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Jürgen Arz: Zur Entwicklung von Wissenschaft und Geschichtsphilosophie bei  Marx

Das Wesen der Dinge liebt es, sich zu verbergen
Heraklit. 

Vorbemerkung[1]

Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist zunächst die Kritik der politischen Ökonomie, wie wir sie in den verschiedenen Entwürfen zu Marxens Hauptwerk „Das Kapital“ und in diesem selbst vorfinden und über deren Gegenstand er sich folgendermaßen äußert: „Die Arbeit, um die es sich zunächst handelt, ist Kritik der ökonomischen Kategorien oder, if you like, das System der bürgerlichen Ökonomie kritisch dargestellt. Es ist zugleich Darstellung des Systems und durch die Darstellung Kritik desselben.“[2] Marx beansprucht darin, es sei „der letzte Endzweck dieses Werks, das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen“,[3] d.h. den Kern des menschlichen Lebensprozesses, Produktion und Reproduktion des Lebens wissenschaftlich zu erklären. Mit dieser Kritik der politischen Ökonomie – wir würden heute Volkswirtschaftslehre[4] sagen - unternahm er nach eigenem Bekunden „wissenschaftliche Versuche zur Revolutionierung einer Wissenschaft“.[5]

 Diese Versuche verliefen in mehreren Etappen mit unterschiedlichen philosophischen Ansätzen und methodischen Instrumentarien von den „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten“ (entstanden Juni –August 1844, auch „Pariser Manuskripte“ [PM] genannt) bis zu dem Manuskript „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. Rohentwurf“ (entstanden Oktober 1857 – Mai 1858) als eines ersten Entwurfs zu seinem späteren Hauptwerk „Das Kapital“. Da beide Manuskripte bis weit ins 20. Jahrhundert unveröffentlicht blieben, wurden deren Unterschiede zunächst kaum thematisiert, denn alles schien mehr oder weniger linear auf das endgültige Ergebnis „Kapital“ hinauszulaufen. Selbst die Publikation der PM 1932 im Rahmen der ersten Marx Engels Gesamtausgabe (MEGA),[6] die ein Kapitel mit kritischen Bemerkungen zur Hegelschen Dialektik und Philosophie enthielten,[7] anderer Frühschriften und die darauf folgende Herausgabe der „Grundrisse“ in Moskau in den Jahren 1939-41, bei deren Ausarbeitung laut Marx „es mir großen Dienst geleistet, dass ich durch bloßen Zufall [im Original englisch: by mere accident - JA] (...) Hegels ‚Logik’ wieder durchgeblättert hatte“, [8] blieben mit wenigen Ausnahmen unbeachtet. Erst nach dem 2. Weltkrieg entstand dann eine Diskussion darüber, ob der „junge“ sich im „reifen Marx“ wiederfindet oder nicht, und wenn ja, wie. Dabei bildeten sich drei durchaus in sich heterogene Lager heraus:

  • Eine Richtung vertritt die Meinung, dass der „frühe“, der „humanistische“ Marx der PM, viel besser die philosophische Dimension seines Denkens dargestellt habe als der „späte ökonomistische“ Marx der „Grundrisse“ oder des „Kapital“ und die entweder den „alten“ dem „jungen Marx“ entgegenstellen, oder das „Kapital“ im Lichte der frühen Schriften wieder neu bewerten.[9]

  • Diejenigen, die zwischen beiden wissenschaftlichen Konzeptionen keinen bedeutsamen Unterschied sehen und schon in den PM das Wesentliche – wenn auch noch philosophisch formuliert – der Kritik der politischen Ökonomie als vorweggenommen betrachten.[10]

  • Und schließlich diejenigen, die einen Bruch unterschiedlichen Ausmaßes zwischen „jungem“ und „altem“ Marx feststellen, zwischen beiden Perioden Widersprüche ausmachen und deren extremste Vertreter die PM umstandslos als „vormarxistisch“ qualifizieren.[11] In allen drei Richtungen spielt das Verhältnis Hegel-Marx naturgemäß eine zentrale Rolle.

Marx als Junghegelianer

Von Haus aus war Marx eigentlich ein philosophischer Kopf: obgleich zunächst in Bonn, ab Herbst 1836 dann in Berlin in der juristischen Fakultät eingeschrieben, galt sein Interesse doch immer mehr den philosophischen Studien. Der Philosoph G.F.W. Hegel war bis zu seinem Tode 1831 Rektor der Universität Berlin gewesen und hatte dort eine zahlreiche Anhängerschaft hinterlassen. Einem dieser hegelianischen Zirkel aus Dozenten und Literaten, dem „Doktorclub“, schloss Marx sich an. Dessen Kopf Bruno Bauer bestritt die Evangelien als göttliche Offenbarung, charakterisierte die Religion als eine bestimmte, historisch jedoch überholte Stufe des menschlichen Selbstbewusstseins, deren Herrschaft als Ausdruck eines entfremdeten Zustandes und kritisierte vor allem Hegels Versöhnung von Philosophie und Religion. Marx stieg nun endgültig von der Jurisprudenz auf die Philosophie um und begann an seiner Doktorarbeit über „Die Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie“ zu arbeiten, die er 1841 nach seinem Abgang aus Berlin der philosophischen Fakultät der Universität Jena einreichte. Wie Marx, damals noch ganz in der junghegelianischen Tradition stehend, in seiner Dissertation ausführt, ist der entfremdete Zustand der Welt nur durch „philosophische Kritik“ zu überwinden. Diese Kritik hat sich an einer „Idee“ zu orientieren, die allerdings nicht moralisch begründet wird, sondern sich an einem durch Vernunft erkannten „Wesen“ messen lassen muss: „Es ist die Kritik, die die einzelne Existenz am Wesen, die besondere Wirklichkeit an der Idee misst.“[12] Und ganz charakteristisch ist für Marx dort noch die tätige Seite menschlicher Existenz eine vorwiegend theoretische.

Als frischgebackener Doktor der Philosophie kehrte er ins Rheinland zurück, begann mit neuen Studien zur Religions-, Kunst- und Rechtsgeschichte, arbeitete sich kritisch durch Hegels Rechtsphilosophie und schrieb zunächst als freier Mitarbeiter Artikel für die in Köln erscheinende liberal-bürgerliche „Rheinische Zeitung“, deren Redakteur er dann im Oktober 1842 wurde. Während dieser Tätigkeit kam er nach eigenem Bekunden zum ersten Mal „in die Verlegenheit, über sogenannte materielle Interessen mitsprechen zu müssen.“[13] U.a. wurde er mit der prekären Situation der Moselwinzer und den Debatten über Holzdiebstahl, Freihandel und Schutzzölle konfrontiert und hatte dabei dauernd mit der preußischen Zensur zu kämpfen, da der preußische Absolutismus auch über die eher frankophilen Rheinlande herrschte. Auch während seiner journalistischen Tätigkeit war Marx ohne Zweifel noch Junghegelianer und so fasste er denn auch den preußischen Staat nicht wie Hegel selbst und dessen Gefolgsleute als Verkörperung des „Vernunftstaats“ auf. Doch sieht er - an Hegel anknüpfend - im Staat noch eine Körperschaft über den Klassen, die nur dem Allgemeininteresse verpflichtet ist. Es gelte also nur innerhalb dieses Staates dessen Wesen zu verwirklichen, das identisch ist mit der „vernünftigen Freiheit (...), ein Werk, was die Philosophie vollbringt“, indem sie sie „aus der Vernunft der menschlichen Verhältnisse“ entwickelt.[14]

Gleichzeitig mit seiner Vorstellung von der „Verwirklichung der Philosophie“ verortet Marx aber die Philosophie als „nicht außer der Welt“ befindlich und fügt noch hinzu: „aber freilich die Philosophie steht früher mit dem Hirn in der Welt, ehe sie mit den Füßen sich auf den Boden stellt“.[15] Und bereits anlässlich einer Debatte um die Verarmung der Moselwinzer nimmt er zum ersten Mal Bezug auf die Objektivität gesellschaftlicher Zustände, ohne diese aber näher zu bestimmen und ohne deshalb sein hegelisch-idealistisches geschichtsphilosophisches Fundament in Frage zu stellen: „Bei der Untersuchung staatlicher Zustände ist man allzu leicht versucht, die sachliche Natur der Verhältnisse zu übersehen und alles aus dem Willen der handelnden Personen zu erklären. Es gibt aber Verhältnisse, welche sowohl die Handlungen der Privatleute als der einzelnen Behörden bestimmen und so unabhängig von ihnen sind als die Methode des Atemholens.“ [16]

Der Einfluss Feuerbachs

Im Verlauf seiner publizistischen Tätigkeit bis zum drohenden Verbot der „Rheinischen Zeitung“ und seiner Übersiedelung nach Paris Ende Oktober 1843, wurde Marx immer klarer, dass seine theoretischen Grundlagen einer Erneuerung bedurften, da sie durch die Konfrontation mit der staatlichen und ökonomischen Realität zunehmend obsolet geworden waren: Weder war der Armut der Moselwinzer mit den von ihm propagierten „geistigen Mächten“ beizukommen, noch ließ der preußische Obrigkeitsstaat sich durch den Vergleich mit dem „wahren Staat“[17] in eine wirkliche Volksvertretung umwandeln. Nach der Veröffentlichung von Feuerbachs „Vorläufigen Thesen zur Reform der Philosophie“ 1843 eröffnete sich für Marx mit dessen sensualistischem Materialismus die Möglichkeit einer Erneuerung seines wissenschaftlichen Instrumentariums und damit auch der Hegel-Kritik. Feuerbach löste den metaphysischen Hegelschen absoluten Geist in den wirklichen, sinnlichen Menschen auf und erklärte das Denken, den Geist – bei Hegel noch selbständiges Subjekt – zur Eigenschaft des wirklichen Menschen, der bei ihm allerdings nicht in einem gesellschaftlichen Praxiszusammenhang wurzelt, sondern immer gattungsbestimmtes Individuum in unterschiedlichen Entfremdungsstadien bleibt. Der Einfluss Feuerbachs schlug sich zum ersten Mal in dem Manuskript „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“ vom Sommer 1843 nieder,[18] noch stärker und ausdrücklicher in den in Paris entstandenen „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten“ vom Frühjahr 1844 und in der Schrift „Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik“, die er zusammen mit Engels im Herbst desselben Jahres verfasste.

