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Ursprünglich erschienen in: „Autonomie. Materialien gegen die Fabrikgesellschaft“ Nr. 10/75, Trikont-Verlag, München 1975 Sowie in Bergmann/Jansen/Klein (Hrsg.), „Autonomie im Klassenkampf. Beiträge zum Kampf gegen die Fabrikgesellschaft“ Verlag Association, Hamburg, Trikont-Verlag, München, 1978 Die alte deutsche Rechtschreibung wurde beibehalten; die 4 mit der Anmerkung „entfällt“ versehenen Fußnoten sind ebenfalls aus dem Original übernommen Angelika Ebbinghaus: Taylor in Russland Vorbemerkung Der vorliegende Aufsatz ist im Rahmen einer noch nicht abgeschlossenen Dissertation mit dem Arbeitstitel „Eine historisch-kritische Darstellung der Arbeits- und Betriebspsychologie“ entstanden. So setzt dieser Aufsatz zum Teil Inhalte und Begriffe, die im Gesamttext vorher beschrieben und entwickelt werden, als bekannt voraus. Damit der Leser versteht, in welchem Kontext diese Teilstudie geschrieben wurde, will ich die zentralen Fragestellungen der gesamten Arbeit zumindest kurz benennen. Ausgangspunkt ist die Untersuchung der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“, so wie sie zum ersten Mal zusammenhängend von F. W. Taylor formuliert und in verschiedenen amerikanischen Stahlfabriken im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts auch praktiziert wurde. Auf dem Hintergrund der Arbeiterkämpfe dieser historischen Periode, aber auch des chronischen Mangels an Facharbeitern in den USA, wird der Taylorismus vor allem als Versuch gewertet, nun auch das Kommando des Kapitals reell auf die subjektiven Produktionsbedingungen (also den Menschen in der Produktion) auszudehnen. Die „wissenschaftliche Analyse“ des konkreten Arbeitsablaufs (Bewegungs- und Zeitstudien) dient letztlich nur dem Ziel, den „Störfaktor Mensch“ in der Produktion soweit als möglich auszuschalten, indem sein Aufgabenbereich radikal eingeschränkt und jede konkrete Tätigkeit bis ins Detail vorgeschrieben wird. Im Mittelpunkt steht die These, daß der Taylorismus in erster Linie einen unmittelbaren Angriff auf die traditionelle Stellung der Facharbeiter in der Fabrik darstellt. Und indem er die materielle Basis der Facharbeit aufzulösen beginnt, entzieht der Taylorismus auch der traditionellen Arbeiterbewegung einen wichtigen Teil ihrer politischen Kampfinhalte und -forderungen. In einem zweiten Abschnitt wird dann untersucht, wie und unter welchen Modifikationen sich die Arbeitswissenschaften in Deutschland herausbilden und erstmalig während des I. Weltkrieges und auf breiter Ebene dann in den 20er Jahren in den Fabriken zur Anwendung kommen. Der Taylorismus wird, da er den „Faktor Mensch in der Produktion“ ungenügend berücksichtigt, als Ingenieurismus kritisiert und die Einbeziehung psychologischer und arbeitsphysiologischer Erkenntnisse gefordert. So hat sich zwar an den prinzipiellen Zielen der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“ nichts geändert, außer daß sie unter Einbeziehung psychologischer und arbeitsphysiologischer Methoden effektiver wurde und mit geringerem Widerstand auf Seiten der Arbeiter in den Fabriken eingeführt werden konnte. In diesem Kontext und einer eindeutigen Bestimmung des Taylorismus als weiteren Schritt hin zu einer Verallgemeinerung kapitalistischer Produktionsmethoden ist dann auch die politische Bedeutung der „Wissenschaftlichen Arbeitsorganisation“ (WAO) in der UdSSR unmißverständlich. Meiner Meinung nach muß die Diskussion um die Einschätzung des sowjetischen Wegs zum Sozialismus in den Anfängen der 20er Jahre gerade auch darüber geführt werden, wie die Bolschewiki sich eine sozialistische Produktion eben auch bezogen auf die konkreten Formen der Arbeitsorganisation vorstellten bzw. realisierten. Das heißt natürlich auch die Frage stellen, inwieweit die Übernahme der fortgeschrittensten Ausbeutungsmethoden alles andere als einen Weg zu sozialistischen Produktionsmethoden ermöglichte oder doch zumindest freilegte. In diesem Zusammenhang sollte man miteinbeziehen, daß die Faszination der Bolschewiki für den Taylorismus sich nicht auf die Fabriken beschränkte, sondern diese Organisationsvorstellungen auch in weiten Bereichen des Alltags mit viel Aufwand propagiert wurden, so z. B. der Konstruktivismus in der Kunst oder Bestrebungen, die auf eine Mechanisierung der Sprache abziehen. Abschließend sei nur noch auf die Bewegung der „Zeitliga“ hingewiesen, die es sich unter der Leitung von Gastev zum Ziel gesetzt hatte, den sowjetischen Alltag in tayloristischer Manier zu ökonomisieren. Für die Abwegigkeit dieses ganzen Unterfangens spricht ein Aufruf dieser Bewegung Bände: „Vor allem mache die Mechanik der Zeit ausfindig, dann erst reformiere! Die Zeit berechnen, heißt länger leben. Die Zeittabelle ist:
Wenn du den Schlüssel für die Zeit hast, dann bis du bewaffnet, bist der Ingenieur deines Lebens, bist der Monteur auch der Zeit der Anderen, der Fabrik, der Institution. Halte Dir eine Zeitrechnungstabelle und Du wirst eine Revolution der Zeit hervorrufen.“ (Zit. nach R. Fülop-Miller, „Geist und Gesicht des Bolschewismus“, Zürich-Leipzig-Wien 1926, S. 276). Die „Wissenschaftliche Betriebsführung“ vor der Oktoberrevolution Bei den Unternehmern und Ingenieuren Vorkriegsrußlands hat die Auseinandersetzung mit den westeuropäischen und nordamerikanischen Initiativen zur „Wissenschaftlichen Betriebsführung“ eine überraschend große Rolle gespielt. Dieser Sachverhalt kann nur vor dem Hintergrund der besonderen Bedingungen der wirtschaftlichen Entwicklung in Rußland richtig beurteilt werden. Bis in die 90er Jahre des 19. Jahrhunderts war die volkswirtschaftliche Struktur Rußlands – nicht zuletzt wegen des Scheiterns der Aufstände des Adels und der Intelligenz gegen die Autokratie und wegen des Steckenbleibens der Agrarreform von 1861 – im Stadium einer vorkapitalistisch-agrarischen Gemeinwirtschaft stehengeblieben.[1] Die industrielle Revolution hatte nur einzelne Branchen erobert, aber diese vereinzelten modernisierten Wirtschaftsinseln[2] hatten keinerlei Einfluß auf die sie umgebende „obstschina“ (dörfliche Gemeinwirtschaft) gehabt. Die halbherzige Bauernbefreiung von 1861 hatte diesen Zustand nicht aufgebrochen, sondern weiter zementiert. „Aus der agraren Revolution von 1861 erwuchs nichts Neues, keine neue arbeitende Klasse, kein kapitalkräftiges Bürgertum, und (...) so konnte es mit der Industrie im Innern des Reiches nicht recht vorwärts gehen.“[3] Nicht nur für die revolutionäre Intelligenz sollte der fehlende innere Markt zum Zentralproblem werden.[4] Erst 1892 konstituierte sich über die Staatsregierung ein innerer Markt[5] Indes war es von Anfang an ein gespaltener Markt, den Finanzminister Vitte schuf. Die Intervention der staatlichen Autokratie zugunsten einer forcierten wirtschaftlichen Entwicklung diente nur der Vorbereitung imperialistischer Expansion.[6] Vittes Konzept unterwarf sich ganz diesen Bedingungen: oberste Priorität hatte der staatlich finanzierte Ausbau des Eisenbahnsystems, unmittelbar danach rangierte die Expansion der Schwerindustrie, während Pläne für eine umfassende Industrialisierung Rußlands, die allein den Lebensstandard der Bevölkerung hätte heben können, völlig fehlten.[7] Aufgrund dessen vertiefte sich die Kluft zwischen ein paar wenigen Industrialisierungsinseln und der vorkapitalistischen Subsistenzwirtschaft. Letztlich bezahlte die „obstschina“ über ein entsprechendes Steuersystem den Eisenbahnbau und die Schwerindustrie. Dieser Tribut verhinderte zugleich jede auch nur minimale technologische Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktionsstruktur. Verschärfte Bauernunruhen und ein ausgeprägter Radikalismus seitens der knapp zwei Millionen Bauern-Proletarier, der jede für einen ungestörten Produktionsablauf notwendige Arbeitsdisziplin immer wieder untergrub, sorgten dafür, daß die Ansätze zur Teilindustrialisierung à la Vitte um die Jahrhundertwende zum Stillstand kamen. Den Höhepunkt des Massenwiderstands im Jahr 1905 hat die zaristische Autokratie zwar noch einmal überlebt. Und dem russischen Wirtschaftssystem war sogar eine bescheidene zweite Prosperitätsperiode beschieden, nachdem der Staat sich weitgehend aus der Wirtschaft zurückgezogen, das Feld den Banken und dem Auslandskapital überlassen hatte und die Stolypin'schen Reformen erstmals die Strukturen der „obstschina“ aufzubrechen und aufzulösen begannen.