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Carlo Vercellone: Die Krise des Wertgesetzes. Der Profit wird zur Rente[1]
Bemerkungen zur systemischen Krise des kognitiven Kapitalismus

Vorbemerkung der Redaktion: Wir freuen uns, diesen Text, der in einem von Sandro Mezzadra und Andrea Fumagalli herausgegebenen Sammelband mit dem Titel „Die Krise denken. Finanzmärkte, soziale Kämpfe und neue politische Szenarien“ voraussichtlich im Oktober 2010 im Unrast-Verlag erscheinen wird, bereits jetzt vorab publizieren zu können.

Einleitung

Die Absicht dieses Artikels besteht darin, ausgehend von der These des „Rente-Werdens des Profits und der Krise des Wertgesetzes“ einige Elemente einer theoretischen Lektüre der aktuellen Krise bereit zu stellen. Die auf die Krise des fordistischen Modells folgende aktuelle Transformation des Kapitalismus ist von einer übermächtigen Wiederkehr und einer Vervielfachung der Formen der Rente gekennzeichnet, die mit einer weit darüber hinausgehenden Umwälzung in den Verhältnissen zwischen Rente, Lohn und Profit einhergehen. Diese Entwicklung gab sowohl aus theoretischer Sicht als auch im Hinblick auf ihre politischen Implikationen bereits Anlass zu sehr unterschiedlichen Analysen.

Im Besonderen nach einem innerhalb der marxistischen Theorie weit verbreiteten Ansatz, der von der Politischen Ökonomie Ricardos ausgeht, wird die Rente als vorkapitalistisches Erbe und Hindernis für die progressive Dynamik der Kapitalakkumulation betrachtet. Unter dieser Voraussetzung wäre der echte, der reine, der effiziente Kapitalismus ein Kapitalismus ohne Rente.

Eine ähnliche Sichtweise, die die Schlüsselrolle der Grundrente durch jene der Geldrente ersetzt, wird heute zur Interpretation der systemischen Krise vorgeschlagen, die den Kapitalismus in Folge des Platzens der aufgrund von Subprime-Darlehen entstandenen spekulativen Blase erfasst hat, jedoch allgemeiner in der Verbriefung von Krediten in der Form von fiktivem Kapital begründet ist. Dieser Analyse zufolge würde sich der Kern der gegenwärtigen Krise im Konflikt zwischen der Tendenz des Finanzkapitalismus zur Rentenbildung auf der einen Seite und des „guten“ produktiven Kapitalismus als Träger einer dem Wachstum der Produktion und der Beschäftigung dienenden Akkumulationslogik auf der anderen Seite finden lassen.

Aus dieser Interpretation resultiert dann mehr oder weniger explizit, wie die Analysen zahlreicher ÖkonomInnen in Frankreich und Italien nahe legen, der Vorschlag einer Art neo-ricardianischen Kompromisses zwischen Lohnarbeit und produktivem Kapital gegen die Macht des Finanzsektors. Dieser Kompromiss soll es erlauben, die Hegemonie des fordistischen Managerkapitalismus und folglich die Bedingungen für ein sich der Vollbeschäftigung annäherndes Wachstum wieder herzustellen – und all dies im Rahmen einer weitgehenden Kontinuität der fordistischen Formen der Arbeitsorganisation und der Regulierung des Lohnverhältnisses. Gleichzeitig handle es sich darum, das Arbeitszeit-Wertgesetz[2] als Norm für die Verteilung und als Maß des Wertes wieder in Funktion zu setzen – gegen die Verzerrungen, die ihm die Finanzmärkte durch den Anstieg der Preise für immaterielle und materielle Kapitalanlagen (z.B. Häuser) in spekulative Höhen und die Aneignung eines unverhältnismäßigen Anteils des in der Realökonomie geschaffenen Wertes zugefügt haben.

Diese Lesart erscheint uns in mehr als einer Hinsicht falsch, im Besonderen aus vier eng miteinander verknüpften Gründen:

a) Sie irrt hinsichtlich der Rolle der Rente im Kapitalismus, da diese als eine der Dynamik des Kapitals äußerliche und der Kategorie des Profits entgegen gesetzte Kategorie betrachtet wird.

b) Die Verurteilung der Rückkehr der Rente und ihrer verzerrenden Auswirkungen wird nicht mit einer Analyse der zugrunde liegenden Transformationen verbunden, die in Reaktion auf die Krise des Fordismus in die Formen der Arbeitsteilung und in das Verhältnis Arbeit-Kapital eingegriffen haben. Wie wir noch sehen werden, sind diese Transformationen großteils an das potentielle Wachstum der kognitiven und immateriellen Dimension der Arbeit gebunden. Eine Dimension, innerhalb derer die Entwicklung der Finanzdienstleitungen im Übrigen nur einen – wenn auch den undurchsichtigsten – Aspekt darstellt.

c) Sie spart die Bedeutung jener Entwicklungen aus, die das Ende der hegemonialen Rolle der industriellen Logik der Kapitalakkumulation verursacht und zu einer immer ausgeprägter werdenden Tendenz zur Rente und zur Spekulation des produktiven Kapitals selbst geführt haben.

d) Und schließlich erkennt diese Lesart den von Marazzi in seinem grundlegenden Beitrag zu diesem Buch deutlich herausgearbeiteten alles durchdringenden Charakter des Finanzsektors nicht, die Art und Weise, in der er den gesamten ökonomischen Zyklus aus Produktion, Distribution und Realisierung des Wertes durchzieht und so eine Multitude von sozialen Subjekten und ökonomischen AgentInnen involviert, was eine klare Unterscheidung zwischen Finanzökonomie und Realökonomie immer schwieriger macht.

Sicherlich geht es nicht darum, die relative Autonomie und systemische Macht des Finanzsektors zu negieren. Eine Macht, die sich sowohl in den Wachstumsphasen zeigt, wenn er sich einen exorbitanten Teil der Profite[3] aneignet, als auch in den Phasen nach dem Platzen einer spekulativen Blase, wenn es die drohende Transformation einer lokalen in eine globale Krise dem Finanzsektor erlaubt, die Gesamtheit der Institutionen in Geiselhaft zu nehmen und von den Zentralbanken und Regierungen vorteilhafte und bedingungslose Konzessionen zu erhalten. Das Beharren auf dem Finanzsektor, als handle es sich um eine autonome, nahezu absolute Macht, die die so genannte Realökonomie aufsaugen würde, tendiert jedoch viel zu oft dazu, die gegenseitige Durchdringung von Finanzkapital und produktivem Kapital ebenso wie andere sozioökonomischen Ursachen, die den Widersprüchen und der Krise der Kapitalverwertung zugrunde liegen, zu vernachlässigen.

Eine solche Sichtweise verschweigt beispielsweise, dass der Übergang von der Krise der New-Economy-Börsen zur Krise der Immobilienbörsen nicht nur Ausdruck der zyklischen Logik der Finanzmärkte ist, sondern eine grundlegende Wende in der Dynamik des kognitiven Kapitalismus anzeigt. Die mit dem Zusammenbruch der NASDAQ[4] verbundene Krise von März 2000 war in der Tat die Bestätigung des Endes der Mythen der New Economy. Sie enthüllte die strukturellen Grenzen, auf die das Kapital in seinem Versuch, die immaterielle Ökonomie und das Internet der Logik der Kommodifizierung zu unterwerfen, trifft. Trotz der Bemühungen, ökonomische Zugangsbarrieren zu errichten, und der Stärkung der intellektuellen Eigentumsrechte[5] sind im Netz die Prinzipien der Kostenlosigkeit und Selbstorganisation weiterhin vorherrschend. Als der Niedergang der alten Leitsektoren des fordistischen Wachstums begann und diese auf die Sättigung der Märkte und die Konkurrenz der so genannten Schwellenländer trafen, war insgesamt eine außergewöhnliche Verschärfung der subjektiven und strukturellen Widersprüche des kognitiven Kapitalismus zu verzeichnen. Diese Widersprüche waren in der Tat mit der Unfähigkeit des Kapitals verbunden, die immaterielle und Wissensökonomie als Basis für eine neue Expansion der Absatzmärkte und für die eigene Legitimität in der gesellschaftlichen Organisation der Produktion in eine progressive Wachstumsdynamik zu integrieren. Beweis dafür ist die insgesamt katastrophale Bilanz des makroökonomischen Erbes der Ära Bush. Die auf die Krise der NASDAQ folgende kurze wirtschaftliche Dynamik von 2004 bis 2007 (mit einer Wachstumsrate von 2,8 Prozent im Jahresdurchschnitt) verdankte sich nahezu ausschließlich einer spekulativen Blase, in der sich die Entwicklung des Immobiliensektors und der Finanzdienstleitungen gegenseitig in Schwung hielten und sich so 40 Prozent des Wachstums des privaten Sektors in den USA sicherten. Gleichzeitig kann die Senkung der Löhne sowie die Explosion der Ungleichheiten in der Einkommensverteilung, die Antrieb für die anormale Ausweitung der Konsumkredite waren, nicht als das einfache Resultat der Habgier des Finanzsektors gedacht werden. Deren strukturelle Ursachen lagen auch und vor allem in den Prekarisierungsstrategien, die das Kapital einsetzte, um sich die Kontrolle über eine auf der Ebene der Organisation der Produktion zunehmend autonom werdende Arbeitskraft zu sichern.

Insgesamt gesehen sind die Finanzialisierung und allgemeiner die wachsende Bedeutung der Rente zum überwiegenden Teil Folge und nicht allein die Ursache dieser globalen inneren Widersprüche des kognitiven Kapitalismus. Die gleiche Einschätzung gilt für das Verständnis des Charakters und der Ursachen des Ausbruchs der aktuellen Krise, deren Ursprung fälschlicherweise wesentlich als im Finanzsektor liegend betrachtet werden könnte – wie von den meisten ÖkonomInnen angenommen wird – und die erst in einem zweiten Schritt die Realökonomie affiziert hätte. Bei genauerer Betrachtung ist dieses Schema nicht haltbar. Zahlreiche ökonomische, soziale und ökologische Indikatoren einer globalen Krise waren bereits lange vor Ausbruch der Finanzkrise vorhanden. Wie wir bereits vorweggenommen haben, reicht es, an die der kommerziellen Entwicklung der so genannten New Economy inhärenten Schwierigkeiten zu denken, an die schleichende Krise der Automobilindustrie, die untragbare Verschuldung der Privathaushalte und – nicht zu vergessen – die internationalen ökonomischen und finanziellen Ungleichheiten sowie den spektakulären Anstieg der Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise.

In den Kategorien der französischen Regulationstheorie ausgedrückt, handelt es sich bei der gegenwärtigen Krise nicht – wie 1929 – nur um „eine große Krise“ der Finanzregulierung des kognitiven Kapitalismus, die die Grundlagen eines Akkumulationsregimes betrifft, das längerfristig lebensfähig sein könnte. Deshalb kann weder die Bedeutung, noch der mögliche Ausgang dieser Krise auf das Projekt der Errichtung eines eventuellen neuen Kompromisses zwischen Kapital und Arbeit, der Schaffung von Institutionen zur Beschränkung der Macht des Finanzsektors sowie der Wiedereinführung der fordistischen Koppelung der Löhne an die Produktivität reduziert werden, um so eine harmonische Entwicklung der Produktionsnormen und des Konsums zu sichern, die einem auf dem Immateriellen und dem Wissen basierenden Kapitalismus eigen wären. Wir werden auf diesen Punkt in den Schlussfolgerungen zurückkommen.

