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Minimol: "Bridget Anderson: Doing the Dirty Work?"
Migrantinnen in der bezahlten Hausarbeit in Europa - ein Rezensionsessay

Anhand einer Fülle von empirischem Material aus den Jahren 1995 und 1996, das Interviews mit Hausarbeiterinnen und Arbeitgeberinnen in Privathaushalten ebenso wie Befragungen in Arbeitsvermittlungsagenturen und NGOs umfasst, untersucht Bridget Anderson die Lebens- und Arbeitsbedingungen von migrantischen Hausarbeiterinnen in 5 verschiedenen europäischen Städten (Athen, Barcelona, Bologna, Paris, Berlin). Gleichzeitig wird die unterschiedliche Entwicklung der Einwanderungsgesetzgebung sowie der arbeitsrechtlichen Situation in den einzelnen Staaten dargestellt, da diese die Situation der Hausarbeiterinnen maßgeblich beeinflussen. Anschließend werden die Gemeinsamkeiten herausgearbeitet, sodass eine Gesamtdarstellung möglich ist.

Dabei ergibt sich folgendes Bild: Bezahlte Hausarbeit in West(Europa) wird hauptsächlich von Migrantinnen verrichtet, darüber hinaus von zwei Gruppen von Frauen mit Staatsbürgerschaft des jeweiligen Staates: einerseits ältere arme Frauen und andererseits Studentinnen. Die Chefinnen (von der Autorin Arbeitgeberinnen genannt) der Hausarbeiterinnen in Privathaushalten sind fast durchwegs weiblich. Durch die geschlechtsspezifische Zuschreibung der Zuständigkeit für Reproduktionsarbeit an Frauen bleiben Männer als unsichtbare Dritte scheinbar draußen aus dem Verhältnis Arbeitgeberin-Hausarbeiterin.

Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der migrantischen Hausarbeiterinnen hängen im Wesentlichen von 4 Faktoren ab:

1)      von ihrem Einwanderungsstatus, d. h., ob ihr Aufenthaltsstatus legal ist oder nicht;

2)      von der arbeitsrechtlichen Situation, d. h., ob sie einen Arbeitsvertrag haben bzw. wie dieser aussieht;

3)      ob sie durch ihre Arbeitserlaubnis an die Arbeitgeberin gebunden sind oder die Arbeitsstelle legal wechseln können;

4)      ob sie im Haushalt der Arbeitgeberin leben (live in) oder nicht (live out).

„Du arbeitest von der ersten Minute an, ...

Viele Frauen verschulden sich, um überhaupt nach Europa gelangen zu können. Sind die Schulden abgearbeitet, schicken sie Geld an ihre Familien in den Herkunftsländern. Insbesondere neu eingewanderte Migrantinnen ohne soziale Kontakte und ohne Papiere leben in den Haushalten der Arbeitgeberinnen, da sie dadurch keine Miete, Strom etc. zahlen müssen sowie verpflegt werden. Das senkt die Löhne und führt zu sklavereiartigen Verhältnissen, da es keine klare Trennung zwischen Arbeitszeit und Freizeit gibt, sowie Frauen ohne Papiere extrem abhängig und erpressbar durch die Arbeitgeberinnen sind oder auch Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis an eine bestimmte Arbeitgeberin gebunden sind.

Innerhalb von live-in-Arbeitsverhältnissen hat die Hausarbeiterin nahezu rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen, weder die Arbeitszeit noch die Arbeitsaufgaben sind festgelegt, die Arbeiterin ist der Willkür der Arbeitgeberin ausgeliefert. Viele live-in-Arbeiterinnen sind für Altenpflege und/oder Kinderbetreuung zuständig. Nicht selten werden sie ohne zusätzlichen Lohn an nicht im gleichen Haushalt lebende Familienangehörige verliehen. Das Einbehalten des Passes wie auch das Nichtgewähren von zustehenden freien Tagen sind übliche Praxis, Verweigerung von Lohnzahlungen keine Seltenheit. Entlassungen im Krankheitsfall oder bei Schwangerschaft sind branchenüblich. Da es keine Festlegung der Arbeitsinhalte gibt, können auch diverse Neurosen der HausherrInnen auf Kosten der Hausarbeiterinnen ausgelebt werden. Dazu zählt u. a. dass die Wäsche trotz Vorhandensein einer Waschmaschine mit der Hand gewaschen wird oder täglich alle im Haushalt vorhandenen Schuhe geputzt werden müssen. Üblich ist, dass Hausarbeiterinnen Haustiere versorgen müssen, die menschenähnlich behandelt werden und im Haushalt über ersteren stehen.

