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„Die
gute und die schlechte Regierung“
(Ambrogio Lorenzetti
Fresken im Palazzo Pubblico, Siena)
“Regierung ist nicht die Lösung, sondern das Problem”
(Ronald Reagan)
Johanna Klages:
Kampffeld Repräsentation
Im nachfolgenden soll aufzuzeigen versucht werden, wie
politische Prozesse entstehen und wo Ansätze einer alternativen Politik möglich
wären. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den generativen Prinzipien von
Repräsentation und nicht so sehr auf Beschreibungen inzwischen bekannter
neoliberaler Produkte der politischen Prozesse.
Im Französischen kann die Kategorie représentation
dreierlei bedeuten:
Vorstellung,
Darstellung und Stellvertretung. Alle drei Bedeutungen spielen bei
einer Repräsentation im politischen Feld mit hinein.
Analog zu diesen Bedeutungen
sollen drei Punkte behandelt werden:
1.Vorstellungen – Sichtweisen
und Deutungen sozialer und gesellschaftlicher Verhältnisse, Konzepte und
politische „Angebote“ als Wahrnehmungs- und Denkschemata;
2. Darstellung – die
symbolische Wirksamkeit von Realitätskonstruktionen;
3. schließlich Stellvertretung
– als metonymische Verhältnisse zwischen Sprechenden und einer Gruppe,
für die „gesprochen“ wird, in denen die Sprechenden immer Part derjenigen
Gruppe bleiben (sollten), für die sie sprechen.
I. Das politische Feld
Ort von Repräsentation und
sozialer Handlungsraum ist das politische Feld, ein relativ autonomer
sozialer Mikrokosmos innerhalb des gesellschaftlichen Raumes als Ganzen. Das
politische Feld kann als ein Feld mit einer eigenen Logik betrachtet
werden, das zwar relativ abgeschottetm aber dennoch offen ist – wie
anders ließen sich auch Einflussmöglichkeiten denken, die ja durchaus bestehen.
Bourdieu vergleicht das politische Feld mit einem „Spielfeld“, das
eigene „Spielregeln“ besitzt.
„Spielfeld“ als Metapher für
das politische Feld kann ebenso illustrativ sein, wie missverständlich
wirken. Als soziales Feld oder gesellschaftlicher Raum ist das politische Feld
eines unter anderen, wie z.B. das der Ökonomie mit Arbeit und Produktion, der
Kultur mit Wissenschaft und Ausbildung, oder schließlich das des alltäglichen
Lebens der Menschen. Die Effekte einzelner Felder (es ließen sich vielleicht
noch weitere konstruieren, wie z.B. das der Medien) wirken in andere hinein,
beeinflussen diese entweder positiv, oder unterwerfen sie einer ihnen fremden
Logik. Die Grenzen der Felder sind fließend und nicht konstant, sie reichen
soweit, wie die Effekte eines jeweiligen Feldes wirksam sind. Mit anderen
Worten: wenn sich eine „fremde“ Logik in anderen sozialen Bereichen einnisten
kann, wie die folgenreiche Verbetriebswirtschaftlichung öffentlicher
Einrichtungen beispielsweise im Bildungssystem, großen Teilen des
Gesundheitswesens bis hin zu kulturellen Institutionen auf eine unmittelbare
Ausdehnung der Grenzen, besser der Macht des ökonomischen Feldes hindeutet, was
gleichzeitig auch eine Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse
insgesamt drastisch deutlich macht. Dies war, wie wir wissen, nicht in allen
historischen Perioden seit dem 2. Weltkrieg so ausgeprägt, obwohl auch damals
in letzter Instanz die kapitalistisch verfassten Produktionsverhältnisse
bestimmend waren und blieben.
Entgegen allem Augenschein
kommt dem politischen Feld eine zentrale Rolle zu. Das politische Feld
ist ein gesellschaftlicher Raum besonderer Natur; es ist der Raum der
politischen Artikulationen und Praxen der Akteure; es ist der gesellschaftliche
Raum, in dem sich die jeweiligen politischen Kräfteverhältnisse herausbilden; es
ist der Ort, an dem über die politische Verfasstheit der
gesellschaftlichen Verhältnisse entschieden wird; es ist das soziale Feld, in
dem der Mainstream sanktioniert wird und sich als herrschender Diskurs
etabliert, um in alle anderen sozialen Felder einzusickern bis hinein in den
Alltagsverstand der Menschen. Das politische Feld ist das entscheidende
Kampffeld um die Deutungsmacht – die „agora“ moderner Gesellschaften,
mitnichten ein herrschaftsfreier Raum, weder in der Antike noch heutzutage.
Die Akteure des
politischen Feldes sind außerordentlich heterogen und agieren in
unterschiedlichen Bereichen und in mehr oder minder einflussreichen Positionen
innerhalb der hierarchischen Struktur des Feldes.
Die wichtigsten Akteure seien
genannt: unterschiedliche zivilgesellschaftliche Kräfte[1],
globalisierungskritische Bewegungen, Bürgerinitiativen, Gewerkschaften; Parteien
und deren Mitglieder, Wirtschaftsverbände und deren Schwarm von Lobbyisten;
Medien der unterschiedlichsten und vielfältigsten Art – einerseits
einflussreiche Leitmedien, die den mainstream wesentlich mitbestimmen und
verbreiten, andererseits Medien, die einen (anti-neoliberalen) Gegendiskurs
vertreten. Eher im Hintergrund wirkend, dem politischen Feld aber zuzurechnen,
sind die einflussreichen, finanzkräftigen Think Tanks[2],
die exklusive Presseclubs unterhalten, in denen nicht nur Wirtschaftsbosse,
sondern auch führende Politiker ein- und ausgehen.
Jedes soziale Feld ist als
hierarchisch strukturierter Raum mit konstanten
Ungleichheitsbeziehungen zu denken. Die Beziehungen in einem (politischen) Feld
werden durch wechselnde Kräfteverhältnisse bestimmt und die privilegierten
Positionen – über sie können politischer Einfluss und symbolische Macht
errungen werden – sind hart umkämpft. Wenn ein Feld als
hierarchisch strukturierter sozialer Raum betrachtet wird, wird
Unsichtbares sichtbar –verborgene Mechanismen, die Machtpositionen und
Feldstärken (Bourdieu) konstituieren und die für Handlungsoptionen auch über die
Feldgrenzen des Politischen hinaus wichtig sein können. Alle führenden Politiker
pflegen ein weit gefächertes Netzwerk, Kontakte zu Vertretern der Ökonomie, der
Medien, internationaler Institutionen etc. Eine Erfolg versprechende Teilnahme
am Kampf um privilegierte Positionen, ob und wie sich jemand positionieren kann,
hängt davon ab, was einer “investieren“ kann, wie viel Kapital jemand
besitzt. Der Erfolg, so Bourdieus These, ist die Frage des politischen (und
sozialen, kulturellen sowie symbolischen) Kapitals.[3]
Folglich resultieren die hierarchischen Strukturen des politischen Feldes aus
den strukturierenden Relationen der Akteure und deren symbolischen Effekten. Von
dauerhaften Essentialitäten kann also keine Rede sein, im Gegenteil sie
verändern sich je nach Feldstärken der unterschiedlichen politischen Kräfte
sowohl im engeren parlamentarischen als auch im größeren außerparlamentarischen
Raum.
