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Birnstingl & Genoss_innen[1]: Antirassismus muss Praxis werden können!
Für eine strategisch kluge, radikal positionierte, andockfähige[2] antirassistische Bewegung

Seit einem Jahr besteht in Wien das offene antirassistische Treffen. Folgender Text soll die Entwicklung dieses Zusammenhanges nachzeichnen und Fragen antirassistischer Interventionen[3] diskutieren, die angesichts der aktuellen Bewegungssituation in Ö[4] sinnvoller Weise gestellt werden.

Das Nachbereitungstreffen für den Mayday 2009, der dem zehnten Todestag des am Abschiebeflug getöteten Marcus Omofuma gewidmet war, war der Moment der Konstituierung des offenen antirassistischen Treffens. Der Wunsch, „Antirassismus Praxis werden“ zu lassen, der von einigen Aktivist_innen angesichts einer innerhalb der Linken trist aussehenden Situation stark gemacht wurde (seit 1999/2000 gab es quasi keine sichtbare antirassistische Organisierung mehr), konnte sich schließlich gegen den Vorschlag, anlassbezogen weiterzuarbeiten und erst im Mai 2010 wieder für die nächsten 10-jährigen Todestage zu mobilisieren, durchsetzen. Gefüttert war das dringende Bedürfnis unter anderem durch die aktuelle Erfahrung mehrfacher und brutaler Polizeirazzien in einem Asylwerber_innenhaus im 17. Bezirk, von denen eine durch eine spontan organisierte Beobachtungsdemo von etwa 60 Leuten zumindest vernehmlich gestört werden konnte. Dies nur als eines von vielen Beispielen für die Notwendigkeit organisierter antirassistischer Praxen.

Ein- und Ausschlüsse, Codes und geheime Integrationswünsche

Das damals noch so genannte „Antiraplenum“ war bei den ersten drei Treffen ein migrantisch und nichtmigrantisch, white/colored/black gemischter Zusammenhang. Diskussionen verliefen quer durch formale und inhaltliche Ebenen – im anfänglichen Enthusiasmus, endlich wieder kontinuierlich aktiv zu werden, wurden Ideen gesammelt, Interessenszusammenhänge gebildet und versucht, eine möglichst offene Austauschplattform zu etablieren. Das Spektrum reichte von Unterstützung in der rechtlichen Praxis über Übung im zivilen Ungehorsam, Unterwanderung der Institutionen von links bis hin zu gemeinsamer Wissensaneignung von Theorie. Ob das Antiraplenum eine fixe Gruppe oder ein offenes Netzwerk würde, stand nicht fest.

Woran es liegen konnte, dass nach der Sommerpause eine großteils personelle Neugründung stattgefunden hat, die in den ersten Monaten nur aus – halten wir es mit Kanak Attak – Bioösis bestand, gab natürlich Stoff für wilde Diskussionen voller Selbstbeschuldigungen und freier Interpretationen. Hatten wir das Konzept Integration nicht kapiert? Waren wir doch nur wohlmeinende Stellvertreter_innen der nicht-eigenen Sache? Wessen Sache ist Rassismus? Und wer ist eigentlich eine richtige Antirassistin?

Wenn sich die Aufregung legt, können wir feststellen: Alles eine Frage der Alltagspraxis. Ist der gesamte Freund_innenkreis bis auf ein, zwei Ausnahmen weiß und mit weißer Geschichte befasst, dann kann die politische Arbeit das nur widerspiegeln, und der Kampf um eine „andere“ Zusammensetzung bleibt einer um Quoten und Legitimierungen. Schaffen wir es, in Arbeits/Studien/Lern/Bewegungs/Liebes/Freund_innen/Wohnzusammenhängen Verschiebungen anzustellen und uns selbst zu verschieben, dann wird auch die politische Praxis notgedrungen zufriedenstellender sein.

Andererseits ist Rassismus white-made und hat uns als Erb_innen eines kolonialen Europas zu beschäftigen. In diesem Spagat stellen wir die Frage: Wie sieht die politische Praxis „der Antira“ aus, wenn sie nicht mehr nur aus weißen Projektionen gefüttert wird? Und denken, ab hier wird es spannend.

Von Lesbos nach Traiskirchen, auf keinen Fall zurück

Das NoBorder-Camp auf Lesbos im Sommer 2009, an dem etwa 30 Aktivist_innen aus dem Wiener Umfeld teilnahmen, hat sicherlich seinen Anteil an antirassistischer Politisierung und einer neuen Perspektivenbildung Interventionen betreffend. Mit der obligatorisch kritischen Kritiker_innenhaltung ausgestattet (können wir es nicht sowieso nur falsch machen?) wurde Anfang Herbst dann doch mit interventionistischen Programmen ernst gemacht und von einer Gruppe rund um den 23. Oktober der Flughafen mit Anti-Abschiebeaktionen bespielt.