Hegels Rechtsphilosophie zufolge soll die Zerrissenheit der bürgerlichen Gesellschaft im „Vernunftstaat“ aufgehoben werden. Marx unterzieht diese Theorie einer radikalen Kritik, indem er Hegel vorwirft, überall die Idee statt den wirklichen Menschen zum Subjekt zu machen: „Wichtig ist, dass Hegel überall die Idee zum Subjekt macht und das eigentliche, wirkliche Subjekt (...) zum Prädikat.“[19] Dem hält er im Anschluss an Feuerbach entgegen, dass der Staat als von der Gesellschaft getrennte Körperschaft „eine Trennung des politischen Bürgers, des Staatsbürgers, von seiner eigenen empirischen Wirklichkeit“[20] bedeutet, also Element einer Entfremdung vom sozialen Wesen der Gattung und Resultat statt Schlichter der existenziellen Widersprüche der wirklichen Menschen ist. Für Marx wurzelt daher der politische Staat in der „bürgerlichen Gesellschaft“ (ein Begriff Hegels) und kann demzufolge auch nicht besser sein als diese. Feuerbachs Anthropologie steht auch Pate, wenn Marx dazu übergeht, statt von der „armen“ Klasse (bei Hegel oft noch der „Pöbel“) vor allem in den PM von dem entfremdetsten Teil der Gesellschaft, vom Proletariat als dem historischen Subjekt der Emanzipation des Menschen zu sprechen, das er als außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft stehende Klasse definiert. In der sozialen Wirklichkeit kann er dessen Existenz nur feststellen, jedoch noch nicht aus ihr herleiten, d.h. über die Struktur der bürgerlichen Gesellschaft ist er sich noch keineswegs im Klaren. Diese Struktur erkennt er lediglich philosophisch als Widerspruch zwischen Wirklichkeit und anthropologisch vorgegebenem „Wesen“ und erhofft sich dessen Überwindung durch die bewusste Verbindung von Proletariat und Philosophie: „Wie die Philosophie im Proletariat ihre materiellen, so findet das Proletariat in der Philosophie seine geistigen Waffen (...). Die einzig praktisch mögliche Befreiung Deutschlands ist die Befreiung auf dem Standpunkt der Theorie, welche den Menschen für das höchste Wesen des Menschen erklärt (...). Der Kopf dieser Emanzipation ist die Philosophie, ihr Herz das Proletariat.[21]

Kontakt zur Arbeiterbewegung

Mit dem Kontakt zu dem französischen Publizisten und Ökonomen P.-J. Proudhon,[22] zu Arbeitergruppen in Paris (meist Anhänger Proudhons), ausgedehnten Studien zur Geschichte (u.a. der französischen Revolution), den ersten ökonomischen Studien (A. Smith, D. Ricardo, J.B. Say, James Mill u.a., alle in Französisch) und angeregt durch Engels’ Aufsatz „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie“[23] (mit dem ab September 1844 eine lebenslange Zusammenarbeit beginnt), versucht Marx zunächst, die jetzt von ihm so bezeichnete Nationalökonomie mit ihren immanenten Widersprüchen zu konfrontieren, ohne deren Kategorien grundsätzlich in Frage zu stellen. So weist er darauf hin, dass sie einerseits Eigentum mit eigener Arbeit begründet, andererseits aber gezwungen ist, die Eigentumslosigkeit der arbeitenden Klassen zu rechtfertigen:  „Stellen wir uns nun ganz auf den Standpunkt des Nationalökonomen (...). Er sagt uns, dass ursprünglich und dem Begriff nach das ganze Produkt dem Arbeiter gehört. Aber er sagt uns zugleich, dass in der Wirklichkeit dem Arbeiter der kleinste und allerunumgänglichste Teil des Produkts zukömmt.“[24] Für Marx ist diese Eigentumslosigkeit das Produkt einer Entfremdung der Arbeiter von den Produkten ihrer Arbeit, eine Entfremdung, die er mit dem Privateigentum identifiziert. Doch fasst er den Entfremdungsbegriff wiederum Feuerbach folgend und damit Hegel implizit kritisierend - für den Entfremdung letzten Endes in der Natur wurzelt - viel umfassender als eine Entfremdung vom menschlichen „Gattungswesen“: „Eben in der Bearbeitung der gegenständlichen Welt bewährt sich der Mensch daher erst wirklich als Gattungswesen. (...) Der Gegenstand der Arbeit ist daher die Vergegenständlichung des Gattungslebens des Menschen. (...) Eine unmittelbare Konsequenz davon, dass der Mensch dem Produkt seiner Arbeit, seiner Lebenstätigkeit, seinem Gattungswesen entfremdet ist, ist die Entfremdung des Menschen von dem Menschen.“[25]

Er bezieht sich dabei aber durchaus positiv auf Hegels „Phänomenologie“ und deren „Dialektik der Negativität als dem bewegenden und erzeugenden Prinzip“ und auf „die Selbsterzeugung des Menschen als einen Prozess (...) als Resultat seiner eignen Arbeit“,[26] wie er sich bei Hegel findet – wenngleich dort in abstrakter und spekulativer Form. In diesem Sinne geht er bereits einen Schritt über Feuerbach hinaus, bei dem diese tätige Seite unentwickelt bleibt, bzw. sich in Philosophie auflöst. Für Marx befinden sich dagegen sowohl die Hegelsche Philosophie wie die Nationalökonomie und erst recht die Religion innerhalb des Entfremdungszusammenhangs; für die Philosophie und die Nationalökonomie gilt, dass die logische Abstraktion der Philosophie Hegels ebenso wie das Geld in der Ökonomie dem konkreten Leben der Menschen fremd und äußerlich bleiben: „Die Logik – das Geld des Geistes.“[27] Dieser Entfremdungszusammenhang kann nur durch die geschichtliche Bewegung des Kommunismus aufgelöst werden: „Der Kommunismus als positive Aufhebung des Privateigentums als menschlicher Selbstentfremdung und darum als wirkliche Aneignung des menschlichen Wesens durch und für den Menschen;(...) er ist das aufgelöste Rätsel der Geschichte und weiß sich als diese Lösung. Die ganze Bewegung der Geschichte ist daher, wie sein wirklicher Zeugungsakt (...) so auch für sein denkendes Bewusstsein die begriffne und gewusste Bewegung seines Werdens“.[28]

Neben dieser immer noch Hegel verbundenen Geschichtsphilosophie hatte sich Marx mit den PM einem neuen Gegenstand seiner wissenschaftlichen Betrachtung zugewandt, der Ökonomie. Das entsprach seiner zwischenzeitlichen Erkenntnis, dass die Armut der Vielen Ergebnis der produktiven Tätigkeit der Menschen innerhalb vorgefundener Bedingungen im sozialen Verband ist. Deshalb wurde es für ihn nun wichtig, das „Werden“ und das „Wie“ dieser Produktion, deren Bedingungen und Resultate zu untersuchen. Das Prozesshafte einer solchen Auffassung musste allerdings an einem bestimmten Punkt mit der Vorstellung einer anthropologisch gegebenen Menschennatur in Konflikt geraten, der die wirklichen Menschen nur entfremdet sind und in der die Geschichte nur als teleologischer Prozess der Entfremdung und ihrer Aufhebung gesehen wird.[29] In diesem Sinne beginnt Marx bereits, über Feuerbach hinauszugehen: „Die ‚Idee’ blamiert sich immer, soweit sie von dem ‚Interesse’ unterschieden war.“ Und: „Wenn der Mensch von Natur gesellschaftlich ist, so entwickelt er seine wahre Natur erst in der Gesellschaft, und man muss die Macht seiner Natur nicht an der Macht des einzelnen Individuums, sondern an der Macht der Gesellschaft messen.“[30] Im Frühjahr 1845, nach seiner Ausweisung aus Frankreich durch eine Verfügung des französischen Innenministeriums und seinem Umzug nach Brüssel, unterzieht er dann auch Feuerbach in den zur Selbstverständigung verfassten „Thesen über Feuerbach“ und zusammen mit Engels in „Die deutsche Ideologie“ von 1845/46 – die mangels Finanzen unveröffentlicht blieb – einer radikalen Kritik.

Übergang zum praktischen Materialismus

In den „Thesen“ formuliert Marx ein neues Materialismusverständnis, das die tätige Seite, bisher von der idealistischen Philosophie entwickelt, als gesellschaftliche Praxis einbezieht. Das bedeutet, dass die menschliche Wirklichkeit ebenso wie die Natur durch menschliche Tätigkeit vermittelt ist, es also ein rein nur anzuschauendes Objekt nicht gibt: „Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus (...) ist, dass der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit, nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefasst wird; nicht aber als menschliche sinnliche Tätigkeit, Praxis, nicht subjektiv.“[31] Feuerbachs menschliches Wesen löst Marx im „Ensemble gesellschaftlicher Verhältnisse“ auf und macht die menschliche Praxis, zu der auch die theoretische Anstrengung zum Begreifen dieser Praxis gehört, zum wesentlichen Verhältnis gesellschaftlichen Lebens: „Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse. (...) Das gesellschaftliche Leben ist wesentlich praktisch. Alle Mysterien, welche die Theorie zum Mystizismus verleiten, finden ihre rationelle Lösung in der menschlichen Praxis und im Begreifen dieser Praxis.“[32]

Vor allem „Die deutsche Ideologie“ enthält laut Marxens eigener Nachbetrachtung eine Abrechnung mit „unserem ehemaligen philosophischen Gewissen“, eine „Selbstverständigung“ in der „Form einer Kritik der nachhegelschen Philosophie“[33] und damit eine Kritik an Positionen, wie sie Marx selbst vertreten hatte. Die Menschen machen im vorgegebenen gesellschaftlichen Zusammenhang ihre Geschichte selbst und deshalb kann Marx sagen: „Wir kennen nur eine einzige Wissenschaft, die Wissenschaft der Geschichte. Die Geschichte kann von zwei Seiten aus betrachtet, in die Geschichte der Natur und die Geschichte der Menschen abgeteilt werden. Beide Seiten sind indes nicht zu trennen; solange Menschen existieren, bedingen sich Geschichte der Natur und Geschichte der Menschen gegenseitig.“[34] Hegel wie allen spekulativen Philosophen wirft er vor, sich aus der Geschichte, in der „stets Gedanken herrschen (...), ‚den Gedanken’, die Idee etc. als das in der Geschichte Herrschende zu abstrahieren“, während er Feuerbach vorhält, „die Menschen nicht (...) unter ihren vorliegenden Lebensbedingungen“ zu begreifen und damit „bei dem Abstraktum ‚der Mensch’ stehen“ zu bleiben. Soweit bei ihm Geschichte vorkomme, sei er kein Materialist und soweit er „Materialist ist, kommt die Geschichte bei ihm nicht vor“.[35]