Die These, die in diesem Artikel entwickelt werden soll, geht im Gegenteil davon aus, dass die gegenwärtige Krise in ihrer ganzen Tiefe vielmehr den unversöhnlichen Charakter des Verhältnisses des kognitiven Kapitalismus zu jenen gesellschaftlichen Bedingungen ausdrückt, die der Entwicklung einer wissensbasierten Ökonomie zugrunde liegen und die für die Aufrechterhaltung des ökologischen Gleichgewichts der Erde notwendig sind.

Es handelt sich um eine strukturelle Krise, die den Widerspruch zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und den gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen viel grundlegender betrifft. Um eine schöne Formulierung von André Gorz wieder aufzunehmen, weist diese Krise auf die Art und Weise hin, in der „der Kapitalismus […] in der Entwicklung der Produktivkräfte an eine Grenze gestoßen [ist], jenseits welcher er sich selbst überwinden müsste, um sein Potenzial auszunützen.“[6]

Dieser Widerspruch ist eng an die Krise des Wertgesetzes sowie an jene Tendenz gebunden, die wir als das Rente-Werden des Profits bezeichnen.

Was verstehen wir unter der Krise des Wertgesetzes?

Eine solche Krise zeigt sich zuallererst als Krise des Maßes, die den Sinn selbst der grundlegenden Kategorien der Politischen Ökonomie – Arbeit, Kapital und selbstverständlich Wert – in Frage stellt. Noch fundamentaler jedoch beschränkt sich die Krise des Arbeitszeit-Wertgesetzes nicht nur auf eine Krise des Maßes, sondern stimmt mit zwei Aspekten überein, die im Besonderen in den Ländern des fortgeschrittenen Kapitalismus das Ende des progressiven Vermögens des Kapitals und seinen immer parasitäreren Charakter anzeigen.[7]

Der erste Aspekt entspricht dem Ende des Wertgesetzes als Kriterium der kapitalistischen Rationalisierung der Produktion, das wie im industriellen Kapitalismus über die Fähigkeit verfügt, aus abstrakter Arbeit, die in einer Zeiteinheit von einfacher, nicht qualifizierter Arbeit gemessen wird, jenes Werkzeug zu machen, das die Kontrolle über die Arbeit und das Wachstum der gesellschaftlichen Produktivität erlaubt. Diese Krise ist mit der verstärkten Rückkehr und dem Wachstum der Macht der kognitiven Dimension der Arbeit verbunden, die mit der Durchsetzung einer neuen Hegemonie des in der Arbeit bzw. im fixen Kapital und der Unternehmensorganisation verkörperten Wissens einhergehen. Unter diesen Rahmenbedingungen basiert der Profit, ganz wie die Rente, immer mehr auf Mechanismen der Aneignung des Wertes, die von einer Position außerhalb der Organisation der Produktion her erfolgen.

Der zweite Aspekt besteht im Ende des Wertgesetzes, verstanden als gesellschaftliches Verhältnis, das die Warenlogik zum entscheidenden und die Entwicklung der Gebrauchswertproduktion und der Befriedigung der Bedürfnisse antreibenden Schlüsselkriterium macht. Zum besseren Verständnis dieser Aussage ist es notwendig, daran zu erinnern, wie für Marx oder auch sogar für Ricardo der Wert (der Waren) von den Schwierigkeiten ihrer Produktion, also der Arbeitszeit, abhängt und sich radikal vom Begriff des Reichtums unterscheidet, der von Überfluss und Gebrauchswert bestimmt ist. Die kapitalistische Logik der Produktion erlangte im industriellen Kapitalismus durch dessen Fähigkeit zur Entwicklung des Reichtums eine Art historische Legitimität, d.h. durch die Produktion einer wachsenden Anzahl von Waren mit einem einheitlichen Wert und dadurch mit relativ gesehen sinkenden Preisen zur Befriedigung einer wachsenden Anzahl von – sei es „wahren“ oder „überflüssigen“ – Bedürfnissen. In diesem Sinne konnten sich die kapitalistische Entwicklung der Produktivkräfte und der Profit als Instrumente im Kampf gegen den Mangel präsentieren. Im kognitiven Kapitalismus ist diese „positive“ Beziehung zwischen Wert und Reichtum zerbrochen und tendiert zu einer regelrechten Auseinanderentwicklung. Faktisch basiert heute das Überleben des Primats der Logik des Tauschwertes wie auch des kapitalistischen Eigentums immer mehr auf der Zerstörung der knappen, nicht erneuerbaren Ressourcen und/oder auf der Schaffung von künstlichem Ressourcenmangel – und dies mittels Mechanismen, in denen sich Profit und Rente vermischen.

Dies bedeutet jedoch nicht – wie ohne jede Zweideutigkeit betont werden muss –, dass die Arbeit nicht mehr Substanz und Quelle der Wertbildung sowie der Mehrwertbildung wäre. Es bedeutet einfach, dass das Gesetz von Wert, Mehrwert und Ausbeutung wie eine entleerte Hülle in Bezug auf das funktioniert, was Marx – fälschlicherweise oder zu Recht – als die fortschrittlichen Funktionen des Kapitals angesehen hat, d.h. seine aktive, demiurgische Rolle in der Organisation der Arbeit und der Entwicklung der Produktivkräfte als Mittel im Kampf gegen den Mangel und des Übergangs vom Reich der Notwendigkeit zum Reich der Freiheit.

Das bedeutet auch, dass der Antagonismus Arbeit-Kapital immer mehr die Form des Antagonismus zwischen den Institutionen des Communen auf der Grundlage einer Ökonomie annimmt, die auf dem Wissen und der Enteignungslogik des kognitiven Kapitalismus basiert, der sich selbst unter der Form der Rente entwickelt – einer Rente, die neben der Finanzrente vielerlei andere Ausdrucksformen hat, selbst wenn diese oft eine Synthese aller darstellt, indem sie fiktive Waren in fiktives Kapital umwandelt.

Um die Stichhaltigkeit unserer Thesen sowohl vom theoretischen als auch vom historischen Gesichtspunkt aus darzulegen, folgen nun zwei getrennte Abschnitte.

Im ersten Abschnitt wenden wir uns wieder der Definition der Kategorien Lohn, Rente und Profit zu. In dieser Analyse bestehen wir aus einem theoretischen wie historischen Blickwinkel auf den flexiblen und mobilen Grenzen, die die Kategorie der Rente von jener des Profits trennen. Dazu berufen wir uns auf einige Anstöße, die Marx im Dritten Band des Kapital entwickelt, dort wo er eine Theorie der Entstehung der Kapitalrente entwirft – eine Theorie, die in einem neuen Licht erscheint, wenn wir sie in Beziehung zur Aktualität der These des „General Intellect“ setzen.

Im zweiten Abschnitt schlagen wir eine Methode der gemeinsamen Lektüre der historischen Transformationen des Verhältnisses Arbeit-Kapital vor, die gleichzeitig zur wachsenden Macht der Rente und zur Erosion der Unterscheidung zwischen Rente und Profit geführt haben.

1. Lohn, Rente und Profit: einige Definitionen

Nach Marx sind Lohn, Rente und Profit die drei wichtigsten Kategorien in der Verteilung des Einkommens, die den kapitalistischen Verhältnissen entspringen und ebenso wie diese historischen Charakters sind. Aus dieser Perspektive versuchen wir hier einige begriffliche Werkzeuge zu entwickeln, um die Veränderung des Zusammenhangs von Lohn, Profit und Rente im gegenwärtigen Kapitalismus zu verstehen und vor allem die Kategorie der Rente genauer zu untersuchen.

Aus Gründen der Logik beginnen wir mit dem Lohn. Warum? Einfach deshalb, weil im Kapitalismus der Lohn das Entgelt der produktiven Arbeit bezeichnet, wobei mit diesem Begriff jene Arbeit gemeint ist, die den Mehrwert produziert, aus dem sowohl die Profite als auch die Renten gebildet werden. Wie Marx bereits im Hinblick auf die Fabrik hervorgehoben hat, darf dieser Mehrwert nicht nur einfach als Summe des individuellen Mehrwerts, der von jeder einzelnen LohnarbeiterIn geschaffen wird, gedacht werden, sondern auch als Gratis-Aneignung des in der gesellschaftlichen Kooperation der Arbeit erzeugten Surplus. Dieser Aspekt ist zentral für die nun folgende Analyse. Er wird ausschlaggebend, um die Begriffe des Lohns, der produktiven Arbeit und der Ausbeutung in einem Kontext neu zu denken, in dem diese Kooperation nicht mehr ins Innere der Fabrik eingesperrt ist, sondern sich auf die gesamte Gesellschaft ausdehnt und sich zunehmend autonom, also unabhängiger vom Kapital organisiert.

Nach dem Lohn gehen wir dann zu jenen Kategorien des Einkommens über, die sich das Produkt dieser Mehrarbeit aneignen, d.h. zur Rente und zum Profit. Die Kategorie der Rente ist ein theoretisch sehr komplexer Begriff. Wir schlagen eine von drei eng miteinander verknüpften Aspekten ausgehende Definition vor, die es erlauben, der gegenwärtigen Rolle der Rente in der Reproduktion der Produktions- und Distributionsverhältnisse, die die andere Seite des Begriffs der Rente darstellen, Rechnung zu tragen.

Vom Standpunkt der Produktionsverhältnisse aus erlaubt uns der erste Aspekt, die Entstehung und das Wesen der kapitalistischen Rente als das Resultat eines Prozesses der Enteignung der gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsbedingungen zu charakterisieren. Die Bildung der modernen Grundrente fällt in der Tat zusammen mit dem Prozess der enclosures (Einhegungen), dieser ersten Enteignung des Communen als „Vorbedingung sine qua non“ der Transformation von Boden und Arbeitskraft in fiktive Waren.[8]

Aus dieser ersten Prämisse können wir bereits eine wichtige theoretische Lehre ziehen. Die wechselnde Bedeutung der Rente in der Geschichte des Kapitalismus ist eng verknüpft mit der historischen Abfolge von Phasen der Entbettung, Wiedereinbettung und erneuten Entbettung der Ökonomie aus der Gesellschaft, wie sie von Karl Polanyi definiert wurde.

Deshalb sind die verschiedenen Formen, die die Rente im Laufe der Geschichte des Kapitalismus angenommen hat, immer untrennbar an die Privatisierung der gesellschaftlichen Produktionsbedingungen und an die Transformation des Communen in fiktive Waren gebunden – so wie die Grundrente an die Epoche der ursprünglichen Akkumulation. Darin besteht das verbindende Element, das sowohl die ursprünglichen enclosures des Bodens als auch die neuen enclosures des Wissens und des Lebens unter der gleichen Logik subsumiert. Diese Analogie kann auch zwischen der Rolle der öffentlichen Verschuldung während der ersten Phase der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals in der Epoche des merkantilen Kapitalismus und der bestimmenden Rolle, die die Privatisierung öffentlicher Gelder und der öffentlichen Verschuldung gegenwärtig in der Entwicklung der Finanzrente und der Destabilisierung der Institutionen des Wohlfahrtsstaates spielen, gezogen werden.

