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Editorial wie Ihr sicher schon bemerkt habt, haben wir uns entschlossen das von Lisa Bolyos entworfene grafische Konzept unserer Türkei/Kurdistan-Sondernummer gleich weiter zu verwenden. Ein Relaunch also! Apropos Sondernummer: Die stieß auf große Resonanz, was uns natürlich sehr freut. Auch die Heftpräsentation war überdurchschnittlich gut besucht und inhaltlich spannend – solche Diskussionen wünschen wir uns öfters! Entschuldigen müssen wir uns noch wegen eines Fehlers in der Nr. 30: Der Artikel von Pelin Tan: „Istanbul: Widerstand im Stadtteil und gegenkultureller Raum“ ist bereits in „dérive Zeitschrift für Stadtforschung 33“ von Oktober 2008 auf Englisch erschienen und wurde von uns übersetzt. Einige Restexemplare sind übrigens noch erhältlich, zögert also nicht mit (Nach)Bestellungen. Wir jedenfalls planen ab sofort jede zweite grundrisse-Ausgabe als Schwerpunktnummer herauszubringen. Und hier ist auch schon der Call for Papers/Ideas: Die Nummer 32 wird sich nämlich mit den Zusammenhängen von Revolten/Aufständen und der globalen Krise auseinandersetzen. Zweckdienliche Hinweise bitte an redaktion /at/ grundrisse /punkt/ net!...weiter
Eva Kaufmann:
Millionen und Abermillionen potentieller ALICES Einleitung „Der Teufel ist auf die Erde zurückgekehrt, in vielfältigen Erscheinungen. Der Teufel ist Alice, ist der totale Angriff auf den Staat der Unterdrückung, ist unser Lächeln, ist unser Geist, der denkt, der Teufel ist unser Körper, immer schöner und freier, fähig zu lieben. Heute ist der Teufel hier, und es ist sinnlos, ihm den Hof zu machen, er hat tausend Gesichter, verändert ständig den Ausdruck, wühlt sich durch die Städte, die Stadtteile, die Fabriken, die Schulen, wie eine wilde Katze.“ Den zentralen Text für diesen Artikel bildet ein Vorwort von Félix Guattari für das „Kollektiv A/traverso: Alice ist der Teufel“ mit dem Titel „Millionen und Abermillionen potentieller Alices“. Bei diesem 1977 erschienen Buch handelt es sich um eine Sammlung von Texten aus der gleichnamigen Zeitschrift und aus Texten der im freien Radio ALICE übertragenen Sendungen....weiter Diedrich Diederichsen: Kreative Arbeit Die Idee einer Kreativen Arbeit gilt gemeinhin dem Kapital und seinen Investoren als viel versprechend, weil der in ihr enthaltene Begriff der Schöpfung, der Schöpferischen mit dem Versprechen einer Produktion von Wert aus nichts, einer creatio ex nihilo zu wedeln scheint. Kreativität ist Zauberei – das Gegenteil einer Abarbeitung und Bearbeitung vorgefundenen, vorproduzierten, stets Widerstand leistenden Materials. Die Erfindung, die Geschäftsidee, der Slogan, das Kunstwerk, die Designlösung brauchen, so die Vorstellung, keine teure materielle Voraussetzung, um ihrerseits materielle Folgen zu erzielen. Die Maschinen, Fabrikhallen, Grundstücke, Fuhrparks und Zugangsrechte und all die anderen Voraussetzungen von Produktion können gen Null schrumpfen. Der autopoietische Hirnschmalz verspricht hingegen himmlische Renditen....weiter
Michael Wolf:
Die Organisierung des sozialen Krieges: Schon immer ist Arbeitslosigkeit Gegenstand politischer Kämpfe und öffentlicher Dispute gewesen – und dies hinsichtlich wenigstens zweier Momente. Das erste Moment ist bezogen auf die Frage nach der Existenz von Arbeitslosigkeit, thematisiert also deren Definition und Verursachung. Das heisst, es fragt danach, was unter Arbeitslosigkeit zu verstehen ist und von wem, den Käufern oder den Verkäufern von Arbeitskraft, Arbeitslosigkeit verursacht wird. Indem es die Frage nach der Bewertung von Arbeitslosigkeit aufwirft, ist das zweite Moment hingegen normativer Art. Von zentraler Bedeutung ist hier, ob Arbeitslosigkeit positiv oder negativ konnotiert und damit in der Konsequenz als ein Problem begriffen wird, das gesellschaftlich und politisch als inakzeptabel gilt und deswegen beseitigt oder doch zumindest entschärft werden soll. Dieser eigentlich recht triviale Sachverhalt, dass Arbeitslosigkeit nicht ,an sich‘ existiert, sondern sozial konstruiert und definiert wird, wenn auch mit Rückbezug auf ,objektive‘ soziale Phänomene, führt dazu, dass erst im politischen Prozess auf der Basis von Machtstrukturen und gegensätzlichen Interessenlagen in einem stets prekären und instabilen Interessenkompromiss entwickelt und selektiv festgelegt wird, ob überhaupt und in welcher Art und Weise Arbeitslosigkeit auf der politischen Agenda als Gegenstand erscheint....weiter