Weil es um Macht und Einfluss,
schließlich auch um Karrieren und Geld geht, glauben die Akteure im
politischen Feld an das Spiel und seine Spielregeln, um im Bild zu bleiben – die
illusio (Bourdieu) lässt sie hoffen, dass sich ihr Einsatz
lohnt. „Das politische Spiel kennt keinen größeren Imperativ als die (...)
grundsätzliche Einwilligung in das Spiel selbst, illusio (...) die
Investition in das Spiel, die gleichzeitig ein Produkt des Spiels und die
Bedingung für das Funktionieren des Spiels ist.“ (Bourdieu 2001/ S. 78) Dieses
Verhalten ist insbesondere bei Politikern zu beobachten, die als Abgeordnete in
Gremien wie z.B. das Parlament gewählt werden. Um ein Spielfeld betreten zu
können, sind relativ hohe Eintrittshürden zu überwinden und vor allem die
Spielregeln zu beherrschen. Was die parlamentarischen Gremien, insbesondere
privilegiertere Positionen betrifft, so gelten Qualifikationen besonderer Art
als Voraussetzung, d.h., nicht nur allgemein kulturelle und soziale Kompetenzen,
sondern auch Kenntnisse von der Geschichte des politischen Feldes, deren
offiziellen und inoffiziellen Netzwerken und der besonderen Art und Weise in
diesen zu agieren, was sich alles nur in langen Prozessen politischer Aktivität
aneignen lässt. Die Karrieren führender Politiker/innen in den etablierten
Parteien bestätigen dies.
In den letzten Jahrzehnten
zeichnete sich eine Tendenz ab, dass auch die Medien jeweilige
Kräfteverhältnisse und die hierarchischen Strukturen im politischen Feld
entscheidend beeinflussen können. Im Mittelpunkt steht dabei der Einsatz von
symbolischer Macht auf beiden Seiten: Die Journalisten wählen als
Interviewpartner fast ausschließlich Spitzenpolitiker (wenn opportun auch mal
„Abweichler“); Spitzenpolitiker unterhalten sich in der Regel nur mit
ausgewiesenen politischen Journalisten. Die Akteure handeln jeweils entsprechend
den Logiken ihrer Felder und deren feldspezifischer Konkurrenzbeziehungen. Die
meisten Medien, auch Qualitätszeitungen und öffentliche Sender, kopieren
inzwischen Mechanismen der Boulevardpresse: wer die bekanntesten celebrities
vor die Kamera holen oder von ihnen ein paar „Neuigkeiten“ drucken kann, erzielt
einen Konkurrenzvorsprung. Auch Spitzenpolitiker sind ebenso wie andere
Berühmtheiten quoten– oder auflagenverdächtig. Deshalb müssen ihre Statements
kurz, prägnant und schnell zitierbar sein. Komplizierte Begründungen sind für
diese Art vordergründigen Journalismus’ ungeeignet. Auf der anderen Seite
steigert sich umgekehrt der Bekanntheitsgrad von Spitzenpolitikern, je öfter und
je populistischer sie in den Medien in Erscheinung treten. Medienauftritte
können symbolisches Kapital mehren und steigern symbolische Macht, was im
übrigen auch für die Journalisten zutrifft. Die Effekte dieser
spezifische Beziehungen zwischen führenden Politikern und
Spitzenjournalisten sind besonders wirkungsvoll, weil zwischen beiden Feldern,
dem der Medien und dem politischen Feld, die Eigenart einer strukturellen
Homologie besteht: obwohl sie verschieden sind, bleiben sie dennoch
vergleichbar; d.h. die hierarchischen Strukturen beider Felder ermöglichen ein
sich beidseitig begünstigendes Verhältnis. Kontakte zu wichtigen Politikern sind
auch den Karrieren von politischen Journalisten zuträglich.
Diese Effekte, die durch die
personalisierte Medienpolitik hervorgerufen werden, begünstigen autoritative und
selbstherrliche Verhaltensweisen insbesondere führender Politiker, was zu
Problemen für die Generierung politischer Prozesse führt. Ein allerseits zu
beobachtender „neuer“ Politikstil ist eine Mischung aus bloßen politischen
Statements und Erklärungen (ohne das Zulassen einer Replik in den Medien) und
autoritärem Regierungsstil: Wenn politische Prozesse auf in Medien verkündete
faits accomplis reduziert werden, kann nur noch der Eindruck von Willkür
entstehen, und in der Tat scheint vieles, was verkündet wird, nur für
kurze Zeitläufe Gültigkeit zu besitzen, wie fast tägliche Änderungen
und „Rückzieher“ von Äußerungen zeigen. Bekanntlich war Schröders
Politikstil ausgesprochen dezisionistisch, die anderen
Regierungsmitglieder, mit Ausnahme des Finanzministers, waren mehr oder weniger
zu Befehlsempfängern degradiert. „Ich“, der Kanzler, „fahre in meinem
Reformkurs fort“. Veränderungen sind kaum zu erwarten. Mit dieser Form von
Medienpolitik bricht sich eine „neue Form des Zentralismus“ (Richard Sennett)
Bahn: „Wie in der Wirtschaft (so verfügen) auch in der politischen Sphäre
einige wenige Spitzenpolitiker über sehr weitgehende Entscheidungsmacht. ....
(Ein) Ergebnis der Schwäche der Mitgliederparteien und der angestrebten
Beschleunigung der Entscheidungsfindungsprozesse. In diesem System gilt, je
weniger mitentschieden wird, umso besser. In den USA und in Großbritannien kann
man das auch an dem deutlichen Machtverlust der Kabinettsmitglieder nachweisen“
(Richard Sennett 2005). Eine neo-liberale Reformpolitik, die breiten
Bevölkerungsschichten nicht deren Lebensverhältnisse verbessernde Maßnahmen,
sondern Verschlechterungen zumutet, scheint konsequenterweise autokratisch sein
zu müssen.