In den Mittelpunkt rückt also nun die Geschichte, aber nicht mehr voraussetzungslos und von abstrakten Ideen bewegt, sondern als widersprüchlicher sozialer Prozess der Erzeugung, Erhaltung und Erweiterung menschlichen Lebens durch die gesellschaftliche Praxis in der Auseinandersetzung mit der Natur. Die dabei entstehenden Vorstellungen der Menschen „über ihr Verhältnis zur Natur oder über ihr Verhältnis untereinander, oder über ihre eigene Beschaffenheit“ sind „der – wirkliche oder illusorische – bewusste Ausdruck ihrer wirklichen Verhältnisse und Betätigung, ihrer Produktion, ihres Verkehrs, ihrer gesellschaftlichen und politischen Organisation“.[36]

Wir haben es hier mit einer veränderten Konzeption von Wissenschaft zu tun: Die soziale Realität wird jetzt nicht mehr wie zuvor dem philosophischen Denken oder einem vorgestellten Wesen gegenüber gestellt. Sie wird stattdessen als ein Ganzes, eine in sich strukturierte, prozesshafte Totalität aufgefasst, wobei Bewusstsein oder Denken als Ausdruck einer mehr oder minder adäquaten Erfassung dieser Realität selbst deren Bestandteil ist. Den Kern dieser dynamischen Totalität bildet die ökonomische Struktur, die Produktionsverhältnisse. Doch bleibt diese Struktur zunächst noch ein blinder Fleck, da Marx nach seinen ersten ökonomischen Studien zwar die Widersprüche der vorherrschenden ökonomischen Theorien benennen kann, jedoch selbst noch nicht in der Lage ist, ihnen eine eigene Konzeption entgegenzusetzen. Aus dieser Struktur heraus ergibt sich aber für ihn immer noch als geschichtliches Ziel der Kommunismus, als „die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.“[37]

Zusammen mit Engels reiste er im Sommer 1845 nach London und Manchester, wo er wiederum zahlreiche Werke zur politischen Ökonomie (diesmal in Englisch) exzerpierte,[38] wie es seit seiner Studentenzeit seine Gewohnheit war. So deutet sich zwar schon 1845/46 die Akzeptanz von Ricardos Arbeitswerttheorie an, denn in einer Kritik an Max Stirner heißt es: „Er hat nicht einmal das aus der Konkurrenz gelernt, dass (...) innerhalb der Konkurrenz der Brotpreis durch die Produktionskosten und nicht durch das Belieben des Bäckers bestimmt wird.“ Und: „...selbst was das Metallgeld betrifft, so wird es rein durch die Produktionskosten, d.h. die Arbeit bestimmt.“[39] Doch deren Widersprüche vermag Marx noch nicht zu erkennen, geschweige denn aufzulösen. Ihre Kategorien wie Wert, Geld oder Kapital kritisiert er noch nicht in grundsätzlicher Weise, lediglich deren Hypostasierung zu Kategorien von überhistorischer Gültigkeit: „Die ökonomischen Kategorien sind nur die theoretischen Ausdrücke, die Abstraktionen der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse. (...) Aber dieselben Menschen, welche die sozialen Verhältnisse gemäß ihrer materiellen Produktivität gestalten, gestalten auch die Prinzipien, die Ideen, die Kategorien gemäß ihren gesellschaftlichen Verhältnissen. Somit sind diese Ideen, diese Kategorien, ebenso wenig ewig wie die Verhältnisse, die sie ausdrücken.“[40]

Umwälzende Praxis statt Philosophie: die Revolution 1848

Die darauf folgende Periode von 1846/47 bis Ende des Jahres 1849 ist im Wesentlichen durch zwei zum Teil parallel verlaufende Stränge in der Entwicklung von Marx zu kennzeichnen. Da ist zunächst der Versuch, die neu gewonnenen Einsichten hinsichtlich des ökonomischen Prozesses in den bisher entwickelten geschichtlichen Rahmen einzupassen und damit den Gesamtprozess der „bürgerlichen Produktion“[41] (von kapitalistischer ist noch nicht die Rede!) ins Auge zu fassen. Gleichzeitig versucht Marx, der sich rasch entwickelnden Arbeiterbewegung unter dem Eindruck der revolutionären Ereignisse in Europa ein praktisch-politisches Fundament zu geben, das mit der Einsicht in den Gesamtprozess der produktiven Entwicklung in Einklang steht. Eine zentrale Rolle spielt dabei sein Verhältnis zu Proudhon, dessen scharfe Kritik des Privateigentums er zunächst teilt, dessen unkritisches Verhältnis gegenüber der klassischen Ökonomie und dessen utopisches Projekt von Arbeiter-Ateliers, die mittels Arbeitszetteln als Geld Produkte austauschen, er jedoch dann mit einer beißenden Polemik in „Das Elend der Philosophie“ überzieht.[42] Dies ist Marx’ erste veröffentlichte größere Arbeit mit ökonomischen Inhalten, die noch 1847 erschien. Darüber hinaus hielt er im Dezember 1847 im Deutschen Arbeiterverein in Brüssel mehrere Vorträge zum Thema Lohnarbeit und Kapital, deren Drucklegung allerdings durch die Februarrevolution 1848 und die Ausweisung Marxens aus Belgien verhindert wurde. Ende Februar 1848 erschien das zusammen mit Engels verfasste „Manifest der Kommunistischen Partei[43] in London. Aus Belgien ausgewiesen kehrte Marx nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Paris nach Deutschland zurück, wo vom 5. bis 11. April 1849 in der von ihm mitbegründeten „Neuen Rheinischen Zeitung“ in Köln eine Artikelfolge unter dem Titel „Lohnarbeit und Kapital[44] erschien, die auf der Vortragsreihe in Brüssel 1847 beruhte. Nach dem Scheitern der Revolution, seiner Ausweisung aus Preußen und Aufenthalten in Süddeutschland emigrierte er wiederum nach Paris, doch die französische Regierung wies ihn auf Druck der preußischen ebenfalls aus. Ende August 1849 reiste er in sein letztes Exil – London. Philosophisch und vor allem erkenntnistheoretisch sind die drei großen Texte der Jahre 1846-49 trotz oder vielleicht auch wegen ihrer sehr unterschiedlichen Zielsetzungen ohne bemerkenswerte Entwicklungen: Die Polemik gegen Proudhon, als Kampfschrift innerhalb einer erstarkenden Arbeiterbewegung konzipiert, bewegt sich in ihrer Kritik an dessen Methode immer noch auf der Ebene der Hegel-Kritik aus „Die deutsche Ideologie“, wo der Begriff der Philosophie ebenso wie in „Die heilige Familie“ durchwegs einen abwertenden Beigeschmack hat, ja manchmal geradezu als Schimpfwort gebraucht wird: „...welche Rolle spielt Hegel in der politischen Ökonomie des Herrn Proudhon? (...) Ist es ein Wunder, dass (bei Hegel – JA) in letzter Abstraktion (...) jedes Ding sich als logische Kategorie darstellt? (...) Wenn wir (...) konsequent abstrahieren, von jedem Subjekt, von allen seinen belebten oder unbelebten Akzidenzien, Menschen oder Dingen, so haben wir ein Recht zu sagen, dass man in letzter Abstraktion nur noch die logischen Kategorien als Substanz übrig behält (...), dass alles, was auf der Erde und im Wasser lebt, durch Abstraktion auf eine logische Kategorie zurückgeführt werden kann, dass man auf diese Art die gesamte wirkliche Welt ersäufen kann in der Welt der Abstraktionen, der Welt der logischen Kategorien (...). Hat man erst in den logischen Kategorien das Wesen aller Dinge gefunden, so bildet man sich ein, in der logischen Formel der Bewegung die absolute Methode zu finden, die nicht nur alle Dinge erklärt, sondern die auch die Bewegung der Dinge umfasst. (...) Ist jedes Ding auf eine logische Kategorie und jede Bewegung, jeder Produktionsakt auf die Methode reduziert, so folgt daraus, dass jeder Zusammenhang von Produkten und Produktion, von Dingen und Bewegung sich auf eine angewandte Metaphysik reduziert. Was Hegel für die Religion, das Recht etc. getan hat, sucht Herr Proudhon für die politische Ökonomie zu tun.“ [45]

Die bewusste Tat als umwälzende Praxis war für Marx an die Stelle der Philosophie getreten. Daneben kritisiert er selbstverständlich den romantischen Antikapitalismus Proudhons, der vor allem auf der Unkenntnis ökonomischer Zusammenhänge beruht. Er weist darin Proudhon mehrfach nach, die „klassischen“ Ökonomen Adam Smith und David Ricardo falsch verstanden zu haben, kann aber selbst noch nicht Ricardos Positionen kritisieren, sondern allenfalls deren Kritik durch J.B. Say als fehlerhaft nachweisen, z.B. was die Rolle des Geldes und seine Wertbestimmung angeht.[46] Von der Anlage her etwas ganz anderes ist das „Manifest“: die aus dem „Bund der Gerechten“ hervorgegangene kleine revolutionäre Gruppe „Bund der Kommunisten“ hatte schon auf ihrem ersten Kongress im Juni 1847 beschlossen, ein Programm vorzubereiten und beauftragte im November desselben Jahres Marx und Engels mit dessen Ausarbeitung. Entsprechend dieses Auftrags werden dort einerseits emphatisch und mit kühnem Schwung die Entwicklungslinien der kapitalistischen Produktionsweise nach- und vorgezeichnet[47] - allerdings ohne die Basis der klassischen politischen Ökonomie zu verlassen - auf der anderen Seite wird der noch jungen Arbeiterklasse eine Befreierrolle zugewiesen, die Marx nicht aus einer Analyse der Struktur der Bewegungsgesetze der Gesellschaft gewonnen hatte, zu der er zu dieser Zeit noch gar nicht in der Lage war. Dabei macht sich allerdings immer noch eine stark an Hegel erinnernde Geschichtsphilosophie geltend, oft begleitet von einem reinen Empirismus: „Mit der Entwicklung der großen Industrie wird also unter den Füßen der Bourgeoisie die Grundlage selbst hinweggezogen (...). Ihr Untergang und der Sieg des Proletariats sind gleich unvermeidlich. (...) Die theoretischen Sätze der Kommunisten (...) sind nur allgemeine Ausdrücke tatsächlicher Verhältnisse eines existierenden Klassenkampfs ...“[48]