Diesen Elementen der Kontinuität zum Trotz ist es dennoch wichtig, eine entscheidende Besonderheit im aktuellen Prozess der neoliberalen Entbettung der Ökonomie im Vergleich zu anderen geschichtlichen Epochen hervorzuheben. Die Enteignung des Communen erstreckt sich heute nicht nur auf vorkapitalistische Bedingungen wie den Boden, die dem Außen (des Kapitalismus) im traditionellen Sinne des von Rosa Luxemburg geprägten Begriffs angehören. Der heutige Prozess der Entbettung der Ökonomie betrifft vor allem die Enteignung von Bestandteilen des Communen, die aus sozialen Kämpfen dort entstanden sind, wo die Entwicklung der Produktivkräfte am fortgeschrittensten ist und einige institutionelle und strukturelle Grundlagen einer wissensbasierten Ökonomie vorhanden sind, die über die Logik des Kapitals hinausweisen. Es handelt sich hierbei um jene Elemente, die zumindest potentiell als Elemente eines post-kapitalistischen Außen bezeichnet werden können. Hierbei beziehen wir uns z.B. auf die Garantien und kollektiven Produktionen des Menschen durch den Menschen wie das Gesundheits- und Bildungssystem oder die nicht-private Forschung, die historisch von den Institutionen des Wohlfahrtsstaates gewährleistet wurden. Wir werden auf diesen Punkt noch zurückkommen, dem unserer Ansicht nach sowohl für die massive Wiederkehr der Rente, als auch für die Charakterisierung dessen, was in der gegenwärtigen Krise auf dem Spiel steht, eine zentrale Rolle zukommt.

Der zweite Aspekt der Rente besteht darin, dass die Ressourcen, auf denen die Abschöpfung der Rente basiert, im Allgemeinen nicht im gleichen Maß anwachsen wie die Höhe der Rente – ganz im Gegenteil. In den Worten Napoleonis ausgedrückt, ist die Rente „das Einkommen, das die EigentümerIn bestimmter Güter deshalb erhält, weil diese Güter in knappen Mengen verfügbar sind oder gehalten werden […]“.[9] Die Rente ist also an den natürlichen oder – und öfter – künstlichen Mangel einer Ressource gebunden, also an eine Logik der Verknappung dieser Ressource – wie im Fall von Monopolen. Die Existenz der Rente basiert daher auf monopolistischen Eigentumsformen und Machtpositionen, die die Erzeugung eines Mangels und die Durchsetzung von Preisen erlauben, die über den durch die Produktionskosten gerechtfertigten Preisen liegen. Dies geschieht durch institutionelle Artefakte, wie z.B. die Politik der Stärkung der intellektuellen Eigentumsrechte.

Und schließlich besteht der dritte Aspekt darin, dass die kapitalistische (im Unterschied zur feudalen) Rente als reines Distributionsverhältnis betrachtet werden kann, da sie nicht länger irgendeine Funktion „oder wenigstens keine normale Funktion im Produktionsprozeß selbst versieht.“[10] Deswegen stellt die Rente eine Forderung oder ein Eigentumsrecht auf materielle und immaterielle Ressourcen dar, die von einer Position aus, die außerhalb der Produktion liegt, ein Recht auf die Abschöpfung von Wert sichert.

Von diesen Grundlagen ausgehend, wenden wir uns nun dem Profit sowie jenen Kriterien zu, die es erlauben, ihn von der Rente unterscheiden. Diese sind weit weniger offensichtlich, als gemeinhin gedacht wird. Zu diesem Zweck ist es sinnvoll, auf das Beispiel der Grundrente zurückzukommen, die die Vergütung der GrundeigentümerInnen für die Nutzung des Bodens, dessen EigentümerInnen sie sind, darstellt. In diesem Sinn kann die Rente, einer aus den Klassikern ererbten Definition zufolge, als das betrachtet werden, was nach der Entlohnung aller an der Produktion Beteiligten übrig bleibt.

Bemerkenswert an dieser Konzeption ist, dass alles vom Verständnis dessen abhängt, was ein Beitrag zur Produktion ist und wer zur Produktion beiträgt. Wenn wir also die klassische und immer noch gültige Definition des Profits akzeptieren, ist der Profit die Vergütung des Kapitals und besteht im Erhalt eines Einkommens, das der Menge des in die Produktion eingebrachten Kapitals entspricht. Dieser Definition nach, hat der Profit – wie bereits Smith betont hat – nichts mit dem Entgelt für die von UnternehmerInnen oder GeschäftsführerInnen unter Umständen ausgeführte Koordination und Überwachung der Produktion zu tun. Davon ausgehend können wir die Remuneration des Kapitals ebenso wie die Remuneration des Bodens als Rente betrachten, da die EigentümerInnen des Kapitals sich damit begnügen können, Produktionsmittel zu liefern, ohne diese selbst in Gang zu setzen.[11]

Aus diesem Grund ist die Geschichte der Politischen Ökonomie von Beginn an von einem enormen theoretischen Gerangel durchzogen, das darauf abzielt, die Rente streng vom Profit zu trennen. Wir wollen uns nicht allzu lange bei dieser Debatte aufhalten, jedoch jene beiden ernst zu nehmenden Argumente erwähnen, die uns für eine solche Unterscheidung geeignet erscheinen:

Erstens wird der Profit im Gegensatz zur Rente im Wesentlichen innerhalb des Unternehmens behalten, um erneut in die Produktion investiert zu werden. Deswegen spiele der Profit im Unterschied zur Rente eine positive Rolle in der Entwicklung der Produktivkräfte und im Kampf gegen den Mangel.

Zweitens befindet sich das Kapital (immer im Unterschied zur Rente) innerhalb des Produktionsprozesses als notwendige Bedingung für die Leitung und Organisation der Arbeit. Dieser interne Charakter des Kapitals beruht entweder auf der Entsprechung der Gestalt der KapitalistIn mit jener der UnternehmerIn oder auf der im produktiven Kapital verkörperten organisatorischen Logik, die eine Schlüsselrolle in der Verwaltung der Produktion, Innovation sowie Expansion der Produktionskapazitäten spielt. In beiden Fällen setzt der interne Charakter des Kapitals eine klare Opposition zwischen der Arbeit der Planung (die dem Kapital und dessen AgentInnen zugeordnet wird) und der einfachen Arbeit der Ausführung (die der Arbeit zugeschrieben wird) voraus.

Zum besseren Verständnis diesen zweiten Arguments ist es notwendig, an die – nach Marx – widersprüchliche Einheit zweier Dimensionen im kapitalistischen Produktionsprozess zu erinnern.[12] Die erste Dimension ist der auf die Produktion von Gebrauchswerten ausgerichtete Arbeitsprozess, von dem aus gesehen die potentielle Leitungsfunktion des Kapitals eine objektive Funktion der Organisation der Produktion ist. Die zweite Dimension ist der mittels der Ausbeutung der Lohnarbeit auf die Produktion von Waren ausgerichtete Verwertungsprozess, von dem aus gesehen die Leitung des Kapitals despotisch und von einem Antagonismus geprägt ist, der das Kapital dazu treibt, den Arbeitsprozess dem Verwertungsprozess zu unterwerfen und nach dessen Erfordernissen zu restrukturieren.

Nach Marx war es im industriellen Kapitalismus der reellen Subsumtion des Arbeitsprozesses unter das Kapital gerade die Fähigkeit, diese zwei Funktionen gleichzeitig zu gewährleisten, die aus der KapitalistIn eine AgentIn der Produktion machte und dem Kommando des Kapitals über die Kooperation der Arbeit den Anschein einer objektiven und notwendigen Bedingung für die Leitung des Arbeitsprozesses gab. Aus diesem Grund konnte der Profit als eine Kategorie erscheinen, die der Verteilung innerhalb des Produktionsprozesses angehört – im Unterschied zur Rente, die als reines Distributionsverhältnis betrachtet wurde.

Wie wir noch sehen werden, war jedoch die Verwirklichung dieser beiden für eine Unterscheidung – oder besser Entgegensetzung – von Rente und Profit notwendigen Bedingungen nichts anderes als ein vorübergehendes Produkt einer bestimmten Epoche des Kapitalismus, jener des industriellen Kapitalismus. Genauer gesagt, fand die vollständige Verwirklichung dieser beiden Bedingungen nur im „Goldenen Zeitalter“ des fordistischen Wachstums statt, in dem sowohl die Logik der reellen Subsumtion der Arbeit unter das Kapital als auch jene der Massenproduktion voll entfaltet waren. Im kognitiven Kapitalismus hingegen verschwimmen diese Grenzen immer stärker. Bevor wir jedoch diesen Aspekt unserer Analyse weiter entwickeln, ist ein kurzer theoretischer Exkurs in den Dritten Band des Kapital sinnvoll, in dem Marx seine These der Kapitalrente umreißt.

Exkurs: Vom III. Band des Kapital zum „General Intellect“. Die These der Kapitalrente bei Marx

In verschiedenen Schriften scheint Marx aus folgenden zwei prinzipiellen Gründen zwischen Rente und Profit nach zwei Kriterien zu unterscheiden:

Erstens scheint Marx, wie die klassischen Ökonomen, in der allgemeinen Analyse des Kapitals (I. und II. Band) als Normalfall vorauszusetzen, dass der industrielle Kapitalist eigenes Kapital besitzt und das eigene Unternehmen selbst leitet, wie es im Übrigen zur Zeit der Entstehung des Kapital auch allgemein üblich war. Der industrielle Kapitalist kann so in jenem Maß, in dem er direkt in ein Produktionsverhältnis involviert ist und in die Entwicklung der Produktivkräfte investiert (und damit den Mangel an Kapital verringert), als Gestalt erscheinen, die im Gegensatz zum Rentier steht.

Zweitens, und das ist der wichtigere Grund, argumentiert Marx im Rahmen der Tendenz zur reellen Subsumtion, in der sich die rein despotischen produktiven Funktionen mit den objektiven Funktionen der kapitalistischen Organisation der Produktion zu vermischen scheinen. Dieses Zusammenfallen hängt davon ab, inwieweit die im fixen Kapital inkorporierte Wissenschaft und die Trennung der Planungsarbeit von der ausführenden Arbeit der Leitung des Kapitals eine objektive Grundlage zu verschaffen scheinen, die in die Materialität der Produktivkräfte selbst eingeschrieben ist.