[8] Gleichwohl ist auch bis zum ersten Weltkrieg eine wirklich entscheidende Verbreitung der Kapitalakkumulation unterblieben. In den zentralen russischen Industrieregionen entstanden riesige Großunternehmen[9], die über eine drei Millionen – verglichen mit der Anzahl der Bauern – kleine Arbeiterklasse herrschten. Diese Arbeiter hatten sich keineswegs schon von der dörflichen Gemeinschaft völlig losgelöst: sie fluktuierten zwischen Stadt und Land, entzogen sich jeder längerfristigen Fabrikdisziplin und erfuhren nirgends eine den europäischen Facharbeitern entsprechende Qualifikation.[10] Ihre Lebensbedingungen waren weit unter dem inzwischen erreichten westeuropäischen Niveau. Die sektorale Beschränkung der industriellen Revolution ließ denn auch Versuche, die Arbeiter durch massive Lohnsteigerungen und sozialpolitische Maßnahmen an die Produktion zu binden, nicht zu. Die russischen Unternehmer zogen es vor, eine solche Arbeiterklasse, „as was available was uneducated, restless and fitful in its habits, often trying to submerge the sense of frustration and loneliness in alcoholic excesses with consequent absenteeism, low productivity, and rebellion against the rules of factory discipline“[11], durch den Import der modernsten nordamerikanischen und westeuropäischen Technik zu ersetzen. Natürlich waren die russischen Unternehmer dabei in ihren Möglichkeiten begrenzt. Das Ergebnis war, daß sie selbst innerhalb der wachstumsintensiven Zweige Eisen- und Stahlindustrie sowie Maschinenbau gezwungen waren, die ehrwürdige petrinische Manufaktur mit den modernsten Maschinen zu kombinieren. Auf viele ausländische Besucher haben in der Vorkriegsperiode die russischen Großbetriebe deshalb wie Industriemuseen gewirkt. Wenn „increasingly the eyes of engeneers and factory managers turned toward the United States“[12], geschah dies nicht aus abstrakter Technik-Begeisterung, sondern unter dem Druck der revoltierenden und undisziplinierten russischen Arbeiter. Die Geschichte der industriellen Revolution in den europäischen Ländern und in den USA hatte zur Genüge gezeigt, daß die mechanisierte Produktion, indem die Maschine den Arbeitsgang und Arbeitstakt vorschreibt, durchaus ein Mittel ist, die Arbeiter in die nötige Fabrikdisziplin zu zwingen. Es liegt nahe, daß jene russischen Manager, die modernste Investitionskapitalien aus Deutschland und den USA importierten, zugleich mit den neuesten Methoden der Betriebsführung und -organisation bekannt wurden. Die Schriften der Taylor-Schule waren in Rußland wahrscheinlich früher bekannt als in Westeuropa, sie waren lang vor dem ersten Weltkrieg „familiar to a group within that country“.[13] Die erste mir bekannt gewordene Erörterung des Taylorsystems stammt aus dem Jahr 1904, und zwar von B. R. Poljakow;[14] durch sie wurde eine ausführliche Diskussion der Taylor'schen Prinzipien im „Bulletin der Polytechnischen Gesellschaft“ provoziert, welche sich auch durch die Revolutionsereignisse des Jahres 1905 nicht irritieren ließ.[15] Bis zum Kriegsausbruch hatte sich der Ingenieur Löwenstjern als bekanntester Taylor-Adept profiliert. Löwenstjern propagierte vor allem Taylors Differentiallohn; seine Vorrede zu Taylors Schrift „Ein vervollkommnetes Akkordlohnsystem“[16] hat offensichtlich erheblich zur Entwicklung des Akkord- und Prämienlohnsystems in der russischen Großindustrie beigetragen; wie Ermanski mitteilt, hat sich Löwenstjern auch nach 1918 als einer der bekanntesten Tayloristen profiliert.[17] Auch die westeuropäische Arbeitsphysiologie bzw. Psychophysiologie wurde in Rußland schon vor dem ersten Weltkrieg diskutiert und teilweise sogar weiterentwickelt. Die Arbeiten Büchers[18] und Mossos – Mossos „Die Ermüdung“ war schon 1893 in Petersburg in russischer Übersetzung erschienen[19] – wurden vor allem von solchen Verwaltungsbeamten und Ingenieuren ins Feld geführt, die seit 1912 gegen die Einführung von Taylors und Gilbreths Prinzipien im Eisenbahnwesen polemisierten. Nach dem bislang zur Verfügung stehenden Material zu urteilen, hat sich bei der frühen russischen Kontroverse zwischen Tayloristen und Arbeitsphysiologien die nordamerikanische Richtung durchgesetzt. Die wichtigsten Schriften von Taylor, Gantt und Gilbreth waren bis 1913 ausnahmslos in russischer Sprache veröffentlicht.[20] Welche reale Rolle spielte die „Wissenschaftliche Betriebsführung“ bei den Auseinandersetzungen zwischen russischen Unternehmern und Arbeitern? Der Versuch, die „Wissenschaftliche Betriebsführung“ in einigen Eisenbahnwerkstätten einzuführen[21], scheiterte offensichtlich am geschlossenen Widerstand der Eisenbahner.[22] Auch der Versuch, den „taylorisierten Arbeitsprozeß“ in der Munitionsindustrie durchzusetzen[23], wurde angesichts der seit 1916 verstärkt opponierenden Arbeitern zurückgenommen. Die Herstellung der Verbindung von modernster mechanisierter Produktion und Arbeitsorganisation, wie sie von der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“ programmatisch vertreten wird, war in dieser Phase nicht gelungen. Die mechanisierte Produktion, mit ihren sozialen Auswirkungen auf die Arbeitenden, hatte sich in Rußland noch nicht etablieren und den sozialen Kontext der Bauern-Proletarier zerstören können. Die „Wissenschaftliche Betriebsführung“ blieb vorerst in den Köpfen des russischen industriellen Managements und wurde in den unterschiedlichsten intellektuellen Zirkeln diskutiert und gewissermaßen konserviert: erstens in der technischen Intelligenz, die sich im Krieg in den „Komitees der Kriegsindustrie“ eine gewisse Machtposition erobert hatte und seit März/April 1918 sich in den Planungszentralen des bolschewistischen Systems endgültig etablierte;[24] zweitens in der intellektuellen Linken, bis hin zur bolschewistischen Strömung. Daß der „linke“ Bolschewik und Organisationsphilosoph A. N. Bogdanov auch an W. Ostwald und vor allem K. Büchers „Arbeit und Rhythmus“ anknüpfte und damit einiges von der naturphilosophischen Basis der deutschen Arbeitsphysiologie in sein „energetisches Weltprinzip“ übernahm, ist noch viel zu wenig bekannt.[25] Zu verweisen ist nicht zuletzt auch auf Lenin, der sich 1914 die Startlöcher für die Propagierung eines auf deutscher Kriegswirtschaft und Taylor fußenden „Staatskapitalismus“ gegraben hat; schreibt er doch im März 1914, in einem doppelbändigen Zeitungsartikel, das Taylorsystem bereite „ohne Wissen und gegen den Willen seiner Erfinder die Zeit vor, wo das Proletariat die ganze gesellschaftliche Produktion in seine Hände nehmen und eigene Arbeiterkommissionen einsetzen wird, um die gesamte gesellschaftliche Arbeit richtig zu verteilen und regeln“[26] – als ob das Taylorsystem nicht in seinem ganzen Inhalt gegen jede Selbstbestimmung und Emanzipation der Arbeiter gerichtet wäre. Das vorübergehende Desaster der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“ im russischen Oktober und deren Wiederentdeckung durch die Bolschewiki im Frühjahr 1918 Die arbeitswissenschaftliche Bewegung ging jedoch zunächst einmal im revolutionären Prozeß, der zwischen Februar und November 1917 von den russischen Bauern und Arbeitern initiiert wurde, zusammen mit der alten wirtschaftlichen und politischen Ordnung unter. Die Meuterei der Armee, die Bauernunruhen und die Radikalisierung der Industriearbeiter griffen derart intensiv ineinander, daß bis Anfang 1918 alle institutionellen Versuche zur Stabilisierung der Verhältnisse von oben, kaum begonnen, schon untergraben wurden. Selbst die Bolschewiki, denen es am 6. November 1917 gelungen war, durch den Petersburger Aufstand die provisorische Regierung Kerenskis abzulösen, wurden nach ihrer Machtergreifung vorübergehend von den Massen weit über ihre der II. Internationale und der deutschen Sozialdemokratie verpflichteten Doktrinen hinausgetrieben.[27] Mit ihrer fast zwanzigjährigen bolschewistischen Parteigeschichte hatte der durch die Lenin'schen Aprilthesen sanktionierte Kurswechsel bis zum Februar/März 1918 nur noch wenig zu tun.[28] Natürlich war dieser durch den Radikalismus der Bauern, Soldaten und Arbeiter erzwungene vorübergehende Bruch nur unvollständig; aus dem Lenin'schen Pamphlet „Staat und Revolution“ etwa ist trotz der Forderung nach Lohngleichheit die Bindung an die II. Internationale, welche den Sozialismus mit einer beschleunigten staatlich-zentralistischen Wirtschaftsentwicklung gleichsetzte, deutlich herauszulesen.