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Barbara Eder :From Hard-Core to Post-Porn. Die Frage nach der Sichtbarkeit von „Sex on the Screen“, die die Organisatorin des Wiener Queer Film Festivals identities anlässlich der alljährlichen Präsentation eines einstündigen Blocks mit lesbisch- queeren Sexfilmen stellt, scheint schnell beantwortet. „Yes, there’ s sex not only on the screen, but everywhere“ könnte mensch mit Blick auf Alltag und Lebenswelt vorschnell sagen. Oder aber danach fragen ob die im Dienste von Kaufanreizung und Konsumsteigerung zurecht gestutzten und gestählten Körper, die aus Plakatflächen und Werbeinseraten herausragen, überhaupt noch irgend etwas auslösen. Was zeigen die stillgestellten und die bewegten Bilder vom Sex wirklich und wovon schweigen sie? Warum finden sich nur so wenige explizit queere teaser darunter? Verfehlt der innerhalb der Tradition des pornografischen Films zum Herrensignifikanten der Erregung avancierte „Penis in Aktion“ nicht oft genug das Ziel der gelungenen Stimulation? Und warum ermangelt es dem Hardcore-Porno sooft an adäquaten Repräsentanten von und für Lust und Begehren, die den Rekurs aufs Genitale umgänglich machten? Kurzum: Warum fallen sexuelle Phantasien häufig so stereotyp aus? Das Versprechen des pornografischen Films. Geschichte(n) einer fortschreitenden Enthüllung Nein, suchen muss mensch nicht allzulange nach ihnen, nach den halbverhüllten bis nahezu vollständig entblößten Körpern, die feucht-fröhlich vor sich hinräkeln und von Zeit zu Zeit auch das Tun von etwas ganz anderem andeuten; nein, ein/e besonders ausgeprägte/r VoyeurIn mit verschärften Willen zum Wissen muss heute niemand mehr sein, der den Sex oder besser: seine medialen Repräsentationen am Bildschirm seines/ihres Vertrauens vorfindet. Während das „erotische“ Bild den Alltag längst vollständig durchdrungen hat, muss mensch sich beim Wühlen im gesellschaftlichen Bilderarchiv schon ein wenig mehr bemühen, um in den Genuss expliziterer Darstellungen zu kommen. Während Soft-Sex-Sujets in Werbewirtschaft, Mainstream Kino Samstagabendshows von privaten und öffentlichen Kanälen längst zum Kanon etablierter Zeigenormen gehören, darf Hardcore-Pornos nur sehen, wer einen Ausweis mit opportuner Altersangabe in einer einschlägigen Videothek vorlegen kann: over eighteen. An der gesellschaftlichen Illegitimität beim Gang in Pornokino oder Videothek hat die alters-bezogene Freigabe des „heißen“ Materials bisher nur wenig geändert. Bei und in den geheimen Gängen „erwischen“ lassen will so schnell sich jedoch niemand; ihm oder ihr wäre dies auch dann peinlich, wenn mit der Heimlichkeit der Lust nicht unbedingt die Lust am Heimlichen einhergeht. Und trotzdem: So einfach wie heute war der Weg zum Produkt noch nie. Die strafrechtliche Verfolgung von Pornografie sowie ihre soziale Verbannung in eigens dazu geschaffene Exklusiv-Räume erscheint heute passé. Auch „ausgefalleneres“ Material hat im Sortiment längst Platz. Heute muss sich niemand mehr Stielaugen wachsen lassen, der/die an SM-Darstellungen, Fetisch-Events oder gleichgeschlechtlichen Handlungen interessiert ist. Zusätzlich dazu haben auch Arthouse-Film und Mainstream Kino[1] sich längst an jene imaginären Orte vorgewagt, die vormals einem ins gesellschaftliche Off abgedrängten „Schmuddelgenre“ vorbehalten blieben. Vom liberalisierten Umgang mit Pornografie profitiert heute vor allem auch die Kundin. Während der Konsum pornografischer Filme noch vor einem Jahrhundert einer exklusiv männlichen Zuschauerschaft vorbehalten war, erhalten Frauen in einigen Porno-Kinos heute sogar ermäßigten Eintritt. Dies stellt ein angenehmes Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern her. In der Geschichte des pornografischen Films dominiert die Übermacht des männlichen Blicks nämlich gleich in zweierlei Hinsicht. Es waren nicht nur Männer, die die ersten Pornofilme bzw. deren Vorformen konsumierten; der oftmals heimliche Blick des Mannes auf das nackte Fleisch der Frau war selbst Gegenstand der filmischen Darstellung und wird bereits in den stag films der 1920er und der 1930er thematisiert. Darin ist zumeist eine Frau beim Akt ihrer Selbstenthüllung zu sehen. Während sie nach und nach ihre Kleider fallen lässt, wird sie von einem männlichen Voyeur heimlich dabei beobachtet.[2] Bereits in dieser filmischen Frühform ist ein Handlungsmuster grundgelegt, das den Pornofilm auch am advanced level seiner Entwicklung durchzieht. Entgegen allfälliger Mutmaßungen fungieren Frauen darin nicht etwa als passive Opfer, sondern sind vielmehr Agentinnen von Sex und Verführung. Insbesondere im späteren Hardcore-Porno geschieht die Arbeit an der Erregung nicht einfach nur um ihrer selbst willen oder im Willen der verführenden Frau. Vor dem Hintergrund einer unterstellten Teleologie des Genres sind die Anmach-Szenen in dramaturgischer Hinsicht brisant: Insofern der Hardcore-Porno mit der sichtbaren Ejakulation des Mannes außerhalb der Frau, dem nach Drehschluss extra bezahlten money shot, endet, fungiert die verführende Frau auch als Instrument zur Produktion sexuellen Mehr-Werts: Sie ist den kommenden Männern beim Einbringen von Extra- Einkünften außerordentlich behilflich. Zurück zur Geschichte des Pornofilms: Was dem stag film der 1920er und 1930er an Ton und Geräuschen noch fehlt, wird durch seinen generischen Nachfolger bald ergänzt. Mit Musikuntermalung und weitaus expliziter wurden in den exploration pictures ansehnliche Nackedeis beiderlei Geschlechts gezeigt. Der Name dieser Filme ist bezeichnend für das Entwicklungsstadium, in dem sich