... kaum dass du die Augen aufgeschlagen hast, ...

Migrantische Hausarbeiterinnen, die sich bereits länger in den Zielländern aufhalten, bemühen sich daher – oft mithilfe von migrantischen Netzwerken –, ihr Leben so zu organisieren, dass sie nicht im Haushalt der Arbeitgeberin leben. Manche live-out-Arbeiterinnen haben eine ganze Stelle, die meisten arbeiten jedoch in mehreren Haushalten. Das macht sie unabhängiger von einzelnen Arbeitgeberinnen, erfordert allerdings ein effizientes Zeitmanagement, da sie zwischen den verschiedenen Arbeitsstätten lange Anfahrtszeiten in Kauf nehmen müssen. Bei Befragungen von Mitarbeiterinnen der Arbeitsvermittlungsagenturen in den einzelnen Staaten kam deutlich zum Ausdruck, dass Arbeitgeberinnen meist live-in-Arbeiterinnen suchen, während die Hausarbeiterinnen selbst live-out-Stellen bevorzugen – nicht zuletzt aufgrund der leichter durchsetzbaren Unterscheidung zwischen Privatzeit und Arbeitszeit bei live-out-Arbeitsverhältnissen. Bridget Anderson beschäftigt sich den größten Teil des Buches mit live-in-Arbeit. Diese ist paradigmatisch für ihren Ansatz, dass bei Reproduktionsarbeit nicht die Arbeitskraft, sondern die gesamte Persönlichkeit gekauft wird.

... bis zur letzten, wenn du sie wieder schließt.“

Zur Beleuchtung der Frage, ob der insbesondere für live-in-Arbeitsverhältnisse häufig verwendete Begriff der Sklaverei zutreffend ist, vergleicht die Autorin die Situation weiblicher Haussklavinnen in den amerikanischen Südstaaten im 18. und 19. Jh. mit jener von Hausarbeiterinnen heute im Hinblick auf Bewegungsfreiheit, Lohn, Eigentum an der Arbeiterin, Gewalt und sexualisierter Gewalt, wobei sie auch die Funktion der schwarzen versklavten Frau für die Position der weißen Hausherrin auf der symbolischen und praktischen Ebene in den Blick nimmt.

Sie kommt zu dem Schluss, dass die Erfahrungen vieler migrantischer Hausarbeiterinnen in aller Welt zu einem großen Teil durchaus jenen der Haushaltssklavinnen in den amerikanischen Südstaaten des 18. und 19. Jahrhunderts entsprechen. Hausarbeiterinnen heute haben zwar mehr Rechte, können diese de facto aber oft nicht wahrnehmen. Arbeitgeberinnen besitzen die Arbeiterinnen nicht, doch wenn das Visum der Hausarbeiterin – wie z. B. in den USA – an eine bestimmte Arbeitgeberin gebunden ist, kann keine Rede von „freier“ Lohnarbeit sein. Arbeitgeberinnen haben direkte personalistische Macht über die Grundbedürfnisse der Hausarbeiterin wie Wasser, Nahrung, Kleidung, Waschmöglichkeiten, Warmwasser und Heizung, verbunden mit Willkür in der Zuteilung und im Entzug.

In diesem Zusammenhang thematisiert Bridget Anderson auch den maternalistischen Charakter des Verhältnisses zwischen Arbeitgeberin und Hausarbeiterin, der im Bewusstsein der Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis so weit verkehrt, dass es zur Gefälligkeit der Arbeitgeberin wird, dass die Hausarbeiterin für sie arbeiten darf. Mitleid wird zur vorgeblichen Motivation für die Beschäftigung von migrantischen Arbeiterinnen. Das Arbeitsverhältnis wird personalisiert, die Hausarbeiterin als Teil der Familie oder als „Freundin“ bezeichnet. Die Gewährung von Rechten wird zu Güte, die Anerkennung des Arbeitsverhältnisses als Arbeitsverhältnis verweigert. Die Hausarbeiterin jedoch, die diese persönliche Beziehung gar nicht will, da sie für sie zusätzliche Arbeit an der Psyche der Arbeitgeberin bedeutet, die also des Geldes wegen arbeitet, gilt als undankbar.