Im Antiraplenum, das mittlerweile in „offenes antirassistisches Treffen“ umbenannt war, um wenigstens hier der Codierung Einhalt zu gebieten, wurde an einer vagen Kampagne gegen rassistische Staatsgewalt gefeilt. Inzwischen hatten andere Zusammenhänge die Idee, den Polizeidienst zu diffamieren – auch wenn es dann mittels einer großangelegten Anwerbeaktion leider der Gegenseite gelungen ist, Personal aufzustocken.

Im Februar 2010 schließlich begannen Aktivist_innen aus dem offenen antirassistischen Treffen, sich in Vorbereitung einer Infoveranstaltung in Traiskirchen umzusehen.[5] Und trafen, überraschend oder nicht, auf Interesse bei unterschiedlichsten Leuten vor Ort: sowohl unterstützende Bäckerinnen, Pfarrer und Telefonladenbesitzer als auch eine Menge von skeptisch bis gespannt Interessierten aus der Erstaufnahmestelle. Bei einer Diskussionsveranstaltung zu den Themen Residenzpflicht und Gebietsbeschränkung[6], die super besucht war aber mäßig gut ankam, malten drei Jugendliche aus Afghanistan ein Transpi mit der Aufschrift „No Border, No Nation, Stop Deportation“ – das hatten sie, wie sich auf Nachfrage herausstellte, auf Lesbos gelesen, als sie dort im Anhaltelager Paganí waren und eine Demo vom NoBorder-Camp vor den Toren solidarisch Halt machte. Befriedigt stellen wir fest: Anknüpfungspunkte gibt es zuhauf. Im Zentrum nachfolgender und aktuell geführter Debatten im antirassistischen Treffen bzw. zwischen diesem und Leuten in der Erstaufnahmestelle steht die Frage, wie eine Zusammenarbeit, eine gemeinsame politische Handhabe ermöglicht werden kann. Die identitären Fronten – „wir machen mit euch politische Aktionen“ versus „verhindert gefälligst unsere Abschiebung, dann sehen wir weiter“ – müssen erst einmal abgebaut werden, um dahinter zu kommen, wie wir rasch handlungsfähig werden, auch wenn wir auf eine Art nicht dasselbe wie, auf eine andere vielleicht mehr leisten können als Anwält_innen und professionelle Berater_innen. Die Angst auf unserer Seite, uns mit Beratungsarbeit und dem Schreiben von Einsprüchen zu überladen, sodass wir zwar ständig sinnvolle, aber nur selten befriedigende Arbeit machen, ist jedenfalls da.

Ein Diskussionsfeld, das auf Lesbos zu viel Missmut geführt hat, und uns dennoch in abgeschwächter Form weiterhin begleitet, ist das Definieren des Politischen. Was ist politische Arbeit? Was ist Sozialarbeit? Und wer will sich wovon abgrenzen? Selbst wenn wir schließlich beruhigt zu der Erkenntnis kommen können, dass jedes Format Analyse, Reflexion und Positionierung braucht, um politisch zu sein – egal ob mensch Leuten, die gerade auf Lesbos ankommen, ein Zelt zum Schlafen anbietet[7] oder mit schwarzen Kapuzen am Kopf die Autos von Bullen und Bossinnen anzuzünden plant – bleibt es eine Frage unserer Ressourcen und eine Abwägung der Repression, wie viel wir wo investieren können. Für die nächste Zeit steht daher sowohl ein (beratender) Austausch mit der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung als auch eine Verbesserung der Kommunikation mit den Leuten in Traiskirchen an – und intern ein paar Entscheidungsfindungen.

Mitten in die Kontaktaufnahmen nach Traiskirchen und unsere Auseinandersetzung darüber, wie offen das antirassistische Treffen denn nun sein sollte und was für Konsequenzen das für unsere Handlungsfähigkeit hätte, kam der Aufruf, die Abschiebung zweier Spieler des FC Sans Papiers zu verhindern.

Zu neunzigst lachen über das Lichtermeer[8] - machen wir eh alles richtig?

Wenn in Ö viele Leute auf die Straße gehen, dann weiß die echte Aktivistin gleich: Da ist was faul. Da versteckt sich doch garantiert der populäre Rassismus hinter dem populistischen, da zeigen die roten Rechten mit dem Finger auf die braunen. Da liegen ganze Hundeberge begraben.