der pornografische Film in den 1950ern und 1960ern befand. Mit dem direkten Zeigen von „Titten und Ärschen“ waren die ProduzentInnen der exploration pictures zwar schon außerordentlich explizit, vom hardcorepornografischen Gebot der „Sichtbarkeit“ (Williams 1995:82) sind sie jedoch noch weit entfernt. Der Drang immer mehr sehen zu wollen, wird zum entscheidenden Motor der Entwicklung des Pornofilms. Bei ihren visuellen Entdeckungsreisen von Körpern und Lüsten wurde die Kamera immer zeigefreudiger. Im beaver film, der dem exploration film in zeitlicher Hinsicht folgt, kann mensch nun auch Frauen und Männer sehen, die zur Gänze unbekleidet sind, im Nachfolgemodell des split beaver films werden erstmals Schamlippen und Penisse in Nahaufnahme gezeigt. Im action beaver film, der dem split beaver film folgt, kann mensch erstmals Cunnilingus-Aktivitäten betrachten, die der Zensur wegen ausschließlich zwischen Frauen stattfinden. Diese doch sehr explizit sexuelle Aktion stand jedoch nicht im Dienste der Sichtbarmachung weiblicher Homosexualität, sondern vielmehr im Zeichen ihrer fortschreitenden Bagatellisierung. Von ZensorInnen als „harmloser“ Akt der „Körperpflege“[3] klassifiziert, oblag die Lesbenszene[4] keinerlei strafrechtlicher Ahndung. Dieses Urteil dient der juridischen Bekräftigung eines heterosexuellen common sense; die Feststellung des Gerichts, dass nur der Hetero-Sex ein Sex sein soll, interpretierte das Publikum des Pornofilms der 50er und 60er Jahre jedoch anders: Bei der Klientel des Pornofilms war Erregung nicht zwangsläufig an die imaginäre Spiegelung der eigenen sexuellen Orientierung gebunden.[5] Augenscheinlich ist es dem Einfallsreichtum des Pornofilm-Genres zu verdanken, dass es neben der obligaten Lesbenszene auch noch andere Wege fand, um viel zu zeigen und dennoch „unbeschnitten“ zu bleiben. Aufgrund seines vermeintlichen Informationsauftrags eignete sich der Dokumentarfilm hervorragend zu diesem Zweck. „Dokumentarische“ „Sexfilme“ verwendeten Filmmaterial, das aus heutiger Sicht als Hardcore-Material zu klassifizieren ist; da es sich dabei jedoch um Beobachtungen zweiter Ordnung handelt, wurden so genannte Sexdokumentationen nicht zensiert: Dänische Produktionen wie „Dansk Sexualitet“ aka „Censorship in Denmark or Sexual Freedom in Denmark“ (1970) zeigten zwar explizite Sex-Szenen; indem sie niemals diese selbst, sondern vielmehr deren Darstellung im Rahmen von Sexmessen und Sex-Clubs zeigten, umgingen diese Filme die Zensur. (vgl. Seeßlen 1990: 205) Eine ähnliche Strategie wurde auch in „Dokumentationen“ angewandt, die den Sex durch einen externen Kommentar auf Distanz brachten. In Gestalt einer Erzählung über den Sex geriet dieser selbst nicht unter Verdacht, zu stimulieren. Obwohl wir spätestens seit Michel Foucault wissen[6], dass der Rede über den Sex eine ebenso erregende Funktion zukommen kann wie seiner bildhaften Darstellung, insistierten die MacherInnen so genannter Sex-Aufklärungsfilme auf die dokumentarische Funktion. Das in der Rede über den Sex erzeugte Erregungspotential konnte so erfolgreich vertuscht werden. Der Interviewer, der jungen Mädchen – Untertitelung: „Manuela, 15“- qua Befragung einige „heiße“ Details aus ihrem Sexualleben abrang, geriet nicht erst unter Verdacht, die derart ans Tageslicht beförderten „Wahrheiten“ zu ganz anderen Zwecken zu enthüllen. (vgl Seier 2001) Schon einige Beichtväter mögen daran ihre heimlichen Freuden gehabt haben; Zeigen kann die sexuellen Bilder und Vorstellungen, die während der Rede über den Sex entstehen, erst der vollständig ausgereifte Pornofilm. Mit „Deep Throat“ (USA 1972) kam der erste Hardcore-Porno regulär in die Kinos. In Narration und Darstellungsweise unterscheidet sich dieser gleich in mehrfacher Hinsicht von seinen historischen Vorläufern: „Deep Throat“ besteht nicht etwa aus einer losen Aneinanderreihung von Sex-Nummern, sondern integriert diese erstmals in eine kohärente Handlung. Der erste Hardcore-Film in der Geschichte des Pornos enthält zudem Szenen, die an Explizitheit bisher unübertroffen waren. Money shot und meat shot, fleischliche Penetration und männliche Ejakulation, die später zu Markenzeichen des Genres wurden, waren erstmals auf der Bildfläche zu sehen. In „Deep Trought“ steht der money shot am Ende einer Handlung, die mit einer voraus-setzungsvollen Suche beginnt. Die weibliche Hauptdarstellerin des Films (Linda Lovelace) leidet unter Orgasmusproblemen. Unter Anweisung eines Arztes macht sie sich auf den mit Stolpersteinen gesäten Weg zu ihrem Orgasmus. Währenddessen probiert sie eine Vielzahl an sexuellen Praktiken, darunter Fellatio, Oralverkehr, Sex mit anderen Frauen, S/M und Analverkehr, aus und gelangt letztendlich auch zum ersehnten Ziel. Dieses besteht jedoch nicht im Orgasmus, sondern im Bild vom extern ejakulierenden Penis ihres ärztlichen Freundes und Helfers. Für den finalen money shot hat „Deep Trought“ eine eigentümliche Legitimation parat: Im Vorfeld musste ein Arzt feststellen, dass sich das Lustzentrum seiner Patientin im Mund befindet. Anders als über diesen anatomischen Umweg wäre es nicht plausibel, dass die orale Befriedigung des Mannes durch die Frau auch bei dieser zum erwünschten „Erfolg“ führt. Während die BetrachterIn von Linda Lovelace weder Gesicht noch Genitalien, geschweige denn ihre Klitoris(!) zu sehen bekommt, sieht mensch ihren Freund unaufhörlich kommen. Dass es auch so etwas wie eine Klitoris geben kann, die mit ein wenig Übung auch nicht allzu schwer zu finden ist, scheint nicht zu den bekannteren unter den „nackten Tatsachen“ im Pornoland zu gehören. Aufgrund des männlich dominierten Publikums des Hardcore-Films war diese Tatsache nur bedingt Stein des Anstoßes. Die feministische Filmhistorikerin Linda Williams hat die im Pornokino durch ein Übermaß an phallischer Präsenz erzeugte Asymmetrie indes zu einer höchst brisanten These veranlasst: Williams betrachtet das Kino als einen psychischen, physischen und sozialen Apparat, dem die gesellschaftlich erzeugte und reproduzierte Geschlechterdifferenz mitsamt ihren negativen Konsequenzen für Frauen unmittelbar eingeschrieben ist.