Bezahlte Hausarbeit als rassifizierter Ausweg aus dem Konflikt um Reproduktionsarbeit

Durch bezahlte, großteils migrantische Hausarbeit, wird der Konflikt über die hierarchische geschlechtliche Arbeitsteilung und quasi naturwüchsige Zuweisung von Reproduktionsarbeit an Frauen aus den privaten Paarbeziehungen und Familien der Mittel- und Oberschicht ausgelagert, die sexistische Arbeitsteilung festgeschrieben, rassifiziert und zu einem Klassenverhältnis gemacht. Nach wie vor ist der Anteil von Männern, die Hausarbeit verrichten, verschwindend gering. Bereits das Fragezeichen in „Doing the Dirty Work?“ verweist auf die Infragestellung der feministischen These aus den 70er und 80er Jahren über den Zwang zur Hausarbeit als großen Gleichmacher unter Frauen. Die Ausblendung der (auch in Europa zunehmenden) bezahlten Hausarbeit in Privathaushalten, die großteils von migrantischen Frauen verrichtet wird, bedeutet, real existierende Rassen- und Klassenspaltungen in der Reproduktionsarbeit zu ignorieren. Migrantische Hausarbeit ist der individuelle, rassifizierte Ausweg aus dem zunehmenden gesellschaftlichen Widerspruch zwischen der Auflösung der Großfamilie, der Zunahme der Scheidungen und der weiblichen Lohnarbeit einerseits und dem Rückbau staatlicher Institutionen im Reproduktionsbereich (Kindergärten, Pflegeeinrichtungen ...) im Zuge der Privatisierung des Sozial- und Gesundheitswesens auf dem Rücken von Migrantinnen und führt zu sklavereiähnlichen Arbeitsverhältnissen. Aufgrund der Alterung der Bevölkerung in Europa sowie der parallel dazu erfolgenden Ausweitung des Bargelds für Pflegearbeit direkt an Pflegebedürftige oder Angehörige geht die Autorin von einer Ausweitung des informellen Marktes für Pflegearbeit in den nächsten Jahren aus. Alte Menschen benötigen häufig eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Da illegalisierte Migrantinnen dazu gezwungen sind, ihre Arbeitskraft sehr billig zu verkaufen, sind sie besonders begehrt. Aufgrund ihrer mangelnden sozialen Absicherung tragen sie ein hohes Armutsrisiko, vor allem im Alter.

Bezahlte Hausarbeit ist neben Sexarbeit für die meisten Migrantinnen die einzige Arbeitsmöglichkeit in Europa – im Besonderen, aber nicht nur, für jene ohne legalisierten Aufenthaltsstatus. Der enge Zusammenhang zwischen Hausarbeit und Sexualität zeigt sich auch daran, dass Hausarbeiterinnen häufig sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind, Inserate von Hausarbeiterinnen als Sexangebote missverstanden werden und z. B. thailändische Sexarbeiterinnen in Berlin im Unterschied zu ihren deutschen Kolleginnen die Bordelle saubermachen müssen. Die Tatsache, dass bezahlte Hausarbeit nahezu die einzige Lohnarbeit ist, die Migrantinnen offensteht, hat nichts mit deren Ausbildung zu tun. Es gibt auch Hausarbeiterinnen mit abgeschlossener Berufsausbildung oder akademischen Titeln. Es findet hierdurch eine massive Entwertung von Arbeitskraft nach rassistischen und sexistischen Kriterien statt.