In seiner historischen Genese,
setzt man seinen Beginn mit der französischen Revolution an, als das Bürgertum
proklamierte: „der 3. Stand ist die Nation“, mithin sich zum
Repräsentanten des Allgemeinen erklärte, entwickelte sich das politische Feld
zu einem einerseits öffentlichen und andererseits relativ autonomen
gesellschaftlichen Raum, in dem der Kampf um die Repräsentation des
gesellschaftlich Allgemeinen ausgetragen wird. Für Marx sind letztlich die
Interessen der lohnabhängigen Klassen mit dem gesellschaftlich Allgemeinen
gleichzusetzen, während die Interessen der Herrschenden partieller Natur sind,
weil sie sich aus privat angeeignetem gesellschaftlichem Reichtum herleiten. Vor
diesem Hintergrund, der in seinen Grundzügen nach wie vor besteht, sind alle
politischen Prozesse und wechselnden politischen Kräfteverhältnisse zu
betrachten. Im politischen Feld werden demnach Kämpfe um Repräsentation
ausgetragen, die prinzipiell den Interessen des einen oder anderen Lagers
dienlich sind. Dennoch gestalten sich die politischen Prozesse real auf Grund
der spezifischen Konstruktion des Feldes – sowohl seiner hierarchischen Struktur
als auch seiner relativ autonomen und dennoch „offenen“ spezifischen Logik als
sozialer Mikrokosmos – vielschichtig. Somit können sowohl politische Forderungen
als auch autorisierte Sprecher, die den Belangen der lohnabhängig Arbeitenden
und zivilgesellschaftlichen Akteure verpflichtet sind, je nach
Kräfteverhältnissen und unter bestimmten Voraussetzungen (erfolgreich) aktiv an
der Gestaltung der gesellschaftlichen Lebensverhältnisse (mit)wirken.
Staatliche Einrichtungen im
Sinne des sogenannten Gemeinwohls, gesetzliche Regelwerke, wie rechtsstaatliche
Schutzprinzipien (auch jene über den Eigentumsschutz hinausreichenden, wie
Arbeitsmarktgesetze), oder prinzipiell allgemein zugängliche
Bildungseinrichtungen, oder Gesundheits- und Risikovor- und Fürsorge, sind nicht
(nur)„großzügig“ gewährte Zugeständnisse der Herrschenden, wie sich gegenwärtig
mit aller Härte zeigt, sondern (auch) erkämpfte zivilisatorische
Errungenschaften.
[Anmerkung: Staat soll
hier weder – im Hegel’schen Sinne – als die widerstrebenden
Interessen der Gesellschaft ausgleichendes, zu einem allgemeinen Vernunftprinzip
vereinendes, in eigener Regie agierendes „Gebilde“, noch – im Marx’schen
Verständnis – lediglich als der „Ausschuss der herrschenden Klasse“ aufgefasst
werden, sondern staatliche Instanzen sind in ihrem Resultat immer Ausdruck der
jeweils vorhandenen Kräfteverhältnisse. Zu Marxens Zeiten dienten die
gesetzlichen Reglements selbstverständlich in letzter Instanz den Interessen der
Kapitalisten als Klasse insgesamt, auch wenn einzelne Kapitalisten gegen
Fabrikschutzkontrolleure oder Verbot von Kinderarbeit wetterten.
Selbstverständlich war die 10- Stunden-Bill Ausdruck vorausschauender
Kapitalinteressen, die dem allzu kurzsichtigen Verschleiß der Arbeitskräfte
Einhalt gebot. Auch dies entsprach den Interessen der Kapitalisten als Klasse.
Aber sollten die Arbeiterorganisationen hier opponieren?
Idealtypisch gesehen, wären
staatliche Maßnahmen, Einrichtungen etc., auch die Sicherheitsorgane wie Polizei
und Militär als Exekutivorgane der Legislative, sowohl deren
Kontrolle unterworfen, als auch durch sie veränderbar.
Gegenwärtig lässt sich der
ambivalente Charakter staatlicher Instanzen und Einrichtungen sehr gut
beobachten. Auf Grund vermeintlich notwendiger Einsparungen an staatlichen
Ausgaben können historisch herausgebildete, (nicht nur von Bismarck verfügte,
sondern auch von Arbeiterorganisationen erkämpfte) sozial- oder
wohlfahrtsstaatliche öffentliche Institutionen aufgelöst, privatisiert oder
abgebaut werden – weil dies durchaus im Interesse der herrschenden Klasse(n)
ist, aber auch weil die zivilgesellschaftlichen Kräfte, die sie verteidigen
könnten, zu schwach sind. Schließlich ist es auch gelungen, bei den Menschen ein
alltägliches Nichtwissen zu erzeugen, dass „public goods“ de facto
Gemeineigentum sind, die aus Lohn- und Einkommenssteuern (nicht etwa aus
Vermögen und Gewinnen) finanziert werden bzw. wurden. Nach Bourdieu amputiert
die neo-liberale Politik durch die „Zerstörung des Sozialstaats, (die) linke
Hand des Staates - am augenfälligsten: Gesundheitswesen“
[4],
indem sie die „rechte“ stärke, d.h. die Sicherheitskräfte, Militär und
Gefängnisse. „Das zentrale Paradox des neoliberalen Projekts ... : die Erhebung
des Marktes zum optimalen Apparat der Organisierung aller menschlichen
Aktivitäten setzt nicht nur einen minimalistischen ‚schlanken Staat’ an der
Wirtschafts- und Sozialfront voraus, sondern benötigt außerdem, ohne dass dies
ein Widerspruch wäre, einen größeren und geschäftigeren Staat, der für die
gewaltsame Intervention in die öffentliche Ordnung und die Verstärkung der
ausprägten sozialen und ethnischen Grenzen gerüstet ist.“[5]]
Meine schlussfolgernde These
lautet: Auf Grund der Logik des politischen Feldes, eines Feldes, das relativ
autonom und nach außen offen ist, und dessen Raum immer parlamentarisch und auch
außerparlamentarisch zu definieren ist, konnten im Zuge der Geschichte
allmählich auch Sprecher unterer Bevölkerungsschichten (Akteure linker
Parteien, sozialer Bewegungen und Gewerkschaften, kritische Publizisten und
Künstler) im politischen Feld mit Gegendiskursen und „Gegenkräften“
repräsentiert sein. So war es möglich, dass schließlich in zahllosen Kämpfen und
mit „guten“ und „schlechten“ Kompromissen auch die Reproduktionsbedingungen
der Arbeitskräfte zu Angelegenheiten des „Allgemeinen“ der sozialen
Verhältnisse erklärt werden konnten. Rückblickend konnte möglicherweise
eine historisch am weitest entwickelte Form von Repräsentation der
Bedürfnisse lohnabhängiger Bevölkerungsschichten unter kapitalistischen
Bedingungen in der sogenannten Prosperitätsphase – den „goldenen Jahren“ (Hobsbawm)
– etwa in der Zeit 1950 bis 1970 stattfinden. (Dennoch, ohne Aktivitäten der
Gewerkschaften und deren Mitglieder, ohne Mitbestimmung und tarifvertraglich
verbriefte soziale Regulationsweisen hätte sich das fordistische Produktions-
und Akkumulationsregime nicht bis an seine Grenzen entwickeln können.) So könnte
folglich eine Hypothese lauten: je höher der Grad an Autonomie des
politischen Feldes, desto demokratischer gestalten sich die
Beziehungen und Diskussionen, um so eher sind auch die Bedürfnisse der
lohnabhängigen Bevölkerung in Diskursen und politischen Prozessen repräsentiert.