[7] Während Männer im Film zumeist als „bearer of the look“ (Laura Mulvey) fungieren, finden Frauen sich analog ihrer gesellschaftlichen Situation in Form von Objekten von Lust, Begehren und Blick auf der Leinwand wieder. Auch im Pornofilm treten sie nur bedingt als Lustsubjekte auf und selbst wenn sie es tun, tun sie dieses es im Dienste des money shots. Ist das die traurige Wahrheit, die am Ende der Geschichte der visuellen Enthüllung des Körpers steht? Oder kann das auch anders sein? Ist es etwa schon wieder an der Zeit sich auf die Suche nach anderen Darstellungen der Lust von Frauen zu machen? Gibt es die Geschichte einer education sexuelle die nicht im money shot endet? Sendungen mit der Maus. YouPorn und die visuelle Distribution von Fleisch und Fetisch Seit der Erfindung einer virtuellen Suchmaschine namens YouPorn bleiben mensch die Umwege in einschlägige Kinos und Videotheken erspart. Sehen kann mensch mit Internetanschluss dort nämlich nicht einfach nur Erotikdarstellungen, die sich von so genannten pornografischen Darstellungen durch einen ästhetischen Mehrwert abheben. Erotik, die ihre Reize aus der Einbettung in einen Handlungsstrang sowie durch das gezielte Verschweigen bzw. Verhüllen der nacktesten aller Wahrheiten bezieht, hat bei YouPorn nur beschränkt Platz. Die Suchmaschine hat sich der Darstellung und Verbreitung zeitgemäßer Hardcore Pornografie angenommen. Dass „Du!“ es sein könntest, der/die die schlecht blondierte Nachbarin am Nachhausweg überraschst, ist eine Vorstellung, die insbesondere die Amateurpornos auf YouPorn suggerieren[8]. Die dilettantische Kameraführung und die Tennissocken der Darsteller unterstreichen die Identifikationsebene nur, die bereits im Titel der Suchmaschine anklingt: You= Porn= Everybody. Was die durch YouPorn distribuierten Hardcore-Clips vom narrativen Pornofilm unterscheidet ist die Unmittelbarkeit in der Darstellung sexueller Akte. Der möglichst schnell herbeigeführte money shot kommt zumeist schneller als erwartet. Dazu braucht es weder des umständlichen Gangs zum Fahrstuhl oder ins Büro noch des Auftretens eines fingierten Briefträgers. Die ProtagonistInnen kommen möglichst direkt und ohne erzählerische Ausschmückungen „zur Sache“. Sex ist dabei nicht einfach Motor einer Handlung; seine Darstellung in Form einer Reihe von getrennt hintereinander abrufbaren Nummern selbst ist das Ziel.[9] Die Synchronisation von Bild, Blick und Erzählung ist perfekt, einer Metaebene, eines spezifischen Spannungsaufbaus mit sukzessivem Übergang zu den einzelnen Akten braucht es dazu nicht. Anders als verwandte Filmsorten wie erotische Filme, Sex and Crime - Filme, Sexploitation Movies und Fake-Pornos verspricht der YouPorn-Clip seinen KonsumentInnen alles zu zeigen und das auch noch sofort. Die Sexualpraktiken sind dabei ebenso wählbar wie beliebig oft abrufbar. Qua Hintereinandersehen kann die YouPorn UserIn sich ihre eigene Nummern-Revue aus Greatest Hits „basteln“. Damit reiht YouPorn sich in den Kanon jener Maschinen ein, die den Orgasmus als Automatismus versprechen. In medientechnologischer Hinsicht funktioniert die Suchmaschine wie eine Prothese, die der BetrachterIn die fehlende Lust auf visuellem Wege zuführt. Ein Clip mit dem Namen „Sybian“ ist für diese Vorstellung besonders bezeichnend. Unter Zurhilfename des Sexspielzeugs ,Sybian’ besorgen die Darstellerinnen des gleichnamigen Clips sich die erwünschte Erregung. Dieses besteht aus zwei an einer Sitzbank befestigten Dildos, die durch Stromzufuhr in Gang gesetzt werden. Während die beiden jungen Frauen sich durch die Maschine vergnügen, nehmen drei männliche couch potatoes[10] aus sicherer Distanz an ihrem Vergnügen teil. Die o(h)rgasmatischen[11] Schreie bei der Mensch-Maschine-Paarung finden ihr zureichendes Korrelat im Lachen der Frauen und der Männer. Während sie sich küssen und umarmen, versichern die beiden Mädchen den männlichen Zusehern zugleich ihre Heterosexualität[12]. „Entrace only over eighteen“ teilt mir die ansonsten doch sehr auskunftsfreudige Suchmaschine Youporn als Antwort auf die Suchbegriffe rubber sex und dildo fuck mit. Erstaunlich ist das vor allem deshalb, weil mir bisher noch keine Darstellung untergekommen ist, die YouPorn zu ungewöhnlich gewesen wäre. Dort wo Sex zur potentiellen Bedrohung einer zweigeschlechtlichen Ordnung werden kann, verlangt indes auch das Medium, das dieser Tage für die pornografische Neuordnung der abendländischen Liebeskunst sorgt, die Altersangabe. Obwohl selbst der letzte unbekannte „Perverse“ seine geheimste Leidenschaften in aus-führlicher Erörterung und endloser Detailanhäufung dem Talkmaster seines Vertrauens gebeichtet hat, gibt es anscheinend doch noch sexuelle Tabus. Was die Bebilderung meines Such-Wunsches betrifft, geizt die ansonsten doch sehr auskunftsbereite Suchmaschine erstmals mit Antworten. Unter den zwei (!) Darstellungen findet sich ein Werbe-Clip für einen Gummi-Laden, bei dem mensch ein Sklavenpärchen in Gummimontur bei einer von Techno-Beats untermalten Fellatio beobachten kann; ein anderer