A.M.: Die neoliberale Repression Namens Multikulturalismus Die Frage der Multikulturalität – in seiner gesteigerten Form des Politischen: die Frage des Multikulturalismus – hat in einer Zeit, in der sich das Herrschaftliche nun schon seit längerem unter dem Begriff der »Globalisierung« sammelt, neben anderen »identitären Fragen«, einen besonderen Stellenwert eingenommen. Die Frage der Identitäten stellt sich ein Text von Slavoj Žižek unter dem Titel »die repressive Toleranz des Multikulturalismus«, aus seinem ebenso merkwürdig betitelten Buch: »Ein Plädoyer für die Intoleranz«. Die folgende Untersuchung will Žižeks Versuch auf den Grund gehen, die Oberflächlichkeiten im Diskurs über Multikulturalismus zu durchleuchten, ihn noch mal zu Wort kommen lassen, ihn verstehend wiedergeben; mit ihm soll jenen Gedankengängen gefolgt werden, die oftmals als psychoanalytischer Marxismus verstanden wurden, der einerseits mit Hegel und Marx - der Dialektik der politischen Ökonomie- anderseits mit Freud und Lacan - dem unbewussten Sehnen nach dem verlorenen Objekt, der Leere nachgeht....weiter Karl Reitter: Bemerkungen zum Buch „Der neue Geist des Kapitalismus“ von Luc Boltanski und Ève Chiapello Erschienen ist dieses voluminöse Werk in französischer Sprache bereits 1999, eine erste Übersetzung ins Deutsche im Jahr 2003, eine Taschenbuchausgabe 2006. [Die Zahlen in runden Klammern beziehen sich auf die Seiten dieser Ausgabe.] Die erste Welle der zumeist akademischen Rezeption ist verebbt, was rechtfertigt nun eine etwas verspätete Rezeption? Aus der zeitlichen Distanz wird deutlich, dass dieses Buch in den Kontext zweier anderer, ebenfalls umfangreicher Werke zu stellen ist: 2000 erschien „Empire“ von Hardt und Negri sowie die Trilogie von Manuel Castells „The Rise of the Network Society“ (1996), „The Power of Identity“ (1997) sowie „End of Millennium“ (1998). (Deutsch 2001, 2002, 2003). Die zeitliche Nähe war kein Zufall. Die Staatsplanwirtschaft in Osteuropa war Geschichte, die Transformation des Fordismus in den Postfordismus vollzogen, die neuen Kommunikationstechnologien, insbesondere das Internet bereits massenhaft in Verwendung. Wenn auch die Intentionen, Methoden und das politische Kalkül dieser Werke unterschiedlich war, so bezogen sich doch alle auf ähnliche Phänomene: nämlich auf die sich in netzwerkartigen Strukturen organisierende Gesellschaft, auf die Bedeutung von Wissen und Information sowie auf die offensichtliche Erosion jener Trennungen, die die Phase bis Ende der 60er Jahre gekennzeichnet hatte: Die Scheidung von Arbeit und Freizeit, von Job und Privatleben sowie von Ausbildung und Arbeit schien tendenziell aufgehoben. Kaum ein Begriff war ohne Präfix wie Neo- oder Post- zu haben. Der Kapitalismus schien sich zu erneuern, aber in welche Richtung und durch welche Dynamik? Rund zehn Jahre später ist es möglich, eine erste Bilanz zu ziehen und somit auch diese Werke erneut einzuschätzen....weiter Alfred Müller, Günter Buchholz: Ein Vergleich von Neoklassik, Keynesianismus und Marxismus Alle Mitglieder der Gesellschaft sind von wirtschaftlichen Einflüssen und von der staatlichen Wirtschaftspolitik direkt betroffen. Es ist daher für alle Wirtschaftsinteressierte wichtig und interessant zu verstehen, worin die Gemeinsamkeiten und worin die Unterschiede der wirtschaftstheoretischen Modelle bestehen. Erst durch die Kenntnis dieser Denkschulen lassen sich die abweichenden Erklärungen und daraus abgeleitet die kontroversen Handlungsanweisungen für die Wirtschaftspolitik, von denen Laien häufig verwirrt werden, verstehen, einordnen und bewerten. Die hier vorgelegte kommentierte tabellarische Übersicht soll dafür eine Orientierung bieten und das Verständnis für wirtschaftliche Theorieansätze fördern....weiter |
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