[29] Gleichwohl blieb der bolschewistische „Rat der Volkskommissare“ vorerst Gefangener der bis Ende 1917 an Stoßkraft zunehmenden Massenkämpfe. Um die tatsächliche Entwicklung der russischen Revolution zu verstehen, ist es wichtig, zumindest die reale Alternative, die in diesen Monaten möglich oder denkbar war, zu nennen. Die Möglichkeit nämlich, auf der Basis der von den Fabrikkomitees betriebenen Aneignungsaktionen und der gigantisch angewachsenen „schwarzen Umverteilung“ seitens der Bauern eine zentrale Wirtschaftsadministration aufzubauen, die jenseits des alten Vitte'schen Dilemmas und der späteren bolschewistischen Wirtschaftspolitik mit ihrem „Kriegskommunismus“, der „NEP“ (Neue ökonomische Politik) und der Zwangskollektivierung der Bauern gelegen hätte. Die erste Allrussische Gewerkschaftskonferenz, im Januar 1918 abgehalten[30] [31], stand noch ganz im Einfluß zweier unumstößlicher Grundsätze: der unter proletarischer Leitung zu entwickelnden Übergangswirtschaft im Sinn des den Vorstellungen der nordamerikanischen IWW sehr nahe kommenden Industrieverbandsprinzips[32] und der notwendigen internationalen Stabilisierung der russischen Revolution. Zwischen Januar und März 1918 setzte auf Initiative des bolschewistischen Machtzentrums um Trotzki und Lenin die große Wende ein: die Verwirklichung der sich unter schweren Konflikten abzeichnenden revolutionären Übergangsstrategie sei aufgrund des volkswirtschaftlichen Zusammenbruchs im Innern und der drohenden Offensive der deutschen Obersten Heeresleitung von außen unmöglich geworden.[33] [34] Was die äußere Konstellation betrifft, lag dieser Hypothese eine krasse Fehleinschätzung der von den Bolschewiki schon immer maßlos überschätzten deutschen Kriegs- und Rüstungsmaschinerie[35] zugrunde, und hinsichtlich der inneren Konstellation wurde von den linken Sozialrevolutionären und den späteren „linken“ Bolschewiki darauf hingewiesen, daß der innere Zusammenbruch allenfalls dann bevorstehe, wenn der revolutionäre Elan der Arbeiter, Bauern und Soldaten angegriffen werde: „Würde die russische Revolution von der bürgerlichen Konterrevolution gewaltsam niedergeworfen, so würde sie sich wie ein Phönix wieder erheben; verlöre sie jedoch ihren sozialistischen Charakter und enttäuschte dadurch die arbeitenden Massen, dann hätte dieser Schlag für die Zukunft der russischen und der internationalen Revolution zehnmal schrecklichere Folgen ... Wenn die Regierung der russischen Revolution im Interesse einer Atempause zurückweicht ... Wenn sie vor den Forderungen des ausländischen Kapitals zurückweicht, dann wird sie gezwungen sein, das schon begonnene Werk wieder einzureißen.“[36] Ungeachtet solcher und ähnlicher Warnungen wurden in wenigen hektischen Wochen, deren Ablauf wir hier nicht zu rekonstruieren haben[37] die radikalisierten Arbeiter, Bauern und Soldaten aus der Selbstgestaltung ihrer Geschichte wieder ausgeschaltet. Die bolschewistische Zentralregierung stabilisierte ihre Machtposition auf der Grundlage eines Annexionsfriedens mit der deutschen Obersten Heeresleitung. Helphand, der geheime Mittelsmann der Bolschewiki zur deutschen Generalität, hatte aufgrund seines Wissens von der Prägung des russischen Marxismus durch die deutsche Sozialdemokratie recht behalten: „Wenn sie (die Bolschewiki, A. E.) das Abenteuerliche ihrer Pläne abgelegt haben werden, müssen sie ihren Anschluß an die deutsche Sozialdemokratie und an die deutsche Kultur wiederfinden.“[38] Der Wiederanschluß eines Trotzki und Lenin an die deutsche Sozialdemokratie lag frappierend nah an der von Wissell und Legien propagierten Nachkriegslinie: Lenin verhehlte seit März 1918 in seinen Broschüren nicht, daß die Rekonstruktion Rußlands mit einer Mischung von deutscher staatskapitalistischer Rüstungswirtschaft, Taylor und Elektrifizierung identisch sei.[39] Wie die Entwicklung seit März 1918 zeigt, besteht aller Anlaß, diese Phrase ernst zu nehmen. Den Anfang machte Trotzki, der als frischgebackener Kriegskommissar die demokratische Umwälzung in der Armee schlagartig rückgängig machte.[40] Unmittelbar darauf wurde der proletarische Verwaltungsapparat der Eisenbahn ausgeschaltet – und berüchtigtes Beispiel der inzwischen rigoros vom entstehenden bolschewistischen Staatsapparat gegen die Selbstorganisation ins Feld geführten diktatorialen „Einmannleitung“.[41] [42] Der dritte Schlag wurde auf mehreren Ebenen gleichzeitig gegen die Industriearbeiter geführt. Hinter dem Wust der leninschen und trotzkischen Parolen zur Reorganisation der Arbeitsdisziplin in einem mit der deutschen Rüstungswirtschaft gleichgesetzten „staatskapitalistischen“ Wirtschaftsprogramm verbarg sich eine klare politische Linie gegenüber den Arbeitern. Im Zentrum stand die Entscheidung, die aus der vorrevolutionären Zeit gewonnenen Ansätze zur Lohndifferenzierung zu übernehmen und als Mittel zur Steigerung der Arbeitsproduktivität weiter auszubauen. Diese Entscheidung, endgültig anläßlich des ersten allrussischen Kongresses der Volkswirtschaftsräte im Mai 1918 durchgesetzt, hatte Konsequenzen von ungeheurer Tragweite.[43] Es ist nicht so, daß der russische Oktober bis zum Frühjahr 1918 schon massive Schritte zur Vereinheitlichung des Lohnsystems unternommen hätte; im Februar 1918 lagen beispielsweise die Löhne der Petersburger Eisen- und Stahlarbeiter zwischen 225 und 600 Rubel monatlich.[44] Der entscheidende Bruch liegt vielmehr darin, daß sich das bolschewistische Machtzentrum in aller Deutlichkeit von den seit dem Sommer 1917 auch von ihm selbst in Umlauf gebrachten Parolen von der Lohngleichheit distanzierte.[45] Mit diesem Schritt waren die radikalen und nichtprofessionellen Arbeiter, die zusammen mit den Bauern den russischen Oktober getragen hatten, wieder ausgeschaltet. Am Ende sollte ein neu hierarchisierter Arbeitsprozeß stehen, bei dem der vor jedem Anflug von Arbeiterinitiative geschützte „spezy“ (technischer Leiter und Manager) über Lohndifferenzierung, Zerlegung der Arbeitsoperationen und Arbeitsteilung bestimmte. Die erste Verordnung zur Stärkung der Positionen des technischen Managements gegenüber den Arbeiterkollektiven wurde vom inzwischen „gesäuberten“ obersten Volkswirtschaftsrat genau am Tag des Brester Friedensschlusses herausgebracht.[46] [47] Die Kampagne des bolschewistischen Zentrums, die sich im Verlauf des Jahres 1918 mit ihren Parolen zur Arbeitsdisziplin, zum scharfen Durchgreifen zugunsten der Arbeitsproduktivität, buchstäblich überschlug[48] und gleichzeitig von einer fatalen Unterdrückung der Bauernbewegung begleitet war, zeitigte frappierende Resultate. Schon vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs im Sommer 1918 kam es zu einem eklatanten Rückgang der Arbeitsproduktivität; und vom Sommer 1918 bis zum Herbst 1920 sollten sich die verheerenden äußeren Umstände des Bürgerkriegs mit einer nicht weniger verheerenden Industrie- und Landwirtschaftspolitik kombinieren. Tatsächlich wird mit der Phrase „Kriegskommunismus“ die entscheidende innere Ursache für den buchstäblichen Verfall der russischen Volkswirtschaft bis 1920/21, die radikale Ausschaltung der Arbeiterinitiative und die zusätzliche Ausplünderung der Bauern durch die Übertragung eines reifen kapitalistischen Management-Konzepts auf ein Entwicklungsland, mehr als beschönigt. Je mehr Elemente der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“ eingeführt wurden, desto rascher sank die Arbeitsproduktivität und desto mehr zogen sich die Arbeiter auf jene Widerstandsformen zurück, mit denen sie schon das Vitte'sche Entwicklungsmodell zu Fall gebracht hatten: sie sabotierten die Produktion, arbeiteten schlechter denn je, oder zogen sich kurzerhand in die außerordentlich stark reaktivierte „obstschina“ zurück.[49] Dabei wirkte sich das Sinken der Arbeitsproduktivität des Durchschnittsarbeiters viel stärker als der quantitative Rückgang der Industriearbeiter aus.[50] Das Ergebnis war, daß in einem Wirtschaftssystem, das konsequenter noch als im entwickelten Westen den technischen Manager in der Industrieverwaltung etablierte und gegenüber den Arbeitern eine rücksichtslose militärische Disziplin anwandte, 1920 die Gesamtproduktion auf etwa 13 Prozent des Vergleichsjahrs 1913 zurückgefallen war.[51] Erst der Petersburger Massenstreik, umfangreiche Bauernrevolten und der Kronstädter Aufstand im Frühjahr 1921 machten den Kurswechsel von März 1918 zugunsten einer privatwirtschaftlichen Atempause rückgängig. Der Aufschwung der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“ in der Etappe der „Neuen ökonomischen Politik“ Es schien, als wäre der „Neuen ökonomischen Politik“ von seiten der Bolschewiki die Funktion zugedacht, nun endlich die grobschlächtige Trias von Taylor, deutscher Kriegswirtschaft und technischen Fortschritt zu realisieren.