Clip präsentiert die Tortur eines auf seinen Anus reduzierten männlichen Sklaven, dessen Domina denselben qua Ein-führung eines Spekulums und eines Dildos ausweitet. Im Vergleich dazu wirken die Clips, die ich auf die Stichworte gangbang und orgi erhalte, erstaunlich konventionell. Suck, lick, fuck: Rein-Raus in Endlosschleife und in Mehrfachbesetzung, das ist der Ablauf an Handlungen, der den Clips unter der obigen Rubriken folgt. Die gezeigten Körper wirken beliebig oft austausch- und kombinierbar und scheinen nach einem einfachen Reiz-Reaktionsschema zu „kommen“. Dies gilt insbesondere auch für die Darstellungen im gangbang-Clip. Eine Frau kriecht darin auf Befehl zu einem der zehn in einer Reihe aufgestellten Männer, kniet vor diesem nieder und stimuliert ihn so lange bis er den erwünschten money shot abliefert. Der Clip endet mit Blick auf das Gesicht der Frau. Dieses ist am Ende so sehr mit Sperma verklebt, dass sie den finalen Blick gar nicht erst erwidern kann. Das Nicht-Mehr-Sehen der Darstellerin ist der Preis für die Enthüllung des verbotenen Bildes, in dem Gewalt und Sex miteinander verknüpft sind. Der Mann sagt Hü!, die Frau nicht einmal mehr Hott!. Wenn sie in Hundehaltung niederkniet, hat sich die Frage nach ihrer Lust anscheinend schon erübrigt. Selbst der gut gemeinte Versuch einer Blondine, ihrem „Kameramann einen zu Blasen“ endet mit einer unlustigen Einstellung: Nach getaner Arbeit sieht mensch einen money shot auf bierbäuchigem Untergrund. Was dann passiert, hat Elfriede Jelinek in ihrem Anti-Porno Lust bereits im Jahr 1989 vorweggenommen: „Der Vater hat einen Haufen Sperma abgeladen, die Frau soll alles ordentlich wegputzen. Was sie nicht aufleckt, muß sie aufwischen gehn.“ (Jelinek (1989) [1997]: 40) Die YouPorn- Clips wirken insbesondere dort wie der Auszug aus einem Unlustregister, wo nicht einmal mehr ein sarkastischer Blick das schallende Gelächter einer Elfriede Jelinek provozieren kann. Selbst die letzten facialen Anzeichen von Lust verschwinden hinter einer Ansammlung eingetrockneter Spermaladungen. Die durch die Schnitte erzeugte Kopula von Schleim-Gesicht und money shot wirft mehr denn je die Frage nach der Unterscheidbarkeit von Menschlichkeit und Monströsität auf. Das pornografische Versprechen, dass es nie zu spät ist miteinander ins Bett zu gehen, endet im Horror des permanenten Verkehrs. Stellungskrieg. Rape- Revenge, der Horrorfilm und der postpornografische Blick Eine kleine Reise in die rhizomatischen Verzweigungen von YouPorn zeigt aufs Deutlichste, dass es nichts mehr gibt, was im Reich der repräsentierten Sexualität nicht vorstellbar wäre. An sich ist das allein noch nicht problematisch. Im Gegensatz zu anderen Rauschmitteln ist Porno selbst dann, wenn er in exzessiven Dosen genossen wird, für beiderlei Geschlechter völlig unbedenklich und das Problem der darin reproduzierten Geschlechterstereotypen liesse sich durch fantasiebegabtere Bilder lösen. Die feministische Debatte der 80er und 90er erschöpfte sich dennoch in der pauschalen Verteufelung des Pornofilms. Gefragt wurde dabei freilich nicht danach wie viele Opfer das in Romanzen und Liebesfilmen verklärte Zweisamkeitsideal nach sich gezogen haben mag und auch von den Leiden, die sexuell über-höhte Eigentums- und Verfügungsverhältnisse in die Welt gebracht haben, war dabei nicht die Rede. Die Tode, die ein ausschweifender Sexualhedonismus herbeigeführt hat, sind zu denen im Gefolge einer monogam-heterosexuellen Ehe zahlenmäßig eher gering. Exzess, Nacktheit, Polyamourösität[13] und Zügellosigkeit sind am Porno nicht das Problem. Das Problem ist vielmehr, dass er aufgehört hat anzumachen. [14] Nicht anders als andere Waren ist auch der Porno ein unter kapitalistischen Bedingungen produziertes Produkt, das seinen Reiz daraus bezieht, nicht zu zeigen, dass hart an ihm gearbeitet wurde.[15] Porno indes ist reine Arbeit am money shot. Damit es die Sterntaler regnet, die nach Dienstschluss im Schoß der DarstellerInnen landen, müssen diese monetären Motivationen stets off scene bleiben. Lust und Begehren sollen so echt wie möglich wirken. Der Produktionsprozess des Begehrens darf infolgedessen nicht zum filmischen Thema werden. Erst am Ende des Films erweisen sich die Zeichen der Lust als das, was sie tatsächlich sind: bare Münzen.[16] Während TheoretikerInnen der Frankfurter Schule den Sex als Projektionsfläche für diverseste gesellschaftspolitische Utopien betrachteten und der entfremdenden Lohnarbeit die Schuld fürs neurotische Sexualleben des Durchschnittsbürgers zuschrieben, sah ein weiterer Theoretiker der Sexualität die Sache um einiges nüchterner. Der französische Theoretiker Michel Foucault betrachtet den Sex nicht als ursprüngliche Triebkraft, die infolge repressiver gesellschaftlicher Mechanismen kanalisiert wurde; der Sex entsteht bei Foucault vielmehr am Kreuzungspunkt hegemonialer Wissens- und Machtbereiche des 19. Jahrhunderts, die den Sex als solchen überhaupt erst konstituieren: "Diese [die Sexualität, Anm. B.E.] ist nämlich nicht als eine Naturgegebenheit zu begreifen, welche niederzuzwingen die Macht sich bemüht, und auch nicht als ein Schattenreich, das das Wissen allmählich zu entschleiern sucht. "Sexualität" ist der Name, den man einem geschichtlichen Dispositiv geben kann. Die Sexualität ist keine zugrunde liegende Realität, die nur schwer zu erfassen ist, sondern ein großes Oberflächennetz, auf dem sich die Stimulierung der Körper, die Intensivierung der Lüste, die Anreizung zum Diskurs, die Formierung der Erkenntnisse, die Verstärkung der Kontrollen und der Widerstände in einigen