Seit den 80er Jahren ist die Entwicklung gegenläufig: Mit
den Regierungen Reagan und Thatcher setzt die neo-liberale Gegenrevolution ein.
Gleichzeitig liegt auch hier der Beginn der sukzessiven Unterminierung sowohl
der Autonomie als auch der Homogenität des politischen Feldes
durch heteronome Kräfte, die neo-liberale politische und philosophische
Vorstellungen mehr und mehr ins Spiel bringen. Heteronome Akteure aus
anderen Feldern, insbesondere dem ökonomischen Feld einschließlich seiner
vielfältigen Instrumente wie der WTO, des GATT oder der EU-Kommission greifen in
die politischen Diskurse ein und gewinnen mehr und mehr Einfluss auf die
Entwicklung politischer Prozesse. Sprecher von Wirtschaftsverbänden,
Vertreter ihrer einschlägigen Netzwerkverbindungen und Think-Tanks, oder
führende Journalisten der Leitmedien wie Spiegel, FAZ, FTD (auch Bild
auf seine Art) avancieren zu autorisierten Akteuren im politischen Feld, ohne
demokratisch legitimiert, geschweige denn rechenschaftspflichtig zu sein.
Prinzipien wie Privatisierung und Wettbewerb verdrängen dem Gemeinwohl
verpflichtete und subsidiarische Grundsätze im Gesundheitswesen, bei
öffentlichen Dienstleistungen und Institutionen. Sie gelten als das non plus
ultra einer „Reform“ staatlicher Einrichtungen. Politische Instrumente
wie z.B. Investitionsprogramme des Staates, Regulierungen der Arbeitsmärkte,
geschweige denn Lenkung allgemeiner wirtschaftlicher Prozesse durch steuerliche
oder geldpolitische Instrumente, gelten als vermeintlich gescheiterte
keynesianistische Wirtschaftpolitik. Auch das veränderte politische
Kräfteverhältnis und die Feldkonstellationen im engeren wie im weiteren Bereich
des politischen Feldes sind letztlich Effekte des Einflusses dieser heteronomer
Akteure. Auch die staatstragenden politischen Parteien, die inzwischen
üblicherweise eingesetzten diversen Regierungskommissionen, die Spitzen der
Exekutive sind zu Adepten des neo-liberalen Diskurses geworden. Dies alles –
hier lediglich beispielhaft aufgeführt – zusammengenommen sind die
„Möglichkeitsbedingungen“ für die Formierung des Neoliberalismus zum
herrschenden Diskurs und für dessen „Dispositive der Macht“ (Foucault 1978).
Diskurse erzeugen Machtverhältnisse, und „Subjektivitätsformen“, da Individuen
sich ihnen unterwerfen, um als „Subjekte“ im Rahmen der herrschenden
Diskursstrategien zu handeln, wie z.B. an Verhaltensweisen führender Politiker
zu beobachten. Erfolgsstreben und Karriere erzwingen Unterwerfung unter das
neo-liberalen „Dispositiv der Macht“. Eine subjektive Unterwerfung unter soziale
Verhältnisse heißt, diese zu konstituieren. Die Dialekt von Unterwerfung und
Subjektivation verallgemeinert Judith Butler in Anlehnung an Freud zu einer
generellen sozialen Bedingung.[6]
„Der häretische Bruch mit der bestehenden
Ordnung und den Dispositionen und Vorstellungen, die sie bei den von ihren
Strukturen geprägten sozialen Akteuren erzeugt, setzt jedoch selber voraus, dass
ein kritischer Diskurs und eine objektive Krise zusammentreffen, um die
unmittelbare Entsprechung zwischen den inkorporierten Strukturen und den
objektiven Strukturen, aus denen sie hervorgegangen sind, aufbrechen und eine
Art praktischer epoché, eine Suspendierung der ursprünglichen Bejahung
der bestehenden Ordnung, einleiten zu können“ (Bourdieu 1990: 104, Herv. J.K.).
Paradoxerweise geht die oben
skizzierten Heteronomisierung des politischen Feldes mit einer
Abschottung gegenüber den „Laien“ einher: Die Beziehungen zwischen den
politischen Professionellen als gewählte Abgeordnete und den
außerparlamentarischen Laien haben sich, je höher die politische Ebene, desto
mehr entfremdet. Auch die Vermittlungsglieder zwischen den Sprechern und denen,
die sie zu ihren Sprechern delegieren, die teilweise in traditionellen
politischen Parteistrukturen aufgehoben waren, existieren kaum noch. Die
parlamentarischen Politiker, insbesondere Regierungsmitglieder und solche, die
in Führungspositionen sind, bewegen sich überwiegend mit Blick auf ihre
Konkurrenten und ihre Beziehungen zu ihnen; wichtig für sie sind vor allem
anderen ihre ganz persönlichen Performanzen in den (Medien-)Öffentlichkeiten.
(Der ehemalige Bundeskanzler Schröder und sein ehemaliger Vizekanzler Fischer
können hier paradigmatisch genannt werden.)
Dennoch, die Logik des
politischen Feldes bedingt, seit Akzeptanz sich nicht mehr in feudalen
Akklamationsstrukturen äußert und (notfalls) durch physische Unterdrückung
hergestellt wird, dass die professionellen Akteure nach wie vor ihrer Klientel
verpflichtet bleiben müssen. Noch ist ein (Austausch-)Verhältnis zwischen
„Professionellen“ und „Laien“ (Bourdieu) konstitutiv für das parlamentarische
Prinzip sogenannter westlicher Demokratien. Noch haben Wahlen bei den Laien
einen relativ hohen symbolischen Stellenwert, allerdings ist die
Wahlbeteiligung rückläufig und um sich greifende Ohnmachtsstimmungen in der
Bevölkerung verbreitet.
Hierin könnten die Chancen
der Linkskräfte bestehen, wenn es ihnen gelingt, gemeinsam mit den
sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Initiativen
sich zu einen Gegendiskurs zum herrschenden Diskurs des
Neo-Liberalismus im politischen Feld zusammenzufinden und sicht- und hörbar ihre
Vorstellungen zu repräsentieren. Könnten der erstaunliche Zuspruch (z.B. bei den
Wahlen im September 2005 in der BRD) und die politische Aufbruchsstimmung
allgemein (z.B. bei den Antimondialisten) nicht den Wunsch zum Ausdruck bringen,
die politische Entwicklung der sozialen Verhältnisse beeinflussen und
mitbestimmen zu wollen und zu können?