Kampf um Rechte

Die Selbstorganisation von migrantischen Hausarbeiterinnen für bessere Arbeitsbedingungen wird durch die Kombination von extremer Isolation bei live-in-Arbeit und oft illegalem Aufenthaltsstatus stark erschwert. Bridget Anderson ist Mitarbeiterin von Kalayaan, einer Gruppe in Großbritannien, die für die Rechte von migrantischen Hausarbeiterinnen kämpft. 1998 wurde eine Kampagne zur Legalisierung von Hausarbeiterinnen geführt, die sich vorrangig auf die Verbesserung der Situation von Frauen bezog, die als Hausarbeiterinnen mit nicht-britischen Arbeitgeberinnen nach Großbritannien einreisen und deren Aufenthaltserlaubnis an diese gebunden ist, sodass sie bei Arbeitsplatzwechsel in die Illegalität gedrängt werden. Die Forderungen der Kampagne waren Generalamnestie für migrantische Hausarbeiterinnen ohne legalen Aufenthaltstitel, die Verpflichtung zu schriftlichen Arbeitsverträgen sowie das Recht auf Wechsel des Arbeitsplatzes. Ergebnis der Kampagne ist, dass die damalige konservative Regierung einerseits ein Gesetz zur Legalisierung von bereits im Land befindlichen migrantischen Hausarbeiterinnen erlässt, das einzelfallbezogen ist und zahlreiche Hürden für die migrantischen Hausarbeiterinnen enthält, und andererseits die Einwanderungsbestimmungen noch restriktiver werden, vorgeblich zum Schutz der Hausarbeiterinnen.

Die Organisationsstruktur der Kampagne war eine doppelte, einerseits eine Organisation der migrantischen Hausarbeiterinnen selbst (Waling Waling) und andererseits eine Unterstützerinnengruppe (Kalayaan). Bridget Anderson begründet diese Struktur mit der Sprachrohrfunktion der Unterstützerinnen, die sich aus der Illegalisierung und Isolierung der Migrantinnen ergibt. Bis auf die Feststellung, dass Migrantinnen im Vorstand von Kalayaan sitzen, jedoch keine Unterstützerinnen im Vorstand der Migrantinnenorganisation Waling Waling, äußert sie sich leider nicht zu der Gefahr der Abbildung des maternalistischen Verhältnisses von Arbeitgeberin und Hausarbeiterin innerhalb dieser Kampagnenstruktur und dem Umgang damit in der Praxis bzw. welche Auseinandersetzungen hierzu geführt wurden. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Unterstützerinnenorganisation Kalayaan als Sprachrohr für die illegalisierten Hausarbeiterinnen fungiert, drängt sich die Frage auf, warum der ganze Abschnitt „Kalayaan kämpft gegen die Einwanderungsbestimmungen“ betitelt ist, obwohl in dieser Doppelstruktur die Organisation der Migrantinnen selbst „Waling Waling“ heißt.

Im Update von 2005 beschäftigt sich die Autorin auch mit der Frage der Auswirkungen von Konventionen gegen Menschenhandel, die ein wucherndes Betätigungsfeld für NGOs darstellen, auf die Migrantinnen. Geht es herbei um den Schutz der Opfer oder um die Kontrolle der Migration? Die Nationalstaaten selbst sind die Voraussetzung für die Existenz von Menschenhandel, darum richten sich Gesetze gegen Menschenhandel immer auch gegen die gehandelten Menschen. Gäbe es keine restriktiven Einwanderungsgesetze, wären Migrantinnen nicht auf Schlepperorganisationen angewiesen. Die Gesetzgebung zum Menschenhandel sorgt für die moralische Selbsterhöhung des Staates bei gleichzeitiger immer stärkerer Beschneidung der Rechte von Migrantinnen. Die Grausamen sind immer die Anderen, die Fremden. Die Propaganda gegen Menschenhandel ist daher Teil der rassistischen Konstruktion. Gesetze gegen Menschenhandel sind immer auch Gesetze gegen unkontrollierte Mobilität von Menschen, sowie gegen jene, die diese ermöglichen und organisieren.

Gesellschaftsvertrag unter freien und gleichen weißen Männern?

