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Robert Foltin Es sind nicht die USA The
importance of the Gulf War derives rather from the fact that it presented the
United States as the only power able to manage international justice, not as
a function of its own national motives but in the name of global right.
(Hardt / Negri: Empire, S. 181) Every
imperial war is a civil war, a police action [...] In fact, the seperation of
tasks between the external and the internal arms of power (between the army and
the police […]) is increasingly vague and indeterminate. (Hardt / Negri:
Empire, S. 189) Die monströsen Terroranschläge vom 11.9.2001 haben ein vermeintliches Zentrum des Weltkapitalismus getroffen. In Wirklichkeit ist es dabei nur um ein Symbol gegangen, das eher in islamischen und antiimperialistischen Projektionen existiert als in der Realität. Das World Trade Center war zwar ein Ort, wo sich zufällig viele eher privilegierte Menschen aufgehalten haben, aber der Kapitalismus braucht heute keine festen Orte mehr und er besteht auch nicht in irgendwelchen Grenzen einer Nation. Die
Welt ist dabei, sich zu verändern und das schon vor dem 11.9. Wir stecken jetzt
in einem Übergang zu einer Weltkonstitution, die Nationalstaaten verlieren an
Bedeutung. Es gibt kein Außen mehr, d.h. natürlich gibt es die Nichtstaaten
wie Somalia und Sierra Leone (auch Afghanistan war bisher so ein Staat), wo es
nur noch darum geht, das Chaos nicht nach außen schwappen zu lassen. Aber diese
Ausnahmen bestätigen die Regel. Wir steuern auf eine Weltinnenpolitik zu, die
im Interesse des Kapitalismus ist, aber noch keine Konstitution gefunden hat.
Ein Symptom dafür ist die steigende Geringschätzung des auf Nationalstaaten
bezogenen Völkerrechts. Wurde es im zweiten Golfkrieg 1991 noch formal
eingehalten, konnte das „Empire“ (die aktuelle Form der gesellschaftlichen
und - erst teilweise entwickelten - institutionellen Institutionen) 1999
Jugoslawien bereits ohne Rücksicht auf völkerrechtliche Konventionen
bombardieren. Krieg und Verwaltung folgte dann aus „moralischen“ Motiven,
aufgeteilt zwischen militärischen, Verwaltungs- und NGO-Strukturen. Der militärische
Einsatz erfolgte nicht aus irgendwelchen nationalen politischen und ökonomischen
Interessen, sondern um Ordnung zu schaffen, so wie die Polizei in einem aufständischen
Getto agieren würde. Was
die USA von anderen westlichen Staaten noch unterscheidet, sind die militärischen
Möglichkeiten, die noch aus der Führungsrolle im Kalten Krieg stammen.
Insofern kommen nur sie als Weltpolizist in Frage. So spielten sie in den
letzten „kriegerischen“ Auseinandersetzungen (die aber immer stärker als
Polizeiaktionen betrachtet werden können), eine dominierende Rolle. Was aber
nicht heißt, daß sie nicht durch andere Mächte wie Europa (Deutschland) abgelöst
werden können, wie jetzt teilweise in Jugoslawien. Dieser
größte Terroranschlag in Friedenszeiten hat den Blick ganz auf die USA
geworfen. Der öffentliche Diskurs in Europa dreht sich dabei dabei zwei Themen:
(1) wir sind alle betroffen (2) hoffentlich lassen sich die AmerikanerInnen
nicht von der Rache hinreißen und wir EuropäerInnen müssen sie bremsen. Der
erste Punkt trifft teilweise einen richtigen Kern, denn wir alle leben im Empire
und ein Großteil der Menschen in Europa kann es sich vorstellen und kann es
sich leisten, nach New York zu fliegen und dort einen Wolkenkratzer zu besuchen.
Der zweite Teil hat mit europäischer Arroganz zu tun, so wie wenn es bei den
durchschnittlichen ÖsterreicherInnen keine Rachegefühle und keinen Rassismus gäbe.
