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Robert Zion: Eine spinozianische Grundlegung der Linken II  
Das ökonomische Tableau in Commonwealth.

(Zweiter Teil. Der erste Teil erschien in grundrisse # 33)

4. Die Konstitution des Common Wealth

Michael Hardt und Antonio Negri folgen in ihrem Unternehmen, „Ethik und Politik“ [S. 194] in einer „realistischen politischen Anthropologie“ [S. 191] zusammenzuführen, weitestgehend dem Aufbau von Spinozas Ethik, die für Negri bereits sehr früh eine „Metaphysik des Seins als Physik des Vermögens und Ethik der Konstitution“[1] darstellte:

„Wir starten mit einer typisch spinozianischen geometrischen Sequenz: Auf der Ebene der Empfindungen identifiziert er ein Streben (conatus) des Lebens für das Leben; dieses Streben ist aufgebaut auf dem und wird geleitet vom Begehren (cupiditas), welches durch die Affekte funktioniert: und umgekehrt ist das Begehren verstärkt und bejaht in Liebe (amor), die in der Vernunft tätig ist. Die Bewegung dieser Sequenz beinhaltet keine Negation – das Streben ist nicht negiert durch das Begehren, oder das Begehren durch die Liebe –, sondern eine progressive Akkumulation in der Art, dass Begehren und Liebe ein zunehmend machtvolleres Streben nach dem Leben sind. Und dieser Prozeß ist unmittelbar politisch, da das Objekt all dieser Begriffe dieser Sequenz die Formation des kollektiven sozialen Lebens ist und, allgemeiner gesprochen, die Konstitution des Gemeinsamen. ‚Weil zudem allen Menschen die Furcht vor dem Alleinsein innewohnt’, schreibt Spinoza, ‚hat doch niemand, auf sich allein gestellt, die Kraft, sich selbst zu verteidigen und sich das zum Leben Notwendige zu besorgen, lässt sich folgern, dass die Menschen von Natur aus den staatlichen Zustand erstreben und diesen niemals gänzlich auflösen können.’[2] Diese Passage gleicht denen von anderen Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts, die die Aufhebung des Naturrechtszustandes in der Formierung der Gesellschaft gesehen haben, doch der entscheidende Unterschied ist, dass Spinoza dies als positive, kumulative Progression hinstellt: das Streben zur Freiheit und zum Gemeinsamen wohnt der grundlegendsten Basis des Lebens inne; dann setzt das Begehren die Konstruktion des Gemeinsamen in Bewegung; und zum Schluss konsolidiert die Liebe die gemeinsamen Institutionen, die die Gesellschaft formen. Die menschliche Natur ist in dieser Sequenz nicht negiert, sondern transformiert“ [S. 192f.].

Die Konstitution des Gemeinsamen, der Gemeinschaft, ist ontologisch verankert, und Hardt und Negri drücken gleich zu Beginn von Commonwealth ihr Hoffnung aus, dass ihre Arbeit in Richtung „einer spinozianischen Lektüre oder eines Neuschreibens von Heideggers Sein und Zeit“ weist und dabei dessen „Phänomenologie des Nihilismus“ überwindet [S. xiiif.]. Anders als etwa Jean-Luc Nancy[3], suchen sie die Konstitution des Seins daher nicht entlang der Heideggerschen Ontologie[4], bei der für sie „die Kritik und Affirmation des Körpers... komplett verloren gegangen ist“ [S. 30], sondern in der – produktiven – Positivität des Seins (der Substanz: Deus sive Natura) bei Spinoza[5] und dem Ineinanderwirken von natura naturans und natura naturata: „Die zweite Natur ist die von den Menschen geschaffene Welt“, so Negri, sie „entspringt der kollektiven Imagination der Humanität: denn die Wissenschaft ist das produktive Ergebnis des aneignenden Geistes der Natur, den die menschliche Gemeinschaft besitzt und entwickelt. Die Gesittung ist eine Anhäufung von produktiver Fähigkeit.“[6]

Der spinozianische Pantheismus der Ethik eröffnet die Welt aufs Neue, nicht trotz, sondern gerade wegen der konzeptionellen Abgeschlossenheit – als revolutionären Weg der Befreiung des Menschen und – immanenten – Möglichkeitsraum biopolitischer Produktion, der ontologische Konstitution, politische Komposition, soziale Konstruktion und Transformation der menschlichen Natur ist: „synthetisch, konstruktiv, progressiv.“[7]

Die ökonomische Produktion ist nun ein soziales Vermögen (potentia), welches im Wachstum der Qualitäten des Gemeinsamen besteht (Siehe: Abb.), in Übereinstimmungen, der Reihe der von den Empfindungen der Lust begleiteten aktiven und freudvollen Affekte und entsprechenden sozialen Zusammensetzungsverhältnissen. Umgekehrt bedeutet Rezession nun soziale Dekomposition, Nichtübereinstimmung, die Reihe der von den Empfindungen der Unlust begleiteten passiven und traurigen Affekte, soziale Zersetzungsverhältnisse. Die politische Komposition des kollektiven sozialen Lebens der Multitude unterläuft gleichermaßen die alten Schemata politischer (den Staat)[8] wie kapitalistischer Repräsentation (das Eigentum) – als produktives „strategisches Wissen“ einer „biopolitischen Vernunft“ bzw. als „Erfahrung oder Praxis“ (experientia sive praxis)[9] und als „Rationalität im Dienst des Lebens“ [S. 125f.].

Der Kapitalismus selbst durchlebt dahingehend eine Metamorphose: „Ökonomische Produktion befindet sich in einer Periode des Übergangs, in der die Ergebnisse kapitalistischer Produktion in wachsenden Maße soziale Beziehungen und Lebensformen sind. Kapitalistische Produktion, in anderen Worten, wird biopolitisch“ [S. 131]. Mit der ontologisch konstitutiven Transformation der menschlichen Natur und der damit einhergehenden politischen Kompo-sition des kollektiven sozialen Lebens, wird die Arbeit selbst zur Produktion des Menschen durch den Menschen, von Wissen, Sprache, Codes, Informationen und Affekten. Die Arbeit wird „immateriell“, zur „Arbeit des Kopfes und des Herzens“, sie wird „feminisiert“, d.h. flexibilisierte „affektive-, emotionale- und Beziehungsarbeit“ und ihr Zusammensetzungsverhältnis verändert sich durch einen „konstanten Fluss legaler wie illegaler Arbeitsmigration“ permanent [S. 123ff.]. Biopolitische Arbeit ist vor allem affektive Arbeit – als solche die „Arbeit“ der Affektionen der Modi der natura naturans ausdrückend[10] –, aus der die Vermehrung unseres Betätigungsvermögens (agendi potentia) selbst entspringt[11], sie entsteht aus den spinozianischen Gemeinbegriffen (notiones communes), d. h. aus dem „Bestreben der Ver-nunft, Begegnungen zwischen bestehenden Modi unter Verhältnissen zu organisieren, die sich zusammensetzen, und die mal Doppelung, mal die Ersetzung der passiven Affekte durch die aktiven Affekte“ (Deleuze) sind. Häufig verwenden Hardt und Negri den Begriff der – wohltuenden oder zuträglichen (beneficial) – Begegnung (encounter), der „Begegnungen von Singularitäten[12] im Gemeinsamen (common)“ [S. 184].