[52] Auf jeden Fall sollte die jetzt gewonnene Atempause genutzt werden, um die disziplinlosen und aufsässigen russischen Arbeiter in einen auf Produktivität um jeden Preis bedachten Arbeitsprozeß zu binden. Die Schaffung eines Arbeitsprozesses, der die manuellen Arbeiter von jeglicher technisch-intellektuellen Gestaltung ausschloß und eine zugespitzte Arbeitsteilung mit einem entsprechend differenzierten Belohnungssystem für gute Arbeitsmoral koppelte – der also den Arbeiter zum ohnmächtigen Anhängsel des Maschinensystems degradierte – blieb oberstes Ziel des ersten „Arbeiterstaates“ der Weltgeschichte. Die ersten tastenden Versuche zur Etablierung der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“ wurden von den führenden Köpfen des bolschewistischen Zentrums persönlich eingeleitet. Niemand anders als Trotzki kann sich rühmen, aus Sorge um die Verbesserung des Leistungsniveaus im russischen Eisenbahnwesen den ersten internationalen arbeitswissenschaftlichen Kongreß inauguriert zu haben.[53] Die erste „allrussische Konferenz für Initiativen der wissenschaftlichen Arbeitsorganisation und Betriebsführung“ fand vom 20. bis 27. Januar 1921 in Moskau statt. Sie kristallisierte sich um die Frage, „welche Stimuli muß man anwenden, welche Interessen muß man in dem russischen Arbeiter wecken, um aus ihm in der sozialistischen Gesellschaft die maximale Arbeitsleistung bei der größten Arbeitsfreude herauszuholen“ – klarer ging es nicht, und unter diesem Motto stand nicht nur das Einleitungsreferat eines Repräsentanten des Obersten Volkswirtschaftsrats.[54] Als erster Hauptredner folgte der schon erwähnte altbolschewistische Theoretiker A. N. Bogdanov, er sprach über den Zusammenhang zwischen Organisationswissenschaft und wirtschaftlichem Plan. Er vertrat die These, daß die jetzigen sozialen „ungeordneten“ Zustände der russischen Verhältnisse für eine technisch revolutionäre Umwälzung besonders günstig seien.[55] Anschließend an Bogdanov kam mit dem Physiologen W. M. Bechterev (Thema: „Über die rationelle Ausnutzung der menschlichen Kraft in der Arbeit“) ein Repräsentant der arbeitsphysiologischen Schule zu Wort, der den aktuellen Stand der Forschung über Ermüdung, Arbeitsrhythmik, Arbeitstraining, Ernährungsphysiologie usw. zusammenfaßte; seine Ausführungen gipfelten in der Forderung, bei der Entwicklung der Arbeitsorganisation all diese Faktoren miteinander in Übereinstimmung zu bringen.[56] Indes wurde der Verlauf der Konferenz weder von Bogdanov noch von Bechterev bestimmt. In gewissem Sinn waren beide eklektizistische Exponenten der westeuropäischen Ansätze zur Verwissenschaftlichung des Arbeitsprozesses und die Kongreßteilnehmer fanden erst in J. Ermanski, einem der späteren Redner, einen universalen orientierten Verfechter der westeuropäischen arbeitswissenschaftlichen Bewegung. Ermanski sprach „über die positiven und negativen Seiten des Taylorismus“, wobei er die Verbesserung der Arbeitsorganisation, den qualitativen Sprung in der Arbeitsteilung usw. zur positiven, alle mit dem Namen Taylor verknüpften Ansätze zur Arbeitsintensivierung zur abzulehnenden Seite zählte.[57] In Übereinstimmung mit der psychophysischen Arbeitsbewegung Westeuropas forderte er die Bestimmung des jeweiligen „Arbeitsoptimums“, welches auf die Ergebnisse der Ermüdungs- und Rhythmenforschung sowie Bewegungsstudien begründet werden und alle Ansätze zum volkswirtschaftlich ineffektiven „Arbeitsmaximum“ à la Taylor, Gantt und Gilbreth strikt ausschalten müsse. Ermanski wurde unter verschiedenen Aspekten angegriffen[58], es steht jedoch fest, daß die Attacken vor allem der Polemik gegen die Lohnanreizmethoden der Taylor'schen Richtung gegolten haben. Auf jeden Fall fehlte es nicht an Referenten, die unter großem Applaus das Taylorsystem begeistert gefeiert und die „organische Verschmelzung“ der Propaganda des Taylorismus mit der Propaganda des Sozialismus gefordert haben.[59] Somit waren drei Jahre nach dem russischen Oktober die arbeitswissenschaftlichen Vorkriegsströmungen Rußlands wieder voll vertreten. Wie vor 1914 dominierte die Taylorbegeisterung bei den Funktionären des neuen staatskapitalistischen Wirtschaftsapparats, wenn auch in einer Kongreßresolution von einer „Identifizierung der Begriffe „Wissenschaftliche Arbeitsorganisation“ und „Taylorismus“ Abstand genommen wurde“.[60] Nur fungierten die arbeitswissenschaftlichen Schulen jetzt als staatlich sanktionierte Hebel zur Wiederankurbelung der Produktion – auch gegen den Widerstand der um die Ergebnisse der Revolution betrogenen Arbeiter. Eine Minderheit – allerdings ohne praktischen Einfluß – kritisierte die bedenkenlose Übernahme dieser produktivitätssteigernden Herrschaftsstrategien des reifen kapitalistischen Westens und schlug eine Wirtschaftspolitik vor, die in etwa dem von den Chinesen seit Mitte der 50er Jahre eingeschlagenen Weg entsprach.[61] Wie der Kongreß zeigte, war demgegenüber das bolschewistische Machtzentrum entschlossen, die Prinzipien der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“ in der Produktion auch gegen jeden Widerstand der Arbeiter einzuführen. Innerhalb dieser strategischen Entscheidung waren zunächst alle Schulen und Richtungen der internationalen Bewegung zur Verwissenschaftlichung der Arbeitsorganisation anerkannt.[62] Die Taylorbewegung Der Hauptstützpunkt der Taylorbewegung während der NEP war das vom Zentralrat der Gewerkschaften im August 1920 gegründete Zentrale Arbeitsinstitut in Moskau.[63] Es wurde von einer Gruppe um A. K. Gastev praktisch aus dem Nichts geschaffen. Der „soziale Ingenieurismus“, der hier entstand, versuchte, die Taylor'sche Lehre mit der stark von A. N. Bogdanov inspirierten „volksenergetischen“ Grundeinstellung in eine Doktrin umzuwandeln, die das ganze soziale Leben in einem mechanisierten Produktions- und Verwaltungsapparat zusammenfaßte. Unumgänglich war dabei, „daß wir mit den Menschen umgehen wollen, wie mit einer Schraube, einer Schraubenmutter, einer Maschine“.[64] Ausgangspunkt für die Mechanisierung waren aus der Sicht dieses Instituts zwei elementare Arbeitsbewegungen, nämlich Schlag und Druck.[65] Diese galt es in arbeitstechnischer, physiologischer und psychologischer Hinsicht zu erforschen. Das Resultat war eine systematisch erarbeitete „Biomechanik von Schlag und Druck“. Diese „universelle Methode“, da sie in jedem Arbeitsprozeß immer wieder vorkam, sollte die Funktion eines verbindlichen Anlernverfahrens übernehmen. Denn wie Gastev schrieb, „man kann nicht fordern, daß ein Mensch unbedingt ein Handwerk erlerne, aber man muß unbedingt fordern, daß jeder Bürger die zwei Grunderscheinungen der Arbeit – den Schlag und Druck – ganz genau meistern soll“. Denn „die fortdauernde Disqualifikation der Arbeitermassen, das völlige Fehlen lebendigen Schaffens (...) erheischt eine schnelle, rationelle Methode der Arbeitserlernung, das heißt der grundlegenden praktischen Arbeitsbewegungen (...) Das Objekt der Forschungen und Untersuchungsarbeiten müssen die elementarsten und gleichzeitig die am meisten typischen und in den Betrieben verbreiteten Arbeitsoperationen sein“.[66] In diesen Auffassungen wurde das Moskauer Zentralinstitut bis Ende der 20er Jahre von den Gewerkschaften und vom Obersten Volkswirtschaftsrat weitgehend unterstützt.[67] Das Institut versuchte u. a., Lehrlinge in Dreimonatskursen zu gelernten Schlossern auszubilden, ist dabei aber offensichtlich an der technisch noch nicht auf westeuropäischem Niveau stehenden Arbeitsteilung gescheitert.[68] In der Folgezeit mußte es in einer Auseinandersetzung mit Kritikern zugeben, daß unmittelbar praktische Leistungen vorläufig nur auf der Ebene der Betriebsleitung möglich seien. Deshalb sei auch besonderer Wert auf Taylor zu legen, was mit einer komplexen Entwicklung der „Wissenschaftlichen Arbeitsorganisation“ jedoch nicht unvereinbar sei: „Die Arbeiten Taylors auf dem Gebiete des Metallschneidens bilden die technisch zu bearbeitende Seite, seine nicht zu Ende geführte Theorie der Betriebsorganisation wird jetzt zu einer besonderen Wissenschaft ausgebildet, die Rationalisierung der Bewegung wurde Gegenstand der Biomechanik, die Gesetze der Ermüdung, die Taylor gestreift hat, wurden Gegenstand der Psychophysiologie. Es ist klar, daß das Wort „Taylor“ jetzt nur als odioser terminus und nicht als Exponent des ganzen Komplexes der Probleme angesehen wird, die Taylor berührt hat“.