Diese relativ ausführliche
Skizze zur Charakteristik des politischen Feldes sollte verdeutlichen, dass es
als ein „privilegierter Ort für die Ausübung einer Macht der Repräsentation“
(Bourdieu 2001/82) anzusehen ist.
II. Formen der politischen
Repräsentation:
1. Vorstellungen, 2.
Darstellung und 3. Stellvertretung
Zu 1. Repräsentation als
Vorstellung
Wie die gesellschaftlichen und
sozialen Verhältnisse im politischen Feld interpretiert werden, ist von
entscheidender Bedeutung, denn soziale Realität offenbart sich uns nicht „an
sich“ und unmittelbar, sondern wird immer als gedeutete wahrgenommen. Selbst
„Natur“, allemal jedoch gesellschaftliche Phänomene werden entweder in
tradierten Deutungen oder aktuellen Interpretationsangeboten des herrschenden
gesellschaftlichen Diskurses perzipiert. Dies gilt insbesondere für aktuelle
politische und soziale Konstellationen. Die meisten Deutungsmuster, insbesondere
solche des alltäglichen Lebens, für eine subjektive Orientierung unabdingbar
notwendig, werden historisch und kulturell, natürlich unterschiedlich je nach
den Lebensverhältnissen, in denen jemand heranwächst, tradiert. Alltägliche
Sichtweisen und erlernte subjektive Dispositionen, ohne sie wäre der Alltag
nicht zu bewältigen, sind sehr zählebig, sie verändern sich, wenn überhaupt, nur
allmählich und oftmals kaum merklich.
Einstellungen oder
Orientierungen im politischen, insbesondere im aktuell politischen Bereich
verändern sich in der Regel kurzfristiger; gesellschaftlichen Verkehrsformen,
insbesondere in Verbindung mit sich verändernden Arbeitsmethoden und
-tätigkeiten, wie z.B. vom Beginn der Industrialisierung bis hin zur
I.u.K-Technologisierung, wandeln sich wesentlich rascher und grundlegender als
die alltäglichen Lebensgewohnheiten. Vergegenwärtigen wir uns, dass sich die
neo-liberalen Konzepte und Prinzipien in wenigen Dezennien zum herrschenden
Diskurs profilieren konnten und relativ breite Akzeptanz auch über das
politische Feld hinaus gewonnen haben, so wird offensichtlich, welche
Kräfte die Deutungs- und Definitionsmacht im politischen Feld erobern
konnten.
Interpretationen von sozialen
Verhältnissen sind immer auch Orientierungsangebote, insbesondere wenn sich die
Verhältnisse rasant verändern und spontan unverstanden bleiben, und wenn kaum
alternative Orientierungsangebote vorhanden sind. Die aktuellen und raschen,
von den meisten Menschen auch unmittelbar erfahrenen Veränderungen während der
letzten zwei Jahrzehnte sind gravierend, alleine die Verhältnisse auf den
Arbeitsmärkten: von einer Situation der relativen Vollbeschäftigung, in der
Arbeitsplatzverluste immer wieder mehr oder weniger aufgefangen werden konnten,
hin zu einer massenhaften Arbeitslosigkeit, für viele ohne jegliche Perspektive.
Unter solchen Bedingungen werden Orientierungen und Erklärungen gesucht. Wenn in
derartigen sozialen Situationen Erfolg versprechende neo-liberale Konzepte von
offiziellen Regierungssprechern, gewichtigen Wirtschaftsbossen, bis hin zu
einschlägigen Wissenschaftlern – legitimiert durch die Autorität ihrer
Positionen – allerorts verkündet werden und zudem ohne vernehmbaren Widerspruch
von Gegenkräften bleiben (erinnert sei in diesem Zusammenhang an die massiven
Diskriminierungen der Gewerkschaften in fast allen Medien), konnten diese
schließlich, allen lokalen Protesten und Widerständen zum Trotz, Fuß fassen. Als
„Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata“ (Bourdieu)[7]
werden die herrschenden Sichtweisen vielfach aufgenommen und im Habitus
derjenigen Menschen, die sie akzeptieren oder selbst keine Alternativen sehen,
inkorporiert. Als subjektive Disposition schließlich ist der Habitus die
handlungsgenerierende Instanz, welche auf dem Zusammenspiel von individueller
Erfahrungsgeschichte und gesellschaftlichen sozialen Vorstellungen beruht. Der
Erfolg eines herrschenden Diskurses besteht darin, dass es ihm gelingt,
eine Kongruenz, also eine „übereinstimmende Sichtweise“ zwischen
subjektiven, aus den biographischen Erfahrungen herrührenden
Interpretationen sozialer Verhältnisse und den sich aufzwingenden
allgemeinen offiziellen Vorstellungen herzustellen. Hierin schließlich
gründet eine (wie auch immer geartete) Akzeptanz nicht zu akzeptierender
neo-liberaler Maßnahmen und durch sie herbeigeführter aktueller
Veränderungen.
Um eine derartige
Übereinstimmung herzustellen, bedient sich der herrschende neo-liberale
Diskurs vielfältiger (Herrschafts-)Methoden. Einige seien beispielhaft
skizziert:
Umdeutungen von sozialen
Kategorien,
Einsatz von
Teilungsprinzipien und
im Erkennen eines sozialen
Problems eine Verkennung erzeugen.
a) Umdeutungen
Die Reden von Krise
und Reform in ihrer seriellen Erscheinungsform sicherten sich
allgegenwärtige Präsenz. Indem der Begriff Reform in einen neuen Kontext,
nämlich der neo-liberalen Essentials wie freies Spiel der Marktkräfte,
Wettbewerb den Tüchtigsten, Effektivität durch schlanke Strukturen etc.,
transponiert und als Modernisierung umgedeutet wird, verliert er seine
ursprünglich für sozialen Fortschritt stehende Bedeutung. Dennoch ist der
Begriff Reform nach wie vor bei vielen Menschen mit Erfahrungen
verknüpft, die aus einer Zeit zwischen den 1950 und 1970er Jahren herrühren, in
denen auch Dank einer starken Gewerkschaftsbewegung die Lebensverhältnisse durch
soziale Reformen tatsächlich verbessert werden konnten. Damals standen
Vollbeschäftigung und die Überwindung sozialer Ungleichheiten im Zentrum
(sozialdemokratischer und linker) politischer Optionen, sie waren dominante
Essentials des damaligen politischen mainstreams. Somit sind Reformen im
Gegensatz zum gegenwärtig herrschenden Diskurs als „soziale Phantasmen“ (Bourdieu)
im Alltagsverstand der meisten Menschen in unserem Land immer noch mit
Hoffnungen auf bessere Lebensbedingungen besetzt.[8]
Dem neo-liberalen Diskurs gelingt es, die Kategorie „Reform“ für die andere
Seite zu instrumentalisieren, um den Arbeitsmarkt zu deregulieren, die sozialen
Sicherungsinstitutionen auszuhöhlen, public goods zu privatisieren, das
Bildungssystem zu dekonstruieren.