Andererseits, wenn in Ö die Linke auf die Straße geht, ist sie meist nicht so vielzählig. Die versuchte Verhinderung der und die Proteste gegen die Abschiebung von Cletus Boniface Ugona und Eze Vincent vom Fußballclub Sans Papiers, die sich vom Polizeiüberfall am Donnerstag, 29. April, bis zum Mittwoch, 5. Mai, auf den Straßen von Wien und dem Flughafen Schwechat abspielte, waren, inklusive der andauernden Nachbereitung, sicherlich die besten Aktionen, die eine autonome antirassistische Bewegung in Wien seit langem geschafft hat:

  • Die Aktionen wurden spontan, schnell und relativ mutig durchgeführt – mehrere unangemeldete Demos hintereinander, die als Akt des zivilen Ungehorsams sowohl der viel gebrüllten Parole "Wir sind friedlich, was seid ihr?" als auch einem übertragenen "Feuer und Flamme den Abschiebebehörden!" gerecht wurden.

  • Eine Einigung auf eine Vielzahl von Protestformen kam zustande, ohne dass Richtungsstreits breitflächig ausgetragen werden mussten (Demos, Blockaden, Delegation in den Asylgerichtshof, Medien- und Öffentlichkeitsarbeit, Zusammenarbeit mit Anwältinnen usw.)

  • Es gab viele kleine Aktionen, die Gruppen auch je nach ihren Vorstellungen von Strategie und Radikalität unabhängig voneinander machten.

  • Ein strategisch kluger Umgang mit den Mainstreammedien wurde etabliert - Infos wurden gestreut, ohne allzu viele Kompromisse in der politischen Haltung einzugehen. Und das Medienecho in den Mainstreammedien lässt grüßen: Wann hat krone.at jemals zuvor zwischengetitelt "Kein Mensch ist illegal"?

  • Trotz Hierarchiestreitigkeiten und internen Beleidigtheiten über vorschnell getroffene Entscheidungen und Stellvertreter_innenkämpfe wurde mit immensem Durchhaltevermögen an einem Strang gezogen.

Aber es waren 90, manchmal 150 Leute auf der Straße, ein Zweitausendstel des viel beschimpften Lichtermeers. Weil wir keine Fackeln angeboten haben? Weil wir schlechte Pressearbeit machen? Weil wir so ungern unsere selbstgemachten Codes auflösen? Denn dass sich zu hunderttausendst eine Abschiebung wirklich verhindern ließe (mensch stelle sich so eine Menschenmenge um die Frontexmaschine am Flugfeld vor), wird kaum jemand bestreiten.

Wir wollen keinen Zynismus gegenüber radikalen Errungenschaften linker Bewegungen entwickeln, die immer mit Abgrenzungsprozessen einhergehen. Radikal bedeutet in diesem Sinne ein Stück weit angstlos, laut, abseits und neben Gesetzen vorbei oder eben dagegen, ziviler Ungehorsam als notwendige und machbare Praxis. Kein bevormundeter Bitt- und Trauermarsch mit Kerzen in der Hand. Mitmachen beim „Radikal-Sein“ wird aber einerseits für viele schwer möglich, wenn mensch sich damit umso mehr den Kontrollmechanismen der Exekutive aussetzt: Demonstrationen, die jene nicht schützen können, die als erste von Polizeikontrolle betroffen sind und die härtesten Konsequenzen zu erwarten haben (Migrant_innen, Sans Papiers – sofern sie nach dem racial profiling[9] der Behörden auszumachen sind oder es kollektive Ausweiskontrollen gibt), produzieren von vornherein Ausschlüsse und dürfen sich nicht über ihre Homogenität wundern. Die vielgerühmte Sichtbarmachung, die Selbstvertretung auf der Straße, gerät in den Widerspruch, dass die Sichtbaren eben auch für die Polizei sichtbar sind. Andererseits bringt ein gewisses Verständnis von Radikalität mit sich, dass viele Leute nicht mitmachen wollen oder können, weil der Zugang fehlt. Diesen Zugang zu schaffen wäre Radikalität (und Radikalisierung) pur.

Andockfähigkeit, wie radikal kannst du sein?

Angedockte Massen bringen erstens einen quantitativen Gewinn: Blockieren wird leichter, der geschundene Eindruck ist größer, die Medien machen mit – und die Polizei bleibt in der Minderzahl. Sichtbarkeit als Unübersichtlichkeit muss die Devise sein.