In den theoretischen Teilen, die mehr als die Hälfte von „Doing the Dirty Work?“ umfassen und in die der empirische Teil eingebettet ist, versucht Bridget Anderson das komplizierte Ausbeutungsverhältnis der Reproduktionsarbeit zu fassen. Sie lotet viele verschiedene Ebenen aus, wobei sich manche Fäden als lose Enden verlieren. Ausgehend von den konkreten Arbeitsbedingungen von Hausarbeiterinnen sowie ihrer persönlichen Beteiligung an Kampagnen für die Anerkennung der Rechte von Hausarbeiterinnen als Arbeiterinnen stellt die Autorin fest, dass es praktische und theoretische Probleme bei der Anwendung des Konzepts des Arbeitsvertrages auf Hausarbeit gibt, und geht der Frage nach, was Hausarbeit von anderer Arbeit bzw. bezahlte Hausarbeit von anderer Lohnarbeit unterscheidet und worin die Schwierigkeiten bestehen, vertragliche Arbeitsbedingungen auf diese anzuwenden. Sie wendet sich der bürgerlichen Vertragstheorie zu und stellt mit bell hooks (1981), Carole Pateman (1983, 1988, 1992) und anderen die These auf, dass der so genannte ursprüngliche Gesellschaftsvertrag unter freien Männern nur unter der Prämisse funktioniert, dass zugleich ein Geschlechter- und ein Sklavenvertrag, deren Objekte Frauen bzw. Sklaven sind, existieren. Als Subjekte seien Frauen und Sklaven vom Vertrag ausgeschlossen, da sie zu einem Teil der Natur erklärt werden, sodass der bürgerliche Gesellschaftsvertrag nur für weiße Männer Geltung hätte.

Zwar spricht sie mit Marx davon, dass die Vertragsfreiheit und -gleichheit im Falle des Arbeitsvertrages trügerischer Schein seien, da das menschliche Arbeitsvermögen nicht wie anderes Eigentum behandelt werden könne. Die Trennung zwischen Person und zu verkaufender Arbeitskraft sei immer Fiktion, dieser Schein spiele jedoch im konkreten Akt des Verkaufs der Arbeitskraft keine Rolle. In der (bezahlten) Hausarbeit hingegen werde nicht die Arbeitskraft, sondern die gesamte Persönlichkeit verkauft – oder anders ausdrückt, eine Rolle gespielt – und daher könne die Fiktion der Trennung zwischen Mensch und Arbeitskraft nicht aufrechterhalten werden, weshalb keine Vertragsfähigkeit bestünde. Bezahlte Hausarbeiterinnen reproduzieren Menschen und soziale Beziehungen. Die Arbeitgeberin kaufe Kommandogewalt – nicht nur über die Arbeitskraft, sondern über die gesamte Person. Dies versucht die Autorin einerseits aus der Form der Familie und andererseits aus dem besonderen Charakter von Reproduktionsarbeit – dem Doppelcharakter von Pflege als Arbeit und Pflege als Liebe – abzuleiten.

Die ideologische Konstruktion der Familie geht einher mit der geschlechtsspezifischen Scheidung zwischen öffentlicher männlicher Geschäftswelt und dem Haus als von der Frau gestaltetem privatem Rückzugsort für den Mann. Da das Ideal der bürgerlichen Frau jedoch rein im Sinne von frei von Schmutz und Sexualität ist, muss die Frau von einer schmutzigen, weniger weißen Frau gedoppelt werden. Reproduktionsarbeit (in ihren beiden Aspekten der Hausarbeit und der Sexualität) ist dreifach naturalisiert: sie ist sexistisch und rassistisch zugeteilt sowie nicht als Arbeit, sondern als Naturhaftigkeit definiert, wie ja auch Frauen und Nicht-Weiße Teil der Natur sind. Dies kumuliert in der Aussage, dass Arbeitsverträge Beziehungen unter Frauen nicht erfassen könnten.