Jetzt
gibt es den militärischen Schlag der USA und Großbritanniens mit (zum Großteil
passiver) Unterstützung fast aller Staaten der Welt. Er wird sich
wahrscheinlich mit Kommandoaktionen kombiniert, und es ist unzweifelhaft, daß
der Westen „gewinnen“ wird. Der Sieg des Westens wird aber ein Sieg sein,
der zukünftige Konflikte verschärft oder erst produziert. Es werden sowohl
neue antiamerikanische Ressentiments geschürt und neue TerroristInnen
produziert, aber es werden auch Kräfte unterstützt werden, die kaum besser als
die Taliban sind. Die „Lösung“ eines Problems wird jeweils dutzende neue
schaffen. Es wird meistens das Gegenteil passieren, was die Rethorik und der
Medienchor behauptet - Jugoslawien läßt grüßen. (Trotz aller gegenteiligen
Rhetorik hat der Westen die ethnische Fragmentierung beschleunigt, jetzt wird
gerade Mazedonien, der vorletzte multinationale Staat aus dem ehemaligen
Jugoslawien durch westliche Intervention ethnisch geteilt. Der letzte
multiethnische Staat bleibt noch Jugoslawien mit Serbien und Montenegro.) Es
zeigt sich immer mehr, daß der Feind des Empire das Empire selbst ist. Die
Hauptfeinde oder das „Böse“ sind nicht mehr außerhalb des Systems wie im
Kalten Krieg der Kommunismus mit seiner Subversion, sondern sie werden vom
System selbst aufgebaut, und zwar entweder projiziert oder selbst bewaffnet und
dann überflüssig und unkontrollierbarr geworden. Die
Anschläge vom 11.9. werden eine Entwicklung in eine bestimmte Form der Machtausübung
beschleunigen. Ganz egal wie der Krieg in Afghanistan ausgeht, es werden
weltweit immer mehr internationale Truppen für Polizeiaktionen stationiert
werden, wobei das nicht notwenigerweise die USA oder die Nato sein müssen, es
kann sich auch um andere multinationale Institutionen wie die UNO oder die OSZE
handeln. Dieser Terroranschlag hat gezeigt, daß auch die Metropolen in Zukunft
nicht sicher sein werden (auch wenn die Reichen, die sich immer mehr einmauern,
immer weniger betroffen sein werden als große Teile der anderen Bevölkerung,
der Anschlag auf das World Trade Center war bloß eine Ausnahme). Im Empire
werden wir in eine Situation kommen, wo immer „Frieden“ herrscht, wo es aber
keinen Tag ohne Krieg an irgendeinem Ende der Welt geben
wird, wo SoldatInnen aller Bevölkerungen, eben auch der Metropolen
beteiligt sein werden. Es wird kein feindliches Territorium mehr geben,
aber zugleich wird die ganze Welt zu einem feindlichen Territorium, wo
TerroristInnen jederzeit zuschlagen können. Das könnte dann der teilweise
zitierte „dritte Weltkrieg“ sein. Da das Empire sich ja nicht selbst als
subversiven Feind darstellen kann, muß es einen Feind produzieren, der
einerseits total schwach ist (um der Öffentlichkeit die Möglichkeit eines
Sieges vorzugaukeln) zugleich aber übermächtig um Überwachung,
Polizeiaktionen und militärische Einsätze rechtfertigen zu können. Für
die sozialen Bewegungen, die in letzter Zeit wieder stärkeres Gewicht bekommen
haben (von der Anti-Regierungsbewegung in Österreich über Seattle bis Genua),
ist das eine erschreckende Perspektive. Entwicklungen in Richtung Überwachungsstaat
und rassistische Verschärfungen, die bisher nur schleichend eingeführt werden
konnten, werden jetzt ohne großen Widerstand durchgesetzt. Teilweise hat es
nicht einmal mit dem „Kampf gegen den Terror zutun wie das so genannte
„Integrationsgesetz“, das MigrantInnen zu Deutschkursen zwingt oder die
Verschärfungen des Asylrechts. In Kriegssituationen ist es noch leichter,
Feindbilder zu produzieren, einerseits sind das jetzt die Moslems, die
AraberInnen, Kopftuchträgerinnen, AsylantInnen oder einfach anders aussehende,
andererseits sind es die „arroganten“ AmerikanerInnen (wenn es nicht überhaupt