Das Kapital kann keine produktiven Begegnungen organisieren, es wird diesen äußerlich, zum Kommando und beutet das soziale Vermögen (potentia) als enteignende Gewalt (potestas) nur aus: „Kapitalistische Akkumulation ist heute zunehmend außerhalb des Produktionsprozesses, so dass die Ausbeutung die Form der Enteignung des Gemeinsamen annimmt“ [S. 137]. Die Biomacht des Kapitals als Macht über das Leben ist insofern „räuberisch..., als diese danach sucht, den autonom produzierten gemeinsamen Wohlstand (common wealth) einzufangen und zu enteignen“ [S. 141].[13] Wie bereits bei den Physiokraten, „behält“ auch der biopolitische Arbeiter „jenen natürlichen Vorrang physischer Art, der ihn zum ersten Motor der ganzen gesellschaftlichen Maschine macht“ (Turgot). Doch nicht nur in der Spalte der Produktion gleicht das neue Tableau (Vgl. hier: S. 6) hierin dem der Physiokraten (Vgl. hier: S. 1), auch in der Spalte des Kapitals ist es ebenso eines der kapitalistischen Rente (statt des Profits), die das Eigentliche des heute bestimmend gewordenen Finanzkapitals[14] ausmacht. Dadurch wird das neue Tableau nicht nur eines der ökonomischen Qualitäten des Gemeinsamen, es wird auch eines von deren Verteidigung und der sozialen Kämpfe (ein solches ist das Tableau der Physiokraten nur implizit aber noch nicht explizit gewesen). Das, was für die herkömmliche politische Ökonomie den bisherigen Untersuchungsgegenstand ausmachte, die Erfassung und Messung quantitativer Werte und zählbarer Dinge – inklusive dem Wertgesetz der Arbeit –, rückt nun an die Peripherie des biopolitischen Produktionsprozesses und die bisher als unerfassbar geltenden „Externalitäten“ in dessen Zentrum: „Die Kritik der politischen Ökonomie, auch die in marxistischer Tradition, hat ihren Fokus ebenfalls in der Regel auf die Messung und quantitative Methoden gelenkt, um den Mehrwert und die Ausbeutung zu verstehen. Biopolitische Produkte jedoch, tendieren dazu, jegliche quantitative Messung zu überschreiten und die Form von Gemeingütern anzunehmen, die leicht zu teilen, aber schwerer einzuzäunen sind als der Privatbesitz“ [S. 135f.].

Biopolitische Produktion ist unmittelbar politisch, nicht nur als Verteidigung – und Neukonstitution – der Demokratie gegen die Biomacht und das Kommando des Kapitals, als Komposition des kollektiven sozialen Lebens, sondern vor allem als Konsolidierung der dann geschaffenen (natura naturata) gemeinsamen Institutionen der Gesellschaft durch die Liebe (amor). Dies ist vielleicht der provokanteste Moment in Michael Hardts und Antonio Negris Commonwealth, der das Buch in der Tat zu einer revolutionären Neulektüre von Heiderggers Sein und Zeit macht: „Liebe ist stärker als der Tod“ [S. 198]. Es ist die spinozianische Liebe als „Freude, begleitet von der Idee einer äußeren Ursache“ [Ethik, III, Def. d. Affekte 6] und nicht die institutionalisierte „Liebe“ in ihren korrumpierenden Formen identitärer – d. h. vor allem privatisierter – oder vereinheitlichender – d. h. vor allem religiöser – Art, die nur die Wiederholung des „Selben“ zulässt und gleichermaßen „die Konstitution des Gemeinsamen und die Komposition von Singularitäten“ verhindert [S. 183f.].

Als Tätigkeits-, Wirklichkeits- und Vollkommenheitsgrad entspricht die Liebe der dritten Erkenntnisgattung Spinozas, der Wesenserkenntnis als intellektuelle Liebe der Vernunft (amor Dei intellectualis). Die Gemeinbegriffe, obgleich kumulative Voraussetzung (Vgl. hier: S. 12, Anm. 3) und für Deleuze „Ursache des Werdens“[15] (causa fiendi) der Wesenserkenntnis, erfassen nur das Allgemeine der Attribute in allen Modi in ihrer Zufälligkeit und Mehrdeutigkeit[16], jedoch nicht das ihnen Gemeinsame, d. h. die Attribute der Substanz (Deus sive Natura) auf ihre gemeinsame Form hin in ihrer Notwendigkeit und Eindeutigkeit.[17] Die mit der Konstruktion des Gemeinsamen durch die Gemeinbegriffe geschaffenen Institutionen der Gesellschaft heißt das, werden allein durch die Liebe konsolidiert und der Mensch wird sich darin in einer Art Dreieck „seiner selbst und Gottes und der Dinge nach einer gewissen ewigen Notwendigkeit bewusst“ [Ethik, V, 42, Anm.]: „Die Liebe der Natur als Ganzem, das Gemeinsame in seiner expansivsten Form“ [S. 181]. Auch deshalb bestehen Hardt und Negri auf dem Begriff des – obwohl vom Marxismus-Leninismus historisch vollkommen desavouiert – Kommunismus als ontologisch begründete Gesellschaftsform.[18]

5. Anmerkungen zum neuen TABLEAU

„Aber alles Erhabene ist ebenso schwer wie selten“ [Ethik, V, 42, Anm.], so klingt die Ethik aus, und auch die Konstitution des Common Wealth im neuen Tableau (3n) ist nicht in einer einfachen Reproduktion des kollektiven sozialen Lebens nach Art einer monokausalen, gar deterministischen Abfolge 31®32®33...3x®3n zu haben (Irrtum des Staatssozialismus), in anderen Worten: „Wahrheit wird von unten konstruiert“ [S. 121]. Die ausgeschriebene „Formel“[19] des Tableaus ist komplizierter und dessen Spalten „auszufüllen, wird zur Tagesordnung werden” [S. 290], so Hardt und Negri. Daher an dieser Stelle einige Anmerkungen zum neuen Tableau anhand einer heute zentral gewordenen Aufgabe der Zeit: dem Klimawandel (politische Ökologie).[20]