großen Wissens- und Machtstrategien miteinander verketten." (Foucault 1983: 125ff.) Mit Blick auf den Pornofilm lässt sich nur bedingt von einer Unterdrückung des Sexes sprechen. Formen und Artikulationsformen desselben sind vielfältig und ausdifferenziert, der vorhandenen Produktpalette ermangelt es nicht an neuen Bildern. Der Anstrengungen von Phantasie und Erfindungsgeist bedarf es dabei kaum. Die halluzinierte Befreiung endet mit den fesselnden Sprengkräften einer Maschine namens „Sybian“. Es gibt nichts mehr zu enthüllen: Nothing special. Vor dem Hintergrund der sexuellen Glücksversprechen der 60er und 70er mag deren verspätete Realisierung im Hardcore-Porno schal wirken. Was bleibt sind Fleischbänke, in denen im Takt von Maschinen miteinander kopuliert wird. Weil alles zu sehen ist, hat der Porno nur mehr wenig zu enthüllen. Er zeigt nichts, dass nicht schon längst gezeigt worden wäre. Was gezeigt wird, berührt nicht, macht nicht neugierig und erregt nicht mehr. Die totale Sichtbarkeit wird zur Sackgasse des pornografischen Versprechens, die Lustlosigkeit zur einzig möglichen Reaktion auf die totale Permissivität des „alles schon gewesen“. Die These, dass sich der Porno zunehmend selbst zu dekonstruieren beginnt, hat der Filmtheoretiker Georg Seeßlen anläßlich des Erscheinens von Filmen wie Catherine Breillats „Romance“, Virginie Despentes „Baise-moi“ und dem Film „Irreversible“ des Franko- Canadiers Gaspar Noé in Erwägung gestellt. In diesen Filmen tritt das Dilemma des Pornografischen in voller Blüte zutage. Es ist ein besonders kalter Blick, den die RegisseurInnen des postpornografischen Kinos aufs nackte Fleisch werfen: Wenn die Naheinstellung von Genitalien und Gesicht nichts anderes als Befremden auslöst, erregt das sexuelle Bild nicht länger. Vielmehr beginnt dieses dann in selbstreferentieller Absicht Fragen zu stellen. Es wird, in den Worten Seeßlens, zunehmend unklar, ob das sexuelle Bild ,von unserem Überdruss oder von unserm Mangel, von der Unerschöpfbarkeit des Begehrens oder der Erbärmlichkeit der emotionalen und körperlichen Praxis Zeugnis ablegt’ (Seeßlen 2003: 408) Im postpornografischen Kino soll das Publikum nicht mehr erregt oder stimuliert werden. Sex ist nicht länger Anlass für Rausch, Transgression oder Extase, sondern vielmehr eine Reaktion auf die emotionalen und libidinösen Herabsetzungen der filmischen Darstellerinnen. Die gezeigten sexuellen Akte sind stets in ein Soziales eingebettet, das zum eigentlichen Auslöser von Schock und Verstörung wird. Nicht der Sex ist der Skandal, sondern die Umstände, unter denen dieser passiert. In Breillats „Romance“ ist es die Zurückweisung durch den narzißtisch verblendeten Freund der Protagonistin, die sie in die Arme von Fesselungsfestischisten und zu exzessiven Akten in Stiegenhäusern treibt, in „Baise-moi“ geht der Vergewaltigung zweier Frauen und der darauf folgenden revenge die Bevormundung durch Brüder und Freier voraus und in „Irreversible“ ist es der koksgeschädigte Freund des Opfers, der dieses noch vor ihrer Vergewaltigung in einer U-Bahnunterführung verbal herabsetzt und in sexueller Hinsicht verachtet. Der Sex geschieht dabei nicht etwa im Dienste der Realisation eines wie auch immer gearteten Begehrens oder im Hinblick auf eine kommende Befreiung; vielmehr ist dieser das letzte Mittel, über das die vergewaltigten, gedemütigten und sozial deklassierten Heldinnen von „Baise-moi“ und „Romance“ verfügen. Sie haben nichts mehr als ihren Körper und setzen diesen deshalb auch gezielt ein. Was den im postpornografischen Film dargestellten Vergewaltigungen vorausgeht, ist der ganz normale Wahnsinn, der in der medialen Rezeption keinerlei Beachtung erfahren hat. Breillats vergewaltigte Hauptfigur wurde zum Agens sexueller Entdeckungsfreude stilisiert, „Baise-moi“ wanderte aufgrund der Explizitheit der Vergewaltigungsszene vorschnell ins Pornokino ab und dem Regisseur von „Irreversible“ wurde Kälte und Mitleidlosigkeit aufgrund der Darstellung einer ungeschnittenen neunminütigen Vergewaltigungsszene vorgeworfen. Dass nicht eigentlich der Sex das Thema dieser Filme ist, sondern vielmehr die Gewalt, die mit sexuellen Aspekten gepaart auftritt, wurde in den Rezeptionsgeschichten der Rape-Revenge-Filme ausgeblendet. Sieht mensch sich „Romance“, „Baise-moi“ und „Irreversible“ mit Rückgriff auf historische Filmvorlagen an, wird deutlich, dass diese nicht etwa auf das Genre des pornografischen Films rekurrieren sondern vielmehr auf das mit dem Horrorfilm in enger Verbindung stehende rape revenge movie. Auge um Auge, Zahn und Zahn- das ist das dramaturgische Grundschema im rape revenge movie. „I spit on your grave“ (USA 1978) ist einer der ersten Streifen, der die Vergewaltigung einer Frau mit anschließender Rache an den Vergewaltigern kombiniert. Eine junge Frau wird bei ihrem Urlaub in „wilder“ Natur von vier Männern brutal vergewaltigt. Im Anschluss daran rächt sie sich, indem sie die an ihr verübte Gewalt systematisch an den Körpern der Vergewaltiger spiegelt. Das Motiv der rohen, ungehobelten Dorfbevölkerung, die sich in sexueller Hinsicht über Frauen hermacht, findet ein jähes Wiederaufleben in Sam Penckinpahs „Straw Dogs“ (USA 1971): Die junge urbane Amy Summer (Susan George) wird von einer Horde Männer eines kleinen englischen Dorfes vergewaltigt, während ihr Freund, ein rationalitätsgläubiger Mathematiker (Dustin Hoffman), sich auf der Jagd befindet. Die Ambivalenz, die in der Vergewaltigungsszene steckt, für einen kurzen Moment ist es nicht mehr klar, ob die vergewaltigte Frau „mitspielt“ um schneller freizukommen oder aber das Geschehen tatsächlich genießt, ist bezeichnend für den weiteren Verlauf des Films: Als die marodierende Horde betrunkener Dorfbewohner im zweiten Teil des Films in das Haus des Paares einfällt, kooperiert Amy mit einem ihrer Vergewaltiger. Kurz schenkt sie ihm Vertrauen und überlegt ob sie ihn ins Haus lassen soll.