Die neo-liberale Definition
von Krise meint Wachstums-, besser Verwertungskrise des
Kapitals. Die sozialen Einrichtungen geraten zu entweder nicht tolerierbaren
Ausgaben für den Staat, oder zu nicht tragbaren Kosten für das Kapital, wie z.B.
Lohnnebenkosten oder Nachschichtzulagen, oder zu Wettbewerbshemmnissen (bzw.
-vorteilen) auf den nationalen oder globalen Märkten wie z.B. staatlich
finanzierte Dienstleistungen.
b) Teilungsprinzipien
Ausgesprochen wirksam sind die
Effekte von sozialen Teilungsprinzipien. Einteilungen von Menschen, Dingen oder
Aktivitäten erscheinen für sich genommen gleichsam willkürlich. „Durch ihre
Eingliederung in ein System homologer Gegensätze“ erlangen sie „objektive und
subjektive Notwendigkeit“ (Bourdieu 2005/S.18). Folglich geraten Gegensatzpaare
wie z.B.: Arbeitsplatzbesitzer/Hartz IV Empfänger[9];
Anständige/Abzocker; Deutsche/Ausländer; Wessis/Ossis; Junge/Alte;
Experten/Laien zu sozialen Scheidelinien. Diese Gegensatzpaare sind sich
ähnlich hinsichtlich ihres jeweiligen Unterschieds, dennoch „ist ihre
Übereinstimmung groß genug, um sich in und durch das unerschöpfliche Spiel der
praktischen Übertragungen und Metaphern gegenseitig zu stützen“ (Bourdieu,
ebenda). Andererseits sind die Gegensätze verschieden genug, um eine
unterschiedliche Konnotation und ungleiche Bewertung zu gestatten, wodurch
wirksame Effekte erzeugt werden können. Als Wahrnehmungsmuster bleiben sie im
allgemeinen präreflexiv, sie werden aber dennoch inkorporiert und schlagen sich
schließlich im handlungsgenerierenden Habitus nieder, (vergleiche die
verbreitete Ausländerfeindlichkeit, oder Diskriminierung von Arbeitslosen).
Gegensatzkonstrukte sind je akzeptierter und verbreiteter, desto mehr sie durch
Reden von öffentlichen Autoritäten oder durch politische Maßnahmen, wie der
aktuellen Arbeitsmarktpolitik, der Migrations- und Asylgesetzgebung, der
Gesundheits- und Rentenreformpolitik legitimiert sind.
Zu den wirksamsten
Herrschaftsprinzipien auch des neo-liberalen Diskurses gehört die fast
allgegenwärtige Einteilung der sozialen Welt in Geschlechter nach dem Gegensatz:
männlich und weiblich. „Dieses Prinzip der Di-Vision, dass die Vision der Welt
strukturiert, (gibt sich) nirgends auf so evidente und kohärente Weise zu
erkennen wie in diesem extremen und deshalb paradigmatischen Fall eines sozialen
Universums, in dem es durch die objektiven Strukturen und durch einen
kollektiven und öffentlichen Ausdruck in einem fort verstärkt wird.“ (Bourdieu
1997/S.156)
c) Verkennungen
Auch Verkennungen (Bourdieu)
sind Formen symbolischer Macht. Wenn die Bedingtheiten
sozialer, historischer Verhältnisse als solche ausgeblendet bleiben – dies
eine beliebte Methode in vielen journalistischen aber auch neo-liberalen
wissenschaftlichen Auslassungen – können soziale Probleme, indem man sie mit dem
Schein einer Naturgegebenheit umgibt, ontologisiert werden, wie
z.B. oftmals behauptet wird, Frauen seien durch die Tatsache, dass sie die
Kinder gebären, im normalen Arbeitsleben gehandikapt und nicht voll
einsatzfähig. (Nach wie eine verbreitete gesellschaftliche Mythologie). Oder
wenn historisch tradierte Charakteristika einer Bevölkerungsgruppe zu
wesenhaften Eigenheiten umgedeutet werden, wie oftmals im rechten oder
konservativem politischen Spektrum, wird das soziale Problem des verbreiteten
Rassismus oder der Frauendiskriminierung und deren wirkliche Ursachen verkannt.
Die Ursachen sozialer Probleme erkennen (können), würde eine Einsicht in
ihre soziale und historisch Relativität ermöglichen; als von Akteuren erzeugte
soziale Verhältnisse begriffen, können sie auch als veränderbar erkannt werden.
Ein aktuelles und
enervierendes Beispiel für Verkennungen ist der immer wieder auftauchende, für
verschiedene Zwecke instrumentalisierte Diskurs zur demographischen Entwicklung
unserer Gesellschaft. Wie ein Phantom wird eine drohende „Vergreisung“ in die
Welt gesetzt und ein Geburtenrückgang beschworen (als könnten wir nicht
„genügend“ Migrantenkinder haben, würden menschlichere Einwanderungsgesetze
erlassen). Politiker, Experten, Medien arbeiten hier Hand in Hand: Die Alten,
ihrer zu viele, leben auf Kosten der Jungen, und die Jungen sind zu egoistisch,
um Kinder in die Welt zu setzen. Als quasi objektive Fakten für
Argumentationsstränge dieses Diskurses dienen die Zahlen der demographischen
Statistiken. Erkannt werden soll die „Vergreisung“ als naturgegebenes
biologisches Phänomen, das jegliche Vor- und Fürsorgesysteme finanziell
überfordert. Der Diskurs produziert aber gleichzeitig das Verkennen dessen,
dass Probleme sozialer und finanzieller Art, die durch eine wachsende Zahl alter
Menschen tatsächlich entstehen, politisch zu bewältigen sind, indes nicht ohne
alternative Konzepte und politische Strategien, anstelle gegenwärtiger Spar- und
Privatisierungsmaßnahmen. „Sofern die Fortpflanzungsrate der Menschen ... oder
die zunehmende ‚Vergreisung’ der Gesellschaft ... ins Zentrum der öffentlichen
Aufmerksamkeit rückt, spielen Eigentums-, Macht- und Herrschaftsverhältnisse im
Sinne größerer sozialer Gerechtigkeit bzw. Gleichheit (Umverteilung von
Einkommen, Vermögen und Erwerbsarbeit) nur eine Nebenrolle. Dies liegt
ausschließlich im Interesse derjenigen Klassen, Schichten und Gruppen, die
überversorgt bzw. privilegiert sind.“ (Butterwegge 2004/1/55)
Das Prinzip Erkennen als
Verkennung ist eine alte Diskursmethode: Anlässlich eines Besuchs in Siena
fiel beim Betrachten der Fresken aus dem frühen 14. Jahrhundert von Ambrogio
Lorenzetti auf, dass in der Darstellung des Malers Ursache und Wirkung
vertauscht werden, um die beschriebenen Diskurseffekte zu erreichen: Wir sollen
eine „gute Regierung“ sehen, die dafür sorgt, dass Gewerbe und Handel florieren.