Wiederum etwas anderes ist die Vortragsreihe zu „Lohnarbeit und Kapital“, die einen ersten Versuch zur Popularisierung bereits gewonnener ökonomischer Erkenntnisse darstellt; bemerkenswert daran ist lediglich, dass Marx nun das Kapital ausdrücklich als gesellschaftliches Produktionsverhältnis auffasst und dass er erstmals – wenn auch noch unausgegoren und unscharf in der Begrifflichkeit – so etwas wie eine Mehrwerttheorie entwickelt.[49]

Im Mittelpunkt: Kritik der politischen Ökonomie

Nach dem Scheitern der 48er Revolution und seiner Umsiedlung in sein letztes Exil London August 1849, arbeitete Marx andauernd unter unwahrscheinlich schwierigen Bedingungen. Er musste ständig gegen eine drückende materielle Not kämpfen und oft seine breit gestreuten Studien unterbrechen, um durch publizistische Tätigkeiten den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu verdienen, vor allem mit Artikeln zur politischen und ökonomischen Situation der europäischen Mächte für die große amerikanische Tageszeitung „New York Daily Tribune“. Dazu kamen ständig länger andauernde Krankheitsperioden, Krankheiten und Todesfälle in der Familie und ermüdende Auseinandersetzungen unter den verschiedenen Emigrantengruppen. Ab Juni 1850 erhielt er Zugang zur Bibliothek des British Museum - laut Marx „der günstigste Standpunkt“, um das „ungeheure Material für Geschichte der politischen Ökonomie (...) kritisch durchzuarbeiten“[50] - und konnte seine ökonomischen Studien dort wieder aufnehmen. Die Exzerpte aus dieser Zeit (1850-53) umfassen so ziemlich alle für Wirtschaft und Wirtschaftsgeschichte relevanten Werke vornehmlich englischer, aber auch französischer, italienischer und deutscher Autoren.[51] Dabei entstanden genauere Überlegungen zu jenem großen ökonomisch-philosophischen Werk, das ihm schon seit 1844 in verschiedenen Varianten vorschwebte.[52]

Zunächst jedoch untersuchte er anhand der Zeitung „The Economist“ die konkrete ökonomische Entwicklung der letzten zehn Jahre und stellte Überlegungen zum Zusammenhang zwischen ökonomischen Krisen und Revolutionen an. In den Jahren zwischen 1850 und 1856 verfasste er größere Arbeiten zum Staatsstreich des späteren Napoleon III. im Dezember 1851, zur Kommunistenverfolgung in Deutschland und zur Tätigkeit anderer deutscher Exilgruppen. Die sich 1857 anbahnende Wirtschaftskrise – die auch Marx und seine Familie vor große finanzielle Schwierigkeiten stellte[53] - veranlasste ihn schließlich, in einem Kraftakt zwischen Oktober 1857 und Mai 1858 ein nur wenig gegliedertes Manuskript von fast 800 Druckseiten niederzuschreiben, das unter dem redaktionellen Titel „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (Rohentwurf)“[54] in zwei Bänden erst 1939-41 in Moskau veröffentlicht wurde. Nach eigenem Bekunden arbeitete er daran wie „toll die Nächte durch“,[55] wobei ihm zustattenkam, dass er das angesammelte Material mit Hilfe von „Hegels ‚Logik’“ strukturieren konnte, die er zufällig „wieder durchgeblättert hatte“.[56] Es handelt sich sozusagen um den ersten Entwurf zu seinem Hauptwerk, der schon die spätere Dreigliederung in Produktions-, Zirkulations- und Gesamtprozess ahnen lässt, in dem jedoch, wie Marx selbst bemerkte, „alles wie Kraut und Rüben durcheinander“[57] geht.

Eine dazu gehörige Einleitung, in der er erstmals ausführlich seine Methode darstellt, entstand im August/September 1857,[58] deren Veröffentlichung er freilich wieder verwarf, „weil mir bei näherem Nachdenken jede Vorwegnahme erst zu beweisender Resultate störend scheint“.[59] Nachdem sich ein Verleger durch die Vermittlung Ferdinand Lasalles fand, arbeitete Marx den Text zur Veröffentlichung in zwei Etappen völlig um:[60] August bis Oktober 1858 entstand der sogenannte „Urtext“[61] und dann November bis Januar 1859 der eigentliche Drucktext von „Zur Kritik der Politischen Ökonomie“.

Wir haben es in dieser Periode also mit einer zweiten Rezeption von Hegels „Logik“ zu tun, deren Spuren im Text der „Grundrisse“ – gemessen an den späteren Texten „Zur Kritik ...“ und „Kapital“ – viel offensichtlicher sind.[62] Es ist hier nicht der Ort, alle Veränderungen methodischer oder inhaltlicher Art nachzuzeichnen, die sich noch bis zur heute gebräuchlichen 4. Auflage des „Kapital“ von 1890 ergaben.[63] Die aber alle Texte zur politischen Ökonomie ab 1857/58 leitende Erkenntnistheorie und die daraus sich ergebende Forschungsmethode, wie sie im letzten Abschnitt noch einmal entlang der „Einleitung“ versucht wird zusammenzufassen, bleibt von diesem Zeitpunkt an grosso modo dieselbe. Hegel wird nun nicht mehr kritisiert, dass er Abstraktionen verwendet, sondern dafür, wie er sie verwendet. Im Aufbau der Kritik der politischen Ökonomie hat die logisch-genetische Folge der Kategorien Vorrang vor den historischen: „Es wäre untubar und falsch, die ökonomischen Kategorien in der Folge aufeinander folgen zu lassen, in der sie historisch die bestimmenden waren.“[64] Doch zugleich werden historische Beispiele vor allem aus dem am weitesten entwickelten England allenthalben zur Illustration eingestreut: „Mit dem eigentlichen theoretischen Teil konnte ich nicht vorangehen. Dazu war das Hirn zu schwach (infolge seines Leberleidens - JA). Ich habe daher den Abschnitt über den ‚Arbeitstag’ historisch ausgeweitet, was außer meinem ursprünglichen Plan lag.“[65] Oder wenn es um die historischen Voraussetzungen der Kapitalbildung geht und damit die dialektische Entwicklung der Kategorien an ihre Grenzen stößt: „Es zeigt sich an diesem Punkt bestimmt, wie die dialektische Form der Darstellung nur richtig ist, wenn sie ihre Grenzen kennt.“[66] Deshalb wird das Entstehen der kapitalistischen Produktionsweise erst dann abgehandelt,[67] wenn das diese Produktionsweise dominierende Produktionsverhältnis – eben das Kapital – logisch-theoretisch bereits entwickelt ist: „In allen Gesellschaftsformen ist es eine bestimmte Produktion, die allen übrigen, und deren Verhältnisse daher auch allen übrigen, Rang und Einfluss anweist.“ [68] „Die Bedingungen und Voraussetzungen des Werdens, des Entstehens des Kapitals unterstellen eben, dass es noch nicht ist, sondern erst wird; sie verschwinden also mit dem wirklichen Kapital, mit dem Kapital das selbst von seiner Wirklichkeit ausgehend, die Bedingungen seiner Verwirklichung setzt.“[69]

Die Übernahme Hegelscher Denkfiguren durch Marx bedeutet jedoch keineswegs, dass man erst Hegels Logik verstanden haben müsse, bevor man Marx versteht, wie Lenin in einem Aphorismus bemerkte.[70] Bei beiden handelt es sich zwar um begriffliche Entwicklungen; während sich bei Hegel jedoch der Begriff unberührt von aller Empirie aus sich selbst heraus entwickelt, geht es bei Marx um den Zusammenhang der Begriffe oder Abstraktionen, die aus dem empirischen Material gewonnen wurden und so in eine logische Ordnung gebracht werden. Dabei wird der Schein der unmittelbaren Empirie aufgelöst in Vermittlungen, die das adäquate Begreifen des empirisch Erscheinenden, d.h. sein Wesen, erst ermöglichen und insofern ist Marx’ Wissenschaftsverständnis wesentlich kritisch, die Identität von Sein und Bewusstsein ist nie absolut. Dieses Wesen hat nun aber überhaupt nichts mehr zu tun mit den normativen Wesensvorstellungen des Marx der frühen 40er Jahre. Aus seiner wissenschaftlichen Methode geht stattdessen hervor, dass Geschichte nur als offener Prozess zu begreifen ist, dessen Verlauf konkret je neu bestimmt werden muss. Und von einem wie auch immer einzunehmenden „Standpunkt des Proletariats“[71] als wissenschaftlicher Ansatz ist Marx meilenweit entfernt: „Einen Menschen aber, der die Wissenschaft einem nicht aus ihr selbst (wie irrtümlich sie immer sein mag), sondern  von außen, ihr fremden, äußerlichen Interessen entlehnten Standpunkt zu akkomodieren sucht, nenne ich ‚gemein’.“[72] Lässt man die Entwicklung von Philosophie und Wissenschaft bei Marx seit den 1840er Jahren noch einmal Revue passieren, so fällt auf, dass in jeder Etappe schon ein wenig der Übergang zur nächsten angelegt ist. Diese Kontinuität der Übergänge entzieht sich zwar einer strikten Periodisierung, weist aber andererseits in ihrem Fluss auch alle Versuche zurück, den Marx des „Kapital“ mit dem Marx der PM umstandslos zu identifizieren. Das einzig Beständige an Marx‘ wissenschaftlicher Entwicklung ist die Veränderung.