[17] Das Brüchigwerden der pornografischen Darstellung beginnt dort, wo diese mit Gewaltaspekten verknüpft ist. „Straw Dogs“ und „I spit…“ beweisen, dass diese Entwicklung bereits in den 70ern anfängt. „Baise-moi“ und „Irreversible“ stehen in der filmischen Tradition der rape revenge films und sind folglich dem Horror näher als der Pornographie, die sich parallel dazu zu einem eigenständigen Genre herausmausert. Die Kombination des rape revenge movies mit pornografischen Darstellungen ist nicht nur aufschlussreich für das, was heute Horror heißt, sondern auch ein subtiler Rekurs auf und eine implizite Kritik an den Konventionen des Pornofilms. In „Baise-moi“ bemerkt eine der beiden Hauptdarstellerinnen gleich zu Beginn, dass Pornos sie schon lange nicht mehr anmachen. Dem Ende des Films folgt die Pornografisierung des eigenen Lebens. Im revenge- Teil findet ein von den beiden Hauptdarstellerinnen inszenierter Lebens-Porn statt, der mit dem Tod der einen und dem polizeilichen Gefasstwerden der anderen schließt. Im Gegensatz zum Pornofilm besteht die Lust an diesem selbstinszenierten Realporno nicht im vollzogenen Akt, sondern im fort-währenden coitus interruptus: Die beiden jungen Frauen setzen ihren Körper zur Erregung der künftigen Opfer ein. Was folgt ist nicht der Vollzug eines Aktes, sondern vielmehr Mord und Totschlag. Die schießende Waffe wird zum veritablen Ersatz für den cum shot. Die revenge wird zur einzig möglichen Antwort auf die im Porno reproduzierte männliche Dominanzphantasie. Die RegisseurInnen von „Baise- moi“ und „Romance“ beanspruchen oft und gerne fürs sich, die aussagekräftigeren Bilder für das zu haben, was heute Porno heißt. Zwar liefert der rape revenge film durchaus plausible Antworten auf die Frage, wie Sex nach dem Phall des Hardcorefilms überhaupt noch dargestellt werden kann. Während die Übersetzung des Pornographischen ins Horror-Genre gelingt, fehlt es dennoch an Filmen und Genres, die das Sexuelle ins Pornographische transformieren können. Jene Filme, die Sex zeigen und dabei nicht zwangsläufig zum Realhorror zu werden, führen bisweilen noch eine außerordentlich marginalisierte Existenz am Rande des Mainstreams. Zu sehen sind darin männliche, weibliche, transgender und andere Körper, die einander Lust bereiten, sich berühren und zeitweilig auch ineinander eindringen. Sie wissen um das gewalt-tätige Potential, das im Sexuellen schlummert, schaffen es aber dennoch, Bilder von Lust und Begehren glaubwürdig zu transportieren. Die Gewißheit, dass es ein kritisch-revolutionäres Potential im Umgang mit Körpern und Lüsten geben kann, bewies unter anderem das Filmscreening beim Berliner Post-Porn-Symposion im letzten Jahr. Ein ganz besonders pornographischer Film, in dem viele Ge-schlechter und viele Sexpraktiken Platz hatten, war bereits 1994 zu sehen. In Monika Treuts „Lets talk about sex“ gibt es eine Szene, in der eine Lesbe und eine bisexuelle Frau einen heterosexuellen Mann verführen, der anschließend mit einem Dildo penetriert wird. Dass Frauen Männer mit einem strap on ficken, ist in Porno und Mainstream immer noch eine Seltenheit. Den Blick des Mannes beim Anblick des Dildos der lesbischen Frau würde ich gerne öfters sehen- egal ob in Film, Fernsehen oder Pornokino. E-Mail: a9908961@unet.univie.ac.at Literatur Arcan, Nelly (2002): Hure. Aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller. München: C.H. Beck Clover, Carol J. (1992): “Getting Even”. Men, Women and Chainsaws, in: Gender in the Modern Horror Film, Princeton Univ. Press, 114-166 Cornell, Drucilla (1997): Die Versuchung der Pornographie. Frankfurt am Main: SuhrkampCossman Brenda, Bell Shannon, Gotell Lise, Ross Becki (Hg.Innen) (1997): Bad Attitudes On Trial. Pornography, Feminism And The Butler Decision. 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Preciado, Beatriz
(2005): Gender And Sex Copyleft und The Intersectional Digital Darkroom in:
Volcano, Del La Grace: Sex Works, Tübingen: Konkursbuchverlag Seier, Andrea und Sabine Schicke (2001 ): Pornographie: Die Fiktion des Authentischen, in: Nach dem Film 02/01. S. 1-6, auch unter: www.nachdemfilm.de/no2 Seeßlen, Georg (1990): Der pornographische Film. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Ullstein Ders. (1996): Erotik. Die Ästhetik des erotischen Films. Marburg: Schüren Ders. (2003): Sex. Lexikoneintrag in: Hügel, Hans-Otto (2003): Handbuch Populäre Kultur. Stuttgart: Metzler, S. 403-408 Ders. (2000): „Neue Paradigmen der Pornografie“, in: taz, Nr. 6203 vom 27.07.2000, S. 13. Williams, Linda (1995): Hard Core. Macht, Lust und die Traditionen des pornographischen Films. Aus dem Amerikanischen Englisch von Beate Thill. Frankfurt/Main; Basel: Stroem-feld/ Nexus Dies. (1996): Die visuelle und körperliche Lust der Pornographie in bewegten Bildern. Ein kurzer historischer Überblick, in: Huber, Jörg; Müller, Alois Martin (1996): Die Wiederkehr des Anderen. Basel und Frankfurt/Main: Stroemfeld/Roter Stern, S. 103-128 Filmografie Dansk Sexualitet aka Censorship in Denmark or Sexual Freedom in Denmark (1970, R: Alex de Renzy) Schulmädchen Report, Teil 1: Was Eltern nicht für möglich halten (BRD 1970, R: Ernst Hofbauer) Straw Dogs (USA 1971, R: Sam Peckinpah) Deep Throat (USA 1972, R: Gerard Damiano) I Spit