Deshalb behauptet Marx, dass Kapitalist und Lohnarbeiter die beiden einzigen Agenten der Produktion seien. „Der Grundeigentümer, ein so wesentlicher Funktionär der Produktion in der antiken und mittelaltrigen Welt, ist in der industriellen a useless superfetation.“[13]

Nichtsdestotrotz stellt Marx im Dritten Band des Kapital, in dem er seine Analyse des Kapitals als Träger des Zinses UND des Unternehmergewinns entwickelt, die entgegen gesetzten Begriffe des Profits und der Rente ebenso wieder in Frage wie die Beschränkung der Kategorie der Rente auf das Grundeigentum. Marx treibt sein Denken bis an die Grenzen der Begriffe, bis er schließlich das Rente-Werden des Profits und des Eigentums an Kapital betrachtet. Zu diesem Zweck führt er in erster Linie die konzeptionelle Unterscheidung zwischen zwei Bestimmungen des Kapitals ein, das Eigentum und die Funktion – eine Unterscheidung, die auf jene zwischen dem Zins als Revenue des Kapitaleigentums und dem aktiven Profit als Gewinn des Unternehmers, der die Produktion leitet, zurück verweist. Auf dieser Voraussetzung aufbauend, entwickelt er zwei komplementäre Hypothesen.

Die erste betrifft die Art und Weise, in der die Tendenz zur Entwicklung des Kredits und der Aktiengesellschaften zu einer immer tieferen Trennung zwischen Kapitaleigentum und Kapitalverwaltung führt. Nach Marx erfährt das Kapitaleigentum ein ähnliches Schicksal wie die Grundrente im Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus, d.h. das Kapitaleigentum wird äußerlich in Bezug auf die produktive Sphäre und schöpft, wie das Grundeigentum, den Mehrwert ab, ohne noch eine direkte Funktion im Ins-Werk-Setzen der Organisation der Arbeit auszuüben.

So „bleibt nur der Funktionär und verschwindet der Kapitalist als überflüssige Person, aus dem Produktionsprozeß.“[14] Marx unterscheidet also den passiven Charakter des Eigentums an Kapital vom aktiven Charakter des fungierenden Kapitalisten, der sich entlang des Auseinanderfallens von Eigentum und Verwaltung immer mehr in der Gestalt des Managers verkörpert, in der das Kommando über die Arbeit und die Ausbeutung derselben den falschen Schein eines Lohns für die Ausübung der Planungs- und Organisationsaufgaben in der Produktion annimmt.

Marx nimmt hier in vielerlei Hinsicht die während der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren von Keynes entwickelte Analyse vorweg. Wir sprechen von Passagen in der „Allgemeinen Theorie“, in denen Keynes die Gestalt des Unternehmers jener des Spekulanten entgegensetzt und das Konzept der Rente explizit auf das Eigentum an Kapital ausweitet. Auf dieser Grundlage sagt Keynes „den sanften Tod des Rentiers […] und folglich den sanften Tod der kumulativen niederdrückenden Macht des Kapitalisten, den knappheitsbedingten Wert des Kapitals auszunutzen“ voraus. Keynes präzisiert: „Zinsen sind heute keine Belohnung für ein wirkliches Opfer, sowenig wie die Pachtzinsen von Land.“[15]

Im Dritten Band des Kapital jedoch geht Marx weit über Keynes hinaus, wenn er eine Situation skizziert, in der der parasitäre Rentiers-Charakter des Kapitals mit dem produktiven Kapital selbst in Verbindung gebracht wird. Die zweite Hypothese betrifft eine Weiterentwicklung des Verhältnisses Arbeit-Kapital, in der die Äußerlichkeit des Kapitaleigentums gegenüber der Produktion einhergeht mit einer Krise der reellen Subsumtion, die mit einem Prozess der Wiederaneignung des Wissens durch die ArbeiterInnen verbunden ist.

Unter solchen Verhältnissen, so sagt uns Marx im Wesentlichen, werden die Aufgaben der Produktionskoordination des Managers, des Funktionärs des Kapitals, ebenfalls überflüssig und erscheinen also als rein despotisch gegenüber einer produktiven Kooperation, die sich autonom vom Kapital organisieren kann. Marx zitiert hierzu eine Passage bei Hodgskin, der einen bedeutenden Einfluss auf die Ausarbeitung der Marxschen Hypothese des „General Intellect“ haben wird, in der Hodgskin darlegt, in welchem Ausmaß „die weite Verbreitung der Bildung unter den industriellen Arbeitern“[16] die leitenden und intellektuellen Funktionen der Funktionäre des Kapitals immer vergänglicher machen werde.

Als Abschluss dieses Exkurses halten wir fest, dass diese Theorie der Kapitalrente, die im Dritten Band nur kurz angedeutet wird, noch mehr an Kraft sowie an theoretischer und historischer Relevanz gewinnt, wenn wir sie mit der These über den „General Intellect“ verknüpfen, und zwar aus zwei Hauptgründen:

Erstens wird die These der Unproduktivität des Kapitals von Hodgskin angesichts des Entstehens einer diffusen Intellektualität zum Attribut der Gesamtheit der Funktionen des Kapitals (Eigentum und Management). In diesem Kontext wird Marx zufolge „auch der letzte Vorwand zur Verwechslung des Unternehmergewinns mit dem Verwaltungslohn unter den Füßen weggezogen und erschien der Profit auch praktisch, als was er theoretisch unleugbar war, als bloßer Mehrwert, Wert, für den kein Äquivalent gezahlt ist“.[17] Kurzum, der Profit entsteht einfach aus der kostenfreien Aneignung von Arbeit, ohne die Ausübung irgendeiner realen Funktion im Produktionsprozess – wie auch bei der Rente.

Zweitens gerät das Wertgesetz, das auf der Arbeitszeit beruht, in einer Ökonomie, die auf dem Wissen als Motor basiert, in die Krise. Eine der Implikationen dieser Krise besteht darin, dass das Maß der unmittelbar für die Produktion notwendigen Arbeitszeit bereits auf ein Minimum reduziert ist, was das Risiko in sich birgt, zu einer drastischen Reduktion des Geldwertes der Produktion und daher auch der an diesen gekoppelten Profite zu führen. Daraus resultiert, dass das Kapital im Versuch, die Vorherrschaft des Tauschwertes aufrechtzuerhalten und die Profite zu retten, dazu getrieben wird, eine Rentiers-Logik zu entwickeln, die auf der Verknappung des Angebots beruht.

In Summe gesehen, zeigt uns die gemeinsame Lektüre der Analysen im Dritten Band des Kapital und in den Grundrissen, die von einer außergewöhnlichen Fähigkeit zur Antizipation zeugen, das unausweichliche Rente-Werden des Kapitals sowohl aus der Perspektive der objektiven wie der subjektiven Bedingungen der Produktion.

Marx selbst stellt jedoch diesen Zusammenhang nicht her, da diese Hypothese zu seiner Zeit nur eine künftige Potenzialität einer in einem sehr langen Zeitraum angesiedelten Tendenz war, und zwar völlig zu Recht.

Nach seinem Tod sollte das Universum, in dem sich der industrielle Kapitalismus entwickelte, trotz der Turbulenzen und der Expansion der Finanzrente, die die historische Phase von der großen Depression am Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Krise der 1930er Jahre kennzeichneten, noch jenes der Ausweitung, Festigung und Vertiefung der reellen Subsumtion bleiben.

2. Vom industriellen zum kognitiven Kapitalismus

Auf diesen Grundlagen wenden wir uns nun der Analyse der Transformation im Verhältnis zwischen Lohn, Rente und Profit im historischen Übergang vom industriellen zum kognitiven Kapitalismus zu.

a) Die Marginalisierung der Rente im Fordismus

Nach der Krise von 1929 und während der Nachkriegszeit war eine fortschreitende Marginalisierung der Rente sowie die Hegemonie eines direkt an der Mehrwertschaffung beteiligten industriellen Kapitalismus zu verzeichnen. Vier wesentliche Faktoren erklären diese Marginalisierung der Rente im „Goldenen Zeitalter“ des fordistischen Wachstums.

Erstens tragen eine ganze Reihe von institutionellen Dispositiven wie die Reglementierung der Finanzmärkte, progressive Einkommenssteuern und die keynesianische Regulierung des Geldangebotes zur Beschränkung der Macht des ererbten Eigentums bei und halten zugleich einen Prozess der Inflation in Gang, an den niedrige – manchmal sogar negative – Realzinssätze gekoppelt sind.

Zweitens erlaubt die Entwicklung der Wohlfahrtsinstitutionen die Vergesellschaftung der Reproduktionsbedingungen der Arbeitskraft, wodurch der Verwertungslogik des Kapitals und der Macht des Finanzsektors eine wachsende Einkommensmasse entzogen wird.

Drittens führt die Entwicklung tayloristischer und fordistischer Prinzipien der Arbeitsorganisation in den großen Betrieben der Leitsektoren der Massenproduktion zur Entfaltung einer Tendenz der Trennung von planender und ausführender Arbeit. Auf dieser Basis kann sich dann die Hegemonie des „Managerkapitalismus“ im Sinne von Galbraith etablieren. Dies verweist auf die Macht einer technischen Struktur, die ihre Legitimität aus ihrer Rolle in der Innovationsplanung und Produktionsorganisation bezieht, die in den arbeitswissenschaftlichen Büros und Entwicklungs- und Forschungsabteilungen angesiedelt sind. Daraus entsteht eine Verwaltungslogik, für die die Interessen der AktionärInnen und andere „nicht produktive“ Modalitäten der Kapitalverwertung zweitrangig sind.

Und schließlich ist viertens die Rolle, die intellektuelle Eigentumsrechte innerhalb einer Akkumulationslogik spielen, in deren Mittelpunkt das fixe Kapital steht, stark begrenzt.

Unter diesen Bedingungen wird der Konflikt zwischen Lohn und Profit, genauer gesagt zwischen Unternehmergewinn und Lohndynamik, zentrale Bedeutung für die Distribution der Einkommen gewinnen. Eine Lohndynamik, die – auch wenn sie immer stärker sozialisiert ist – ihren Impuls primär aus den großen fordistischen Unternehmen bezieht und Lohnsteigerungen ermöglicht, die nahezu den Produktivitätssteigerungen entsprechen. Die Bedeutung der Rente scheint zweitrangig zu werden und betrifft in erster Linie die mit der Urbanisierung verbundene Expansion der Immobilienrente, die einer dem Profit nahezu entgegen gesetzten Logik folgt. Ein gutes Beispiel dafür stellt der Vorschlag Agnellis zu Beginn der 1970er Jahre dar, eine neo-ricardianische Allianz zwischen UnternehmerInnen und Gewerkschaften gegen die städtische Grund- und Gebäuderente, d.h. die ImmobilienbesitzerInnen, zu bilden, die er aufgrund der Mieterhöhungen als hauptverantwortlich für die Inflation und die Lohnforderungen im „Heißen Herbst“ des Jahres 1969 hielt.[18]

b) Verstärkte Rückkehr und Rolle der Rente im kognitiven Kapitalismus

Im Gefolge der Krise des fordistischen Modells und mit der Entwicklung des kognitiven Kapitalismus befindet sich diese Konfiguration jedoch in Auflösung. Wir erleben heute zur gleichen Zeit eine Vervielfachung der Formen der Rente sowie ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Rente und Profit. In der Tat basiert der Profit im neuen Kapitalismus immer stärker auf zwei Mechanismen, die – um einen Begriff von J. M. Chevalier aufzugreifen – auf der „unproduktiven Verwertung des Kapitals“[19] beruhen:

Der erste Mechanismus betrifft die zentrale Rolle verschiedener Formen von Eigentumsrechten (vom Aktienbesitz bis zu Patentrechten) ebenso wie jener Forderungen (z.B. Titel auf Staatsverschuldungen), die ebenfalls Rechte zur Abschöpfung eines Teils des geschaffenen oder zu schaffenden Wertes von einer außerhalb des Produktionsprozesses liegenden Position aus darstellen.