Die Geschichtsphilosophie im Widerstreit mit der Kritik der politischen Ökonomie

Im Widerspruch zu diesem methodischen Ansatz finden sich bei Marx leider auch noch nach 1857/58 Elemente einer Geschichtsphilosophie, wie sie sich in der Frühphase zuhauf nachweisen lassen und hier auch zitiert wurden. Allerdings sind sie in keiner Weise mit seiner Kritik der politischen Ökonomie vermittelt und beeinträchtigen diese auch nicht wesentlich. Dazu gehören beispielsweise alle Formulierungen, die soziale Prozesse als mit naturgeschichtlicher Zwangsläufigkeit sich vollziehende darstellen, denn die Entwicklung einer Gesellschaft ist immer durch menschliches mehr oder minder bewusstes Handeln vermittelt und insofern sehr verschieden von einem wirklich naturgeschichtlichen Prozess: „....mein Standpunkt, der die Entwicklung der ökonomischen Gesellschaftsformationen als einen naturgeschichtlichen Prozess auffasst ...“.[73] Und: „In der Betrachtung solcher Umwälzungen muss man stets unterscheiden zwischen der materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen ...“.[74] Marx’ Rede ist dabei allerdings oft eher metaphorisch-ironisch. Metaphorisch insofern, als diese Entwicklung den Beteiligten als naturgeschichtlicher Prozess erscheint, da er sich hinter ihrem Rücken vollzieht und damit auf ihrer Bewusstlosigkeit beruht. Ironisch insofern, als die klassische politische Ökonomie bemüht war, die kapitalistische Form der Produktion als die natürliche darzustellen und damit zu verewigen. Auf der anderen Seite muss Marx aber klar gewesen sein, dass die dialektische Entwicklung ökonomischer Kategorien, wie sie sich in den „Grundrissen“ und im „Kapital“ findet, nicht mit einer naturwissenschaftlichen, ja mathematischen Logik beschrieben werden kann.

Vor allem im Vorwort von „Zur Kritik ...“, wenn es um das Verhältnis von ökonomischer Basis und politischem Überbau, um die Dialektik von Produktionsverhältnissen und Produktivkräften als Motor der Geschichte und um das angeblich feststehende Ziel des geschichtlichen Prozesses geht, benutzt Marx Formulierungen, die häufig Anlass zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen vor allem durch die aufstrebende Arbeiterbewegung boten: „In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein politischer und juristischer Überbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen entsprechen.“[75] „Auf einer gewissen Stufe der Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen, (...) innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein.“[76]  „In großen Umrissen können asiatische, antike, feudale und modern bürgerliche Produktionsweisen als progressive Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformation bezeichnet werden. Die bürgerlichen Produktionsverhältnisse sind die letzte antagonistische Form (sic!) des gesellschaftlichen Produktionsprozesses (...). Mit dieser Gesellschaftsformation schließt daher die Vorgeschichte der menschlichen Gesellschaft ab.“[77]

Solche Bemerkungen – oft genug platt deterministisch verstanden - sind häufig Anlass zu einer szientistischen, ja positivistischen Interpretation der Marxschen Wissenschaft, die dann je nach Einstellung des Autors verteidigt oder kritisiert wird. Als Beispiel für letzteres mag hier J. Habermas dienen, der den Marxschen Praxisbegriff auf instrumentales Handeln verkürzt, bedenkenlos Marxsche Zitate aus den 40er Jahren mit denen des „späten“ Marx zusammenwirft, so als hätte es da keine Entwicklung gegeben, um ihm dann – auch mit Bezug auf die oben kritisierten Äußerungen zur Naturwissenschaft – „materialistischen Szientismus“ vorzuwerfen. [78] Viel bedeutsamer ist jedoch, dass im Verlauf der positiven Aufnahme der Marxschen Theorie durch die aufstrebende Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts die Komplexität seiner Analyse zu einer objektivistischen Darstellung des Kapitalverhältnisses mit gewissem, nämlich für die kapitalistische Produktionsweise finalem Ausgang verkam, dem auf der anderen Seite eine zutiefst subjektivistische politische Handlungstheorie entsprach – mal revolutionär, mal eher reformerisch. Was seit der Aufklärung im modernen bürgerlichen Denken vorherrschte, nämlich die Dichotomie einer quasi naturgesetzlich sich vollziehenden gesellschaftlichen Entwicklung mit der „unsichtbaren Hand“ des Marktes (Adam Smith) bei gleichzeitiger „Autonomie“ und „Selbstverantwortung des Individuums“ (Kant), wurde in der seit dem 1.Weltkrieg gespaltenen Arbeiterbewegung in einen verkürzten und verstümmelten „Marxismus“ übernommen, in dem Marx nur noch die Rolle eines sozialistischen Ökonomen spielte, der die Ausbeutung der Arbeiter unter kapitalistischen Bedingungen und die historischen Tendenzen dieser Produktionsweise im Hinblick auf einen Übergang in ein höheres Stadium analysiert hatte.

Dabei ging leider verloren, dass sich Marx gerade nicht als Verbesserer der herrschenden politischen Ökonomie verstand, sondern als deren fundamentaler Kritiker, der nicht nur ihre ungelösten Probleme zu lösen trachtete, sondern schon bei ihren grundlegenden Kategorien wie Wert, Ware, Geld und Kapital und deren ideologischem Niederschlag in den Köpfen ansetzte. Ihrem eigentlichen Gehalt nach handelt es sich also keineswegs um eine positive Theorie etwa eines „sozialistischen Aufbaus“ staatlich geplanter Marktsysteme, sondern im Gegenteil um eine Kritik warenproduzierender Systeme überhaupt. Die erkenntnistheoretische Seite der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie wurde damit völlig aus dem Blickfeld verbannt, ja es wurde sogar der widersinnige Versuch unternommen, mit Marx eine „Politische Ökonomie des Sozialismus“ zu schaffen. Auch Marxens geschichtsphilosophische Bezugnahme auf das Proletariat als Klassensubjekt historischer Umwälzungen findet sich noch in späteren Werken. Nachdem er schon die klassische politische Ökonomie kritisch überwunden hatte (etwa ab 1857), versuchte er noch so manches Mal, seinen ursprünglichen geschichtsphilosophischen Ansatz mit seiner Strukturanalyse in Einklang zu bringen: „Soweit solche Kritik (die Kritik der politischen Ökonomie – JA) überhaupt (!) eine Klasse vertritt, kann sie nur die Klasse vertreten, deren geschichtlicher Beruf (!!) die Umwälzung der kapitalistischen Produktionsweise und die schließliche Abschaffung der Klassen ist – das Proletariat.“[79] „Die Zentralisation der Produktionsmittel und die Vergesellschaftung der Arbeit erreichen einen Punkt, wo sie unverträglich werden mit ihrer kapitalistische Hülle (!?). Sie wird gesprengt. (...) Aber die kapitalistische Produktion erzeugt mit der Notwendigkeit eines Naturprozesses (!) ihre eigne Negation.“[80] Der analytische Forscher Marx, dessen in fast 40 Jahren mühsam erarbeitete Untersuchungsergebnisse in seinem unvollendet gebliebenen dreibändigen Hauptwerk gipfeln, steht also nur allzu oft unvermittelt neben dem Marx der Arbeiterbewegung. Dieser Arbeiterbewegungs-Marx schuf in Anlehnung an seine frühe Religionskritik eine in manchen Passagen als soziale Erlösungsutopie interpretierbare Theorie, indem er als kritischer „Schüler jenes großen Denkers“[81] den Hegelschen Fortschritts- und Entwicklungsbegriff ins materialistisch-soziologische wendete und dessen Geschichtsdialektik in die notwendig sich immer vorwärts bewegende Gesellschaftsentwicklung uminterpretierte. Im Zentrum dieser Entwicklung sollte ausgerechnet jenes Proletariat stehen, das er gemäß seiner eigenen Kritik der politischen Ökonomie ja gerade als vom Kapital konstituierte und immer wieder neu reproduzierte soziale Kategorie festgehalten hatte: „Der kapitalistische Produktionsprozess, im Zusammenhang betrachtet oder als Reproduktionsprozess, produziert also nicht nur Ware, nicht nur Mehrwert, er produziert und reproduziert das Kapitalverhältnis selbst, auf der einen Seite den Kapitalisten, auf der andren den Lohnarbeiter.“ „Das Gesetz endlich, welches die relative Überbevölkerung oder industrielle Reservearmee stets mit Umfang und Energie der Akkumulation in Gleichgewicht hält, schmiedet den Arbeiter fester an das Kapital als den Prometheus die Keile des Hephästos an den Felsen.“ „Im Fortgang der kapitalistischen Produktion entwickelt sich eine Arbeiterklasse, die aus Erziehung, Tradition, Gewohnheit die Anforderungen jener Produktionsweise als selbstverständliche Naturgesetze anerkennt.“[82]

Diese Arbeiterklasse ist in den Rechtsvorstellungen befangen, wie sie aus den Gesetzmäßigkeiten des Warentauschs hervorgehen und denen gerade auch der Tausch der Ware Arbeitskraft gegen Geld unterliegt: „Man begreift daher die entscheidende Wichtigkeit der Verwandlung von Wert und Preis der Arbeitskraft in die Form des Arbeitslohns oder in Wert und Preis der Arbeit selbst. Auf dieser Erscheinungsform, die das wirkliche Verhältnis unsichtbar macht und grade sein Gegenteil zeigt, beruhen alle Rechtsvorstellungen des Arbeiters wie des Kapitalisten, alle Mystifikationen der kapitalistischen Produktionsweise, alle ihre Freiheitsillusionen, alle apologetischen Flausen der Vulgärökonomie.“[83] Und ausgerechnet diese Arbeiterklasse sollte die „lichten Höhen“ seiner Wissenschaft erreichen und dabei in der Lage sein, „ihre steilen Pfade zu erklimmen“.[84] Statt dessen entwickelte die Arbeiterklasse in allen Auseinandersetzungen zwischen Kapital und Arbeit um die Art und Weise der Kapitalproduktion (Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen), um die Verteilung des produzierten Wertes (Lohn, Profit und Sozialleistungen) und nicht zuletzt um eine gesellschaftliche und politische Anerkennung (Koalitionsrecht, Wahlrecht und Mitbestimmung) zwar eine Art kollektiver Identität, diese verblieb jedoch in der großen Mehrzahl aller Fälle innerhalb eines gemeinsamen Bezugssystems, nämlich der modernen Warenproduktion, wie es deren Struktur ja auch nahelegte: „Die Erhöhung des Arbeitspreises bleibt also eingebannt in Grenzen, die die Grundlagen des kapitalistischen Systems nicht nur unangetastet lassen, sondern auch seine Reproduktion auf wachsender Stufenleiter sichern.“[85] „Von ganz elastischen Schranken abgesehen, ergibt sich aus der Natur des Warentausches selbst keine Grenze des Arbeitstages, also keine Grenze der Mehrarbeit. Der Kapitalist behauptet sein Recht als Käufer, wenn er den Arbeitstag so lang als möglich und womöglich aus einem Arbeitstag zwei zu machen sucht. Andrerseits schließt die spezifische Natur der verkauften Ware eine Schranke ihres Konsums durch den Käufer ein, und der Arbeiter behauptet sein Recht als Verkäufer, wenn er den Arbeitstag auf eine bestimmte Normalgröße beschränken will. Es findet hier also eine Antinomie statt, Recht wider Recht, beide gleichmäßig durch das Gesetz des Warentausches besiegelt.“[86]

In dem Maße, wie durch viele Kämpfe, Rückschläge und Brüche hindurch sich die Form der Lohnabhängigkeit verallgemeinerte und ihre Träger als „gleichberechtigte Staatsbürger“, „Warenverkäufer“ und Konsumenten im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft anerkannt wurden, gingen dann auch noch die Reste eines revolutionären Nimbus verloren, der zwar einerseits oft nur „ideologisches Anhängsel“ praktischer Alltagspolitik gewesen war, andererseits jedoch auch noch oft in nicht zu unterschätzender Weise identitätsstiftend gewirkt hatte. Die Arbeiter haben ihren „Beruf“ als Klasse an den Nagel gehängt.