[69] Die psychotechnische Bewegung Offensichtlich wurde die psychotechnische Bewegung längere Zeit durch die intensive Propagandatätigkeit des Zentralinstituts der Gewerkschaften an die Wand gedrückt. Noch auf dem zweiten arbeitswissenschaftlichen Kongreß, der 1924 stattfand, mußte sie ihre Existenzberechtigung verteidigen. Bis Sommer 1922 verfügte sie auch noch nicht über ein wissenschaftliches Zentrum, das die Unterstützung höchster Verwaltungsstellen genoß. Die heterogensten Ansätze zur Eignungspsychologie, Lehrlingsselektion und zur psychotechnischen Anpassung der Arbeiter an bestimmte berufliche Anforderungsbilder wurden allenfalls durch die ziemlich breite Parallelbewegung der Arbeitsphysiologen, durch den bekanntesten Gastev-Kritiker Ermanski und durch die Kommunistische Jugendorganisation Komsomol unterstützt.[70] Ein bescheidener Aufschwung setzte erst ein, als unter J. Spielrein vom „Volkskommissariat für Arbeit“ ein „Laboratorium für industrielle Psychotechnik“ gegründet wurde.[71] Im Zentrum der Tätigkeit stand die „Untersuchung der Berufe vom psychologischen Standpunkt und die Berufspsychographie“. Die genaue Analyse der verschiedenen Tätigkeitsmerkmale der unterschiedlichsten Berufe, die von diesem Institut auf breiter Ebene durchgeführt wurden, diente der Entwicklung einer beruflichen Eignungsdiagnostik.[72] Allmählich wurden die hier entwickelten psychotechnischen Methoden in die übrigen Bestrebungen der „Wissenschaftlichen Arbeits-Organisation“ (WAO) – Arbeitsphysiologie, Ermüdungs- und Bewegungsstudien, Zeitstudien und Lohnanreizsysteme – vollständig integriert.[73] Im Sog der ersten praktischen Erfolge des Spielrein-Instituts nahm die psychotechnische Bewegung schließlich seit etwa 1926/27 einen enormen Aufschwung.[74] Ähnlich orientierte regionale arbeitswissenschaftliche Zentren wie beispielsweise das Allukrainische Arbeitsinstitut in Charkow[75], das Zentrallaboratorium für Arbeitsforschung am Petersburger Institut für Gehirnforschung[76], die Fakultät für Sozialtechnik am Petrograder Technologischen Institut[77] und das Büro für wissenschaftliche Arbeitsorganisation des tatarischen Gewerkschaftsrats in Kazan[78] expandierten und entwickelten eine umfassende publizistische Tätigkeit, welche die der vergleichbaren westeuropäischen Institutionen bei weitem übertraf. Die „Wissenschaftliche Arbeitsorganisation“ als Massenbewegung F. Baumgarten weist in ihrer für uns grundlegenden Untersuchung darauf hin, daß im Gegensatz zum entwickelten kapitalistischen Ausland die russische „WAO-Bewegung“ bald über ihre wissenschaftlichen Zentren (1925 gab es etwa 60 WAO-Institute)[79] hinauswucherte und sich zu einer breiten gesellschaftlichen Strömung auswuchs. Lenin sorgte noch 1923 mit der auf ihn zurückgehenden Gründung des „Volkskommissariats für Arbeiter- und Bauerninspektion“ dafür, daß in der Vielzahl der Tendenzen die technisch-administrativen Kader gegenüber den Arbeitern und Bauern die Oberhand behielten. Die Effektivierung des staatlichen Herrschaftsapparats war dafür unerläßliche Voraussetzung.[80] Eine weitere Zentralorganisation, der „Rat für wissenschaftliche Organisation“ (Sownot), machte sich gleichzeitig daran, die speziellen arbeitswissenschaftlichen Institutionen zu koordinieren und überall in den Fabriken und Planungsinstitutionen „Zellen“ für wissenschaftliche Arbeitsorganisation entstehen zu lassen.[81] Gegen Ende der NEP wurden weitere Vereinigungen gegründet, die sich wie etwa die „Zeitliga“[82] die Disziplinierung der Arbeiter an der Produktionsbasis zur Hauptaufgabe machten. Untergang und Restauration der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“ in der stalinistischen Rationalisierung Alles in allem war die „WAO-Bewegung“ in der Periode der „Neuen ökonomischen Politik“ die bislang breiteste und initiativreichste. Sie ist trotzdem kläglich gescheitert. Der Widerspruch zwischen den aus dem reifen kapitalistischen Westen adaptierten Methoden der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“ und den unmittelbaren Erfordernissen einer primären Disziplinierung der Arbeiter für eine erst noch zu durchlaufende industrielle Revolution war zu groß. Die ökonomischen Rückschläge des Brester Friedens, der Bürgerkrieg und das Desaster des „Kriegskommunismus“ hatten die russische Volkswirtschaft auf ein Niveau zurückgeworfen, das etwa dem des europäischen Kapitalismus um die Mitte des 19. Jahrhunderts vergleichbar war. Es war vielleicht möglich, einige Anreizelemente des Taylorsystems zu übernehmen, aber alle Versuche, das gesamte System der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“, wie es für eine bereits weitgehend mechanisierte Produktion entwickelt wurde und aus ihr entstanden war, bedingungslos auf die rückständige sowjetische Wirtschaft zu übertragen, mußten scheitern. In den westeuropäischen Ländern und in den USA hatten die Facharbeiter nach einem defensiven Kampf gegen die Einführung der „Wirtschaftlichen Betriebsführung“ sich spätestens im ersten Weltkrieg mit ihr versöhnt. Es waren die Schichten der Arbeiter, die aufgrund ihrer Qualifikation sich eine reelle Chance erhoffen konnten, in das Heer des Arbeitsbüros aufrücken zu können. Sie willigten unter dem Anreiz der kurzfristigen Lohnerhöhung und dem Zugeständnis des Rechts auf gewerkschaftliche Organisierung ihrer – langfristig gesehen – eigenen gesellschaftlichen Dequalifizierung zu. In der UdSSR fehlte diese Facharbeiterschicht weitgehend und die ablehnende Haltung aller Arbeiter gegen die neuen Formen der Arbeitsorganisation bot keine Ansatzpunkte, diese auf breiter Basis in die Fabriken einzuführen. Die Arbeiter hatten ihre Erfahrungen, die sie mit den Methoden der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“ vor dem Oktober gemacht hatten, noch nicht vergessen. In ihrer feindlichen Haltung gegenüber den Methoden der „verwissenschaftlichten“ Produktion waren sie nicht einfach maschinenstürmerisch wie etwa die Manufakturarbeiter in der industriellen Revolution des Westens zu nennen. In den sozialen Kämpfen dieser Jahre waren sie bewußt geworden und hatten durchaus Vorstellungen wie beispielsweise die Putilov-Arbeiter und die Moskauer Maschinenarbeiter entwickelt, wie der Gebrauch der Maschinerie nicht zu ihrer eigenen sozialen und psychischen Verkrüppelung führen mußte. Weder die Arbeitsmilitarisierung im Kriegskommunismus noch die Vorstöße der „Wissenschaftlichen Arbeitsorganisations-Bewegung“ in den Fabriken während der NEP-Periode hatten die Arbeiter soweit diszipliniert, daß sie sich in einen ungestörten Arbeitsablauf einfügten.[83] Gegen Ende der NEP wurde von einer Gruppierung, die sich als „linke Opposition“ gegen die privatkapitalistische Atempause der NEP verstand, ein „neuer“ Weg der „ursprünglichen sozialistischen Akkumulation“ propagiert. „Ursprüngliche Akkumulation“ heißt: vorrangige Entwicklung der Schwerindustrie auf Kosten der Landwirtschaft und somit Zementierung der sozialen Kluft zwischen Industriearbeitern und Bauern[84] sowie die endgültige Durchsetzung der mechanisierten Produktion. Das war auch der Inhalt der dann realisierten Wirtschafts- und Sozialpolitik der Stalin'schen Ära. Seit 1929/30 wurde die „Wissenschaftliche Betriebsführung“-Bewegung der NEP-Ära Zug um Zug ausgeschaltet, genauer: ihre spekulativ-pluralistische Realitätsferne wurde beseitigt. Interessant bleiben für das Stalin'sche Programm nur jene Elemente, welche im Kontext mit der beschleunigten Mechanisierung der Produktion eine „maximale Arbeitsleistung“ zu stimulieren versprachen.[85] Es blieb dem Psychotechniker J. Spielrein vorbehalten, die alte Kontroverse zwischen Gastev und Ermanski für beendet zu erklären und aus den feingliedrigen Strömungen der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“ die groben Instrumente für eine brutal und offen gehandhabte Antreiberei herauszuschälen.