Ein Problem hierbei ist, dass sie den so genannten ursprünglichen Gesellschaftsvertrag und die angebliche Vertragsgleichheit zwar einerseits als Schein denunziert, andererseits an entscheidenden Stellen dann doch als nicht hinterfragte Realität setzt. Dies führt unter anderem zu einem unscharfen Ausbeutungsbegriff, dort wo sie von der Ausbeutung in der Hausarbeit und dem ungleichen Tausch in der bezahlten Hausarbeit spricht, und dabei impliziert, dass in so genannten normalen Arbeitsverhältnissen keine Ausbeutung und gleicher Tausch stattfinden. Ferner entsteht der Eindruck, als wären vertragliche Rechte von ArbeiterInnen durch den so genannten ursprünglichen Gesellschaftsvertrag seit Beginn des Kapitalismus gewährt worden (zumindest weißen Männern) und nicht im Laufe der Geschichte erkämpft. Auch wird das Idealbild der bürgerlichen Familie als Folie über die gesamte (weiße) Gesellschaft gelegt. So wird eine Gesellschaft skizziert, in der keine weiblichen Arbeiterinnen existieren, sondern ausschließlich männliche Arbeiter und zu ihnen gehörige weibliche Hausfrauen.

Dort, wo die Autorin über den besonderen Charakter von Reproduktionsarbeit als Doppelcharakter von Pflege als Arbeit und Pflege als Liebe spricht, entsteht das eigentümliche Bild, Reproduktionsarbeit als Liebe könne nur in der privaten Form der Familie organisiert sein – als seien liebevolle Beziehungen außerhalb der Familie nicht möglich. Dies ist von Bridget Anderson sicherlich nicht beabsichtigt, sondern zu einem großen Teil dem Umstand geschuldet, dass Reproduktionsarbeit vorwiegend in Familien und familienähnlichen Strukturen geleistet wird. Sie führt jedoch den Gegensatz zwischen Haus und Markt an, wobei das Haus den sicheren Hort vor der Selbstsucht der Welt, den Ort der Gefühle, darstelle. Dies hat nun wenig mit der sozialen Realität innerhalb von Familien zu tun. Immerhin findet der bei weitem überwiegende Teil von Gewaltdelikten innerhalb von Familien statt. Die Einführung des Begriffes Liebe ist gerade im Zusammenhang mit der Familie problematisch und es stellt sich die Frage, ob dadurch nicht ein Mythos verfestigt statt aufgebrochen wird. Es mag sein, dass befragte Arbeitgeberinnen angeben, dass Kindermädchen ihren Kindern mehr Zuneigung entgegenbrächten und sie diese daher gegenüber Kindergärten bevorzugen würden. Ähnlich wie bei der Pflege alter Menschen, die 24-Stunden-Betreuung benötigen, werden jedenfalls die größere Flexibilität und Verfügbarkeit der Hausarbeiterinnen eine ausschlaggebende Rolle spielen. Auch in Kindergärten etc. wird Liebe produziert, es existieren jedoch klare Definitionen des Arbeitsinhalts und der Arbeitszeiten sowie der Entlohnung, es gibt kein persönliches Verhältnis zur Arbeitgeberin und es wird gemeinsam mit Kolleginnen gearbeitet.

Zusammenfassend ergeben sich aus der Lektüre von „Doing the Dirty Work?“ zwei offene Fragenkomplexe. Zum Einen bleiben die beiden Ebenen – jene der sozialen Organisation von Reproduktionsarbeit in der privaten Form der Familie und jene ihres Doppelcharakters als Arbeit und als Liebe – merkwürdig unverbunden. Es ist fragwürdig, ob es einen Charakter von Arbeit, der ihr als unabänderliches Wesen jenseits ihrer sozialen Organisation innewohnt, überhaupt geben kann. Zum Anderen ist es überlegenswert, ob nicht bei jeder Lohnarbeit – über Dienstleistungen und affektive Arbeit hinaus – die Persönlichkeit verkauft und Liebe (um bei dem Begriff der Autorin zu bleiben) verausgabt wird, da die Abtrennung des menschlichen Arbeitsvermögens von der Person eine fiktive ist und sich der Doppelcharakter von Arbeit in jeder Lohnarbeit als Tauschwert- und Gebrauchswertseite wiederfindet.