Wir haben es bei Marxens Gesamtwerk also mit einem mixtum compositum zu tun, aus dem die Strukturanalyse der kapitalistischen Produktionsweise freizulegen wäre und damit diejenigen Mechanismen, die auch noch heute wirkungsmächtig das Zentrum unserer gesellschaftlichen Entwicklung steuern – nämlich die Produktion menschlichen Lebens in einem umfassenden Sinn, doch im Rahmen eines fetischisierten warenproduzierenden Systems, das mit seinen Krisen, Absurditäten und destruktiven Resultaten für Mensch und Natur zu einer scheinbar alternativlosen Selbstverständlichkeit geronnen ist. Dies umso dringender, als die mit dem Abtreten der vermeintlichen Gegenentwürfe im Osten[87] weltumspannend dominierende kapitalistische Produktionsweise, die sich entgegen aller anderslautender Behauptungen mit allen politischen Regimes verträgt, eine zerstörerische Potenz erreicht hat, die die Lebensgrundlagen der Gattung und damit diese selbst zu vernichten droht. Soziale Emanzipation, d.h. vor allem Befreiung aus diesem System der kapitalistischen Warenproduktion, kann zwar nicht das Werk einer Arbeiterklasse sein, deren genaue Definition heute schon weitgehend unmöglich geworden ist, kann aber auch genauso wenig nicht ohne gewichtige Teile der Lohnabhängigen erreicht werden. Dies sind die Bedingungen des Problems. Hic Rhodus hic salta! Marxens Wahlspruch „De omnibus dubitandum“ (an allem ist zu zweifeln)[88] ist also zuallererst auf ihn selbst anzuwenden und es gilt der Satz Kants, dass man einen Autor besser verstehen muss, als er sich selbst.[89] Letzteres fällt insofern leichter, als seit 1976 eine historisch-kritische Gesamtausgabe ediert wird, deren Abteilung II („Das Kapital“ und Vorarbeiten) just im Sommer 2012 nach längeren Geburtswehen abgeschlossen wurde. Somit sind zum ersten Mal alle diesbezüglichen Manuskripte und relevanten Texte zugänglich, die einen unverstellten Blick auf Marxens beinahe 40jährigen Forschungsprozess erlauben.

Versuch über Marx’ Erkenntnistheorie in den „Grundrissen“ und im „Kapital“, über seine Forschungs- und Darstellungsmethode

Die Grundfrage aller Philosophie gilt dem Verhältnis von Denken und Sein und damit der Frage, wie Erkenntnis überhaupt möglich ist. Das Sein zeigt sich dem erkennen wollenden Verstand nicht unmittelbar. Es vermittelt sich vielmehr dem praktisch sich verhaltenden Alltagsverstand als eine Art „falsche“ Konkretheit, als Erscheinung. Das impliziert eine primäre und unmittelbare Einstellung der Menschen zu ihrer Wirklichkeit, einen Bereich sinnlich-praktischer Tätigkeit, der es ihnen erlaubt, ihre Absichten und Interessen im Rahmen eines komplexen Systems sozialer Beziehungen zu verfolgen, eine Welt der Phänomene, in die sie hineingeboren werden, deren inneren Zusammenhang sie nicht kennen müssen: „Sie wissen das nicht, aber sie tun es.“[90] In den Köpfen der Teilnehmer reproduziert sich die phänomenale Warenwelt als eine Summe verschiedenster Anschauungen und Vorstellungen, die die Erscheinungsformen der Wirklichkeit festhalten und erklären, nicht aber deren Wesen. Zu diesem Komplex von Erscheinungen, die die alltägliche Umgebung und das geläufige Verständnis durch ihr regelmäßiges, unmittelbares und selbstverständliches Auftreten bestimmen und damit den Schein von Natürlichkeit und Selbständigkeit erlangen, gehören: 1. Die äußeren Erscheinungen, die sich an der Oberfläche abspielen (vor allem in der Zirkulation). 2. Die gängige, unkritisch sich dazu verhaltende Praxis. 3. Die geläufigen Vorstellungen in den Köpfen über diese beiden und 4. die überkommenen, fixierten Objekte, die scheinbar nicht das Resultat menschlicher Praxis sind. Damit erhält die Kritik der politischen Ökonomie eine philosophische Dimension; sie wird auch zu einer Kritik der aus den Erscheinungen resultierenden Ideologie, jener spezifisch ökonomischen Denkweise, die Marx im Unterkapitel „Der Fetischcharakter der Ware und sein Geheimnis“[91] entwickelt und die eins der konstitutiven Elemente der gegenwärtigen Produktionsweise ist. Denn der Kapitalismus ist von Anfang an mehr als nur ein Ensemble von besonderen Produktions- und Austauschverhältnissen – er ist zugleich eine Alltagsreligion, ein System von Vorstellungen und gängigen Denk- und Urteilsformen, die aus diesen hervorwachsen und das alltägliche Handeln aller Beteiligten bestimmen. Die allseitige gesellschaftliche Abhängigkeit des bürgerlichen Individuums verschwindet hinter dem Schein angeblich autonomer Handlungsmöglichkeiten, sodass sogar der soziale Absturz noch als selbstverschuldet begriffen wird, und gleichzeitig tritt ihm der gesellschaftliche Prozess als äußerlich und naturgesetzlich gegenüber, obwohl er sich doch erst durch das Handeln aller bürgerlichen Subjekte konstituiert hat.

Daneben gibt es aber noch die sekundäre und vermittelte Tätigkeit des menschlichen Verstandes auf der Suche nach dem hinter den Erscheinungen liegenden Wesen. Dies erfordert die Anstrengungen wissenschaftlichen Bewusstseins, denn fielen Erscheinung und Wesen zusammen, wäre Wissenschaft unnötig: „Wenn, wie der Leser zu seinem Leidwesen erkannt hat, die Analyse der wirklichen, inneren Zusammenhänge des kapitalistischen Produktionsprozesses ein sehr verwickeltes Ding und ausführliche Arbeit ist; wenn es eine Arbeit der Wissenschaft ist, die bloß phänomenale Bewegung auf die innere, wirkliche Bewegung zu reduzieren, so versteht es sich ganz von selbst, dass in den Köpfen der kapitalistischen Produktions- und Zirkulationsagenten sich Vorstellungen über die Produktionsgesetze bilden müssen, die von den wirklichen ganz abweichen und nur der bewusste Ausdruck der scheinbaren Bewegung sind.“[92] „Hier (im dritten Band des „Kapital“ – JA) wird sich zeigen, woher die Vorstellungsweise von Spießer und Vulgärökonom stammt, nämlich daher, dass in ihrem Hirn nur die unmittelbare Erscheinungsform der Verhältnisse reflektiert, nicht deren innerer Zusammenhang. Wäre letzteres übrigens der Fall, wozu wäre dann überhaupt eine Wissenschaft nötig?“[93]

Unmöglich aber wäre die Wissenschaft, wozu auch die Philosophie gehört (die Scheidung zwischen beiden ist relativ jung[94], erst recht die positivistische Dominanz in der Wissenschaft), wären Wesen und Erscheinung zwei völlig disparate Sphären. In jeder Erscheinung wird jedoch das Wesen teilweise sichtbar, aber in nicht adäquater Form und nur in einigen Aspekten. Das Wesen ist also nicht wie bei Platon oder im Christentum eine Wirklichkeit völlig anderer Ordnung: es wird von der Erscheinung gleichzeitig verdeckt und offenbart und ohne die Erscheinung wäre das Wesen nicht erfassbar. Auch das wissenschaftliche Bewusstsein findet keine andere Welt vor, als die der Erscheinungen, der „falschen“ Konkretheit. Sie ist immer der Ausgangspunkt - „eine chaotische Vorstellung des Ganzen“[95] - doch in dem Bemühen, der Struktur der Sache, der „Sache selbst“ auf die Spur zu kommen, muss sie zerstört, zergliedert, das “Eine“ muss geteilt werden, um das verborgene Wesen des Seins zu enthüllen. Dies geschieht auf dem Wege der Abstraktion, deren Kraft „das Mikroskop“ und die „chemische(n) Reagenzien“ der Naturwissenschaft ersetzen muss.[96] Das theoretische Denken kann nur als kritisch-dialektisches die fetischisierte Welt des Scheins auflösen, da die Logik A=A die Beziehung zwischen Erscheinung und Wesen nicht erfassen kann. Dabei kann es weder um eine reduktionistische Vereinfachung gehen, in der das Komplizierte auf einfachste Formeln heruntergebrochen wird, noch um das Zerreißen eines „Vorhangs“, der dem Betrachter nur den Blick verstellt hat und hinter dem wie durch ein Wunder die Wahrheit sichtbar wird. Vielmehr setzt die Erkenntnis als geistige Reproduktion der Wirklichkeit ein Aufspüren des inneren Bandes zwischen den Abstrakta voraus, das deutlich macht, warum jene Erscheinung auf ein ganz bestimmtes Wesen zurückzuführen ist und warum dieses Wesen ausgerechnet jene Erscheinung annahm, also beide in ihrer Dynamik erfasst. Erst dann kann von einer Reproduktion des Ganzen „als geistig Konkretes“ mit „einer reichen Totalität von vielen Bestimmungen und Beziehungen“[97] geredet werden. Der Weg von der „falschen“ Konkretheit bis zu dieser reichen Totalität ist identisch mit dem Begreifen der Wirklichkeit, jedoch kann dieses Begreifen bei Marx im Gegensatz zur letztlichen Identität von Sein und Bewusstsein bei Hegel nie absolut sein. Das menschliche Wissen – und es gibt kein anderes – als eine spezifische, in der Arbeitsteilung abgesonderte Form der Tätigkeit wirklicher Menschen bleibt insofern ebenso wie der historische Prozess immer unabgeschlossen.