Eine „gute Regierung“ bringt der Stadt Prosperität, auch die Landwirtschaft kann
gedeihen. Könnte das Verhältnis nicht eher umgekehrt sein? Anders als
Lorenzetti’s Auftraggeber es wünschten? Dann wäre eine „gute Regierung“
Resultat, d.h. sie kann sich erst auf der Basis eines einträchtigen Austausches
zwischen Stadt und Land entwickeln. Auf dem Fresko, das die „schlechte
Regierung“ darstellt, sind die „schlechten“ Handlungen der Menschen, wie
Diebstahl, Mord, Zank und Streit und die dem entsprechenden martialischen
Sanktionen zu sehen. Natürlich soll die Darstellung der „schlechten Regierung“
den Menschen Angst und Schrecken einjagen, ihnen die Gefahr der ewigen
Verdammnis vor Augen führen, symbolisiert in vielen großen und kleinen
hässlichen Teufelchen. In unsere Tage übertragen könnten Lorenzetti’s
Darstellungen so gelesen werden: Einer Regierung, die sich gegen die Interessen
der Mehrheit der Bevölkerung stellen kann, ist es gelungen, ein Kräfteverhältnis
zu erzeugen, in dem die kritischen Stimmen ungestraft diffamiert und kaum zu
Gehör gebracht werden können. Mit anderen Worten: eine „schlechte“ Regierung
dient den Interessen der reichen Minderheit immer dann, wenn die Mehrheit die
maßgeblichen politischen Prozesse nicht mitbestimmen kann.
Verkennungen sind
also diskursiv erzeugte Sichtweise der sozialen Welt – entweder in
aktuellen politischen Prozessen oder in traditionellen Überlieferungen.
Zu 2. Repräsentation als Darstellung
Die Sprache ist allen noch so kunstvollen medialen
Performancemöglichkeiten zum Trotz nach wie vor das wichtigste Medium der
Darstellung im politischen Feld. Hart umkämpft und zentrales Instrument der
Produktion von Deutungsmustern. Diejenigen Kräfte, die Worte (Begriffe oder
Slogans) „besetzen“ und ihnen den Inhalt ihrer politischen Optionen geben
können, haben die Deutungsmacht über sie. Worte oder Begriffe existieren in der
sozialen Welt nicht bedeutungsneutral oder „außerhalb“ politisch-sozialer
Kontexte. Am Begriff Reform, dem im übrigen eine Schlüsselposition im
neo-liberalen Kontext zukommt, wurde weiter oben im Text illustriert, welchen
Bedeutungswandel ein Begriff, der ehemals für ein fortschrittliches Programm
stand, in einem neo-liberalen Kontext erfährt.
dem neo-liberalen Diskurs
gelingen, ein neue globale „lingua franca“ als wirkungsvolles
Darstellungsinstrument neo-liberaler Elitenetzwerke in Umlauf zu bringen.
Dadurch gewinnen deren zentrale (philosophischen) Glaubenssätze den Anschein
universal gültiger Kriterien. Die Kategorie Globalisierung, als ein
Synonym für ungehindertes „freies Spiel der Kräfte“ weltweit,
unabhängig von der Beschaffenheit oder der Vielfältigkeit lokaler Märkte, wird
substantialisiert und damit jeglicher Kritik enthoben. Ähnlich wird mit der
Kategorie Wettbewerb verfahren – als Wert an sich, von universaler
Wirksamkeit, ist er bar jeglicher spezifisch ökonomischer oder sozialer
Bedingungen und Voraussetzungen zu gewährleisten. (Die nationalen Kartellämter,
Kommissionen der EU und der WTO sind die wichtigsten Schiedsinstanzen, die über
die Einhaltung von Wettbewerbsprinzipien wachen, die insbesondere von den großen
Kapitalzusammenschlüssen wie transnationalen Konzernen und Supramonopolen
gefordert werden.)
Und schließlich als ein
weiteres Beispiel sei die Kategorie Eigeninitiative angeführt – sie wird
im neo-liberalen Kontakt zur menschlichen Tugend schlechthin.
Was als universell postuliert
wird, ist in Wirklichkeit partikularistisch. Die Kategorien der lingua franca
resultieren aus den spezifischen historischen Gegebenheiten in den USA und
traten in der Ära der Reagan-Regierung ihren Feldzug um die Welt an – im
Windschatten scheinbar neutraler internationaler Organisationen wie WTO,
Weltbank, IWF, die sich an den US-ökonomischen Industrie- und Finanzmärkten
ausrichten.
Die lingua franca ist
ein Instrument symbolischer Gewalt gegen alle, die nicht zu den
Gewinnern und Reichen gehören, ob Individuen, Bevölkerungsgruppen
oder kleine Länder. Symbolische Gewalt wird von denjenigen ausgeübt, die
über symbolische Produktionsinstrumente verfügen. Die meisten
internationalen ökonomischen Organisationen (wie Weltbank, WTO oder IWF) werden
heutzutage von den USA dominiert. Auch ein Sprachsystem ist nie nur ein
kommunikatives Ausdrucksmittel, sondern immer auch ein Instrument
symbolischer Macht. (Es kann dies auch im Sinne der Aufklärung sein.)
Vielfach wird unterschätzt, wie eng Politik und Sprache miteinander verknüpft
sind. Insofern ist „in der Politik ... nichts realistischer als der Streit um
Worte. Ein Wort an die Stelle eines anderen setzen, heißt (oftmals) die Sicht
der sozialen Welt zu verändern und dadurch zu deren Veränderung beizutragen. ...
In Bezug auf die soziale Welt ist die neo-kantianische Theorie, die der Sprache
und allgemeiner den Repräsentationen eine eigene symbolische Wirksamkeit
der Realitätskonstruktion zuschreibt, vollkommen begründet.“ (Bourdieu 1992
S.84/85)
Zu 3. Repräsentation als Stellvertretung
Obwohl der Schein ein anderes Bild vermittelt,
sind die politischen Repräsentanten Sprecher einer Gruppe, die ihnen das
Mandat für sie zu sprechen erteilt, mehr noch: eine Gruppe tritt
nicht nur durch ihre Sprecher in der Öffentlichkeit in Erscheinung, sondern
oftmals formiert sie sich als solche erst durch ihre
Repräsentation im politischen Feld – sei es durch ihre inhaltlichen
Manifestationen, sei es durch die personelle Repräsentanz ihrer Sprecher.
