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Francois Naetar:
Freiheit für die Abahlali 13 – Raus mit dem ANC aus der Kennedy Road! Am 26. September dieses Jahres, eine halbe Stunde vor Mitternacht, überfiel eine Gruppe von 30 bis 40 Männern bewaffnet mit Dolchen, Schlagstöcken und Gewehren die Gemeinschaftshalle der in Südafrika und weiten Teilen der Welt bekannten Barackensiedlung in der Kennedy Road. Diese Siedlung ist Ausgangspunkt der basisdemokratischen Bewegung Abahlali baseMjondolo (AbM), in der sich über 30.000 shackdweller (BewohnerInnen von informellen Barackensiedlungen) seit 2005 organisieren. Abahlali baseMjondolo ist verschiedenen Kreisen des African National Congress (ANC) schon lange ein Dorn im Auge; es ist daher sehr wahrscheinlich, dass dieser Überfall seine Wurzeln im ANC hat. Während des Überfalls und der darauf folgenden Kämpfe wurden die Hütten zahlreicher AktivistInnen des AbM systematisch zerstört und zahlreiche Menschen getötet. Viele BarackenbewohnerInnen mussten aus der Kennedy Road fliehen. Kurz nach diesen Ereignissen kam es zur Verhaftung von 13 Militanten des AbM, die des Mordes sowie zahlreicher anderer Delikte beschuldigt wurden. Der Vorsitzende des AbM, S‘bu Zikode, von dem wir hier zwei Texte, eine Rede und eine Zeitschriftenbeitrag, abdrucken, musste in den Untergrund abtauchen, um einer Verhaftung zu entgehen. Der Überfall und die Verhaftungen wurden von der Einrichtung von Strukturen, organisiert vom lokalen ANC, begleitet; gleichzeitig wurde die lokale Führung ausgetauscht, die nunmehr durch Mitglieder des lokalen ANC besetzt wird. Der ANC feierte die Verhaftung und Vertreibung der AbM-AktivistInnen als „Befreiung der Kennedy Road“. Die „Abahlali 13“ sind am 16. November 2009 noch immer in Haft. Dennoch wird diese Attacke gegen Abahlali baseMjondolo ihr Ziel nicht erreichen. Allerdings braucht die Bewegung internationale Unterstützung. In den englischsprachigen Ländern ist sie - als Teil der Poor People‘s Alliance in Südafrika - sehr bekannt; in zahlreichen Artikeln wird über die Bewegung und die Formen ihrer Selbstorganisation berichtet. Im deutschen Sprachraum gibt es allerdings nur sehr wenig Informationen über Form und Ziele dieser Bewegung, weshalb wir uns auch zum Abdruck der Texte entschlossen haben. Die Abahlali baseMjondolo-Bewegung begann 2005 in Südafrika. Großteils rund um die bedeutende Hafenstadt Durban lokalisiert, ist sie, was die Anzahl der an ihr beteiligten Menschen angeht, die größte Bewegung von militanten Armen im Südafrika nach der Apartheidt. Sie nahm ihren Ausgang von einer Straßenblockade gegen den Verkauf eines an die Kennedy Road anschließenden Stück Landes an einen Bauherrn, Land, das den shackdwellers von der lokalen Gemeindeverwaltung für ihre Häuser zugesagt worden war. Die Bewegung wuchs in der ganzen Umgebung rasch an; seit 2006 umfasst sie mehr als zehntausend Menschen in über dreißig Siedlungen. Aufgrund dieses Erfolgs folgten Repressionsmaßnahmen gegen die Bewegung: Hunderte Festnahmen, Polizeiattacken und Todedrohungen sollten die AktivistInnen einschüchtern. Diese Attacken gingen meist von lokalen ANC-ParteifunktionärInnen aus. Die Antworten der Bewegung waren und sind: Demonstrationen, Straßenblockaden, Märsche zu lokalen BeraterInnen, Polizeistationen und Zeitungsbüros. Tausende Menschen beteiligten sich an diesen Aktionen. Für die Wahlen im Jahr 2006 war die Boykott-Losung der Bewegung: „No Land, no House, no Vote!