Wie Martial Gueroult in seiner über sechshundertseitigen Untersuchung allein über Buch I der Ethik „Von Gott“ gezeigt hat, stellt Spinoza darin keineswegs die Gleichung Gott = Natur auf, sondern vielmehr die Gleichung Gott = Substanz (alle Naturen gehören ein- und derselben Substanz an).[21] Der spinozianische Pantheismus darf daher nicht mit einem Naturalismus verwechselt werden. Gerade der immanente Zusammenhang von Schaffendem und Geschaffenem, von „naturender Natur“ (natura naturans) und „genaturter Natur“ (natura naturata), wäre ohne eine einzige identitäre Substanz als „Ursache ihrer selbst“ (causa sui), die sich in ihren Attributen konstituiert und die „in sich ist und durch sich begriffen wird“, nicht auszudrücken. Das Ökologische des spinozianischens Denken liegt also im immanenten Ineinanderwirken von natura naturans und natura naturata als zusammensetzende Affektionen der Modi der Substanz und ihrer Attribute, genauer, im Erkennen und der Aneignung dessen durch den Menschen, was für ihn das Gute (bonum) ist und mit seinem Streben (conatus) – „so viel es kann und so viel an ihm ist, in seinem Sein zu beharren“[22]übereinstimmt. Oder, wie es Hardt und Negri ausdrücken: „Mit dem Ökologischen meinen wir nicht einfach nur Naturschutz, sondern die Entwicklung und Reproduktion von ‚sozialen’ Beziehungen... zwischen Menschen und Nicht-Menschen; sowie die Akkumulation des Wohlstands im Dienst des Gemeinsamen“ [S. 125].

Zwar sagt Spinoza: „In der Natur der Dinge gibt es nichts Zufälliges, sondern alles ist Kraft der Notwendigkeit der göttlichen Natur bestimmt, auf gewisse Weise zu existieren und zu wirken“ [Ethik, I, 29], doch wäre nichts falscher, als hierin einen Gott von der Art des christlichen Schöpfergottes sehen zu wollen, der, mit einem „freien Willen“[23] begabt, die Ordnung der Welt vorherbestimmte. Vielmehr ist das Denken Spinozas eine Philosophie der Wirkungen, die „Welt“ demzufolge ein Wirkzusammenhang[24], ein Gefüge einer sich in ihren Attributen und Modi bis ins Unendliche affizierenden Substanz. Damit kann es so etwas wie eine „Bewahrung der Schöpfung“ aus spinozianischer Sicht gar nicht geben, sondern nur das Erkennen von natürlichen Wirkungen gemäß der zweiten und dritten Erkenntnisgattung[25] und die dementsprechende Organisation der guten, aktiven sich mit den Wirkungen, die wir sind, wiederum zusammensetzenden Affektionen der Modi, anders ausgedrückt: politische Ökologie nach Spinoza besteht in der Vermehrung unseres Betätigungsvermögens und damit in der Konstruktion, Konstitution und Konsolidierung eines Gemeinsamen des Lebendigen mit dem Nicht-Lebendigen in der Art einer Selbstbejahung des Schaffenden (natura naturans) in dem Geschaffenen (natura naturata).

Für André Gorz droht der Klimawandel Verhältnisse für die menschlichen Gesell-schaften hervorzubringen, unter denen „der Zusammenbruch nur mittels Restriktionen, Rationierungen, autoritären Zuteilungen von Ressourcen verhindert werden [könnte], wie sie für eine Kriegswirtschaft charakteristisch sind.“[26] Als Maßstab für die „Beherrschbarkeit“ des Klimawandels durch „den Menschen“ gilt die Begrenzung der durchschnittlichen Erwärmung der Erdatmosphäre auf 2 Grad Celsius in Relation auf die vorindustrielle Zeit (das Jahr 1750). Dementsprechend werden von „der Wissenschaft“ und „der Politik“ Reduktionsziele für den anthropogenen Ausstoß von Treibhausgasen, die als Hauptverursacher des Klimawandels gelten und vor allem der Verbrennung fossiler Energieträger (Erdöl, Braun- und Steinkohle, Erdgas) zugerechnet werden, formuliert. Das Zusammenwirken der „Erdsysteme“ mit den „menschlichen Systemen“ im Klimawandel betrifft zudem laut IPCC[27] die sozioökonomische Entwicklung der „Menschheit“ in ihrer ganzen Komplexität.

Der Klimawandel ist Realität, der hier eben dargestellte Zusammenhang in seiner allgemein akzeptierten Form sicherlich nicht falsch, allerdings verbleibt diese in einer Weise des „Vorstellens“, die Spinoza „abstrakt und oberflächlich“ [Ethik, I, 15, Anm.] vorgekommen wäre. Vielmehr gibt es in der Natur nichts als Zusammensetzungsverhältnisse, d. h. Affektionen der Substanz bis ins Unendliche, wobei jeder endliche Modus im unendlichen Gesamtgefüge einem bestimmten Vermögensgrad, seinem Affiziertseinkönnen, entspricht. In der Natur der Dinge, im unendlichen Zusammentreffen endlicher Modi im Gesamtgefüge, ist jedoch, „mag ein beliebiges Ding gegeben sein, stets ein anderes mächtigeres vorhanden, von dem jedes gegebene Ding zerstört werden kann“ [Ethik, IV, Grundsatz] und zwar „sofern sie mit Beziehung auf eine gewisse Zeit und einen gewissen Ort betrachtet werden“ [Ethik, V, 37, Anm.]. „Wenn wir allein die Ordnung der Zusammenhänge betrachten, sehen wir, dass sie eine reine Ordnung der Zusammensetzung ist. Wenn sie zugleich auch Zerstörungen bestimmt, dann weil die Körper nach einer Ordnung aufeinandertreffen, die nicht die der Zusammenhänge ist. Von daher erklärt sich die Komplexität der spinozistischen ‚Ordnung der Natur’. In einer existierenden Welt müssen wir dreierlei unterscheiden: das Wesen als Grad an Vermögen; die Zusammenhänge, in denen es sich ausdrückt; die unter diesem Zusammenhang subsumierten extensiven Teile. Jeder dieser Ebenen entspricht eine Ordnung der Natur.“[28]