[86] Selbst in einem internationalen arbeitswissenschaftlichen Jahrbuch, also gegenüber dem ausländischen Leser, gab Spielrein bedenkenlos preis, wie sich der neue Unternehmerstaat in der Phase der beschleunigten Industrialisierung eine „maximale Arbeitsleistung“ anzueignen dachte: sie „wird einerseits erreicht durch die für die russischen Verhältnisse unerhörte Mechanisierung der Produktion, die Einführung schnellschneidender Stanzen und anderer Maschinen, die um das Vielfache die menschliche Arbeitsleistung übertreffen und die Zahl der für die Ausführung einer bestimmten Produktionsaufgabe nötigen Arbeitskräfte sehr stark herabsetzen. Andererseits wird gleichzeitig mit der Mechanisierung in der Sowjet-Union dank den Bemühungen der Arbeitermasse selbst eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt, die eine Intensivierung der Arbeit herbeigeführt haben“.[87] Was die „Bemühungen der Arbeitermasse“ betrifft, log Spielrein angesichts unseres heutigen Wissens über die Kontinuität des Arbeiterwiderstands auch während der Stalin-Ära[88] hemmungslos. Es gelang in dieser Zeit allenfalls, durch ein im Stachanovismus schließlich auf die Spitze getriebenes Akkord-Prämiensystem kleine Arbeiterminderheiten („Stoßtrupps“, „soziale Schlepper“ und schließlich „Stachanov-Leute”) Breschen in die Mauer der Ablehnung seitens der Arbeiter schlagen zu lassen.[89] Aber Spielrein nahm schon in seinem 1930 veröffentlichten Artikel Erfolge vorweg, wie sie später in den düstersten Episoden real nicht gezeitigt wurden: „So wurde z. B. durch einen rücksichtslos von den Werktätigen geführten Kampf gegen die ohne triftigen Grund im Betrieb nicht erschienenen Arbeiter erreicht, daß deren Zahl in den Hauptbetrieben verschwindend gering geworden ist, und daß diese früher sehr häufige Erscheinung zu einer Seltenheit geworden ist. Solche schlechten Arbeiterelemente stören in einem gut arbeitenden Betrieb, sowie bei der Fließbandarbeit den ganzen Arbeitsgang. Das Fernbleiben vom Dienst wirkt sich auf die Arbeit der gesamten Gruppe aus, die ein geschlossenes Ganzes bildet und in der jedem ein bestimmter Platz zukommt. Somit schaffen schon die elementarsten Formen eines Arbeiterkollektivs (das Fließband) eine solidarische Haftung, das Gefühl der Verantwortung eines jeden einzelnen für die Arbeitsleistung seiner Gruppe. In einem noch stärkeren Maße finden wir das Gefühl der Verantwortung bei den sog. Stoßtrupps, dem Zusammenschluß von Arbeitswilligen, die bestrebt sind, die Leistungsfähigkeit zu heben, und die dann das von ihnen erreichte Maximum der Arbeitsleistung bekannt geben. Durch die Fortentwicklung dieses Gedankens gelangen wir zum „sozialistischen Wettbewerb“. (Er bezweckt) die Gegenüberstellung der Arbeitsleistung von zwei oder mehreren Kollektiven, woraus sich die Möglichkeit ergibt, die herrschenden Mängel festzustellen, sowie „den Zurückgebliebenen Hilfe durch die Leistungsfähigeren zu erweisen“ (Stalin). Als die höchste Form des sozialistischen Wettbewerbs ist endlich der sog. „Soziale Schlepper“ anzuführen; in leistungsfähigen Betrieben werden (...) Arbeiter- und Spezialistengruppen gebildet, die den schwächeren Betrieben zu Hilfe eilen und es diesen ermöglichen, ihre zurückgebliebenen Produktionszweige zu fördern. Diese sozialistischen Arbeitsformen: die Stoßtrupps, der sozialistische Wettbewerb, der soziale Schlepper, haben eine starke Verbreitung gefunden (...) Die Stoßtruppbewegung greift immer mehr um sich, und es nimmt daher nicht wunder, daß die Stoßtrupps den Versuch machten (...), den bereits für sie festgesetzten 7- oder 8-Stunden-Arbeitstag noch zu verlängern und die Feiertage für eine bestimmte oder sogar unbestimmte Zeit aufzuheben.“[90] In dieser Situation reduzierte sich die „WAO“ darauf, das propagandistische Kunststück zu vollbringen, die exzessive Stimulation der Ausbeutung von Arbeitskraft als Endziel des Sozialismus hinzustellen: gerade dadurch, heißt es dann nicht nur bei Spielrein oder Stalin zynisch, sei der sozialistische Arbeitsprozeß vom kapitalistischen unterschieden. Parallel dazu wurde mit nicht geringerem Zynismus die sozialistische Produktion als jene bezeichnet, die im Gegensatz zum Kapitalismus zur universellen Einführung der Fließbandproduktion als der historisch höchsten und reifsten Produktionsweise befähigt sei: es sei „einleuchtend“, daß die Fließfertigung am ehesten den von Marx beschriebenen Merkmalen der fortschrittlichen Gestaltung des Produktionsprozesses entspricht.[91] Zweifellos ist die „WAO“ nach dem russischen Oktober nie an die Flexibilität und die Dynamik herangekommen, mit der sie im Westen als Instrument der Integrierung der Arbeiter in der Einkommensrevolution des keynes'schen Systems wirksam geworden ist. Aber sie war immerhin fähig, die Perversion des Marx'schen Systems gegenüber den Arbeitern auf die Spitze zu treiben.[92] Anmerkungen: [1] Vgl. dazu vor allem A. Gerschenkron, Russia: Patterns and Problems of Economic Development, 1861-1958, in ders., Economic Backwardness in Historical Perspective, Cambridge/Mass. 1962, S. 119 ff.; R. Portal, Das Problem einer industriellen Revolution in Rußland im 19. Jahrhundert, in: Forschungen zur Osteuropäischen Geschichte, Bd. 1, S. 203 ff.; K. Schmiedel, Zum Problem der industriellen Revolution in Rußland, in: Jahrbuch für Geschichte der deutsch-slavischen Beziehungen und Geschichte Ost- und Mitteleuropas. Jg. 1958, S. 273 ff. [2] Vor allem die Schwer- und Textilindustrie im Donezgebiet, St. Petersburg und Moskau sowie die Hüttenindustrie der Ukraine und des Ural. Vgl. A. Nove, An Economic History of the U.S.S.R., Hammondsworth 1972, S. 16. [3] E. von der Brüggen, Das heutige Rußland, Leipzig 1902, S. 55. [4] Bei den Diskussionen der russischen linken Intellektuellen war die Bejahung oder Verneinung der Entwicklungsmöglichkeiten des inneren Markts identisch mit dem Urteil über die Entwicklungsmöglichkeiten der industriellen Revolution in Rußland. Weder die ,Volkstümler' noch die Marxisten hatten alternative Entwicklungsstrategien, welche auf einer Untersuchung der realen Verhältnisse basierten. Im Zusammenhang dieser Arbeit kann darauf nicht näher eingegangen werden. Gleichwohl hat die Tatsache, daß sich die revolutionäre Intelligenz in eine Bewegung zur Erneuerung der Obstschina und zur staatskapitalistischen Beschleunigung des Vitte'schen Wegs spaltete, für die Entwicklung der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“ im vor- und nachrevolutionären Rußland erhebliche Konsequenzen. Zur Einführung in die linksintellektuellen Debatten jener Zeit ist vor allem E. J. Simmons (ed.), Continuity and Change in Russian and Soviet Thought, Cambridge/Mass. 1955, lesenswert. [5] Dazu Th. H. von Laue, Sergei Witte and the Industrialization of Russia, New York – London 1963, S. 262 ff. [6] Vgl. dazu K. Lorenz, Einleitung zu L. Trotzki, Ergebnisse und Perspektiven, Die permanente Revolution, Frankfurt 1971, S. 13 f. [7] Vgl. A. Gerschenkron, Economic Backwardness in Historical Perspective, im Sammelband desselben Titels, op. cit., S. 16 ff. [8] Vgl. A. Gerschenkron, Russia: Patterns and Problems of Economic Development, 1861-1958, op. cit., S. 133 ff. [9] Vgl. die Angaben bei L. Trotzki, Die russische Revolution 1905, Berlin 1923, S. 26. [10] Zum Verhalten der russischen Bauern-Proletarier während der deformierten industriellen Revolution vgl. vor allem C. E. Black (ed.) The Transformation of Russian Society, Cambridge/Mass. 1960. [11] A. Gerschenkron, Russia: Patterns of Economic Development, op. cit., S. 126 f. [12] Ebd., S. 128. [13] G. Filipetti, Industrial Management in Transition, Homewood/III. 1952, S. 191. [14] R. Poljakov, Die gegenwärtige Lage der Frage der Anwendung des Taylorsystems, Moskau 1904 (russ.). [15] Vgl. beispielsweise ders., Die Maschinenwerkzeuge als Faktor des sozialen Fortschritts, in: Bulletin der Polytechnischen Gesellschaft, 1908, Nr. 4; sowie aus der Umgebung der „Polytechnischen Gesellschaft“ die Arbeit von N. W. Pankin, Die wissenschaftliche Arbeitsorganisation, Petersburg 1905 (russ.). [16] F. W. Taylor, Ein vervollkommnetes Akkordlohnsystem, Vorrede Ing. Löwenstjern, St. Petersburg 1914 (russ.). [17] Und zwar weist Ermanski darauf hin, daß mehrere Zeitschriftenaufsätze, die Löwenstjern zwischen 1918 und 1919 veröffentlichte, weitgehend mit der Vorrede aus dem Jahr 1914 übereinstimmen. Vgl. J. Ermanski, Theorie und Praxis der Rationalisierung, Berlin 1928, S. 184 f [18] Vgl. K. Bücher, Arbeit und Rhythmus, russ. Übersetzung St. Petersburg 1899. [19] N. Mosso, Die Ermüdung, St. Petersburg 1893 (russ.). [20] So F. Baumgarten, in ihrem Handbuchartikel Rußland – Arbeiterwissenschaft, in: F. Giese (Hrsg.), Handbuch der Arbeitswissenschaft, Halle a. S. 1930, Sp. 3794. [21] Dazu A. Baumgarten, ebenda: „Allmählich entbrannte in den folgenden Jahren auch eine Polemik über den Wert des Taylorismus, nämlich als versucht wurde, den Taylorismus in einigen Eisenbahnwerkstätten einzuführen.