Die Forschungsmethode umfasst laut Marx im Wesentlichen drei Stufen: 1. Umfassende Aneignung des Stoffes, Bewältigung des Materials bis in alle historisch zugänglichen Details. 2. Analyse der einzelnen Entwicklungsformen dieses Materials. 3. Erforschung des inneren Zusammenhangs der Entwicklungsformen in ihrer Einheit. Schon daraus folgt, dass man das Verfahren der Analyse, wie es in der dialektisch-materialistischen Kritik der bürgerlichen Ökonomie vorliegt, keineswegs als fertiges Schema verwenden kann und dass alle Versuche, die im „Kapital“ vorkommenden Denkformen zu verabsolutieren und in verallgemeinerter Form als System einer „dialektischen Logik“ zu fixieren, misslingen müssen. Wenn der Wissenschaftsbegriff des praktischen Materialismus eine Enthüllung der spezifischen Logik des spezifischen Gegenstandes fordert, dann sind damit radikal alle Versuche abgelehnt, aus der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie eine fertige dialektische Methodologie zu abstrahieren; auch alle Versuche, eine „Weltanschauung“ daraus zu konstruieren müssen daran zerschellen. Die Dynamik der in dieser Kritik durch Abstraktion gewonnenen Kategorien ergibt sich im Forschungsprozess aus ihren Mängeln, ihren Widersprüchlichkeiten, die zu immer neuen Lösungen drängen.[98] Diese neuen Lösungen heben zwar die Widersprüche nicht auf, schaffen „aber die Form, worin sie sich bewegen können. Dies ist überhaupt die Methode, wodurch sich wirkliche Widersprüche lösen.“[99] Die Darstellung dieses Zusammenhangs in einer theoretischen Konstruktion ist von diesem Forschungsprozess zu unterscheiden. Gelingt diese Darstellung „und spiegelt sich das Leben des Stoffs ideell wider, so mag es aussehen, als habe man es mit einer Konstruktion a priori zu tun“ [100] und „als handle es sich nur um Begriffsbestimmungen und die Dialektik dieser Begriffe“.[101]


[1] Dem aufmerksamen Leser dieser Untersuchung wird nicht lange verborgen bleiben, wie viel der Autor dem Werk von Michael Heinrich, Die Wissenschaft vom Wert (vgl. Anm.11) verdankt, ohne dessen strikte Periodisierung Marxschen Denkens oder gar seine Definition der Geschichte als Prozess ohne Subjekt zu teilen, von seiner Werttheorie ganz zu schweigen.

[2] Marx, Brief an Lasalle 22.Feb.1858, in: MEW Bd.29, Berlin 1963, S.550, Hervorhebung hier + in den folgenden Zitaten von Marx.

[3] Marx, Das Kapital. Erster Band, Vorwort zur ersten Auflage (1867), in: Marx Engels Werke (MEW) Bd.23, Berlin 1962, S.15-16

[4] Mit einer gewichtigen Einschränkung: der Begriff der Volkswirtschaftslehre entbehrt im Gegensatz zur politischen Ökonomie völlig der philosophischen Dimension, obgleich deren gegenwärtige „Theorien“ natürlich unausgesprochen philosophische, nämlich positivistische Grundannahmen voraussetzen.

[5] Marx, Brief an Kugelmann 28.Dez.1862, in: MEW Bd.30, Berlin 1964, S.640

[6] Eine erste historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke von Marx und Engels wurde ab 1927 in einer Zusammenarbeit des Marx-Engels-Instituts (MEI) in Moskau unter der Leitung von David Borissowitsch Rjasanow (eigentlich D.B. Goldenbach) u.a. mit dem Frankfurter Institut für Sozialforschung versucht. Erschienen sind allerdings nur 12 Bände, da der Faschismus in Deutschland und die stalinistischen Säuberungen in der Sowjetunion, denen auch Rjasanow zum Opfer fiel (1931 deportiert und im Januar 1938 unmittelbar nach einer viertelstündigen Verhandlung erschossen), die Weiterarbeit unmöglich machten. 1936 stellte das MEI die wissenschaftliche Arbeit an der ersten MEGA endgültig ein. Später erschienen lediglich und schon nicht mehr als Teil der MEGA die „Grundrisse“ in zwei Bänden. Bezeichnenderweise enthielten die wissenschaftlichen Arbeiten rund um die MEGA², soweit sie ab 1976 zu DDR-Zeiten erschien, keinerlei Aufarbeitung zur Geschichte der ersten MEGA-Edition.

[7] Überschrieben mit „Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt“, heute in: MEW Bd.40, (früher: Ergänzungsband. Erster Teil),  3. überarbeitete und erweiterte Auflage (!), Berlin 2012, S.568-588.

[8] Marx, Brief an Engels vom 16.Jan.1858,in: MEW Bd.29, S.260

[9] z.B. Erich Fromm, Das Menschenbild bei Marx, Frankfurt 1963; Herbert Marcuse, Vernunft und Revolution, (englisch 1941), Neuwied und Berlin 1962; Erich Thier, Das Menschenbild des jungen Marx, Göttingen 1957.

[10]  z.B. Roger Garaudy, Gott ist tot, Frankfurt 1965; Pater Jean-Yves Calvez, Karl Marx. Darstellung und Kritik seines Denkens

    (1956), Olten  und Freiburg 1964; Ernst Bloch, Subjekt-Objekt, erweiterte Ausgabe, (1947-49), Frankfurt 1962; Dieter Henrich, Karl Marx als Schüler Hegels (1961), in: ders., Hegel im Kontext (1971), neue und erweiterte Auflage Frankfurt 2010.

[11]  z.B. Louis Althusser, Für Marx, Frankfurt 1968; Paul Kägi, Genesis des historischen Materialismus, Wien, Frankfurt, Zürich 1965, Ernest Mandel, Entstehung und Entwicklung der ökonomischen Lehre von Karl Marx, Frankfurt 1968; Michael Heinrich, Die Wissenschaft vom Wert, überarbeitete und erweiterte Neuauflage Münster 1999.

[12] Anmerkung zu einem nicht überlieferten Teil von Marxens Dissertation „Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie“ von 1840/41, in: MEW Bd.40,  S.327-328

[13] Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, Vorwort (1859), in: MEW Bd.13, Berlin 1961, S.7

[14] Marx, Der leitende Artikel in Nr.179 der „Kölnischen Zeitung“ (1842), in: MEW Bd.1, 16. überarbeitete Auflage, Berlin 2006, S.102-103

[15] Ebenda, S.97.

[16] Marx, Rechtfertigung des ++-Korrespondenten von der Mosel (1843), ebenda, S.177.

[17] Marx, Über die ständischen Ausschüsse in Preußen (1842), in: MEW Bd.40, S.419

[18] Engels datierte später den materialistischen Einfluss Feuerbachs schon auf 1841 (da erschien dessen „Wesen des Christentums“, vgl. Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen Philosophie (1886), in: MEW Bd.21, Berlin 1962, S.272), wofür es allerdings in den Marxschen Texten keinen Beleg gibt.

[19] Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie (1843), in: MEW Bd.1, S.209, vgl. auch ebenda S.216 und 218.

[20] Ebenda, S.281.

[21] Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung (1843/44), Ebenda, S.391.

[22] Vgl. dazu seine Schilderung des Verhältnisses zu Proudhon, die er – allerdings im Abstand von über 20 Jahren – im Brief an die Redaktion des „Social-Demokrat“ gibt (Brief an J.B. v. Schweitzer, „Über P.-J. Proudhon“ (1865), in: MEW Bd.16, Berlin 1962, S.25-32).

[23] Siehe MEW Bd.1, S.499-524

[24] Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte (1844), in: MEW Bd.40, S.475

[25] Ebenda, S.517

[26] Ebenda, S.574

[27] Ebenda, S.571

[28] Ebenda, S.536

[29] In den Pariser Exzerptheften von 1844 hatte er der Nationalökonomie in einem Kommentar zu Ricardo noch vorgeworfen, dass sie dem Menschen, „also dem Leben selbst alle Bedeutung abspricht“. (Marx, Historisch-ökonomische Studien (Pariser Hefte), in: MEGA², Abt. IV, Bd.2, Berlin 1981, S.421 – Hervorhebung JA).

[30] Marx, Engels, Die heilige Familie (1844), in: MEW Bd.2, Berlin 1957, S.85 und S.138

[31] Marx, Thesen über Feuerbach (1845), in: MEW Bd.3, Berlin 1958, S.533

[32] Ebenda, S.534 und 535

[33] Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, Vorwort (1859), a.a.O., S.10

[34] Marx, Engels, Die deutsche Ideologie (1845-46), in: MEW Bd.3, S.18

[35] Ebenda, S.48, 44 und 45

[36] Ebenda, S.25, 26. „Das Bewusstsein kann nie etwas anderes sein als das bewusste Sein, und das Sein der Menschen ist ihr wirklicher Lebensprozess“ (ebenda, S.26).

[37] Ebenda, S.35

[38] Siehe seine Studien zu James Mill von 1844 (auszugsweise in: MEW Bd.40, S.443-463); die Hefte 1-5 der Manchester-Exzerpte

   von 1845 sind in der Abteilung IV (Exzerpte, Notizen, Marginalien) im Band 4 der Marx Engels Gesamtausgabe (MEGA²), Berlin 1988,  S.7-354 veröffentlicht und die restlichen Hefte sollen in Band 5 erscheinen.

[39] Marx, Engels, Die deutsche Ideologie, a.a.O., S.354 und 383

[40] Marx, Das Elend der Philosophie, (1846/47), in: MEW Bd.4, Berlin 1959, S.130, aus dem Französischen.

[41] Eine von vielen Stellen: ebenda, S.81.