Es ist einleuchtend, dass die „drei Ordnungen der Natur“ mit den drei Erkenntnisgattungen koinzidieren: die Ordnung der Wesenheiten, d. h. der Vermögensgrade, die ohne „mindeste Beziehung auf die Zeit unter einer gewissen Art der Ewigkeit begriffen werden müssen“ [Ethik, II, 44, Beweis]; die Ordnung der Zusammenhänge als Ordnung der Zusammensetzungen nach bestimmten Gesetzen in der Natur (z. B. Energieerhaltungssatz, Blutkreis-lauf usw.)[29], die die Gemeinbegriffe bilden; die Ordnung der Zusammentreffen (Begegnungen) der endlichen Modi, die uns nur eine inadäquate Erkenntnis liefern und unter den natürlichen Bedingungen unserer Existenz nur Zug um Zug aufeinandertreffen.[30] Der letzte Punkt ist der vielleicht alles entscheidende im spinozianischen Denken, aus ihm begründet sich nicht nur, dass in Spinozas Ethik die Untersuchung der Affekte den bei weitem größten Raum einnimmt[31], sondern auch dessen Materialismus[32] sowie Hardts und Negris Konzeption der biopolitischen Macht des Lebens als „Konstruktion der Wahrheit von unten“. Im Aufeinandertreffen der endlichen Modi kann unser Zusammensetzungsverhältnis zerstört werden, doch um zu wissen, ob dies auch eintrifft, „muss man den Zusammenhang genau kennen, in dem beide Körper aufeinandertreffen, in welchem Zusammenhang sich die unzusammensetzbaren Zusammenhänge gegenüberstehen. Es erforderte ein unendlichen Wissen über die Natur, welches wir nicht haben.“[33] Daher sind es einzig und allein die Affekte, die uns eine „Information“, ein Wissen darüber geben, ob andere Körper mit unserer Natur übereinstimmen oder nicht übereinstimmen.[34]

Auch der Klimawandel ist aus spinozianischer Sichtweise zunächst einmal ein Gefüge von Wirkungen, der sich als ein sich veränderndes Zusammensetzungsverhältnis der Biosphäre der Erde darstellt, das sich in ein Zersetzungsverhältnis des dem Lebendigen und Nicht-Lebendigen Gemeinsamen umzuwandeln droht. Doch fänden die Zersetzungen nur in ihren Eintreffen statt, d.h. in den zerstörerischen Begegnungen der endlichen Modi „in einer existierenden Welt“ (Deleuze), „sofern sie mit Beziehung auf eine gewisse Zeit und einen gewissen Ort betrachtet werden“ (Spinoza). Das bloße Bewusstsein des Klimawandels führt lediglich zu einer Verdoppelung einer abstrakten Idee im Geist bis ins Unendliche, ohne dass der Geist die Ideen der Affektionen des Körpers als adäquate oder inadäquate Ursache der Zusammentreffen überhaupt erlangen könnte[35], und folglich zu einem an einer rein abstrakten „Beherrschung“ ausgerichteten – negativen – Finalismus der Zweckursachen (causa finalis). Und „der Finalismus ist stets die Hypostase eines vorgefassten Entwurfs, ist die Projektion des Systems in der historischen Welt verfestigter Verhältnisse auf eine unauflösbare Naturordnung; er ist die Verteidigung von Ordnung und Kommando“[36] (darum auch das Scheitern des „Weltklimagipfels“ in Kopenhagen). Was heißt das? Ein anderer Mensch? Eine andere Gesellschaft? Eine andere Welt? Ja.[37] Es geht darum, die Welt zu bauen, statt sie zu beherrschen[38], „Begegnungen zwischen bestehenden Modi unter Verhältnissen zu organisieren, die sich zusammensetzen“ (Deleuze); das Tableau muss ausgeführt, die Revolution des Renaissancehumanismus, auf dessen Krise das spinozianische Denken eine erste Antwort geben hatte und die den eigentlichen Beginn unserer heutigen Krise markierte, vollendet werden – als Überwindung der Krise einer absoluten Organisation des Menschen in der Welt: die Konstitution eines omnino absolutum imperium, der Demokratie.

Nur wird die Konstitution des Common Wealth (3n) auch als politische Ökologie keinen Finalismus darstellen, das Ausführen des Tableaus besteht vielmehr in einer Art vollständigem Ausfüllen der Dichte der Natur[39], „da“, nach Leibniz, „alles voll und somit die gesamte Materie in sich verbunden ist“[40] und der „Körper infolge des Zusammenhangs der gesamten Materie in dem Erfüllten die ganze Welt ausdrückt.“[41] Gleichwohl wird ein Zeitpunkt (tx) der politischen Zusammensetzung des kollektiven sozialen Lebens (3x) zu erreichen sein, an dem das Kapital dessen Resultate nicht mehr zu enteignen (9) und zu repräsentieren (10) imstande sein und daher das Kommando (11) über das Gemeinsame verloren haben wird.[42] Doch muss dieser Zeitpunkt im Vorhinein unbestimmt bleiben. So wie die Modi in der Welt nur Zug um Zug aufeinandertreffen, so füllt sich auch die Dichte der Natur und damit das Tableau nur Zug um Zug aus. Für die politische Ökologie bedeutet dies in erster Linie die Konstruktion, Konstitution und Konsolidierung eines Gemeinsamen des Lebendigen mit dem Nicht-Lebendigen in der Art einer anderen Neuzusammensetzung des Ganzen als unter den Verhältnissen des Klimawandels und zwar auf der Ebene der Mannigfaltigkeiten, d. h. der Begegnungen der Modi –  der Menschen mit den Dingen – unter den Bedingungen der je eigenen Natur (d. h. ihrem Affiziertseinkönnen) bis ins Unendliche. Für den Menschen heißt das: „Das, was den menschlichen Körper so beeinflußt, dass er auf mannigfache Weise affiziert werden kann, oder was ihn fähig macht, äußere Körper auf mannigfache Weisen zu affizieren, ist dem Menschen nützlich; und um so nützlicher, je fähiger dadurch der Körper gemacht wird, auf mannigfache Weisen sowohl affiziert zu werden, als auch andere Körper zu affizieren. Dagegen ist das schädlich, was den Körper hierzu minder fähig macht“ [Ethik, IV, 38]. Die Begegnungen der Mannigfaltigkeiten (Modi) sind in Wirklichkeit ihre eigenen Vervielfältigungen – Multiplikationen[43] –, oder, noch einmal mit Leibniz gesprochen, die „Rückkehr in die Tiefe einer Welt.“[44] Vermögensgrade sind Wirklichkeitsgrade, d. h. die produktive Komplexität der Welt selbst als das dem Lebendigen und Nicht-Lebendigen jeweils gemeinsame soziale Vermögen (40,1,2,...,n). Das Gemeinsame (common) ist folglich sowohl die Basis wie auch das jeweilige Produkt eines biopolitischen Produktionsprozesses, das es in allen drei Spalten des Tableaus daher – Zug um Zug – zu verteidigen (die Freiheit biopolitischer Arbeit, das soziale Leben, die Demokratie) wie zu produzieren gilt.[45] Und der Produktionsprozess als Vervielfältigungsprozess der Affektionen ist immer eine Transformationsprozess. Produzieren heißt, sich in der Dichte der Natur transformieren: „Du musst das verlieren, was du bist, um das zu entdecken, was du werden kannst“ [S. 340].