Der zweite Mechanismus besteht in der fortschreitenden Substitution des direkten Kommandos über den Produktionsprozess durch das Kommando über den Markt. Dies geschieht durch die Schaffung von Monopolstellungen, die durch die Fähigkeit des Kapitals zur Aneignung des außerhalb des Unternehmens geschaffenen Wertes gebildet werden. Das Kapital setzt sich so entlang einer Logik, die an das Verlagssystem erinnert, als Vermittler zwischen Markt und Arbeit durch. Von noch größerer Bedeutung ist, dass diese Exteriorisation des Kapitals aus der Produktion sowohl die Arbeitsorganisation im Inneren der Unternehmen als auch deren Verhältnis nach außen betrifft.

Aus dieser These sind zwei Tendenzen abzuleiten: Zum einen ist die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im kognitiven Kapitalismus immer mehr von äußeren Bedingungen sowie von der Fähigkeit der Unternehmen abhängig, die Rente abzuschöpfen. Diese Fähigkeit ist an Unterschiede in der Produktivität geknüpft, die von der unterschiedlichen territorialen Lage und den mit ihr verbundenen kognitiven Ressourcen, der Qualität des Bildungssystems sowie der Forschung herrühren. Alles in allem basiert die Quelle des „Wohlstandes der Nationen“ – ganz im Gegensatz zum Smithschen industriellen Modell, das auf der Zentralität der technischen Arbeitsteilung in der Fabrik fußt – immer mehr auf einer produktiven Kooperation, die außerhalb der Unternehmen stattfindet. Zum anderen befindet sich die Hauptquelle des Werts nunmehr in der Kreativität und im Wissen, die vom Vermögen der lebendigen Arbeit und nicht vom fixen Kapital sowie der mechanischen und repetitiven Tätigkeit des Smithschen Typs in Bewegung gesetzt werden.

In dem Maß, in dem die Selbstorganisierung der Arbeit immer wichtiger wird, verschwinden die tayloristischen arbeitswissenschaftlichen Büros oder werden zu Überresten einer vergangenen Epoche. In diesem Kontext nimmt die Kontrolle über die Arbeit in den meisten Fällen nicht mehr die direkten Formen der tayloristischen Vorgabe der Arbeitszeiten und Handgriffe an. Diese wird von indirekten Mechanismen verdrängt, die auf die Verpflichtung zum Ergebnis, auf die Vorgabe der Subjektivität oder schlicht und einfach auf den mit der Prekarisierung des Lohnarbeitsverhältnisses verbundenen Zwang abzielen. Das Kapital ist so gezwungen, der Arbeit eine wachsende Autonomie in der Organisation der Produktion zuzugestehen, auch wenn sich diese Autonomie auf die Auswahl der Mittel beschränkt, die zur Erreichung der fremdbestimmten Ziele notwendig sind. Hier tritt das alte Dilemma der Kontrolle über die Arbeit in veränderter Gestalt erneut in Erscheinung. Nicht nur ist das Kapital vom Wissen der LohnarbeiterInnen abhängig, es muss auch die Mobilisierung und aktive Beteiligung des gesamten Wissens und der gesamten Lebenszeit der LohnarbeiterInnen erreichen. Im Versuch, diesem neuen Problem zu begegnen, bedient sich das Kapital verschiedener Mittel der Sicherstellung der Kontrolle über eine Arbeitskraft, die dem Kapital gegenüber zunehmend autonom wird: der der Verinnerlichung der Unternehmensziele dienenden Vorgabe der Subjektivität, des Drucks der KundInnen, aber auch und vor allem des schlichten Zwangs der Prekarität.

Die Prekarität stellt sich also als Faktor dar, der in großem Maße der neoliberalen Regulierung der kognitiven Arbeit inhärent ist, und zwar trotz ihrer kontraproduktiven Effekte im Hinblick auf eine effiziente Verwaltung der Ökonomie des Wissens. Diese Tatsache erklärt zu einem beträchtlichen Teil die Stagnation der Löhne und der Kaufkraft der so genannten Mittelklassen.[20]

Innerhalb dieser Logik findet sich die Erklärung jener Geld- und Einkommenspolitik, die die Explosion der Konsumkredite und der Verschuldung der Privathaushalte absichtlich begünstigt hat (wenn wir die Hypothese einer Reform der Mechanismen von Verteilung und Umverteilung einmal außer Acht lassen), und zwar mit einer deutlichen Beschleunigung in den Vereinigten Staaten ab 2002. Von der Warte der Regulierung des Lohnverhältnisses aus gesehen, sollte diese Wahl eine dreifache Funktion verfolgen: erstens durch Ausweitung des Kreditvolumens das Risiko der Stagnation des Konsums auszugleichen, der in den USA wie in Frankreich praktisch 70 Prozent des BIP ausmacht; zweitens durch die Akkumulation der Zinsen zu Lasten der Privathaushalte dem Kapital eine neue Quelle der indirekten Abschöpfung von Mehrwert zu eröffnen; und schließlich drittens durch die Verallgemeinerung der Verschuldung eine vom Kapital abhängige und ihm konforme Subjektivität zu schaffen, in der das Konzept der sozialen Rechte und der Gemeingüter durch die Rationalität des Homo oeconomicus, des Humankapitals, ersetzt wird.

Zwei Schlussfolgerungen können aus dieser Analyse gezogen werden. Erstens muss der Begriff der produktiven Arbeit selbst (des Mehrwerts) und folglich des Lohns sowie das Terrain der kollektiven Verhandlungen unter Einbeziehung aller Arbeitszeiten und aller Aktivitäten, die die offiziellen im Unternehmen verbrachten Arbeitszeiten überschreiten, neu überdacht werden. Die zweite Schlussfolgerung besteht darin, dass die großen Unternehmen sich heute in erster Linie um ihre Finanzarchitektur kümmern und letztlich mit allem außer der direkten Organisation der Produktion beschäftigt sind, wie Paulré[21] unterstreicht. Kurzum, „das große Unternehmen ist heute ein Ort der Geschäfte und nicht der industriellen Produktion geworden“[22], um den prophetischen Ausspruch von Veblen zu paraphrasieren, und auf dieser Stufe könnten die Unternehmergewinne selbst immer mehr von Renten assimiliert werden. Es sei angemerkt, dass auch aus dieser Perspektive die Finanzialisierung nicht einfach ein Produkt einer Veränderung der Machtverhältnisse zwischen ManagerInnen und AktienbesitzerInnen ist, sondern vielmehr das Ergebnis einer inneren Transformation der Verwertungsstrategie des Kapitals der großen Industriekonzerne. Alles verhält sich so, als ob parallel zur Bewegung der Autonomisierung der Arbeitskooperation eine entsprechende Bewegung der Autonomisierung des Kapitals in der abstrakten, hochgradig flexiblen und mobilen Form des Geldkapitals vor sich gehen würde. Darüber hinaus geht diese Tendenz Hand in Hand mit einer Verzerrung der traditionellen Funktionen, die von den Wirtschaftswissenschaften den Finanzmärkten zugeschrieben werden, nämlich die Gewährleistung der besten Verwaltung des Risikos (!) und den optimalen Einsatz des Kapitals. Ganz im Gegensatz zu jener Theorie, nach der die Börsen die Unternehmen finanzieren, waren es im Besonderen die Unternehmen selbst, die in all den Jahren des Wachstums der spekulativen Blasen für die Liquidität (Dividenden, Zinsen etc.) und den Mehrwert ihrer AktionärInnen an den Börsen gesorgt haben, oft mit dem Effekt eines negativen Saldos.[23] Andererseits ist diese Dynamik in Europa, und im Besonderen in Frankreich, begleitet von einer Stagnation der produktiven Investitionen. Das ist der Grund dafür, dass einige ÖkonomInnen von einem Modell des Profits ohne Kapitalakkumulation[24] sprechen. Egal, ob es sich um die Logik des Finanzsektors oder um die neuen Einhegungen des Wissens handelt, insgesamt scheint die führende Rolle des Profits in der Entwicklung der Produktivkräfte und also im Kampf gegen den Mangel stark beeinträchtigt zu sein. Diese Entwicklung ist Teil einer allgemeinen Tendenz des Kapitals, den Profit in einen Rentiers-Mechanismus zu verwandeln, um den Mehrwert von außerhalb der Produktion her und/oder durch die Schaffung einer künstlichen Verknappung von Ressourcen abzuschöpfen.

Bevor wir uns nun einer genaueren Analyse der verschiedenen Formen der Rente zuwenden, stellt sich an diesem Punkt unserer Überlegungen jedoch folgende Frage: Woraus besteht die neue Rolle der Rente – nicht nur in der Sphäre der Distribution, sondern auch in der Enteignung des Communen und in der Regulierung des Verhältnisses Arbeit-Kapital im kognitiven Kapitalismus? Zur Beantwortung dieser Frage ist das Herausstreichen eines wesentlichen theoretischen und historischen Punktes notwendig. Es handelt sich hierbei um den Widerspruch, wenn nicht sogar den Antagonismus, zwischen der Logik des kognitiven Kapitalismus auf der einen und der Dynamik der kollektiven Kreativität und Emanzipation auf der anderen Seite, die den Ursprung der Entwicklung einer auf dem Wissen und seiner Verbreitung basierenden Ökonomie bildet.

Unserer Ansicht nach liegen der Ausgangspunkt und die Haupttriebkraft der gegenwärtigen Transformation des Kapitalismus nicht in der Finanzialisierung und der informations- und kommunikationstechnologischen Revolution, sondern in zwei Phänomenen begründet, die im Mittelpunkt der Krise des fordistischen Lohnverhältnisses stehen:

Erstens – und vor allem anderen – in der Herausbildung einer diffusen Intellektualität, die durch die Entwicklung der Massenschulbildung und die Anhebung des allgemeinen Bildungsniveaus entstanden ist. Diese neue intellektuelle Beschaffenheit der Arbeitskraft hat zu einer qualitativ neuen Vorherrschaft des im Arbeitsvermögen enthaltenen und von diesem verausgabten lebendigen Wissens gegenüber jenem Wissen geführt, das im fixen Kapital und in der produktionstechnischen Organisation der Betriebe verkörpert ist.

An zweiter Stelle stehen die sozialen Konflikte, die zu einer Expansion des sozialisierten Lohnes und der kollektiven Sozialleistungen des Wohlfahrtsstaates geführt haben, die mit dem fordistischen Modell nicht mehr kompatibel war. Diese Dynamik wird oft einfach mit der Erhöhung der Reproduktionskosten als einem Faktor der Krise des Fordismus gleichgesetzt. A posteriori bestätigt sich jedoch, dass diese Dynamik wesentliche Bedingungen für die Entstehung einer wissensbasierten Ökonomie bereitgestellt hat.