[42] Ebenda, S.61-182; ein fast als Kurzfassung dieser Schrift zu bezeichnende Kritik der Auffassungen Proudhons findet sich im Brief vom 28.Dez.1846 an den russischen Publizisten Annenkow, in: ebenda, S.547-557 und MEW Bd.27, Berlin 1963, S.451-463.

[43] In: MEW Bd.4, S.459-493

[44] In: MEW Bd.6, Berlin 1959, S.397-423

[45] Das Elend der Philosophie, a.a.O., S.126-128

[46] Vgl. ebenda, S.106-114

[47] Allerdings ist dort nur von der Bourgeoisie als Motor der Geschichte die Rede, sodass sich Engels bei einer Wiederauflage des Manifests 1888 veranlasst sah, zu erklären, dass unter Bourgeoisie „die Klasse der modernen Kapitalisten“ zu verstehen ist. (Manifest, a.a.O., S.462, *Anmerkung)

[48] Manifest, a.a.O., S.474-475

[49] Vgl. Lohnarbeit und Kapital, a.a.O., S.408-409, vgl. auch das etwa zur gleichen Zeit entstandene Manuskript „Arbeitslohn“, ebenda, S.535-556

[50] Zur Kritik der Politischen Ökonomie, Vorwort, a.a.O., S.10-11

[51] In der IV. Abteilung der MEGA² füllen sie alleine fünf Bände mit zusammen ca. 3000 Seiten.

[52] Vgl. seinen Briefwechsel mit Engels von Ende November 1851 in: MEW Bd.27, S.370-375, wo schon sehr detailliert von einem mehrbändigen Werk die Rede ist.

[53] Jedenfalls bemerkte er später, dass noch nie über das Geld „unter solchem Geldmangel geschrieben worden ist“ (Brief Marx an Engels 21.Jan.1859, in: MEW Bd.29, S.385).

[54] Ein fotomechanischer Wiederabdruck in einem Band erschien 1953 und noch einmal 1974 in Berlin; heute in: MEW Bd.42, Berlin 1983, nach dieser Ausgabe wird hier zitiert.

[55] Brief Marx an Engels 8.Dez.1857, in: MEW Bd.29, S.225

[56] Brief Marx an Engels 16.Jan.1858, ebenda, S.260

[57] Brief Marx an Engels 31.Mai.1858, ebenda, S.330

[58] MEW Bd.13, S.615-642 (dort allerdings als Einleitung von „Zur Kritik ...“ bezeichnet) und MEW Bd.42, S.19-45

[59] Zur Kritik der Politischen Ökonomie, Vorwort, a.a.O., S.7

[60] In einem Brief an Lasalle vom 28.April 1862 verweist Marx auf sein „Eigentümlichkeit“, alles „nach 4 Wochen (...) wieder total“ umzuarbeiten (in: MEW Bd.30, S.622).

[61] Nicht vollständig überliefert, erstveröffentlicht 1941 im Rahmen der „Grundrisse“, ebenso in den Ausgaben Berlin 1953 + 1974, S.869-947, heute in: MEGA² Abt. II Bd.2, Berlin 1980, S.17-94

[62] Ungeachtet seiner sonstigen Einschätzungen ist es das bleibende Verdienst von Roman Rosdolsky, diesen Aspekt der „Grundrisse“ hervorragend herausgearbeitet zu haben (siehe sein „Zur Entstehungsgeschichte des Marxschen ‚Kapital’“, Frankfurt 1968).

[63] Die zweite Auflage von 1872 war die letzte, die Marx noch selbst erlebte (in: MEGA², Bd. II/6, Berlin 1987) und mit der er alles andere als zufrieden war (vgl. sein Nachwort zur zweiten Auflage, in: MEW Bd.23, S.18). Die heutige Version des Kapital I-Textes beruht also nicht auf einer Marxschen Endredaktion, jedoch sind die Eingriffe von Engels weitgehend unproblematisch, wie ein Vergleich mit Marxens nach 1867 entstandenen Manuskripten, den ersten Band betreffend, zeigt. Die inzwischen weit verbreitete wohlfeile Behauptung, dass „alle drei Bände des Kapital ... nicht in Marxschen, sondern in Engelsschen Redaktionen“ vorliegen würden (M. Heinrich, Die Wissenschaft vom Wert, 5.Aufl., Münster 2011, S.161, Hervorhebung bei Heinrich), ist zwar in ihrer Allgemeinheit unbestreitbar, verwischt jedoch die qualitativen Unterschiede der Engelsschen Eingriffe in die Bände I bis III.

[64] Grundrisse, Einleitung, a.a.O., S.41

[65] Brief Marx an Engels 10.Feb.1866, MEW Bd.31,Berlin 1965, S.174

[66] Urtext von „Zur Kritik ...“, in: Grundrisse, Berlin 1953 + 1974, S.945 und MEGA² Bd. II/2, S.91

[67] In den „Grundrissen“ , MEW Bd.42, ab S.371 und im „Kapital“ im 24.Kapitel.

[68] Grundrisse, Einleitung, a.a.O., S.40

[69] Grundrisse, a.a.O., S.372

[70] „Man kann das ‚Kapital’ von Marx und besonders das I. Kapitel nicht vollständig begreifen, ohne die ganze Logik von Hegel durchstudiert und begriffen zu haben. Folglich hat nach einem halben Jahrhundert nicht ein Marxist Marx begriffen!!“ (Lenin, Konspekt zu Hegels „Wissenschaft der Logik“, in: Werke Bd.38, Berlin 1964, S.170, Hervorhebung bei Lenin)

[71] Für viele: der bezüglich der ökonomisch-philosophischen Theorieentwicklung des frühen Marx erstaunlich moderne, sehr gründliche und leider viel zu früh verstorbene W. Tuchscheerer, Bevor „Das Kapital“ entstand., Berlin 1968, S.108.

[72] Marx, Theorien über den Mehrwert (1861-63), Zweiter Teil, in: MEW Bd.26.2, Berlin 1967, S.112 (akkomodieren = anpassen)

[73] Das Kapital, Erster Band , Vorwort zur ersten Auflage, a.a.O., S.16

[74] Zur Kritik...., Vorwort, a.a.O., S.9

[75] Ebenda, S.8

[76] Ebenda, S.9

[77] Ebenda

[78] Vgl. insbesondere: Erkenntnis und Interesse. Mit einem neuen Nachwort, Frankfurt 1973, S.36-87, das Zitat findet sich auf S.86.

[79] Das Kapital, Erster Band, Nachwort zur zweiten Auflage, a.a.O., S.22

[80] Ebenda, S.791. Im Anschluss an den folgenden Absatz führt Marx noch in einer Fußnote den in der Anmerkung 47 bereits zitierten Satz von der Unvermeidlichkeit des proletarischen Sieges aus dem „Manifest“ an.

[81] Das Kapital. Erster Band, Nachwort zur zweiten Auflage, a.a.O., S.27

[82] Ebenda, S.604, 675 und 765

[83] Ebenda, S.562

[84] Ebenda, Vorwort zur französischen Ausgabe, S.31

[85] Ebenda, S.649

[86] Ebenda, S.249

[87] Vermeintlich deshalb, weil bei allen nicht zu übersehenden Verschiedenheiten die grundlegenden Kategorien der Waren- und Geldwirtschaft, wie sie Marx ja gerade kritisiert, in diesen Gesellschaften nach wie vor Gültigkeit besaßen, überzeugend nachgewiesen in: Robert Kurz, Der Kollaps der Modernisierung. Vom Zusammenbruch des Kasernensozialismus zur Krise der Weltökonomie, Frankfurt 1991, mit dem man nicht in allen seinen Schlussfolgerungen übereinstimmen muss.

[88] Marx, Bekenntnisse (1865), in: MEW Bd.31, S.597

[89] Ein ähnlicher Satz findet sich auch bei Marx: „Darüber hinaus muss der Schriftsteller unterscheiden, was ein beliebiger Autor in der Tat aussagt, von dem, was er auszusagen glaubt.“ (Marx, Brief an Kowalewski, April 1879, in: MEW Bd.34, Berlin 1966, S.506)

[90] Das Kapital, Erster Band, a.a.O., S.88. „Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit eines Denkens, das sich von der Praxis isoliert, ist eine rein scholastische Frage.“ (Thesen über Feuerbach, a.a.O., S.533)

[91] Vgl. Das Kapital. Erster Band, a.a.O., S.85-98.

[92] Ökonomische Manuskripte 1863-1867, Teil 2, (1864/65), MEGA² Bd. II/4.2, Berlin 1992, S.385-386 und: Das Kapital, Dritter Band, in: MEW Bd.25, Berlin 1964, S.324 (die Hervorhebungen des Manuskripts wurden von Engels nicht übernommen; die Schreibweise wurde von mir modernisiert, da ich nicht recht einzusehen mag, welcher Erkenntnisgewinn daraus zu ziehen wäre, Ware „Waare“ und Wert „Werth“ zu schreiben. ).

[93] Marx, Brief an Engels, 27.Juni 1867, in: MEW Bd.31, S.313; vgl. auch Marx, Brief an Kugelmann, 11.Juli 1868, in: MEW Bd.32, Berlin 1965, S.553.

[94] Die Väter der englischen Nationalökonomie William Petty, David Hume und Adam Smith waren alle auch Philosophen.

[95] Grundrisse, Einleitung, a.a.O., S.35

[96] Das Kapital, Erster Band, Vorwort zur ersten Auflage, a.a.O., S.12

[97] Grundrisse, Einleitung, a.a.O., S.35

[98] „Gegenstände, die man seit vielen Jahren zum Hauptobjekt seiner Studien gemacht, (...) zeigen (...) immer wieder neue Seiten“ und rufen „neue Bedenken“ hervor (Marx, Brief an Lasalle, 22.Feb.1858, in: MEW Bd.29, S.550).

[99] Das Kapital. Erster Band, a.a.O., S.118

[100] „Allerdings muss sich die Darstellungsweise formell von der Forschungsweise unterscheiden. Die Forschung hat den Stoff sich im Detail anzueignen, seine verschiedenen Entwicklungsformen zu analysieren und deren inneres Band aufzuspüren. Erst nachdem diese Arbeit vollbracht, kann die wirkliche Bewegung entsprechend dargestellt werden.“ (Das Kapital, Erster Band, Nachwort zur zweiten Auflage, a.a.O.,  S.27)

[101] Grundrisse, a.a.O., S.85-86

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ISSN 1814-3164 
Key title: Grundrisse (Wien, Online)

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