Sicher: „Das Empire materialisiert sich unmittelbar vor unseren Augen“[46], aber dennoch wird es dem biopolitischen Produktionsprozess vollständig äußerlich, als Enteignung und Kommando, vor allem aber als von der produktiven Komplexität der Welt abstrahierende Repräsentation des Ganzen. Das Ganze aber, auch das Ganze des Klimawandels, ist immer nach dem Schema einer in sich abgeschlossenen transzendenten Ordnung konstruiert[47], während sich der immanente Prozess der sich vervielfältigenden Aufeinandertreffen der Modi überhaupt nur als ein offener denken lässt, indem er – in den in dem Erkenntnisprozess erlangten Wirklichkeitsgraden bis zur dritten Erkenntnisgattung – ohne „mindeste Beziehung auf die Zeit unter einer gewissen Art der Ewigkeit begriffen“ werden kann.[48] So gilt nach dem Grundsatz des Parallelismus (eine Substanz für alle Attribute) das, was für die Vervielfältigungen der Affektionen der Körper gilt[49], ebenso für die Vervielfältigungen der Affektionen des Geistes: „Das Gut, was der Mensch für sich erstrebt und liebt, wird er beständiger lieben, wenn er sieht, dass andere eben das selbe lieben; und mithin wird er streben, dass die übrigen es gleichfalls lieben; und weil dies Gut allen gemein ist und alle sich dessen erfreuen können, so wird er folglich (aus dem selben Grunde) streben, dass alle sich dessen erfreuen, und zwar wird er danach um so mehr streben, je mehr er selber dieses Gut genießt“ [Ethik, IV, 37, Beweis 2].

Politische Ökologie ist die „Rückkehr in die Tiefe einer Welt“ (Leibniz), die sich produziert und dabei transformiert, indem sie die Dichte der Natur vervielfältigt (modifiziert) – materiell wie immateriell, körperlich wie geistig, ohne dass es dabei die Eminenz einer Reihe über die andere oder eine kausale Bestimmung der einen Reihe durch die andere gibt. So ist das Materielle wie Immaterielle nicht mehr zu teilen, zu zählen und zu messen, sondern nur noch als eine Qualität des Gemeinsamen zu modifizieren und nimmt so per se den Charakter eines Gemeinguts an. Das Wachstum wird zum Eindringen des Menschen in die ganze Dichte der Natur, in den ewigen Prozess ihrer immanenten Modifikation; es ist so nicht mehr die aus der bloßen – verworrenen und verstümmelten – Vorstellung bestehende Anhäufung materieller wie immaterieller Dinge, sondern die Qualität des Lebens (als gleicher ewiger Modus in allen Attributen) schlechthin als dessen Vermögensgrad. So ist das, was wir unter quantitativem Wachstum verstehen, lediglich eine Transformation der Natur, die vom Vorstellungsvermögen von vorneherein unter die beliebigen Hilfsvorstellungen des Zählens und Messens subsumiert wird.[50] Der Industriekapitalismus kann so materielle wie immaterielle Dinge folglich nicht „erfinden“ bzw. modifizieren (d. h. die Natur vervielfältigen), sondern lediglich vorhandene Modi reproduzieren (und so von der produktiven Komplexität der Natur abstrahieren), indem er eine Ordnung der seriellen Wiederholung Desselben etabliert.[51]

Die Reproduktion Desselben ebenso wie die Repräsentation des Ganzen im Kapitalismus abstrahiert von der Natur, um sie so zu quantifizieren, zu hierarchisieren und zu finalisieren, d. h. um sie einzuteilen. Der Kapitalismus produziert nichts, er verteilt nichts, er teilt – die produktive Vervielfältigung der Natur – ein und zu, er reduziert deren Komplexität für die Enteignung und das Kommando.[52] Er ist damit ein uns von unserer Natur trennendes Prinzip und eine „Fessel“ (fetter) [S. 143] für ihre produktiven Zusammenhänge. So kann das Wissen (als Modifikation des Geistes) sich nur vervielfältigen (andere Modi modifizieren), indem es geteilt wird, ebenso wie ein körperliches Ding (Modifikation der Ausdehnung) sich nur vervielfältigen kann, indem es sich mit anderen Dingen modifizierend zusammensetzt. Die „wirkliche“ Reproduktion der Natur in der und durch die Natur ist also nicht die Wiederholung Desselben unter dem Gesichtspunkt der Repräsentation des Ganzen (Abgeschlossenheit), sondern die Produktion des Gemeinsamen unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit (Offenheit). Und da die Modifikationen nichts als die Affektionen der einen Substanz Deus sive Natura sind, einmal unter ihrem Attribut Ausdehnung und einmal unter ihrem Attritbut Denken, und die Affektionen des Geistes folglich nichts als der Ausdruck der Affektionen des Körpers, können wir die Natur tatsächlich unter dem Gesichtspunkt ihrer Ewigkeit (sub specie aeternitatis) erkennen. Die amor Dei intellectualis ist daher nicht so etwas wie eine weltferne, kontemplative Innenschau, sondern das Prinzip, in dem sich die Natur in sich und durch sich selbst begreift und bejaht. Wie Hardt und Negri betonen, ist die „Liebe der Natur“ als Liebe „des Gemeinsamen in seiner expansivsten Form“ politisch konstitutiv. Doch gerade im Klimawandel ist die Gattung nicht so etwas wie das Volk (natio) der Menschen in der Natur. Es ist eine sich vervielfältigende Menge (multitudo), die sich nur gegen Hobbes’ Vorstellungen von „Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates“, d. h. in Liebe als der „Freude, begleitet von der Idee einer äußeren Ursache“[53] und daher ganz „ohne die Furcht (metus) vor einer Macht, die ihre Befolgung veranlasst“[54], als solche konstituieren kann. Denn am Ende zeigt „die Furcht, durch die sie im Zaum gehalten werden sollen“ [TPT, Vorrede, S. 6], den Menschen immer nur ein „Mangel an Erkenntnis und Ohnmacht des Geistes“ [Ethik, IV, 47, Anm.] an. Daher wird es nur dort, wo Liebe ist, den Kapitalismus nicht mehr geben, und nur dort wird es diese geben, wo wir damit begonnen haben werden, das dem Menschen und der Natur Gemeinsame des Materiellen wie Immateriellen zu teilen, statt es weiterhin ein- und zuzuteilen. Nur dann, wenn es kein Eigentum an der Natur mehr gibt, werden wir begreifen können, dass wir als Einzel- und als Gattungswesen nichts als Wirkungen dieser Natur und von ihr bedingt sind und nur dann werden wir uns in unserem Dasein erhalten können.

