bewegungen können zwei Strömungen ausgemacht werden, die sich quer zu den historisch bekannten Grenzlinien der ArbeiterInnenbewegung (reformistisch / revolutionär) unterscheiden. ...weiter Dominik Götz: Mario Tronti und die Entwicklung des italienischen Operaismus „Der offene Widerspruch der operaistischen Tradition […] und der politischen Philosophie der Multitude, die ihr gefolgt ist – der Widerspruch der trotzdem den grundlegenden Marxschen Einsichten treu bleibt – ist die doppelte Bekräftigung, einerseits der integralen Immanenz kapitalistischer Verhältnisse im Sozialen (einer grundlegenden Vergesellschaftung der Produktion) und andererseits der Radikalisierung des Antagonismus von Kapital und Arbeit. Reelle Subsumption manifestiert sich als eine irrationale Befehlsform und kündigt die Möglichkeit einer kommunistischen Aneignung der Produktion an. Heruntergebrochen ist das Problem jenes der Verwirklichung des Kommunismus in der Situation eines fortgeschrittenen, dynamischen Kapitalismus, in dem politische Krisen und [Klassen]antagonismus in keiner Weise notwendig mit Knappheit und Stagnation verbunden sind (veranschaulicht durch die Tatsache, dass das goldene Zeitalter von FIAT in Italien mit gewaltigen Arbeiterkämpfen verbunden war, welche die Fabriken selbst involvierte, während der Konzern in der Zeit relativen sozialen Friedens der 80er und 90er Jahre eher kontinuierlich schwächer wurde und schließlich kollabierte).“...weiter
Andreas Exner: Wem gehört der Acker? Seit einigen Jahren werden auch in deutschsprachigen Ländern Bewegungen für eine Solidarische Landwirtschaft stärker sichtbar. Am prominentesten in dieser Hinsicht ist wohl der CSA-Ansatz, zumindest ein erster Schritt in diese Richtung. CSA steht für das englische Community Supported Agriculture, wörtlich übersetzt also eine von der Gemeinschaft unterstützte Landwirtschaft. Wo liegen ihre Potenziale, wo die Grenzen – und wie könnte eine Perspektive für eine solidarische Landwirtschaft in Mitteleuropa aussehen?...weiter Robert Foltin: Geschichtsphilosophie und soziale Bewegungen Ich habe ein Buch über die Geschichte sozialer Bewegungen in Österreich geschrieben (Und wir bewegen uns doch 2004, zwischen 1968 und 2000) und eine Fortsetzung davon (Und wir bewegen uns noch, 2011). Auch in meinen anderen Texten nehme ich Bewegungen und Entwicklungen als Beispiele um die Veränderungen des Kapitalismus zu beschreiben: eine Einführung in den so genannten Postoperaismus (2006, gemeinsam mit Martin Birkner) und diese Theorie aus einem queer-feministischen Blickwinkel (Die Körper der Multitude, 2010). So werde ich manchmal in Schubladen gesteckt, mit denen ich gar nicht glücklich bin wie „Sozialwissenschaftler“ oder „Bewegungsforscher“. Mit diesem Text will ich meine Methode und deren philosophische Grundlagen offenlegen. In den historischen Beschreibungen beziehe ich mich auf den „Postoperaismus“, wie er in Empire, Multitude und CommonWealth von Michael Hardt und Toni Negri dargelegt wurde. Ich zitiere auch gerne eine Reihe vonDenker_innen, die als „poststrukturalistisch“ gelten wie Judith Butler, Michel Foucault oder auch Gilles Deleuze und FelixGuattari. In meiner Herangehensweise bin ich trotzdem von Georg Friedrich Wilhelm Hegel beeinflusst – oder besser, einer materialistischen Interpretation von Hegel, die sich praktisch nie in direkten Zitaten ausdrückt, aber implizit immer einfließt....weiter
Miriam Gil: Simone de Beauvoir und ihr sozialgeschichtliches Sachbuch „Das
andere Geschlecht“ Zum Begriff der „existenzialistischen Ethik“ im Widerstreit mit katholischen Argumenten in einer seit Jahrtausenden von starren Vorurteilen geprägten Geschlechterbetrachtung Das Buch birgt zwei Bücher in sich: als erster Teil werden „Fakten und Mythen“, als zweiter die „Gelebte Erfahrung“ präsentiert. „Auf dem Weg zur Befreiung“, das letzte Unterkapitel des zweiten Buches beginnt mit der Überschrift „Unabhängigkeit“ und endet mit der Attestierung an die Welt sie hätte den Frauen ihre Möglichkeiten bisher unterdrückt – nun sei es jedoch „hohe Zeit“ endlich auch ihnen all diese zu eröffnen. Thema ist nicht „Das Kapital“, es ist nicht der flächendeckend durchgesetzte Ausschluss von den potentiellen „Waren“ – es ist „das andere Geschlecht“, und zwar auf solch konsequente Art und Weise, dass man sich schier verneigen möchte erkennt man an, wie belesen die Beauvoir doch gewesen. Bekanntermaßen hat die Simone viel Zeit mit Sartre verbracht und so „wie die Emanzipation des Weibes schlussendlich Hand in Hand mit der des Mannes einhergeht“, so haben sie zusammen gearbeitet und gelebt, so gut sie es eben konnten und mit dem was sie eben so hatten, bis es dann irgendwann einmal vorbei war. Lesen kann man sie beide noch und auch eigenständige Urteile fällen, - dies ist ein Versuch sie dem interessierten Leser in ihrer Abwesenheit näherzubringen: wer Lust hat mehr zu erfahren der habe an dieser Stelle eine Empfehlung zu Füßen gelegt, wer es ganz genau wissen möchte der solle allerdings das Hauptwerk des alten Marx nicht beiseite legen. Auch er arbeitet in der Beauvoir und diese hat gearbeitet, obwohl sie scheinbar wahrscheinlich nie richtig durfte...weiter
Gabriele Michalitsch: Politische Geschlechter-Arithmetik: Die Regierung der Zahl „Die Ideologie versteckt sich in der Wahrscheinlichkeitsrechnung“ (Horkheimer/Adorno 1997 [1944], 167), formulierten Horkheimer/Adorno in der Dialektik der Aufklärung mit Bezug auf die moderne Statistik. Dieser „Ideologie“ gehe ich im vorliegenden Beitrag am Beispiel der Geschlechterverhältnisse nach, um aufzuzeigen, wie mit Hilfe von Statistik Geschlechter regiert werden. Statistik, so die Ausgangsthese, leitet den herrschenden Blick auf geschlechtsspezifische Ungleichheiten an, formiert solcherart Wissen über Geschlechterrelationen und stellt so eine wesentliche Dimension der Produktion von Wahrheit dar, mittels derer Macht ausgeübt wird...weiter |
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