Zweitens gibt es Diskussionen, die eine ganze Gesellschaft führen muss – etwa die über das Hierbleiben, das Abschieben, die freie Bewegung, die Bilder, die institutionalisierter Rassismus zur Projektion bereitstellt. Diese Diskussionen können weder Kleingruppen vorbehalten, noch in der Sprache von hundert Autonomen nachhaltig angeleiert werden. Wenn Antirassismus Praxis werden soll, bedarf es dazu kollektiver Anstrengungen, dieses Praktizieren auch jenen zu ermöglichen, die die Codes der linken Bewegung/en entweder nicht kennen oder berechtigter Weise kein Interesse daran haben, sie zu übernehmen. Die dringende Frage stellt sich, wie Antirassismus in eine massenfähige Debatte umgeformt werden kann. Welche Begriffe müssen wo platziert werden?

Dem allen steht der ständig drohende Kompromiss gegenüber, die Angst, an Kontur zu verlieren, wenn „alle“ mitmachen dürfen und es vielleicht gar nicht so gut wissen, gar nicht so richtig machen wie „wir“. Woher kommt die Angst vor Konturlosigkeit? Fire will always burn. Allianzen einzugehen, strategische Bündnisse, populäre Bewegungen zu gestalten, heißt nicht, dass alle Interventionsformen eingeebnet werden.

Vielmehr hieße es, antirassistische Arbeit genauer wahr- und ernstzunehmen (etwa die vielen verhinderten Abschiebungen und Hilfestellungen in Gemeinden, deren Namen wir gleich wieder vergessen)  und darüber Bündnisse einzugehen, die nicht nur aktionistisch, sondern auch an einer Diskursverschiebung interessiert sind. Es hieße, die eigenen mühsam erlernten Interventionsformen weiterzuentwickeln und weiter hochzuhalten, ohne sie als die einzig möglichen zu erachten. Anstatt alle Allianzen abzulehnen, könnten wir solidarische Kritikfähigkeiten entwickeln, die Antirassismus aus unzugänglichen Vereinslokalen und karitativen Pfarrveranstaltungen herausheben und zur (yes!) andockfähigen Alltagspraxis machen.

Desintegration am Familienfest

Für jetzt, unmittelbar nach Ende dieser aktuellen Phase gemeinsamer Aktionen, ist es nötig, die gewonnenen Erfahrungen weiterzutragen, den Spirit der kollektiven Anstrengung nicht erlöschen zu lassen. Wir müssen sowohl auf der Ebene kurzfristiger Praktikabilität ernsthaft nachdenken (Am wichtigsten: Wie können abgeschobene Freund_innen wieder zurückkommen? Dann: Wie unterstützen wir die, die nicht mit Verwaltungsstrafen davongekommen sind?) als auch langfristig anvisieren, Antirassismus als gesellschaftliche Praxis zu ermöglichen, und zwar breitflächig und dauerhaft.

In den vergangenen Wochen hat sich wieder einmal herausgestellt, dass an konkreten Projekten nachhaltige Schnittflächen entstehen. Mit einem neuen W.I.R, das seine Stärke aus einem extrem leiwanden Miteinander-Arbeiten bezieht und mühevollen Versuchen aller Seiten, integrativ zu sein (das Weißsein von Gruppen durch schlechte Anwerbepolitik zu durchbrechen, keine Stellvertreter_innen zu sein, mit projiziert authentischen Protagonist_innen zusammenzuarbeiten), die ohnehin zum Scheitern verurteilt sind, das Wasser abgräbt. Stattdessen, nochmal: ins Gelingen verliebte Alltagspraxen entwickeln.

  • Selbstvertretungsprozesse mit- und starkmachen!

  • Sich ständig einmischen – keine Kontrolle, keine Razzia, keinen Übergriff einfach hinnehmen (ja, es geht, einen Polizeibus zur Stoßzeit am Gürtel zu siebent aufzuhalten).

  • Sich Wissen aneignen (wer kann wann abgeschoben werden und wie kann das auf  verschiedenen Ebenen verhindert werden, was passiert in der Schubhaft, wie können Nationalgrenzübertritte funktionieren, wo gibt es welche Organisierungszusammenhänge, an die mensch sich wenden/anbinden kann...) und Wissen verbreiten: ziviler Ungehorsam ist auch nach dem StGB keine Straftat!

  • Die Polizei desavouieren – den müden Lächeldienst quittieren helfen.

  • FC Sans Papiers Ultras gründen.

  • Sich mit den Nachbar_innen verbünden.

  • Antirassistische Front-Transpis auf der Gewerkschaftsdemo auspacken.

  • Sich Desintegrationskonzepte aneignen.­­­

  • Akzentfreiheit ablehnen – auch beim Familienfest[10].