„die von der Ostküste“ oder „die Juden“ sind). Jede
Auseinandersetzung um soziale Bedingungen verschwindet in der Polarisierung des
„Krieges“. Die eigenen Bedürfnisse werden im gemeinsamen „Kampf gegen den
Terrorismus“ hintangestellt. Es ist zu erwarten, daß es nicht nur in Bezug
auf Repression und Rassismus zu Verschärfungen kommt, sondern auch in Bezug auf
soziale Bedingungen: wie unwichtig erscheinen schlechtere Arbeitsbedingungen,
mehr Ausgaben (z.B. Studiengebühren), Erwerbslosigkeit oder Einschränkungen
der Sozialleistungen in Relation zum Schrecken des Krieges. Außerdem ist es
leichter, wirtschaftliche Probleme nicht auf den Kapitalismus zu beziehen,
sondern den Terror, den Feind, den Krieg im allgemeinen dafür verantwortlich zu
machen. Uns
sollte es darum gehen, aus dieser Lähmung herauszukommen. Das bedeutet
kurzfristig, gegen die Kriegsmaßnahmen Opposition zu zeigen, sich nicht in das
Gut-Böse-Schema drängen zu lassen. Antiamerikanische Ressentiments begeben
sich auf die gleiche
Ebene der Feindbilder wie antiarabischer oder antimuslimischer Rassismus und
verdecken das kapitalistische Herrschaftsverhältnis hinter den unbewußt
positiv gesehenen Europäern (Deutschen). Das Empire ist weltweit und nicht die
USA. Wir müssen uns gegen jede Vereinheitlichung und Unterordnung unter
irgendeinen Kampf wehren. Jede Frontbildung für eine Seite, ob „gegen den
Terror“ oder „gegen den Imperialismus“ ist fatal. Wir würden nur einen
Kampf des Empire gegen sich selbst unterstützen. Längerfristig müssen die
Auseinandersetzungen außerhalb des Krieges geführt werden, auf der Ebene der
Vielfalt der Bedürfnisse der Menschen weltweit. Vor den Anschlägen kämpfte in
Argentinien die Bevölkerung gegen die Sparmaßnahmen der Regierung, in Bolivien
sind die Kokabauern kurz vor einem Aufstand gestanden, in Südkorea wurde um
Gewerkschaftsrechte gekämpft, in vielen Weltmarktfabriken des Trikont hat es
Auseinandersetzung um gewerkschaftliche Organisierung gegeben. Auch in Südafrika
hat es Widerstand gegen Austeritätsmaßnahmen der Regierung gegeben und in
Algerien haben kabylische Jugendliche sowohl gegen die korrupte Regierung wie
auch gegen die IslamistInnen rebelliert. Das sind nur einige der spektakulären
Auseinandersetzungen, die ihren Niederschlag bis in die Medien der Metropolen
gefunden haben. Daneben gibt es weniger auffällige Kämpfe von Homosexuellen in
Südafrika, Zimbabwe, Ägypten und China. Frauen organisieren sich im Iran, in
Indien und Bangladesh für kulturelle und soziale Verbesserungen. Und auch in
den USA, Kanada, Europa und Australien hat sich seit Seattle eine Bewegung
gebildet, die antikapitalistische Elemente in sich hat, ohne die Vielfalt und
Verschiedenheit der Bedürfnisse an den Rand zu drängen. Und diese Vielfalt
(diese Multitude) soll sich jetzt einer Vereinheitlichung in den „Kampf gegen
den Terror“ (oder auch gegen den Imperialismus) unterordnen? In Österreich würden ebenfalls eine
Reihe von Auseinandersetzungen anstehen, ob es um Arbeitsbedingungen
geht, um Terror gegen Erwerbslose, Studiengebühren etc. Es sollte doch möglich
sein mit den antikapitalistischen Elementen der Bewegungen von Seattle bis
Genua, von Bangalore bis Cochabamba zu einem neuen Internationalismus zu kommen.
„Frieden und Brot“ waren die Parolen der revolutionären Bewegungen im
ersten Weltkrieg. Gegen den Krieg. Gegen
rassistische und antisemitische Feindbilder Gegen
Einschränkung der Bürgerrechte und gegen den Überwachungsstaat. Die
Vielfalt unserer Bedürfnisse gegen den Staat, gegen den Kapitalismus, gegen das
Empire. Ursprünglich
veröffentlicht in: Context XXI |
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