Zum Verständnis der Bedeutung dieser Dynamik greifen wir auf ein „stilisiertes Faktum“[25] zurück, das von der ökonomischen Theorie häufig heraufbeschworen wird, um die Entstehung einer wissensbasierten Ökonomie zu charakterisieren: Es handelt sich hierbei um eine historische Dynamik, im Zuge derer die so genannten intangiblen Kapitalanteile (Forschung & Entwicklung, Software, vor allem jedoch Bildung, Ausbildung und Gesundheit), die hauptsächlich in den Menschen verkörpert sind, die materiellen Kapitalanteile in der realen Zusammensetzung des Kapitals überstiegen haben und zum wesentlichen Antrieb des Wachstums geworden sind.

Die Interpretation dieses stilisierten Faktums nimmt drei wesentliche Bedeutungen an, die von den Mainstream-ÖkonomInnen systematisch verschleiert werden, unserer Ansicht nach jedoch für das Verständnis des Ursprungs sowie der Einsätze der gegenwärtigen Krise unerlässlich sind.

Die erste Bedeutungsebene besteht darin, dass die Tendenz zum Anstieg des immateriellen Kapitals eng mit Faktoren verbunden ist, die die Basis der Herausbildung einer diffusen Intellektualität sowie der neuen Hegemonie der kognitiven Arbeit darstellen. Und eben die Hegemonie der kognitiven Arbeit erklärt das immer stärkere Anwachsen jener Kapitalanteile, die irreführender Weise „intangibles Kapital“ genannt werden.

Die zweite Bedeutungsebene liegt darin, dass das so genannte intangible Kapital in Wirklichkeit im Wesentlichen den intellektuellen und kreativen Fähigkeiten entspricht, die in der Arbeitskraft verkörpert sind und von dieser verausgabt werden. In den Worten von Mario Tronti ausgedrückt, handelt es sich also um den Modus, in dem „die lebendige Arbeit als Nicht-Kapital“[26] nunmehr eine hegemoniale Rolle im Verhältnis zur Wissenschaft und zum kodifizierten Wissen, die im fixen Kapital inkorporiert sind, spielt. In diesem Sinn ist der Begriff des immateriellen Kapitals ein Symptom der Krise der im industriellen Kapitalismus eingeführten Kategorie des konstanten Kapitals selbst, in der C (konstantes Kapital) die tote in die Maschinerie eingegangene Arbeit repräsentiert, die der lebendigen Arbeit ihre Herrschaft auferlegt. Trotz der Verzerrungen, die mit Begriffen wie intellektuelles Kapital, intangibles Kapital oder Humankapital entstehen, handelt es sich bei diesem Kapital um nichts anderes als die kollektive Intelligenz. Es entzieht sich daher auch jedem objektiven Maßstab. Sein Wert kann nur als subjektiver Ausdruck der Erwartung von zukünftigen Profiten auf den Finanzmärkten betrachtet werden, die sich auf diese Weise Renten sichern.

Das hilft uns zu erklären, warum der „Markt“-Wert dieses Kapitals im Wesentlichen fiktiv ist. Er beruht auf einer dem Finanzsektor eigenen selbstreferentiellen Logik, die früher oder später auseinander fällt und das Weltkreditsystem sowie die gesamte Ökonomie in eine systemische Krise treibt und somit bedroht. Mit André Gorz können wir kurz zusammenfassend feststellen, dass die Dynamik des postfordistischen Kapitalismus, die von einer Abfolge immer schwererer Krisen gekennzeichnet ist, nicht einfach das Ergebnis einer „schlechten“ Regulierung der Finanzmärkte darstellt, sondern dass „hier die eigentliche Schwierigkeit (liegt), der der kognitive Kapitalismus begegnet: Unangreifbares Kapital lässt sich nicht so leicht in ordentliches Kapital verwandeln, und der kognitive Kapitalismus lässt sich nicht so leicht in ordentlichen Kapitalismus umfunktionieren.“[27]

Das ist jedoch noch nicht alles. Nicht nur das Kapital, sondern auch das Arbeitsprodukt selbst wird zunehmend immaterieller und in Innovationen, Kenntnissen und Informatikdienstleistungen verkörpert, die fiktive Waren sind. Warum fiktive Waren? Sie sind fiktive Waren, weil sie sich aufgrund ihres nicht konkurrierenden, kumulativen und nicht ausschließenden (bzw. nur schwer exklusiv zu machenden) Charakters den Kriterien für herkömmliche Waren entziehen. So entsteht eine äußerst widersprüchliche Situation, die – wie wir bereits erklärt haben – am Anfang der Krise der New Economy steht und sich kontinuierlich zuspitzt. Von Seiten der Nachfrage aus gesehen, gelangt die immaterielle Produktion trotz der Stärkung der intellektuellen Eigentumsrechte nicht ausreichend an die Absatzmärkte, um die traditionelle Sektoren – in denen die Nachfrage nahezu gesättigt ist und die einem immer stärkeren internationalen Preiswettbewerb unterliegen – wirklich ersetzen zu können. Auf der anderen Seite erzeugt der Versuch des Kapitals, das Wissen in Kapital und in eine fiktive Ware zu verwandeln, eine paradoxe Situation, in der mit dem künstlichen Anstieg des Tauschwerts des Wissens aufgrund seiner Privatisierung und Verknappung das Absinken seines gesellschaftlichen Gebrauchswerts einhergeht.[28] Der kognitive Kapitalismus kann also nicht ewig weiter bestehen, ohne die Entwicklung der Produktivkräfte und die kreativen Fähigkeiten der Subjekte, auf denen eine knowledge based economy beruht, zu hemmen.

Die dritte Bedeutungsebene besagt, dass sich die tatsächlichen Leitsektoren einer wissensbasierten Ökonomie nicht in den privaten Laboratorien der Forschung und Entwicklung befinden. Eine solche treibende Rolle entwickelt sich vielmehr in den kollektiven Produktionen des Menschen durch und für den Menschen, die traditionell entlang einer nicht marktförmigen Logik von den Gemeinschaftseinrichtungen des Wohlfahrtsstaates sichergestellt werden. Dieser Aspekt hilft uns, den enormen Druck zu erklären, der vom Kapital ausgeübt wird, um die sozialen Dienstleistungen zu privatisieren, und zwar aufgrund deren strategischer Rolle sowohl im Wachstum der gesellschaftlichen Nachfrage als auch in der biopolitischen und bioökonomischen Kontrolle der Bevölkerung.[29] Auch in diesem Fall kann wie bei den Wissensgütern die Unterwerfung dieser Sektoren unter die Logik des Markts und des Profits nur zu einer künstlichen Verknappung der Ressourcen führen, die so der zahlungsfähigen Nachfrage vorbehalten bleiben. Dies kann die Zerstörung jener kreativen Kräfte nach sich ziehen, die der Entwicklung einer auf der treibenden Rolle des Wissens und seiner Verbreitung basierten Ökonomie zugrunde liegen.

Drei Faktoren machen sowohl auf ökonomischer wie auf sozialer Ebene die Ausdehnung der kapitalistischen Rationalität des Wertgesetzes auf die Produktionen des Menschen durch den Menschen kontraproduktiv und berauben sie ihrer progressiven Kraft, die sie in gewissen Aspekten in der Massenproduktion von materiellen Waren im industriellen Kapitalismus bewiesen hat. Der erste Faktor ist mit dem an und für sich kognitiven und affektiven Charakter dieser Tätigkeiten verbunden, bei denen die Arbeit nicht aus an lebloser Materie vollzogenen Handlungen, sondern in einer Beziehung der gemeinsamen Produktion von Dienstleistungen am Menschen selbst besteht. Der zweite Faktor rührt von der Unmöglichkeit her, die Produktivität gemessen an quantitativen Kriterien zu erhöhen, ohne dass die Qualität Schaden nimmt, die die Effizienz einer Dienstleistungsbeziehung gewährleistet, wie z.B. im Gesundheitswesen oder in der Vermittlung von Wissen. Der dritte Faktor ist an die tief greifenden Verzerrungen geknüpft, die durch das Prinzip der zahlungsfähigen Nachfrage in die Verteilung der Ressourcen und in das Recht auf den Zugang zu diesen communen Gütern eingeführt werden. Die Produktionen des Communen gründen sich per Definition auf die Kostenfreiheit und den freien Zugang. Ihre Finanzierung kann also nur durch den kollektiven und politischen Preis, der durch Steuern, Sozialbeiträge oder andere Formen der Vergesellschaftung von Ressourcen repräsentiert wird, sichergestellt werden.

Wie die aktuellen sozialen Konflikte in Italien, Frankreich und Griechenland zeigen, stellt sich von hier aus der wesentliche Einsatz im Aufeinanderprallen zwischen der neoliberalen Strategie der Enteignung des Communen mittels Rente auf der einen Seite und einem Projekt der Rücknahme der Ökonomie in die Gesellschaft durch die demokratische Wiederaneignung der Institutionen des Wohlfahrtstaates und durch ein alternatives Modell gesellschaftlicher Entwicklung, in dem die Produktionen des Menschen durch den Menschen im Mittelpunkt stehen, auf der anderen Seite dar.

Es soll hervorgehoben werden, dass sich die Auseinandersetzungen auf diesem Terrain in nächster Zukunft aufgrund der sozialen Kosten der staatlichen Interventionen zur Rettung des Bankenwesens sowie der Finanzierung der Konjunkturbelebungsprogramme verschärfen werden. De facto besteht eine der wesentlichen Konsequenzen dieser Maßnahmen darin, dass der Anstieg der privaten Verschuldung als Unterstützung des Konsums durch das exponentiale Wachstum der Staatsschulden als Mechanismus der Vergesellschaftung der Verluste ersetzt wurde. Jetzt, solange die Staatsanleihen noch ohne große Schwierigkeiten auf den Märkten platziert werden können und sie noch als Garantie für Liquidität erscheinen, wird die Konkurrenz zwischen den Staaten aller Wahrscheinlichkeit nach schnell zu einer Erhöhung der Zinssätze und des öffentlichen Schuldendienstes  führen.[30] Darin wurzelt die Notwendigkeit, den Steuerdruck stark zu erhöhen, was als Vorwand für weitere Einschnitte in die öffentlichen Ausgaben und für weitere Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen dienen und zu einer weiteren Vertiefung und Ausweitung des Prozesses der Enteignung des Communen führen wird.

Schlussfolgerungen

Im kognitiven Kapitalismus bilden die Finanzialisierung und allgemeiner das Wachstum der Renten strukturelle Dimensionen der Verwertungslogik des Kapitals sowie der objektiven und subjektiven Widersprüche, die diese hervorbringt. Der Ausbruch der Krise war der Moment der äußersten Verdichtung all dieser Widersprüche, sowohl auf der Ebene des Verhältnisses Arbeit-Kapital als auch auf jener des sich zuspitzenden Antagonismus zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und dem privaten Charakter der Aneignung.