E-Mail: zion@robert-zion.de


[1] Antonio Negri: Die wilde Anomalie, a. a. O., S. 246. „Gegen eine Ideologie, die die Organisation der Gesellschaft als Nachahmung des Marktes braucht, setzt Spinoza die Konstitution der Gesellschaft als Akt der Entwicklung der Produktivkraft. Die potentia.“ Ebda.: S. 246.

[2] PT, 6. Kap., § 1.

[3] Nancy entwickelt seine ontologische Fundierung der Gemeinschaft entlang von Heideggers „Mitsein“. Vgl.: Jean-Luc Nancy: Die herausgeforderte Gemeinschaft, Zürich/Berlin: diaphanes 2007; sowie: Martin Heidegger: Sein und Zeit, Tübingen: Max Niemeyer 1993, Erster Teil, 4. Kap., § 26, S. 117ff.  

[4] Obwohl Negri bereits 1981 in seiner sehr tiefgehenden Untersuchung von Spinozas Ontologie analoge Schlussfolgerungen zieht: „Die Zeit ist Sein.“ Antonio Negri: Die wilde Anomalie, a. a. O., S. 256.

[5] „Alle Natur ist positiv.“ Gilles Deleuze: Spinoza. Praktische Philosophie, a. a. O., S. 118.

[6] Antonio Negri: Die wilde Anomalie, a. a. O., S. 252.

[7] Gilles Deleuze: Spinoza. Praktische Philosophie, a. a. O., S. 149.

[8] Ähnlich Giorgio Agamben in seiner ontologischen Herleitung der Gemeinschaft aus dem „beliebigen (quodlibet) Sein“: „Denn die kommende Politik ist nicht mehr der Kampf um die Eroberung oder Kontrolle des Staates, sondern der Kampf zwischen dem Staat und dem Nicht-Staat (der Menschheit); sie ist die unüberwindbare Teilung in beliebige Singularitäten und staatliche Organisation.“ Giorgio Agamben: Die kommende Gemeinschaft, Berlin: Merve 2003, S. 79.

[9] PT, 1. Kap., § 3.

[10] In der Tat geht es für Spinoza auch darum, „nachzuweisen“, so Gilles Deleuze, „dass der Körper die Erkenntnis übersteigt, die man von ihm hat, und daß ebenso das Denken das Bewußtsein übersteigt, das man von ihm hat.“ Spinozas Entdeckung ist die „des Unbewußten und eines Unbewußten des Denkens, nicht minder tiefgreifend als das Unbekannte des Körpers.“ Gilles Deleuze: Spinoza. Praktische Philosophie, a. a. O., S. 28f.

[11] Vgl. die Definition des Affekts bei Spinoza: Ethik, III, Def. 3 (Hier: S. 10).

[12] D. h. spinozianisch ausgedrückt der Menschen mit den Dingen als – nicht-identitäre – Modi der Attribute Denken und Ausdehnung.

[13] Kapitalistische Ausbeutung nimmt tatsächlich wieder die Form von Marx’ „ursprünglicher Akkumulation“ an, als – statische – „Ausbeutung von Naturschätzen“ und als – dynamische – „Ausbeutung des Gemeinsamen biopolitischer Arbeit.“ [S. 138ff.].

[14] Dieses organisiert für Negri „die Ausbeutung der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit“, deren Kriterien zur Erfassung des „gesellschaftlichen Reichtums... die Börsenbewertungen, Bewertungen aufgrund von Finanzdaten“ sind. “Eine Bewertung aufgrund von Finanzdaten allerdings hat... kein Maß, und dadurch ist die Krise eine umfassende, eine totale Krise, ohne Maß, die Blasen platzen, weil alles auf Spekulation beruht... Das Fehlen des Maßes, das heißt die Unmöglichkeit für das Finanzkapital, sich innerhalb des Prozesses zu positionieren.“ Antonio Negri/Raf Valvola Scelsi: Goodbye Mr. Socialism – Das Ungeheuer und die globale Linke, Berlin: Tiamat 2009, S. 226f. 

[15] Gilles Deleuze: Spinoza. Praktische Philosophie, a. a. O., S. 80.

[16] Das, „worin alle, sofern der Körper von ihnen affiziert wird, übereinstimmen... Doch ist zu beachten, dass diese Begriffe nicht von allen auf die selbe Weise gebildet werden, sondern bei jedem sind sie wieder andere, je nach dem, was seinen Körper am häufigsten affiziert hat“ [Ethik, II, 40, Anm. 1].

[17] „Nun ist aber diese Notwendigkeit der Dinge die Notwendigkeit der ewigen Natur Gottes selbst... Dazu kommt, dass die Grundlagen der Vernunft Begriffe sind, die das erklären, was allen Dingen gemeinsam ist und die nicht die Wesenheit irgendeines Einzeldinges erklären und die deswegen ohne die mindeste Beziehung auf die Zeit unter einer gewissen Art der Ewigkeit (sub specie aeternitatis) begriffen werden müssen“ [Ethik, II, 44, Beweis].

[18] „Spinozas Erfindung ist in Wirklichkeit eine Philosophie des Kommunismus und Spinozas Ontologie ist nichts anderes als eine Genealogie des Kommunismus. Darum auch wird Benedictus weiterhin verflucht werden.“ Antonio Negri: Subversive Spinoza, a. a. O., S. 100.