Im Update 2005 beschreibt die Autorin nochmals ausführlich die Schwierigkeiten, die bei der Anerkennung von Hausarbeit als Arbeitsverhältnis auftreten. In ihrem Bemühen, das Besondere der bezahlten Reproduktionsarbeit zu fassen, betont sie das Trennende und nicht das Gemeinsame mit anderen Formen der Lohnarbeit. Viele von ihr festgestellten Merkmale erscheinen mir jedoch gerade im Zuge der Prekarisierung als weitverbreitet. Auch in anderen Arbeitsverhältnissen existieren permanente Auseinandersetzungen um Ausweitung von Arbeitsinhalten und Intensivierung der Arbeit. Auch in anderen Arbeitsverhältnissen gibt es Stehzeiten, Bereitschaftszeiten und Anwesenheit auf Abruf. Überall gilt: Am Arbeitsplatz sein heißt auch während Bereitschaftsdiensten Arbeit und nicht Freizeit. Einzelverträge sind immer schwieriger durchzusetzen als Kollektivverträge, das ist kein Spezifikum der bezahlten Hausarbeit. Auch in anderen Sektoren stellt sich die Frage nach der Durchsetzung von Verträgen, insbesondere bei illegalisierten ArbeiterInnen. Dass Hausarbeiterinnen ihren Arbeitgeberinnen als Vereinzelte gegenüber stehen, macht es für sie besonders schwierig.

Was die Verpersönlichung des Verhältnisses zwischen Arbeitgeberin und Arbeiterin betrifft, so zeigen Arbeitserfahrungen in Klein- und Kleinstunternehmen, das auch dort keine klare Trennlinie zwischen Arbeit für den Betrieb und Arbeit für die persönlichen Bedürfnisse der Arbeitgeberin existiert und die Arbeiterin vor der Notwendigkeit der permanenten Abgrenzung gegenüber dem Privaten der Arbeitgeberin steht, um nicht völlig von dieser aufgesogen zu werden. Ein von ihr aufgegriffener Aspekt ist allerdings sehr interessant. Einerseits sieht sie bei einer etwaigen Regulierung und Professionalisierung der bezahlten Hausarbeit die Gefahr der Hierarchisierung und Spaltung der Hausarbeiterinnen bis hin zur Vertreibung der Migrantinnen aus qualifizierteren Bereichen wie Kinderbetreuung und Altenpflege. Andererseits hält sie dies überhaupt nicht für möglich, da sich der Großteil der Haushalte dann keine bezahlten Hausarbeiterinnen mehr leisten könnte. Das hieße allerdings, dass im Kampf von Hausarbeiterinnen um ihre Rechte ein gesamtgesellschaftliches Problem öffentlich sichtbarer werden würde. Der Zerfall der Familie würde eine kollektive Antwort benötigen, stattdessen wird insbesondere Frauen die alleinige Verantwortung im Privaten für nicht mehr ausbeutbare Menschen aufgebürdet. Gerade durch das direkte persönliche Gewaltverhältnis in der Familie und die nicht vorhandene Vergesellschaftung der Pflege- und Reproduktionsarbeit wird die erniedrigende Behandlung der migrantischen Hausarbeiterinnen möglich.

Während der Arbeit an dieser Buchbesprechung flammt in Österreich eine Debatte zum Pflegenotstand auf und dieser wird Thema im Wahlkampf zur Nationalratswahl. Auch in Österreich sind in der Altenpflege zu einem großen Teil illegalisierte Frauen ohne Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung tätig, z. T. um Stundenlöhne zwischen 2 und 3 Euro, was aufgrund der knappen Bemessung des Pflegegeldes nicht verwundert. Hochrangige Politiker beschäftigen solche „Schwarzarbeiterinnen“ für die Pflege ihrer Angehörigen. Auffällig ist, dass im öffentlichen Diskurs bis auf wenige Ausnahmen nahezu durchgängig von (ausländischen oder osteuropäischen) Pflegern gesprochen wird und damit die Feminisierung der Pflegearbeit unsichtbar gemacht wird.