In diesem Sinn ist – um mit Gramsci zu sprechen – die gegenwärtige Krise ein tragischer Moment, eine große Krise, die „gerade in der Tatsache [besteht], daß das Alte stirbt und das Neue [noch] nicht zur Welt kommen kann: in diesem Interregnum kommt es zu den unterschiedlichsten Krankheitserscheinungen.“[31]

Nichts jedoch wird sein wie zuvor – und wir müssen eingestehen, dass eine präzise Prognose der Szenarien, in die diese Krise münden kann, mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. In jedem Fall jedoch ist es unserer Ansicht nach extrem schwierig, die These zu teilen, die immer noch von anderen WissenschafterInnen aufrechterhalten wird; nämlich dass die aktuelle Krise dazu führen könnte, dass das Kapital die Notwendigkeit eines „Neuen New Deal“ zur Kenntnis nimmt, der fähig wäre, den kognitiven Kapitalismus und die Wissensökonomie miteinander zu versöhnen und gleichzeitig jene Hierarchien aufzulösen, die den Ungleichheiten in der Einkommensverteilung, der nicht genügenden Nachfrage und der Instabilität des Finanzsektors innewohnen.

Genauer gesagt, trifft die Möglichkeit eines „Neuen New Deal“, eines neuen Kompromisses zwischen Arbeit und Kapital, abgesehen von der Mauer der Macht des Finanzsektors, auf zwei große Hindernisse: Hürden, die sich – wie wir gesehen haben – im Ende der fortschrittlichen Kraft des Kapitals und in der Krise des Wertgesetzes ausdrücken. Das erste Hindernis besteht darin, dass eine eventuelle Stärkung der sozialen Sicherheit und neue Mechanismen der Einkommensverteilung, die die Bindung des Geldes an das Lohnverhältnis substantiell verringern, ein großes Risiko für das Kapital bergen würden: das Risiko der tief greifenden Destabilisierung der auf der Präkarität basierenden Mechanismen der Kontrolle über die kognitive Arbeit. Daraus könnte eine sich immer stärker zuspitzende Dynamik von Konflikten entstehen, die nicht nur die Ebene der Einkommensverteilung, sondern auch die Frage der Definition der gesellschaftlichen Organisation und der gesellschaftlichen Ziele der Produktion selbst betreffen könnte. Das zweite Hindernis hängt damit zusammen, dass sich – zumindest in den fortgeschrittenen Ländern – der größte Teil der Bedürfnisse, die durch die Entwicklung der Produktion befriedigt werden können, außerhalb jener Tätigkeitssphären befindet, in denen die ökonomische Rationalität des Kapitals im industriellen Kapitalismus eine fortschrittliche Rolle gespielt hat. Die Deindustrialisierung und die Sättigung der Märkte für Güter der Massenproduktion der alten fordistischen Ökonomie gehen mit der strukturellen Schwierigkeit einher, die Güter und Dienstleistungen der Information und Kommunikation, die für kurze Zeit die spekulative Blase der NASDAQ und die Mythen der New Economy genährt haben, der Logik des Kapitals zu unterwerfen. Noch fundamentaler ist, dass die Leitsektoren einer wissensbasierten Ökonomie – wie wir bereits gesehen haben – Tätigkeiten entsprechen, auf die sich die Logik der Kommodifikation und Profitabilität nicht anwenden lässt – wie in den Produktionen des Menschen durch den Menschen –, es sei denn um den Preis unerträglicher Ungleichheiten und einer drastischen Verringerung der gesellschaftlichen Produktivität dieser Sektoren sowie ihrer Effekte für die effiziente Entwicklung einer knowledge based economy.

Aus diesen Gründen scheint uns die verstärkte Rückkehr der Intervention des Staates als makroökonomischer Retter in letzter Instanz, der die Ungleichgewichte des Kapitals reguliert, nicht das Vorspiel eines „Neuen New Deal“ zu sein. Diese Entwicklung skizziert unserer Ansicht nach vielmehr die Umrisse eines „totalitären Sozialismus des Kapitals“ im Dienste der Kontinuität der neoliberalen Politik der Enteignung des Communen als Instrument der parasitären Ausweitung der Sphäre des Marktes und der Präkarisierung der Arbeitskraft.

Beweis dafür ist die Orientierung der Politik der Krisenverwaltung und der Pläne für einen ökonomischen Wiederaufschwung, die innerhalb der EU und den USA umgesetzt wird. Unabhängig von ihrem Ausmaß (immer und jedenfalls unzureichend) hat diese als gemeinsamen Nenner eine Sozialpolitik, die auf die unveränderte Aufrechterhaltung der Pfeiler der neoliberalen Regulierung des Arbeitsmarktes und der Wohlfahrt abzielt. Sogar aus Obamas Plan, der im Hinblick auf den Umfang der bereit gestellten Geldmittel sehr viel ambitionierter war, wurden nach der Verabschiedung durch den Senat jene Maßnahmen großteils gestrichen, die ursprünglich zu Gunsten der Unterstützung von Arbeitslosen, der Bildung und der Ausweitung des Gesundheitssystems vorgesehen waren – und dies trotz des allseits bekannten Nachholbedarfs des US-amerikanischen Wohlfahrtssystems in Relation zu den europäischen (kontinentalen und nordischen) Modellen.

Die Fähigkeit des Kapitals zur Reform scheint gesamt gesehen heute von den gleichen Einkerbungen begrenzt zu sein, die den kognitiven Kapitalismus daran gehindert haben, jene Dialektik zwischen Kämpfen und Entwicklung wieder zu beleben, die insbesondere in der fordistischen Epoche charakteristisch für den industriellen Kapitalismus war. Daraus entsteht eine Situation der strukturellen Unsicherheit, die eine der Ursachen der Ineffizienz der Pläne zur Konjunkturbelebung darstellt, die sich weit weniger als erhofft auf die Erwartungen der Märkte und die strukturellen Ursachen der Krise auswirken.

Trotz ihrer zerstörerischen Dynamik und den Risiken der Implosion stellt sich also die von der Krise eröffnete historische Weggabelung als komplexer, offener und zutiefst konfliktualer Prozess dar, der gegenläufigen Entwicklungen Raum geben kann. Sie ermöglicht insbesondere das Erahnen eines alternativen Szenarios, das durch die sozialen Kämpfe sichtbar werden könnte – in langwierigen Auseinandersetzungen entstehende Umrisse eines alternativen Gesellschafts- und Entwicklungsmodells, das auf zwei Hauptachsen fußt:

Die erste Achse verweist auf die demokratische Wiedereroberung der Wohlfahrtsinstitutionen, die auf der assoziativen und selbstorganisierten Dynamik der Arbeit beruht, die die Gesellschaft durchzieht. Diese Achse definiert sowohl aus der Perspektive der Produktions- als auch der Konsumnormen die Grundlagen des Aufbaus eines alternativen Gesellschaftsmodells, das auf dem Primat des Nicht-Marktförmigen und der Produktionen des Menschen durch den Menschen basiert. In diesem Rahmen würden die kollektiven Sozialleistungen nicht als Kosten gelten, die durch dem privaten Sektor entnommenen Abgaben finanziert werden, sondern als Leitsektoren einer Entwicklungsdynamik anerkannt, die durch jene Produktionen angetrieben wird, in denen das Wissen und vielfältige Kenntnisse im Mittelpunkt stehen.[32] Denn gerade in diesen Sektoren entstehen der Rhythmus und die Qualität einer Entwicklungslogik, deren Maß die Befriedigung der essentiellen Bedürfnisse sein wird, die in einer fortgeschrittenen und aufgrund der demografischen Entwicklung älteren Gesellschaft zugleich die Reproduktion einer diffusen Intellektualität sowie die anthropogenetische Reproduktion der Generationen gewährleistet – um eine Formulierung von Christian Marazzi und Robert Boyer aufzunehmen. Im Übrigen orientieren sich Gesundheitswesen, Bildung, Forschung und Kultur nicht nur an den Normen des Konsums und an den Lebensweisen der Bevölkerung. Sie bilden auch ein Sammelbecken für hoch qualifizierte Arbeiten, in dem Tätigkeiten ausgeübt werden, bei denen die kognitive und Beziehungsdimension der Arbeit überwiegt, und in dem sich unbekannte Formen der Selbstverwaltung der Arbeit entwickeln könnten, die aus einer Koproduktion von Dienstleistungen entstehen, in die die NutzerInnen eng miteinbezogen sind.

Die zweite Achse verweist auf den Kampf um die Zerstörung der Macht der Rente und die Transformation des „Sozialismus des Kapitals“ in einem Prozess der Re-Vergesellschaftung des Geldes, die letzteres in den Dienst des Communen und der Vervielfachung der Formen des Zugangs zu Einkommen (von den Studierenden bis zur Zeitarbeit) stellt – von der Lohnarbeit abgekoppelte und bedingungslose Formen des Einkommens. Horizont und Leitfaden dieser konstituierenden Dynamik ist mittel- bis langfristig die Einführung eines garantierten allgemeinen gesellschaftlichen Einkommens, das als Grundeinkommen konzipiert ist, d.h. nicht aus einer Umverteilung resultiert, wie z.B. das RMI[33] in Frankreich, sondern die Anerkennung des immer kollektiver werdenden Charakters der Wertproduktion und des Reichtums darstellt. In diesem Zusammenhang sollte daran erinnert werden, dass der Vorschlag eines garantierten allgemeinen gesellschaftlichen Einkommens als Grundeinkommen auf einer unter einem doppelten Gesichtspunkt geführten Neu-Untersuchung und Ausweitung des Begriffs der produktiven Arbeit aufruht:

Der erste Gesichtspunkt bezieht sich auf den Begriff der produktiven Arbeit, der nach der herrschenden Tradition der Politischen Ökonomie konzipiert ist, also als Arbeit, die Profit schafft und/oder an der Schaffung von Wert teilhat. Es handelt sich hierbei um die Feststellung, dass wir heute eine Ausweitung der nicht entlohnten Arbeitszeit enormen Ausmaßes erleben, die außerhalb des offiziellen Arbeitstages direkt oder indirekt in die Bildung des Wertes eingeht, der von den Unternehmen abgeschöpft wird. Unter diesem Gesichtspunkt würde das garantierte Grundeinkommen als gesellschaftlicher Lohn der Entlohnung dieser immer kollektiver werdenden Dimension einer Wert schaffenden Tätigkeit entsprechen, die sich über die Gesamtheit der gesellschaftlichen Zeit erstreckt und einer gigantischen Menge von nicht anerkannter und nicht entlohnter Arbeit Raum gibt.

Der zweite Gesichtspunkt verweist auf den als Gebrauchswerte produzierende Arbeit gedachten Begriff der produktiven Arbeit, die somit Quelle eines Reichtums ist, der sich der Logik des Marktes und der unterworfenen Lohnarbeit entzieht. Der entscheidende Punkt hierbei ist, dass Arbeit für das Kapital unproduktiv, aber dennoch Quelle von Reichtum sein kann und daher ein Einkommen generiert.