“ [22] Baumgarten, ebd.: Von seiten der Arbeiterschaft wurde in einer von den Eisenbahnangestellten und den Arbeitern herausgegebenen Zeitschrift „Semaphor“ oft über das System gespottet und gegen dasselbe Stellung genommen. Ähnlich auch J. Ermanski in seiner Schrift: Wissenschaftliche Betriebsorganisation und Taylor-System, dt. Ausgabe Berlin 1925, S. 23: „An Verkündern dieses Systems hat es niemals gefehlt. Vor dem Kriege wurden bei uns sogar praktische Schritte zur Einführung dieses Systems unternommen, besonders in den Eisenbahnwerkstätten. Nicht umsonst konnte man in der Zeitschrift „Semaphor“ (...) fast in jedem Aufsatz – in Prosa sowohl als auch in Versen – den Namen Taylor antreffen, dem allerdings dabei nichts Gutes nachgerühmt wurde.“ [23] Nach F. Baumgarten, op. cit., Sp. 3794. [24] Zur Rolle der „Technokraten“ vor und nach dem russischen Oktober vgl. die vorzügliche Studie von S. V. Utechin, Bolsheviks and their Allies after 1917: the Ideological Pattern, in: Soviet Studies, Vol. X, 1958, No. 2, S. 126 ff.: Technocratism. [25] Darauf weist als erster Dietrich Grille hin. Vgl. D. Grille, Lenins Rivale, Bogdanov und seine Philosophie, Köln 1966, S. 98 ff., 108 ff., 143 ff. [26] W. I. Lenin, Das Taylorsystem – Die Versklavung des Menschen durch die Maschine, in: Werke, Bd. 20, Berlin 1971. S. 147. [27] Vgl. dazu vor allem R. Lorenz, Die Sowjetunion (1917-1941). in: Rußland, Fischer Weltgeschichte, Bd. 31, Frankfurt/M. 1972, S. 276 ff.; M. Dobb, Soviet Economic Development Since 1917, London 1949, S. 82 ff.; A. Nove, An Economic History of the U.S.S.R., op. cit.., S. 48 ff. [28] Vgl. dazu ausführlich E. H. Carr, The Bolshevik Revolution 1917-1923, Vol. 1, Hammondsworth 1971, S. 81 ff., 115 ff. [29] Vgl. W. I. Lenin, Staat und Revolution, in: Werke, Bd. 25, 2. Auflage Berlin 1970, S. 393 ff., bes. S. 470 ff, Vgl. im übrigen auch P. Mattick, Der Leninismus und die Arbeiterbewegung des Westens, in: Lenin - Revolution und Politik, Frankft./M. 1970, S. 28 f. [30] Entfällt [31] Über ihren Ablauf berichten ausführlich Carr, op. cit., Vol. 2, S. 109 ff.; I. Deutscher, Die Sowjetischen Gewerkschaften, Frankfurt/M. 1966, S. 43 ff. [32] Zur Strategie der IWW vgl. die Hinweise im USA-Abschnitt; nach dem Kurswechsel vom Februar/März 1918 wurde diese Position nur noch von den „linken Kommunisten“ um Bucharin und Ossinski vertreten, die bis dahin den Obersten Volkswirtschaftsrat kontrollierten. Vgl. dazu vor allem R. V. Daniels, Das Gewissen der Revolution, Kommunistische Opposition in Sowjetrußland, Köln-Berlin 1962 ,bes. S. 93 ff., 118 ff., F. Kool, E. Oberländer (Hrsg.), Arbeiterdemokratie oder Parteidiktatur, Olten und Freiburg/Brg. 1967, S. 83 ff. [33] Entfällt [34] Zur Entwicklung dieser Hypothese vgl. vor allem W. I. Lenin, Werke Bd. 26 und 27, 2. Auflage Berlin 1970; ders., Briefe, Bd. V, Berlin 1968, bes. S. 45 ff.; sowie von den Darstellungen E. H. Carr, op. cit., Vol. 3, S. 15 ff., 69 ff.; R. V. Daniels op. cit., S. 93 ff.; I. Deutscher, Trotzki, Bd. I: Der bewaffnete Prophet 1879-1921, S. 329 ff. L. Trotzki, Mein Leben, op. cit., S. 333 ff. [35] Vgl. dazu die Bemerkungen bei R. Lorenz, Anfänge der bolschewistischen Industriepolitik, Köln 1965, S. 110 f., 142 ff.; A. Nove, op. cit., S. 43. [36] K. Radek, Nach fünf Monaten, in: Kommunist, Nr. 1, April 1918, S. 3 f. (russ.), zit. nach Daniels, op. cit., S. 105 f. [37] Vgl. E. H. Carr. op. cit., Vol. 1, S. 115 ff.; Vol. 2, S. 90, 114 ff.; Vol. 3, S. 15 ff.; I. Deutscher, Trotzki, op. dt. S. 329 ff E. V. Daniels, op. cit., S. 93 ff.; K. Lorenz, Anfänge der bolschewistischen Industriepolitik, op. cit., S. 141 ff .; A. Nove, op. cit., S. 56 ff. [38] So Parvus in einer Denkschrift vom 16. 11. 1917 an das deutsche Auswärtige Amt. Zit. nach W. B. Scharlau. Z. A. Zeman, Freibeuter der Revolution - Parvus Helphand. Eine politische Biographie, Köln 1964, S. 284. [39] Vgl.: Vor allem Lenins Schriften vom März bis Mai 1918: Die Hauptaufgaben unserer Tage (11. 3. 1918); Referat über die Ratifizierung des Friedensvertrags auf dem Außerordentlichen IV. Gesamtrussischen Sowjetkongreß (14. 3. 1918); Ursprünglicher Entwurf des Artikels ,Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, (23.-28. 3. 1918); Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht (13.-26. 4. 1918); Referat über die nächsten Aufgaben der Sowjetunion auf der Tagung des gesamtrussischen Zentralexekutivkomitees (29. 4. 1918). Sechs Thesen über die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht (zwischen 29. 4. und 3. 5. 1918); über „linke“ Kinderei und über Kleinbürgerlichkeit, (5. 5. 1918) alle abgedruckt in: Werke, Bd. 27, 2. Aufl. Berlin 1970. [40] Trotzki rechtfertigte sich ausführlich in einer Rede, die er anläßlich der Städte-Konferenz der Russischen Kommunistischen Partei am 28. März 1918 in Moskau hielt: Arbeit, Disziplin und Ordnung werden die sozialistische Sowjet-Republik retten, erste dt. Übersetzung, Berlin 1919. [41] Entfällt [42] Zur Position Lenins und Trotzkis in dieser Frage vgl. Fußnote 39 und 40. Die Kontroverse um die Entfernung der Arbeiter aus ihren Machtpositionen ist im übrigen dargestellt bei Carr, Vol. 12, S. 90 ff., 114 ff.; Daniels, S. 135 ff; R. Lorenz, Anfänge der bolschewistischen Industriepolitik, S. 141 ff. Die Darstellung bei 0. Anweiler, Die Rätebewegung in Rußland 1905-1921. Leiden 1958, S. 285 ff.; L. Larin und L. Kritzmann, Wirtschaftsleben und wirtschaftlicher Aufbau in Sowjetrußland 1917-1920, Hamburg 1921. [43] Am klarsten formuliert dies E. H. Carr, op. cit. Vol. 2, S. 115 ff., der auch über die anläßlich des Kongresses voll ausgebrochene Taylor-Kontroverse und die endgültige Niederlage der Linken berichtet (S. 119). Wie klar sich die „linken Kommunisten“ über die Sanktionierung des Akkordsystems waren, zeigt ein Zitat von Osinski: „Um den Arbeitseifer der Arbeiter anzuspornen, wird der Akkordlohn, wird die Chronometrage (Messung der Arbeitsleistung nach Stunden – das Taylor-System) eingeführt. Wir sprachen schon oben vom Einfluß dieser Lohnformen auf die Klasseneinigkeit und das Bewußtsein der Arbeiter. Sie wurden vom Kapital geschaffen, um die proletarische Solidarität zu zerschlagen. Sie führen zu Konkurrenz und Spaltung unter den Arbeitern. Sie schaffen ein Übergewicht der persönlichen, egoistischen Interessen über die gemeinsamen, die Klasseninteressen (...) Wohin man blickt trübe Aussichten; Spaltung des Proletariats, Abspaltung der gegenüber der Politik gleichgültigen Arbeiteraristokraten und der sie beneidenden Pechvögel sowie allgemeine Passivität. Unter solchen Umständen verheißt die Heranziehung der Kapitalisten zur Organisation der Produktion wenig Gutes.“ N. Osinski, Über den Aufbau des Sozialismus, in: Kommunist, Nr. 1 und 2, Moskau 1918, zit. nach F. Kool und E. Oberländer, Arbeiterdemokratie oder Parteidiktatur, op. cit., S. 104 f. [44] Vgl. Marcusson, Die Arbeitslöhne in den Moskauer Fabriken von 1913 bis 1920, Statistisches Arbeitsmaterial, Nr. 10, Hrsg. ILO, Genf 1921; sowie E. H. Carr, Vol. 2, S. 118. Interessant ist auch die Weiterentwicklung der Lohndifferenzierung bis 1920, sie wird in der vom Internationalen Arbeitsamt in Genf im Juli 1922 veröffentlichten Studie: Die Organisation der Industrie und die Arbeitsbedingungen in Sowjet-Rußland, näher untersucht. [45] Dazu Carr, ebd., S. 119: „Whatever arguments a few party theorists might propound, the new regime had never seriously challenged the practice of differential wages. What now evoced criticism was the proposal to use and intensify such differentiations conciously and deliberately as an incentive to increased production.