„Migrantische Hausarbeiterinnen machen sich selbst hör- und sichtbar“

Obwohl das Buch mit dem Satz „Migrantische Hausarbeiterinnen machen sich selbst hör- und sichtbar“ endet, bleiben die Hausarbeiterinnen selbst merkwürdig blass. Sie sprechen als Vereinzelte. Es gibt wenig Aussagen von Hausarbeiterinnen über ihre Organisierungsversuche und die Probleme, die damit verbunden sind. Es scheint, als wären die Unterstützerinnen das organisierende, fürsprechende Element. Trotz des guten Willens und gegenteiliger Absicht bleibt Bridget Anderson häufig dem Opferblick verhaftet. Die Autorin gerät in eine ganze Reihe von Dilemmata, indem sie die Besonderheit der Reproduktionsarbeit in deren Charakter statt in deren privater Organisation sucht, das gemeinsame Interesse von Arbeitgeberin und Arbeiterin als Frauen, denen Reproduktionsarbeit zugewiesen ist, aufrechterhält und theoretisch zu untermauern versucht sowie ausführlich mit der Frage befasst ist, ob Reproduktionsarbeit Arbeit wie jede andere ist und vom Staat reguliert werden kann bzw. soll, statt das Hauptaugenmerk auf die Frage zu legen, wie sich Hausarbeiterinnen unter den Bedingungen der Isolation und Illegalisierung organisieren und Verbesserungen ihrer Arbeitsbedingungen durchsetzen können. Die Fragestellung am Ende des Buches, ob bezahlte Hausarbeit die Ungleichheit zwischen Frauen fördert oder ob sie als normaler Job behandelt werden soll, ist eine moralisch-idealistische, da sie an den konkreten Bedürfnissen der in Europa lebenden migrantischen Hausarbeiterinnen vorbei geht.

Letztendlich kommt jedoch auch Bridget Anderson zu dem Schluss: „Behandelt man Hausarbeit als einen Job wie jeden anderen, so ergibt sich daraus keine Lösung für den Umgang mit den immensen Widersprüchen und Unklarheiten, die dem Verhältnis zwischen migrantischer Hausarbeiterin und Arbeitgeberin inhärent sind. (...) Der Ruf nach Verträgen für Hausarbeit widerspricht dem ganz langfristigen Ziel, dass es überhaupt keine Hausarbeiterinnen mehr gibt, aber nicht automatisch. Tatsächlich handelt es sich um einen Schritt auf dem Weg. Angesichts der ungleichgewichtigen Machtverteilung zwischen Arbeitgeberinnen und Arbeiterinnen in Privathaushalten ist jeder Prozess, der die Selbstorganisierung der Arbeiterinnen erleichtert, ein wichtiger Fortschritt.“ Bei aller Kritik ist das Buch lesens- und empfehlenswert sowie sehr ergiebig für weitere Überlegungen. Es ist der Autorin hoch anzurechnen, dass sie die Frage nach „Differenzen zwischen Frauen“ in der sozialen Realität ansiedelt. Entgegen einer Kulturalisierung des Sozialen sagt sie ganz klar, dass die Rassifizierung der bezahlten Reproduktionsarbeit nicht durch die Rasse, sondern durch den Einwanderungsstatus entsteht. Macht wird nicht in einem allmächtigen Diskurs verortet, sondern in konkreten gesellschaftlichen Verhältnissen.

Zum Abschluss möchte ich auf ein Beispiel für kollektive Kämpfe von HausarbeiterInnen aus jüngerer Zeit verweisen. Im Jänner 2006 streikten in Indien 20.000 gewerkschaftlich organisierte HausarbeiterInnen einen Tag lang für ihre Anerkennung und Rechte als ArbeiterInnen.

E-Mail: minimol @ silverserver.at

Literaturangaben:

Bridget Anderson, (2006) „Doing The Dirty Work? Migrantinnen in der bezahlten Hausarbeit in Europa“, übersetzt von G. Deckert, Verlag Assoziation A, Berlin/Hamburg

hooks, bell, (1981) Ain’t I a Woman: Black Women and Feminism, London: Pluto Press.

Pateman, Carole, (1983) „Feminist Critiques of the Public/Private Dichotomy“ in S. Benn und G. Gaus, (eds) Private and Public in Social Life, London: Croom Helm.

Pateman, Carole, (1988) The Sexual Contract, Cambrigde: Polity Press.

Pateman, Carole, (1992) „Equality, Difference, Subordination: the Politics of Motherhood and Women’s Citizenship“ in G. Bock und S. James (eds) Beyond Equality and Difference.

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