[19] Ausgeschrieben: 40®31o(­61||¯91101)o041||51o(­7181||¯111)o32o(­62||¯92102)o42||52o(­7282||¯112)o33...3x...3n Zur Erläuterung der Ziffern der Formel vgl. das neue Tableau (hier: S. 6). Zeichenerläuterung: o = Verkettung; || = ist parallel zu; Ø = Negation; ­ = Konstitution des Common Wealth durch die Multitude (linke Spalte des Tableaus); ¯ = Entgegenwirken des Empire durch das Kapital (rechte Spalte des Tableaus).

[20] Hier wird „Klimawandel“ statt „Klimaschutz“ geschrieben, um die Assoziation mit einfachem „Umweltschutz“ zu vermeiden, da es hierbei, so Ludger Volmer, um eine „umfassende politische Ökologie“ geht und „Ökologie und Umweltpolitik – das ist nicht dasselbe... Ökologie sollte eine politische Grundkategorie sein, die alle gesellschaftlichen Bereiche durchzieht. Eine Philosophie ganzheitlichen Denkens.“ Ludger Volmer: Die Grünen. Von der Protestbewegung zur etablierten Partei - Eine Bilanz, München: C. Bertelsmann 2009, S. 233. Vgl. hierzu auch: André Gorz: Auswege aus dem Kapitalismus. Beiträge zur politischen Ökologie, Zürich: Rotpunktverlag 2009, passim.

[21] Vgl.: Martial Gueroult: Spinoza I. Dieu, a. a. O., Anh. 6.

[22] Vgl.: Ethik, III, 6, Beweis.

[23] Spinoza schreibt unmissverständlich, „dass Gott nicht aus Freiheit des Willens handelt“ [Ethik, I, 32, Folgesatz 1].

[24] Selbst die Einzeldinge („Mensch“, „Pferd“, „Baum“, „Stein“) sind aus unendlichen vielen Individuen (als Modi der Attribute oder Modifikationen der Substanz) zusammengesetzt, die auf gewisse Weise übereinstimmen und so wiederum einen gemeinsamen Wirkzusammenhang bilden: „Wenn mehrere Individuen bei einer Handlung so zusammenwirken, das sie alle zugleich die Ursache einer Wirkung sind, betrachte ich sie insofern in ihrer Gesamtheit als ein Einzelding“ [Ethik, II, Def. 7].

[25] Das christlich-konservative Diktum von der „Bewahrung der Schöpfung“ hingegen wäre aus spinozianischer Sicht der ersten Erkenntnisgattung der „Meinung oder Vorstellung“ zuzuordnen, der imperativen Zeichen („Du sollst!“), die den inadäquaten und verworrenen Vorstellungsbildern und Erinnerungen entspringen, zu denen auch der Schöpfergott zählt: „So legt auch, wer die göttliche Natur mit der menschlichen verwirrt, Gott gar leicht menschliche Affekte bei, besonders solange ihm noch unbekannt ist, auf welche Weise die Affekte im Geist hervorgebracht werden“ [Ethik, I, 8, Anm. 2]. Das Wesen jeglichen religiösen Glaubens ist für Spinoza daher allein der „Gehorsam“ (oboedientia). TPT, 14. Kap., S. 215.

[26] André Gorz: Auswege aus dem Kapitalismus, a. a. O., S. 20.

[27] Intergovernmental Panel on Climate Change („UN-Weltklimarat”). Vgl.: die IPCC-Berichte („Reports“) auf:  http://www.ipcc.ch/publications_and_data/publications_ and_data_ reports.htm#1.

[28] Gilles Deleuze: Spinoza und das Problem des Ausdrucks in der Philosophie, a. a. O., S. 209.

[29] „Sie bestimmt die ewigen Bedingungen, unter denen die Modi in die Existenz übergehen und fortfahren zu existieren, sofern sie die Zusammensetzung ihres Zusammenhangs bewahren.“ Ebda.: S. 209.

[30] „Das ist eine Ordnung der teilweisen, örtlichen und zeitweisen Übereinstimmungen und Nicht-Übereinstimmungen.“ Ebda.: S. 209.

[31] Vgl.: Buch III: Von dem Ursprung und der Natur der Affekte; Buch IV: Von der menschlichen Knechtschaft oder von den Kräften der Affekte.

[32] Der es in der Tat auch erlaubt von einem „Spinozamarxismus“ zu sprechen. „In seinem Atheismus, in seinem Materialismus, in seinem Konstruktivismus stellt er die verteufelte, wilde Philosophie dar, die Fortdauer des revolutionären Traums des Humanismus.“ Antonio Negri: Die wilde Anomalie, a. a. O., S. 150.

[33] Gilles Deleuze: Spinoza und das Problem des Ausdrucks in der Philosophie, a. a. O., S. 213.

[34] „Somit ist die Erkenntnis des Guten und des Schlechten nichts anderes, als die Idee der Freude oder Trauer, die aus dem Affekt der Freude oder Trauer selbst notwendig folgt. Diese Idee ist aber mit dem Affekt auf die selbe Weise vereinigt, wie der Geist mit dem Körper vereinigt ist, das heißt diese Idee unterscheidet sich von dem Affekt selbst oder von der Idee der Körperaffektion in Wahrheit nur durch den bloßen Begriff. Folglich ist diese Erkenntnis des Guten und des Schlechten nichts anderes, als der Affekt selbst, sofern wir uns seiner bewusst sind“ [Ethik, IV, 8, Beweis].

[35] Doch ist gerade davon abhängig, ob der Geist den Affekt als Handlung (actio) oder Leidenschaft (passio) erfährt und entsprechend das Betätigungsvermögen (agendi potentia) vermehrt werden kann. Vgl. die Definition des Affekts: Ethik, III, Def. 3 (Hier: S. 11).

[36] Antonio Negri: Die wilde Anomalie, a. a. O., S.151. Ähnlich Gorz: „Es ist unmöglich, die Politik auf eine Notwendigkeit oder eine Wissenschaft zu gründen, ohne sie gleichzeitig in ihrer spezifischen Autonomie zu verleugnen und eine ‚notwendige’, ‚wissenschaftliche’ Diktatur zu errichten, die nicht weniger totalitär ist, wenn sie sich auf Forderungen des Ökosystems beruft, als wenn sie sich (wie der ‚Diamat’ es tat) auf die ‚Gesetze des dialektischen Materialismus’ beruft.“ André Gorz: Auswege aus dem Kapitalismus, a. a. O., S. 39f.

[37] So auch Gorz: „Eine andere Ökonomie, einen anderen Lebensstil, eine andere Zivilisation.“ Ebda.: S. 20. Insofern ist der Leitspruch der globalisierungskritischen Bewegung: „Eine andere Welt ist möglich“, so er denn ontologisch verstanden wird, eine zutiefst spinozistische Aussage.