on your Grave (USA 1978, R: Meir Zarchi) Lets talk about sex’ (D 1994, R:Monika Treut) Romance (F 1999, R: Catherine Breillat) Baise-moi (F 2000, R: Virginie Despentes) Intimacy (D 2001, R: Patrice Chéreau) Irreversible (F 2002, R: Gaspar Noé) 9 Songs (UK 2004, R: Michael Winterbottom) Ken Park (USA 2005, R: Larry Clark) Thanx to www.youporn.com [1] Seit Beginn der 1990er Jahre ist die Anzahl der Arthouse- und Mainstreamfilme kontinuierlich im Steigen begriffen, die Sexszenen in ihren Darstellungshaushalt integrieren. Catherine Breillats „Romance“, Virginie Despentes „Baise moi“ (Fick mich!), Michael Winterbottoms „9 Songs“ und Patrice Chéreaus „Intimacy“ haben die Grenzen dessen, was im Mainstream noch als zeigbar gilt, ernsthaft verschoben. Qua pornographischer Infiltrierung desselben ist die Aufrechterhaltung einer wie auch immer gearteten Dichotomie zwischen Porno einerseits und Arthause andererseits fragwürdig geworden. Winterbottoms „9 Songs“ besteht beispielsweise aus einer kumulativen Ansammlung von Konzertbesuchs-Episoden, die mit Porno-Nummern durchsetzt sind. Obwohl dieser Film in Aufbau und Struktur sich nicht wesentlich von der Nummerdramaturgie des Porno-Films unterscheidet, erhielt er von der FSK eine Altersfreigabe ab 16 (!) Jahren. In umgekehrter Weise wirkt sich die Grenzverschiebung auch aufs Porno-Genre aus: Porno- FilmemacherInnen wie Bruce LaBruce, Kris Kramski, Maria Beatty, Ebo Hill und Wash Westmoreland integrieren zunehmend narrative Strukturen in ihr Schaffen. [2] Selbst wenn die männlichen Darsteller in den stag movies sich zumeist am Beobachtungsposten befinden, sagt dies noch lange nichts über die Blickaktivitäten in diesen Filmen aus. Entgegen den Aussagen feministischer FilmtheoretikerInnen der 70er Jahre hatten auch Frauen regen Anteil an Handlung und Blickführung. Betrachtet mensch die Vorformen des pornografischen Films ein wenig genauer, ist auch die von bekannten SexualwissenschafterInnen der Jahrhundertwende konstatierte „sexuelle Passivität des Weibes“ reiner Mythos: Insbesondere im frühen Films waren es Frauen, die die sexuelle Aktion einleiteten und kontrollierten. [3] Zur Frage der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bezüglich Homosexualität enthielt die Regierungsvorlage zum österreichischen Strafrechtsänderungsgesetz von 1970/71 folgendes: „Die Grenzen zwischen freundschaftlichen und Zärtlichkeitsbezeugungen, Berührungen im Zug von Hilfeleistungen bei der Körperpflege udgl. einerseits und echten gleichgeschlechtlichen Akten anderseits entzögen sich weitgehend der Feststellung im Strafprozess. Verfahren wegen gleichgeschlechtlicher Unzucht zwischen Frauen sind denn auch heute außerordentlich selten. Nach alledem ist es berechtigt, die Strafdrohung auch unter dem Gesichtspunkt des Jugendschutzes auf Akte zwischen Personen männlichen Geschlechtes zu beschränken.“ (§ 209 StGB, Hervorh. B.E.) Analog dieser Definition sorgte die Darstellung von „Lesbensex“ nicht für dieselben moralischen Erregungsgrade wie die Darstellung männlicher Homosexualität. Wenn es im Porno etwas gab, das Tabu war, dann war es Sex zwischen Männern. [4] Unternähme mensch den Versuch eine Geschichte der lesbischen Pornographie zu schreiben - und in dieser Hinsicht existieren durchaus bemerkenswerte Untersuchungen, muss mensch die Recherche unerwarteter Weise nicht im schwul-lesbischen „closet“ beginnen. Im Gegensatz zum Schwulenporno, das aufgrund der rechtlichen Regelung den subkulturellen Sonderweg einschlagen musste, war lesbischer Sex stets Bestandteil hetero-sexueller Pornographie. Zwar monieren Lesben oft und gern, dass sie sich durch stöckelschuhbestückte Blondinen mit rotem Nagellack nur unzulänglich auf der Leinwand repräsentiert fühlen. Selbst wenn dieser pornographische Stereo-Typus vordergründig das männlich-heterosexuelle Publikum adressiert, sind es nichts desto trotz zwei Frauen, die hier sexuell miteinander handeln. [5] Selbst in den Augen eines ausschließlich heterosexuellen Publikums bleibt der Annullierungsversuch lesbischen Sexes wirkungslos: Es ist kein Ausnahmefall, dass heterosexuelle Paare gerne Schwulenpornos sehen und auch Linda Williams, die Autorin dieser Feststellung bevorzugt die Darstellung von schwulem Sex den Repräsentationen heterosexuellen Begehrens. (vgl. Williams 1995: 66f.) [6] Folgt mensch den Ausführungen Michel Foucaults, dann sind die Kleider, durch die die „nackte Wahrheit“ im Zuge neuzeitlicher Darstellungsverbote eingehüllt werden musste, immer schon halbtransparent gewesen. Unter Mönchskutte und Pfarrersgewand breiteten sich die Wirkungen der Reden über den Sex aus. Diese entstanden in den Kirchen und Klöstern des 16. Jahrhunderts Orte, an denen Sexdiskursexplosionen ihren Ausgang nahmen. (vgl. Foucault 1983) Beichte und Geständnis sind die entscheidenden Techniken, durch die die Macht sich Zugang zu den sexuellen „Geheimnissen“ des Einzelnen verschaffte. Im „Sex-Dokumentarfilm“ findet diese Diskursform ihr zeitgemäßes Pendant. [7] Linda Williams sieht einen engen Zusammenhang zwischen Gesellschaft und dem filmischen Apparatus. Dieser spiegelt ihrer Meinung nach gesellschaftliche Machtverhältnisse und hegemoniale Ideologien wieder: „Am Ursprung des Kinos finden wir also nicht nur den psychischen Apparat mit einer ,Leidenschaft für die Wahrnehmung“ und einen technischen Apparat, der diese Wahrnehmung ermöglicht; wir finden (…) auch einen sozialen Apparat. Letztlich ist es dieser soziale Apparat, der Frauen als Objekte und nicht als Subjekte konstruiert, denn er stellt die Frauen vor die Kamera und bestimmt das Repertoire ihrer Handlungen.