“ [46] Entfällt [47] Vgl. Carr, Vol. 2, S. 92. [48] Vgl. die Jahresübersicht 1918 in der von der „Group Solidarity“ hrsg. Schrift: Räte in Rußland, dt. Ausg. Berlin 1971, S. 36 ff. (neu hrg. im Verlag ASSOCIATION: Maurice Brinton, Die Bolschewiki und die Arbeiterkontrolle) [49] Dieser Rückgang der Arbeiter aus der industriellen Produktion ging so weit, daß Bucharin auf dem 7. Parteikongreß im März 1918 von einer „Desintegration des Proletariats“ sprach! [50] So Carr, Vol. 2., S. 198. [51] Genauere Zahlen liefert Carr, ebd., S. 197 f. [52] Zur Bedeutung der NEP vgl. vor allem R. di Leo, Die Arbeiter und das sowjetische System. Die Entwicklung von Klassenstrukturen und Klassenherrschaft in der UdSSR, München 1973, S. 8 ff. [53] Vgl. F. Baumgarten, Arbeitswissenschaft und Psychotechnik in Rußland, München und Berlin 1924. S. 47. Die folgende Darstellung stützt sich im wesentlichen hinsichtlich des Kongreßablaufs auf diese Veröffentlichung. [54] Der Redner des Obersten Volkswirtschaftsrates war Prof. Bogdanov (nicht zu verwechseln mit dem altbolschewistischen Theoretiker A. N. Bogdanov). [55] Damit folgte Bogdanov auch bei dieser Konferenz jenen Vorstellungen, die er in seinem Werk „Tektologija“ noch vor Ausbruch des ersten Weltkrieges systematisiert hatte. Vgl. die deutsche Ausgabe des ersten Bandes: Allgemeine Organisationslehre (Tektologie) Band 1, Berlin 1926. [56] Bechterev faßte seine Ergebnisse in 18 abschließenden Thesen zusammen. Sie sind bei F. Baumgarten, op. cit., S. 51 ff; abgedruckt. [57] Ermanski hielt sich also an seine Auffassung, die er in seinen beiden auch in deutscher Sprache erschienenen Veröffentlichungen niedergelegt hatte. Vgl. J. E. Ermanski, Wissenschaftliche Betriebsorganisation und Taylor-System, Berlin 1925; ders., Theorie und Praxis der Rationalisierung, Berlin 1928. [58] U. a. wurde Ermanski beschuldigt, bei der Kritik der vom berühmten Taylor'schen Ladearbeiter Schmidt gebrauchten Arbeitsquanta bewußt falsche Angaben gemacht zu haben. Daraufhin wurde eine eigene Kommission gebildet, um diesen Vorwurf zu überprüfen. Die Untersuchung blieb praktisch ohne Ergebnis. [59] Hauptexponent dieser Richtung war Prof. Gredeskul, der ein Referat über „Taylorismus und Sozialismus“ hielt. [60] Die Resolution ist abgedruckt in F. Baumgarten, op. cit., S. 55-56. Die Autorin zitiert aus dem Protokoll der Konferenz, Bd. I, der mir bislang noch nicht zugänglich gewesen ist. [61] Vgl. Ch. Bettelheim, China und Sowjetunion/ Zwei „Modelle“ der Industrialisierung, München 1970; N. Spulber hat auf diesen Tatbestand hingewiesen. Vgl. N. Spulber, Contrasting Economic Patterns: Chinese and Soviet Development Strategies, in: Soviet Studies, Vol. XV, 1963, No. 1. [62] Vgl. dazu F. Baumgarten, Rußland-Arbeitswissenschaft, in: F. Giese (Hrsg.), Handbuch der Arbeitswissenschaft, Halle a. S. 1930. [63] Dazu ausführlich F. Baumgarten, Arbeitswissenschaft und Psychotechnik in Rußland, S. 12 ff. [64] Zit. nach ebd., S. 16. [65] Vgl. dazu vor allem A. K. Gastev, Wie soll man arbeiten? Moskau 1922; ders., Die Arbeitseinstellungen, Moskau 1924; (beide russ.) zit. nach P. Baumgarten, op. cit. [66] Zit. nach F. Baumgarten, op. cit., S. 35 f. [67] So I. Spielrein, Die Psychotechnik in der Sowjetunion, in: Analysen der Betriebswirtschaft und Arbeitsforschung, IV. Bd. 1930/31, S. 344. [68] Nach I. Spielrein, ebd. [69] Zit. nach F. Baumgarten, op. cit., S. 35. [70] Vgl. Spielrein, op. cit., S. 344. Die Komsomol kritisierte an Gastev vor allem, daß sein Anlernprogramm nicht ausreiche, um den im revidierten Parteiprogramm geforderten Typ des Massenarbeiters, der in jedem Industriezweig einsetzbar sei, zustandezubringen. [71] Vgl. Baumgarten, op. cit., S. 67. [72] Zur Publizistik des Spielrein-Instituts vgl. die Bibliographie in F. Giese (Hrsg.), Handbuch der Arbeitswissenschaft, Sp. 3807. [73] Vgl. F. Baumgarten in Giese, op. cit., Sp. 3806, wo betont wird, daß die in Westeuropa strikt durchgeführte Trennung zwischen Psychotechnik und Arbeitswissenschaft in den Veröffentlichungen der russischen Psychotechniker nicht zu finden sei. [74] So fand im Januar 1927 eine „Erste Konferenz der Moskauer Psychotechniker“ statt, im Mai 1927 wurde sogar eine „Erste allrussische psychotechnische Konferenz“ abgehalten. Im Herbst desselben Jahres kam es schließlich zur offiziellen Gründung einer „Russischen Psychotechnischen Gesellschaft“, die seither eine eigene Verbandszeitschrift „Psychophysiologie der Arbeit und Psychotechnik“ herausgab. [75] Vgl. F. Baumgarten, Arbeitswissenschaft und Psychotechnik in Rußland, S. 98 ff. [76] Ebd., S. 71 ff. [77] Ebd., S. 76 ff. [78] Ebd., S. 85 ff. [79] Teilweise namentlich aufgeführt ebd., S. 9-11. [80] Vgl. W. I. Lenin, Lieber weniger aber besser, in: Werke Bd. 33, 4. Aufl. Berlin 1971, S. 474 ff. Noch gegen Ende seines Lebens wurde Lenin dabei von „westeuropäischen Vorbildern“ gequält: „Wir sind bisher so wenig dazu gekommen, über die Qualität unseres Staatsapparates nachzudenken und uns um sie zu kümmern, daß es wohl berechtigt ist, sich besonders ernsthaft damit zu befassen und in der Arbeiter- und Bauerninspektion ein Menschenmaterial von wirklich moderner, d. h. den besten europäischen Vorbildern nicht nachstehender Qualität zu konzentrieren.“ (S. 474) Zur Rationalisierungsbewegung im Staatsapparat der SU vgl. H. Bork, Verwaltungstechnische Rationalisierung in Rußland (U.d.S.S.R.), in: Annalen der Betriebswirtschaft, 2. Bd. 1928/29. S. 494 ff. [81] Schon 1921 gegründet, wurde der Sownot seit 1923 zur Trägerorganisation der jungen Techniker und Studenten, die offensichtlich stark von den „organisationswissenschaftlichen“ Prinzipien Bogdanovs durchdrungen war. Vgl. F. Baumgarten op. cit., S. 106 ff. [82] Dazu Baumgarten, S. 110 f.: „Die Arbeit der Zeitliga, die sich in wenigen Monaten zu einer machtvollen Landesorganisation entfaltete und die das Protektorat der herrschenden Stellen gefunden hatte, entwickelte sich in Rußland in Formen, die einem jeden Westeuropäer ganz befremdend erscheinen müssen. Die Zeitliga fing an, in erster Linie die persönliche Trainierung zur richtigen Zeiteinteilung zu propagieren. Pflicht eines jeden Mitglieds der Zeitliga ist, eine Zeitkarte zu führen, in welcher seine Tagesbeschäftigung eingetragen ist.“ [83] Vgl. dazu vor allem di Leo, op. cit., S. 13 ff.: Die Ablehnung der NEP, sowie B. Bezza, Pianificazione e rapporti sociali durante la NEP, in: Aut, Jg. 1972, Nr. 128. [84] Der Hauptexponent dieser Richtung war E. Preobashenski, dessen Arbeit „Die neue Ökonomik“ 1971 in deutscher Sprache in Westberlin erschienen ist. Bezüglich der Feinheiten dieser Strategie sei vor allem verwiesen auf A. Ehrlich, Die Industrialisierungsdebatte in der Sowjetunion 1924-1928, Frankfurt/M. und Wien 1971; sowie N. Spulber, Foundations of Soviet Strategie for Economic Growth, 1964; zum russischen Industrialisierungsprozeß vgl. A. Baykov, The Economic Development of Russia, in: Economic History Review, VII. Jg. 1954; C. E. Black, The Transformation of Russian Society, 1960; A. Gerschenkron, Economic Backwardness in Historical Perspective, Cambridge/Mass, 1962; A. Nove, Was Stalin Really Neccessary? London 1964. [85] So wurde beispielsweise Ermanski wegen seiner Kritik des tayloristischen Maximum-Prinzips kaltgestellt. [86] Vgl. I. Spielrein, Die Psychotechnik in der Sowjetunion, in: Annalen der Betriebswirtschaft und Arbeitsforschung, IV. Bd. 1930/31, S. 342 ff. [87] Spielrein, ebd., S. 345. [88] Hinsichtlich der Geschichte des Arbeiterwiderstands in der Stalin-Ära sei auf folgende Arbeiten verwiesen: E. C. Brown, Soviet Trade Unions and Labour Relations, Cambridge/Mass. 1966, S. 230 ff.; R. E. Fikiolas, Work Attendance in Soviet Industry, in: Soviet Studies, Vol. XIV, 1962-63, S. 365 ff.; S. M. Schwarz, Arbeiterklasse und Arbeitspolitik in der Sowjet-Union, Hamburg 1953, S. 98 ff.; J. K. Zawodny, Grievances ,and Sources of Tension During Stalin's Regime as Reported by Soviet Industrial Workers, in: Soviet Studies, ebd., S. 158 ff. [89] U. a. wurden viele Stachanov-Leute von den Arbeitern ermordet. Zur Stachanov-Bewegung vgl. vor allem I. Deutscher, Die sowjetischen Gewerkschaften, op. cit., S. 130 ff., R. di Leo, op. S. 106 ff.; A. Leontjew, Meister hoher Produktivität, in: Unter dem Banner des Marxismus, X. Jg. 1936, H. 1; A. Stachanov, Mein Lebensweg, Reprint Münster 1972; J. Stalin, Rede auf der ersten Unionsberatung der Stachanovleute am 17. November 1935, in: ders. Fragen des Leninismus, Moskau 1946, S. 597 ff. [90] I. Spielrein, op. cit. S. 345 f. [91] S. E. Kamenizer, Organisation und Planung des sozialistischen Industriebetriebes, Berlin 1954, S. 141. Dabei fungierte die mechanisierte Massenproduktion tatsächlich vorrangig als Disziplinierungsinstrument gegenüber den Arbeitern, wobei hohe Ausschußraten genauso wie schlechte Qualität bewußt in Kauf genommen wurden. Vgl. dazu J. S. Berliner, Factory and Manager in the USSR, Cambridge/Mass. 1957, S. 136 ff. [92] Es würde den Rahmen unserer Arbeit überschreiten, wenn wir die Rückwirkungen der sowjetischen Arbeitspolitik auf die internationale Arbeiterbewegung seit Anfang 1918 untersuchen wollten. |
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