Apropos Familie: haben wir nicht zu einem hohen Prozentsatz Omas und Urgroßtanten am völlig unterschätzten Land, die in ihren guten Stuben mühelos minderjährige Flüchtlinge verstecken könnten? Grannies hook up & unite!


[1]    Getippt von Eine_r aus dem antirassistischen Treffen, entstand dieser Text wie die meisten aus einer Vielzahl von Debatten und Inputs und mit wertvollem Feedback von Freund_innen und Genoss_innen. Danke!

[2]    „Andockfähig“ verwenden wir hier anstelle des häufiger gebrauchten Wortes „anschlussfähig“. Wir wollen nicht I-Tüpferl-Reiten, aber Anschluss ist einfach kein schönes Wort mehr.

[3]    Das antirassistische Treffen konzentriert sich – hauptsächlich aus Ressourcengründen – bisher auf Grenzen und ihre Überwindung, Il/Legalisierung und solidarische Arbeit im Bereich von Zulassungsverfahren, Schubhaft, Abschiebungen und anderen Formen rassistischer Polizeigewalt und Justiz. Daher liegt der Fokus des vorliegenden Textes auf Rassismus als staatlich ausgeübte Gewalt und lässt etwa den gesamten Bereich undokumentierter Arbeit und antirassistischen Organisings aus. Praktischer Weise gibt es dank der Nähe zu den politischen Zusammenhängen von trans*act (transact.noblogs.org) und dem Prekärcafé in Wien ( http://www.myspace.com/prekaer ) sehr wohl Annäherungen an diese Arbeitsbereiche.

[4]    Ö steht nicht so sehr für den geographischen, sondern für den politischen Raum, innerhalb dessen Bewegungen stattfinden. Natürlich sind die Grenzen in diesem Sinne durchlässig, politische Bewegungen definieren sich ungern über Nationalstaaten – werden aber gerade im Kampf gegen darin getroffene Entscheidungen konstituiert: siehe die Abschiebepolitik der österreichischen Bundesregierung oder die dem Innenministerium nach-, manchmal auch vorgelagerte Bundespolizei.

[5]    In Traiskirchen (Niederösterreich) befindet sich eine der Erstaufnahmestellen für Leute, die ein Asylverfahren anstreben. Die dort zu verbringende Phase wird rechtlich als „Zulassungsverfahren“ bezeichnet, an dessen Ende entweder eine drohende Abschiebung oder der Beginn des Asylverfahrens steht.

[6]    Residenzpflicht ist eine Auflage für in der BRD lebende Asylbewerber_innen und Migrant_innen mit Duldungsstatus. Es ist den von Residenzpflicht betroffenen verboten, den Meldebezirk bzw. -landkreis ohne schriftliche Genehmigung zu verlassen. Dagegen gibt es mehrere Kampagnen, unter anderem von der Flüchtlingsinitiative Brandenburg. Die Gebietsbeschränkung gilt für Leute im Zulassungsverfahren zum Asylverfahren in Österreich und verbietet das Verlassen des Bezirks. Dagegen müssen erst Kampagnen angeleiert werden.

[7]    Mensch mag es nicht glauben, aber solcher Art Solidarität wurde auf dem NoBorder-Camp auf Lesbos von Einigen als „Rotkreuzhabitus“ beschimpft.

[8]    Das Lichtermeer war eine von der NGO SOS Mitmensch organisierte Großdemonstration gegen das rassistische „Österreich zuerst“-Volksbegehren der FPÖ (Freiheitlichen Partei Österreichs), die am 23. Jänner 1993 in Wien stattfand. Rund 300.000 Leute zogen dabei mit Kerzen und Fackeln durch die Wiener Innenstadt. Diese Ereignisse bewirkten entgegen der Erwartung Einiger keine Korrekturen im Asyl- und Fremdenrecht durch die regierenden Parteien SPÖ und ÖVP. (Immmerhin erschien aber ein Lichtermeer-Sampler mit Hits von Wolfgang Ambros über EAV bis zu STS und Wilfried.)

[9]    racial profiling bezeichnet die polizeiliche Fahndung und Kontrolle nach rassistischen Kriterien. Etwa: Ausweise von Leuten kontrollieren, die nicht weiß sind oder aufgrund anderer Kategorisierungen in das Beamt_innenbild von „Migrant_innen mit unsicherem Aufenthaltsstatus“ passen.

[10] Birnstingls Vater, als ungarischer Jude radebrechend in eine niederösterreichische Bäuer_innenfamilie einheiratend, empfand das als einzigartige Strategie, den Antirassismus aufs reingeweißte Land zu bringen – drum sei sie hier stark gemacht und weiterempfohlen.

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ISSN 1814-3164 
Key title: Grundrisse (Wien, Online)

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