“ (Williams 1996: 79) [8] Der Anschein von Authentizität ist nicht etwa der Natürlichkeit des Geschehens zu verdanken, sondern Produkt eines spezifischen Umgangs mit Schnitt und Kamera im pornografischen Film. Genitale und andere Ermüdungserscheinungen fallen darin dem Schnitt zum Opfer, während die Kameraführung ein ausschließlich ethnographisches Interesse suggeriert: Unter dem Vorwand, nur zu beobachten, werden „Wahrheiten phantastischer Natur“ (Williams 1995: 106) präsentiert. Der damit einhergehende Realitätseffekt wird somit zum Nebenprodukt des Zeigeprozesses. Dieser tritt umso deutlicher zutage, je amateurhafter und damit auch „natürlicher“ das zu Zeigende erscheint. [9] Im Gegensatz dazu ist Sex im Kriminalfilm in ein Handlungskorsett eingespannt und erfüllt dabei eine spezifisch narrative Funktion: Sexualität ist das, was das Delikt herbeiführt, die Aufklärung dieses „Delikts“ ist das restliche Thema des Films. [10] Dort wo der Porno ein Film im Film ist, ist das Publikum selbst in diesen Film integriert. Im Clip ,Sybian’ handelt es sich jedoch nicht um ein altersmäßig gemischtes und sexuell aufgeschlossenes Publikum, sondern vielmehr um einen libidinös verarmten Männerverbund. Zu sehen sind mittelalterliche Individuen, denen das Stigma des sexuellen „Modernisierungsverlierers“ anhaftet. Diese voyeuristischen „Helden“ sind es, die zwei Frauen beim Sex beobachten. [11] Da die Lust von Frauen im Pornofilm weniger dargestellt, denn vielmehr hörbar gemacht wird, betrachtet die spanische Queer Theoretikerin Beatriz Preciado den durch Stöhnen simulierten Ohrgasmus als Pendant zum männlich dominierten money shot. [12] In altbewährter Manier des exploration movie wird Sex zwischen Frauen hier benutzt, um die Erregung männlicher Zuseher hervorzurufen. Zwei dauergewellte Teenies in Blond und Braun verbreiten nicht gerade den Flair des Lesbischen; wenn auch dies kein lesbischer Sex ist, stellt sich dennoch die Frage, was dieser sonst ist. [13] Der Begriff Polyamorie (Mehrliebe) bzw. Polyamourösität taucht erstmals in den 1960ern im Zusammenhang mit Schlagworten wie „responsible nomonogamy“ oder offener Beziehung auf, populär wurde dieser im Zuge der Verbreitung des Kult-Buchs „The Ethical Slut“ von Dossie Easton und Catherine A. Liszt. Zu verstehen ist unter Polyamourösität das reflexive (Er-)Leben von Sex in Mehrfachbeziehungen. [14] Problematisch am Porno sind nicht etwa die objektivierenden Darstellungen, die in gelungenen SM- Filmen durchaus als lustvolle Akte erscheinen können. Dass auch polyamouröse Mehrfachbeteiligung großen Spaß machen können, zeigt beispielsweise die Endeinstellung von Larry Clarks „Ken Park“ (USA 2005). Im Vergleich zum Missbrauchsverhalten ihrer Eltern ist die menage à trois dreier mittelamerikanischer Teenager eine gelungene Realisierung von Wunsch, Rausch und Begehren. [15] Dort, wo der fertige Film wie das Endergebnis harter Arbeit erscheint, wird der ausbeuterische Charakter des Dienstes an der Maschine offensichtlich. In seiner skandinavischen Misanthropie mit dem Titel „The Cocka Hola Company“ gibt Mathias Faldbakken den LeserInnen Einblick in die Gepflogenheiten des Business. Der Alltag der Pornodarsteller des fiktiven Porno-Konzerns Desirevolution besteht zu einem großen Teil aus körperlicher Schwerstarbeit. Die vollständige „Penis- Skrotum- Anus- Rundrasur“ (129) die die Protagonisten unter Zuhilfenahme eines Spiegels, eines „Rasierschüsselchens“, „GILETTE MACH 3“ und „GILETTE SHAVING GEL“ (130) zu absolvieren haben, ist nur eine von vielen Eingriffen im Vorfeld der Inszenierung. Derartige Prozeduren, die in den Statuten des Konzerns festgelegt wurden, werden durch Paragraphen für das erwünschte Verhalten am Set ergänzt. Die strengen Auflagen beinhalten Vorgaben für „§2 Bräunung“ „§3 Make-up und Frisur“ „§4 Sprache und Geräusche“ „§7 Stellungen und Konstellationen“, „§10 Verbote“. Ähnlich rigide sind auch die Anweisungen am Set: „Als Motha aufsteht und sagt: „Weiter geht’s“ fängt Ricky Perez pflichtschuldigst an, sich wieder steifzuwichsen“ (258) und „Entschuldige, Simpel. Ricky hat so viel gearbeitet die letzten Tage, wir haben viel Mühe, bis er gekommen ist! (264) klagen die Darsteller. (vgl. Faldbakken 2003) [16] Für die DarstellerInnen selbst liegt die Lust nur bedingt in der Arbeit am Porno. Viel eher ist sie auf den Konten zu finden, die erst nach gelungener Inszenierung behoben werden können. Nach Auskunft der kanadischen Autorin Nelly Arcan sind die Summen, die dabei im Spiel sind, hoch genug, um das Unbehagen am Set aufzuwiegeln. In Arcans Roman „Hure“ benennt die Ich-Erzählerin ihre Motivation. Während der Fellatio mit dem Freier denkt sie an die Gegenleistungen, die sie sich after work gönnen wird. Sie spricht damit das aus, was durchaus ein weibliches Äquivalent zum money shot sein könnte: Geld, ausgegeben, off scene. (vgl. Arcan 2002) [17] In „Straw Dogs“ gibt es eine finale Allianz zwischen einem Vergewaltiger aus der Dorfumgebung und dem Freund des Vergewaltigungsopfers und auch im Film „Irreversible“ sind es zwei Männer, die am Ende mit ihrem Leben davonkommen. Nicht die Rede ist indes von den vergewaltigten Frauen, die schwer verletzt und/oder allein zurückbleiben. Die lethale Monica Bellucci aus „Irreversible“ taucht während der durch ihren Freund initiierten revenge nicht mehr auf der Bildfläche auf und Amy Summer wird am Schluss von „Straw Dogs“ in der finsteren Provinz zurückgelassen, während ihr Mann mit einem Vergewaltiger am Beifahrersitz das Dorf ver-lässt. |
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