[38] Vgl.: Robert Zion: Vom Ethos einer werdenden Menschheit, in: Episteme – Online-Magazin für eine Philosophie der Praxis, No. 5, Nov. 2008, http://www.episteme.de/htmls/Zion-Ethos-Menschheit.html.

[39] Nach Deleuze gibt der Begriff des immanenten Ausdrucks (der Substanzen in der Welt bei Spinoza und Leibniz) „der Natur die ihr eigene Dichte zurück und macht zugleich den Menschen fähig, in diese Dichte einzudringen.“ Gilles Deleuze: Spinoza und das Problem des Ausdrucks in der Philosophie, a. a. O., S. 286.

[40] Gottfried Wilhelm Leibniz: Monadologie, Stuttgart: Reclam 1979, § 61, S. 27. Die Bezugnahme auf Leibniz an dieser Stelle ist keineswegs willkürlich. Beide, Spinoza wie Leibniz, haben in ihren rationalistischen Systemen die absolute Organisation des Menschen in der Welt des Renaissancehumanismus gegenüber Descartes’ „modernen“ und hierin allzu relativistischen Schlussfolgerungen zu bewahren versucht, indem sie die Beziehungen zwischen dem Einen (Ganzen) und dem Mannigfaltigen als Zusammenhang entwarfen, der der Welt vollkommen immanent ist. Doch während Spinoza methodisch hierin als „Monist“ (Substanz = Deus sive Natura) vorgegangen ist, ist Leibniz in seiner Beschreibung der unendlichen Vielfältigkeit individueller Einzelwesen (Substanzen = Monaden) als „Pluralist“ vorgegangen. Zwischen Spinozas Ethik und Leibniz’ Monadologie gibt es daher eine erstaunliche – wenn auch inverse – Strukturgleichheit der „Modi“ mit den „Monaden“ hinsichtlich ihrer „Ausfüllung“ der Welt. (Vgl. auch vorhergehende Anm.).

[41] Gottfried Wilhelm Leibniz: Monadologie, a. a. O., § 62, S. 28.

[42] Als Formel des Tableaus ausgeschrieben: tx = [3xo(­6n||Ø9n10n)o4no­8n o3n||Ø5n]. Zur Erläuterung der Ziffern und Zeichen der Formel vgl. hier:  Anm.[19]

[43] Pli = franz.: „Falte“. Vgl. auch: Gilles Deleuze: Die Falte. Leibniz und der Barock, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1996, S. 11-28.

[44] Gottfried Wilhelm Leibniz: Philosophische Schriften und Briefe 1683 – 1687, Berlin: Akademie Verlag 1992, Brief an Antione Arnauld vom 30. April 1687, S. 325.

[45] Daher auch ist die Demokratie für Spinoza sowohl das Ziel als auch die Urform des staatlichen Zustands (status civilis). Vgl: TPT, 16. Kap., S. 237f. Vgl. auch die spinozianische Sequenz des Politischen (Hier: S. 7f.). 

[46] Michael Hardt/Antonio Negri: Empire, a. a. O., S. 9.

[47] So stellt die Repräsentation des Ganzen nach dem Schema der Transzendenz überhaupt erst die Bedingung für die Enteignung und das Kommando des Kapitals her, vor allem in Begriffen einer schöpfungstheoretischen Theologie: Produktion = Wertschöpfung = Schöpfung; unsichtbare Hand des Marktes = die Gottes. Daher auch Negri: „Der Markt ist Aberglaube.“ Antonio Negri: Die wilde Anomalie, a. a. O., S. 246. Insofern tendiert das Repräsentationsschema einer in sich abgeschlossenen transzendenten Ordnung bezüglich des Klimawandels hin auf eine negative Eschatologie, auf ein das Weltgeschehen abschließendes göttlichen Gericht, dass immer kurz bevorsteht (zur Aufrechterhaltung von Repräsentation, Ordnung und Kommando).

[48] In einem Brief an Ludwig Meyer weist Spinoza nach, „dass weder Zahl noch Maß noch Zeit, die bloße Hilfsmittel des Vorstellungsvermögens sind, unendlich sein können“. Vielmehr trennt das bloße Vorstellungsvermögen (erste Erkenntnisgattung) in seiner Bestimmung der Zeit (Dauer) und des Maßes (Quantität) hierin „die Affektionen der Substanz von der Substanz“. So können wir „Dauer und Quantität beliebig bestimmen“, insofern „wir sie von dem Modus, durch den sie von den ewigen Dingen herkommen, scheiden“. [Vgl.: Briefe 12]. Dauer und Quantität sind folglich nur rein äußerliche Charakteristika der Einzeldinge (Modi), insofern das Vorstellungsvermögen diese aus dem Zählen und Messen abstrahiert. Auf die Substanz bezogen unterscheiden sich die Körper jedoch nur untereinander hinsichtlich von Bewegung, Ruhe, Geschwindigkeit und Langsamkeit. Vgl.: Ethik, II, 13 (Hier: S. 9). Auch daher verstand sich Albert Einstein als Spinozist.  

[49] Vgl.: Ethik, IV, 38. (Hier: S. 22).

[50] Vgl. hier: Anm. 6 auf S. 22f.

[51] Daher bleibt die reproduktive Tätigkeit innerhalb des Kapitalismus in der Tat vom produktiven Tätigkeitsvermögen grundsätzlich getrennt (Begriff der „toten“ oder „abstrakten Arbeit“).

[52] Ähnlich Maurizio Lazzarato, wenn er im Anschluß an Deleuze/Guattari schreibt, „dass der Kapitalismus weder ein ‚Produktionsmodus’ noch ein System ist, sondern eine Anzahl von Dispositiven der maschinischen Indienstnahme und zugleich eine Anzahl von Dispositiven der sozialen Unterwerfung.“ Maurizio Lazzarato: Nachwort zu „Tausend Maschinen“, in: Gerald Raunig: Tausend Maschinen. Eine kleine Philosophie der Maschine als soziale Bewegung, Wien: Turia + Kant 2008, S. 113-125, hier:  S.113.

[53] Ethik, III, Def. d. Affekte 6. (Hier: S. 10, Anm. 3).

[54] Thomas Hobbes: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1966, 17. Kap., S. 131. Zur Aktualität des Gegensatzes von Hobbes und Spinoza vgl. Paolo Virno: Grammatik der Multitude. Untersuchungen zu gegenwärtigen Lebensformen, Berlin: Id-Verlag 2005, S. 8ff.

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