“. Mit dieser Losung erreichte sie viele Menschen im ganzen Land. Ihr wichtigster Erfolg aber war das Verdrängen der Clanstrukturen, den sogenannten Slamlords, in den Siedlungen und die Errichtung basisdemokratischer Strukturen. Erfolgreich wurden so zahlreiche Räumungen von Siedlungen verhindert. Um die politische Stoßrichtung dieser Bewegung zu verstehen, gilt es den Zusammenhang zwischen den Räumungen, den Verhältnissen in den Barackensiedlungen und dem Widerstand, der diese begleitet, zu sehen: Die Räumungen sind Teil von Regierungsmaßnahmen, die sich die Schleifung der oft nahe den Zentren der Städte gelegenen shackdweller-Siedlungen und die Umsiedlung der BewohnerInnen in billige, winzige aber legale Siedlungen am Stadtrand zum Ziel gesetzt haben. In Letzteren, in denen ganze Familien in einem Raum zusammen gepfercht werden, erhalten die BewohnerInnen (von privaten Dienstleistungsunternehmen) Zugang zu Leistungen wie Wasser und Strom. Gegen diese Abschiebung an den Stadtrand, wo sie angesichts der geplanten Großereignisse (etwa der Fußball-WM) der nächsten Jahre unsichtbar gemacht werden sollen, richtet sich diese Bewegung. Sie will ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen und fordert, dass die BarackenbewohnerInnen selbst bestimmen können, wo und wie Siedlungen saniert und mit Wasser und Strom versorgt werden sollen. Sie verlangt, dass die bestehenden Siedlungen im Stadtzentrum legalisiert werden, dass ihr Land zur Verfügung gestellt wird usw. Sie lehnt jede Bevormundung durch den Staat und Parteien (vor allem den ANC) aber auch durch diverse wohlmeinende „linke“ NGO’s ab. Tatsächlich gelang es dieser Bewegung von unten viele Menschen in den Siedlungen zu aktivieren; in Versammlungen werden die jeweiligen Schritte und Strukturen beschlossen sowie Aufgaben verteilt. Die Diskussionen zwischen den verschiedenen Siedlungen sind ein Versuch, jede Bevormundung und Manipulation zu vermeiden. Auch dem rassistischen Mob, der unlängst auf ImmigrantInnen aus den benachbarten Ländern losging, wird mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln entgegengetreten. Diesbezüglich wird auf die teilweise bestehenden Koalitionen zwischen dem ANC und dem rassistischen Mob verwiesen. Es wurde in einem Gerichtsprozess, der unlängst stattfand, ein lokaler ANC-Repräsentant als Anführer einer Gruppe von Schlägern identifiziert, die auf ImmigrantInnen losgingen. Diese Fakten werden auf der Webseite von AbM nicht verschwiegen. Was die Bewegung auszeichnet, ist, dass sie alle Illusionen hinsichtlich des Staats, der Parteien aber auch der NGO’s verloren hat. Sie betrachtet es als ihre einzige Chance, sich auf die eigenen Kräfte zu stützen, wobei jede Unterstützung mit Freuden angenommen wird. Die Bewegung sieht sich selbst als die „Ausgeschlossenen“, diejenigen die „nicht gezählt werden “ als der „part of no-part“ (Ranciére) - und in dieser Rolle auch als Teil jener weltweiten Bewegung, die aus SlumbewohnerInnen in Südamerika, migrantischen ArbeiterInnen in China und LandbesetzerInnen In Brasilien besteht. Abahlali baseMjondolo ist der extreme Ausdruck der Wahrheit dieses kapitalistischen Systems in Südafrika und anderswo: Sie sind die Armen, die ihre Stimme erheben müssen, um den ganzen Dreck dieses Systems ans Tageslicht zu bringen. Für mehr und detaillierte Informationen: http://www.abahlali.org |
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