Betont werden muss das ambivalente Verhältnis als Antagonismus einerseits und als Komplementarität andererseits, das diesen beiden widersprüchlichen Formen von produktiver Arbeit im kognitiven Kapitalismus innewohnt. Die Ausweitung der freien Arbeit geht einher mit ihrer Unterwerfung unter die gesellschaftliche Arbeit, welche Mehrwert produziert, und zwar entlang jener Tendenzen, die zum Verschwimmen der traditionellen Grenzen zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit, zwischen den Sphären der Produktion und der Freizeit führen. Die Frage, die vom garantierten Grundeinkommen gestellt wird, ist also nicht nur jene nach Anerkennung dieser zweiten Dimension der produktiven Arbeit, sondern auch und vor allem die Frage ihrer Emanzipation von der Sphäre der Produktion von (Tausch)Wert und Mehrwert. Dies würde erlauben, die Verhandlungsmacht der Arbeitskraft als Gesamtes neu zusammenzusetzen und zu stärken, um dem Kapital einen Teil des als Rente abgeschöpften Werts zu entziehen. Gleichzeitig würde die Schwächung des monetären Zwanges zum Lohnverhältnis die Entwicklung von Arbeitsformen, die sich der Marktlogik der unterworfenen Arbeit entziehen, und den Übergang in Richtung eines nicht produktivistischen Modells begünstigen, in dem nicht-marktförmige Formen der Kooperation überwiegen, die über die Fähigkeit verfügen, die Gesellschaft des „General Intellect“ von der parasitären Logik des kognitiven Kapitalismus und des Finanzsektors zu befreien.


[1] Dieser Text besteht zu großen Teilen aus der Niederschrift eines Vortrags im römischen Seminar des Netzwerks UniNomade von 30. Jänner bis 1. Februar 2009. Der provisorische Charakter der Formulierung dieser Hypothesen ist leicht vorhersehbar: Ich habe mir fest vorgenommen, diese in naher Zukunft zu vertiefen. Ich danke Hervé Baron, der dazu beigetragen hat, die vorliegende Version des Artikels durch die Recherche nach italienischen bibliografischen Quellen der Zitate verschiedener AutorInnen zu verbessern.

[2] Damit ist gemeint, dass die durchschnittlich notwendige gesellschaftliche Arbeitszeit das Maß des Werts darstellt. Vgl. Karl Marx, Das Kapital, 1. Band, MEW 23, u.a. Seite 53. (Anm.d.Ü.)

[3] In diesem Zusammenhang genügt es, daran zu denken, dass in Frankreich vor der Krise der Rückgriff auf Eigenkapital der Unternehmen des Nicht-Finanzsektors des CAC 40 (Leitindex der 40 führenden französischen Aktiengesellschaften an der Pariser Börse) in der Größenordnung von 15 bis 20 Prozent lag, während jener der Finanzunternehmen, im Besonderen der Geschäftsbanken, 50 Prozent übersteigen konnte. Andere extrem signifikante Daten betreffen die Vereinigten Staaten. In den 1970er Jahren repräsentierten die Profite im Finanzsektor ca. 10 Prozent der Profite der amerikanischen Unternehmen. Im Jahr 2006 betrug dieses Verhältnis 40 Prozent (!), wobei der Prozentsatz noch höher liegen dürfte, wenn wir auch die im Finanzsektor realisierten Profite von Nicht-Finanzunternehmen berücksichtigen.

[4] Die NASDAQ ist die größte elektronische Börse in den USA. (Anm.d.Ü.)

[5] Für eine Analyse der spekulativen Blase der NASDAQ und der Krise der Net-Economy siehe auch Robert Boyer, La croissance, début du siècle. De l’octet au gène, Albin Michel, Paris 2002 (Robert Boyer, The future of economic growth: as new becomes old, Cheltenham u.a., Elgar, 2004).

[6] André Gorz, Wissen, Wert und Kapital. Zur Kritik der Wissensökonomie. (Aus dem Französischen von Jadja Wolf.) Rotpunktverlag, Zürich 2004, Seite 82.

[7] Für eine genauere Analyse der theoretischen und historischen Bedeutung des Wertgesetzes und seiner Krise siehe: Antonio Negri, Valeur-travail: crise et problèmes de reconstruction dans le postmoderne, in „Futur Antérieur“, 10, 1992, Seite 30-36; Carlo Vercellone, Lavoro, distribuzione del reddito e valore nel capitalismo cognitivo. Una prospettiva storica e teorica, 2008; Carlo Vercellone, L’analyse „gorzienne“ de l’évolution du capitalisme, in Cristophe Fourel (Herausgeber), André Gorz, un penseur pour le xxième siècle, La Découverte, Paris 2009, Seite 77-98.

[8] Karl Polanyi, Chronik der großen Transformation. Artikel und Aufsätze (1920-1945), Herausgegeben und eingeleitet von Michele Cangiani und Claus Thomasberger, Marburg: Metropolis-Verlag, 2002-2005, 3 Bde, im Besonderen: Band 2: Die internationale Politik zwischen den beiden Weltkriegen, Kapitel VI.

[9] Claudio Napoleoni, Dizionario di economia politica. Milano, Edizioni di Comunità, 1956. Die zitierte Stelle findet sich zu Beginn des Eintrages „rendita“.

[10] Karl Marx, Das Kapital, III. Band, MEW 25, Seite 890.

[11] Tatsächlich wird Keynes selbst in „Verschiedene Bemerkungen über das Wesen des Kapitals“, dem 16. Kapitel der „Allgemeinen Theorie“ (John Maynard Keynes, Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes. übers. v. Fritz Waeger, Jürgen Kromphardt u. Stephanie Schneider, 11., erw. verb. Aufl., Duncker & Humblot, Berlin 2009) eine starke und originelle Antwort auf diese Fragestellung geben: Ihm zufolge ist die Vergütung des Kapitals als solche von seiner Knappheit abhängig. Es handelt sich also um eine Gestalt der Rente und Keynes wird diese Behauptung in Übereinstimmung mit der Arbeitswerttheorie der Klassiker äußern.

[12] Zu diesem Punkt siehe Karl Marx, Das Kapital, I. Band, 4. Abschnitt, MEW 23.

[13] Karl Marx, Theorien über den Mehrwert, II. Band, MEW 26.2, Seite 38-39.

[14] Karl Marx, Das Kapital, III. Band, MEW 25, Seite 401.

[15] John Maynard Keynes, allgemeine Theorie, a.a.O., Seite 317.

[16] Karl Marx, Das Kapital, III. Band, MEW 25, Seite 402.

[17] Karl Marx, MEW 25, Das Kapital, III. Band, MEW 25, Seite 403, Fußnote.

[18] Giovanni Agnelli war bis 2003 Vorstandsvorsitzender des FIAT-Konzerns. Als Heißer Herbst wird eine massive Serie von Streiks in Fabriken und Industriezentren in Norditalien von 1969 bis 1970 bezeichnet, im Zuge derer ArbeiterInnen höhere Löhne und bessere Bedingungen forderten. Allein zwischen 1969 und 1970 waren über 440 Millionen Streikstunden zu verzeichnen (Anm.d.Ü.).

[19] Jean-Marie Chevalier, L'Economie Industrielle en question, Calman-Levy, Paris, 1977.

[20] Der durchschnittliche Lohn einer US-AmerikanerIn liegt heute unter jenem von 1979 und sehr viel darunter für jene 20 Prozent, die die ärmsten ArbeiterInnen ausmachen. Für Europa gilt die gleiche Tendenz. So ist z. B. in Frankreich die Kaufkraft des Börsenindex in 20 Jahren um 120 Prozent gestiegen (was zur Relativierung der Bedeutung des gegenwärtigen Zusammenbruchs führt), während die Kaufkraft der Löhne im gleichen Zeitraum um ganze 15 Prozent gestiegen ist, und zwar ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass die Wachstumsrate der Löhne viel niedriger ist, wenn die verschiedenen prekären Beschäftigungsformen in Betracht gezogen werden, die heute ca. 20 Prozent der Arbeitskraft betreffen (Zeitarbeit, Leiharbeit, Teilzeitarbeit, Werkverträge, freie DienstnehmerInnen etc.).

[21] Bernard Paulré, Cognitive Capitalism and the Financialization of Economic Systems, in Andrea Fumagalli / Sandro Mezzadra (Hg.): Crisis in the Global Econamy. Financial Markets, Social Struggles, and New Political Scenarios, translated by Jason Francis McGimsey, semiotext(e), Los Angeles 2010, Seite 171-196.

[22] Zitiert in: Sophie Boutillier und Dimitri Uzundis, L’entrepreneur. Une analyse socio-économique, Economia, Paris 1995, Seite 41.

[23] El Mouhoub Mouhoud und Dominique Plihon, Finance et économie de la connaissance: des relations equivoques, Innovations, 2007, vol. n° 25, issue 1, Seite 9-43.

[24] Laurent Cordonnier, Le profit sans l’accumulation: la recette du capitalisme gouverné par la finance, Innovations, 2006/1, 23, Seite 79-108.

[25] Mit dem Begriff „stilisierte Fakten“ werden in den Wirtschaftswissenschaften ökonomische Zusammenhänge bezeichnet, die durch Beobachtungen an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeitpunkten gestützt und alsdann theoretisch verallgemeinert werden. (Anm.d.Ü.)

[26] Vgl. Mario Tronti, Arbeiter und Kapital, insbesondere Kapitel 9, „Die Arbeit als Nicht-Kapital“, Verlag Neue Kritik, Frankfurt a.M., 1974. (Anm.d.Ü.)

[27] André Gorz, Wissen, Wert und Kapital, a.a.O., Seite 57

[28] Beweis dafür ist auch die Dringlichkeit, mit der zahlreiche Mainstream-ÖkonomInnen darauf hinweisen, dass die Vervielfachung der Patente mit einer offensichtlichen Verschlechterung ihrer Qualität einhergeht, und anerkennen, dass die wirkliche Quelle von Innovationen immer stärker in den nicht marktförmigen Netzen der Produktion des Communen liegt.

[29] Zum Zusammenhang zwischen kognitivem Kapitalismus und Bio-Ökonomie siehe im Besonderen: Andrea Fumagalli, Bioeconomia e capitalismo cognitivo, Carocci, Roma 2007.

[30] Für eine genauere Beschreibung dieser makroökonomischen Mechanismen siehe: Michel Aglietta, La crise. Pourquoi en est-on arrivé là? Comment en sortir?, Michalon, Paris 2008.

[31] Antonio Gramsci, „Vergangenheit und Gegenwart“, in ders., Gefängnishefte. Herausgegeben von Klaus Bochmann und Wolfgang Fritz Haug, übers. v. Klaus Bochmann, Ruedi Graf, Wolfgang Fritz Haug, Peter Jehle, Gerhard Kuck, Joachim Meinert u. Leonie Schröder, 10 Bände. Argument-Verlag, Hamburg 1991ff., Band 2 (Heft 2-3), Seite 354.

[32] Für eine genauere Analyse dieser Punkte siehe: Jean-Marie Monnier und Carlo Vercellone, Travail, genre et protection sociale dans la transition vers le capitalisme cognitif, in „European Journal of Economic and Social Systems“, vol. 20, 1/2007, Seite 15-35.

[33] Revenu minimum d’insertion – Mindestsicherung in Frankreich für Menschen, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Das RMI unterliegt einigen Zugangsbeschränkungen und betrug 2009 für Einzelpersonen ohne Kinder € 454,63, für kinderlose Paare € 681,95. Die tatsächlich bezogenen Summen sind jedoch im Normalfall aufgrund des Abzugs der Wohnbeihilfe niedriger. Pro Kind gibt es zusätzlich einen Betrag in der Höhe von ca. € 150,- bis ca. € 220,- (Anm.d.Ü.).

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