Zwischen dem/den Sprecher(n) und einer Gruppe besteht eine Beziehung besonderer
Art, die sich nicht lediglich in dessen/deren Wahl zu/m Mandatsträger(n),
der/die „nur seinem Gewissen verantwortlich“ ist/sind, erschöpft, sondern
zwischen Sprechern und Gruppe besteht ein metonymisches Verhältnis. Der
Sprecher ist Part der Gruppe, „... der als Zeichen anstelle der
Gesamtheit der Gruppe fungieren kann“ (Bourdieu 1992/S.177). Dieses
besondere Verhältnis hat sich in einer historischen Zeit herausgebildet, als
sich im Zuge der Klassenkämpfe die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften als
Organisationen der lohnabhängigen Arbeitermassen zu formieren begannen. Lange
Zeit galt die Sozialdemokratie als die autorisierte Sprecherin der
lohnabhängig arbeitenden Bevölkerung, deren einzelne Mitglieder, auf Grund ihrer
sozialen Existenzbedingungen (und weil ihre Zahl sich rapide vergrößert hatte)
nicht über die symbolischen Produktionsinstrumente verfügten, um einzeln für
sich sprechen zu können, wie ehedem die adeligen oder bourgeoisen Mitglieder der
französischen Generalstände.
Die Sozialdemokratie in Deutschland (oder die
Arbeiterparteien in anderen Ländern) repräsentierte die
politischen und sozialen Forderungen der Arbeiterbewegung im politischen Feld;
ihre parlamentarischen Delegierten, im Abgeordnetenhaus früher links
platziert, waren die gewählten Sprecher ihrer Sache. Sie galten,
und als solche wurden sie auch im politischen Feld wahrgenommen, als die
Repräsentanten einer (sozialen) Reformprogrammatik, die darauf abzielte, die
sozialen Lebens- und Arbeitsverhältnisse zu verbessern. Heute dagegen mutmaßt
sich die deutsche Sozialdemokratie als Vertreterin des „ganzen Volkes“ oder als
Partei der „Mitte“[10]
und glaubt als „staatstragende Kraft“ die Interessen der Wirtschaft zu
vertreten. Aus den Reformprogrammatiken werden die sozialen Aspekte
eliminiert und zu neo-liberaler Modernisierung von gesellschaftlichen
Institutionen, wie z.B. Gesundheits- oder Bildungswesen und Arbeitsmärkten,
umgedeutet. Die deutsche Sozialdemokratie trägt eine Mitverantwortung am
Niedergang der demokratischen, linken Diskussionskultur in unserem Land – und
nicht nur der Zerfall klassischer Arbeitermilieus mit ihren spezifischen
Kommunikations- und sozialen Netzstrukturen in Zuge um sich greifender
Deindustrialisierung.
Sicherlich erschweren die neuen Wohnverhältnisse
und vor allem auch die veränderten Arbeitsstrukturen die Möglichkeit, mit vielen
Menschen aus der arbeitenden Bevölkerung in einen linken Diskussionsprozess zu
kommen. Wer allerdings ausschließlich auf die Medien als Kommunikationsmedium
setzt, hat gleich verloren (hierfür waren die Bundestagswahlen vom Herbst 2005
ein lehrreiches Beispiel für die großen sogenannten Volksparteien). Aber die
Probleme sind nicht unüberwindlich, wenn es gelingt, neue
Kommunikationsformen zu entwickeln. Soziale Bewegungen, zahlreiche Initiativen,
Gewerkschaften und die Linkspartei versuchen an verschiedenen Fronten
erfolgreich, die hohen Mauern der Ausgrenzung durch den herrschenden Diskurs zu
durchbrechen. Dennoch, auch für sie bleibt im Zentrum der politischen
Repräsentation als Problem das sensible metonymische Verhältnis als eine
Beziehung zwischen Professionellen und Laien. Einen ständigen Dialog zu
organisieren ist nicht einfach, dennoch notwendig für eine Repräsentation von
Vorstellungen, die nicht nur eine Minderheit privilegieren, sondern die große
Zahl der lohnabhängig arbeitenden Bevölkerungsgruppen, die sich nur über ihre
Sprecher zu Gehör bringen können, und deren Lebensbedingung sich umgekehrt
nur dann zum Besseren wandeln können, wenn sie selbst in die Diskussionen
einbezogen sind und an der Entwicklung der politischen Prozessen teilnehmen
können. In anderen Worten: die Konstellation einer notwendigen Arbeitsteilung im
politischen Feld allgemein und im parlamentarischen
Kristallisationspunkt im besonderen – auf der einen Seite politische „Professionelle“
und der anderen politische „Laien“ (Bourdieu) – birgt immer die Gefahr
einer Entfremdung der gewählten Abgeordneten von denjenigen, die sie beauftragt
haben.
Die Professionellen sind im Besitz der
symbolischer Produktionsmittel, sie repräsentieren die Laien,
sie sind deren Sprecher – eine „Übertragung bei gleichzeitiger
Enteignung von symbolischer Macht“ (Bourdieu). (Die symbolische
Macht der Laien ist ihre große Zahl). Bei den etablierten Parteien ist zu
beobachten, dass sich die Kluft zwischen beiden Seiten seit Jahren vergrößert
hat. Von Medien und zweckdienlichen Wissenschaftlern wird dies Phänomen
als vermeintliches Desinteresse der Laien an Politik vermerkt,
ohne je das strukturelle Problem des Verhältnisses zwischen beiden Seiten zu
diskutieren. Das Monopol der politischen Diskussionen im politischen Feld
besitzen die Professionellen, Journalisten, Intellektuelle. Sie
„benennen“ die politischen Probleme. Und die „Kommunikation“ mit den Laien
beschränkt sich im wesentlichen auf die kurzen Phasen öffentlicher
Wahlkampfauftritte, in den Zwischenperioden führen sie politische Diskussionen
in und mit den Medien. Die Rolle der Medien hingegen beschränkt sich keineswegs
auf eine neutrale, meinungsbildende Informationsvermittlung und Aufklärung über
die Genese politischer Prozesse, sondern die spezifischen Logik des Medienfeldes
bestimmt die Berichterstattung in erster Linie. Die Medienauftritte von
Politikern wiederum finden vor dem Hintergrund der Konkurrenzbeziehungen im
politischen Feld statt, denn dort geht es immer um privilegierte Positionen in
der Hierarchie des Feldes. Die strukturellen Konkurrenzbeziehungen provozieren
geradezu individualistische Aktivitäten, die sich vor dem Hintergrund der
politischen Gegenspieler in erster Linie um die subjektiven symbolischen
Performanzen zentrieren. Auch hierbei spielen Medien eine
wichtige Rolle – im Extremfall kreieren oder vernichten sie politische
Karrieren. Statt eines aufwendigen Dialogs in den Niederungen der
Parteistrukturen präferieren führende Politiker Einladungen in exklusive
Presseclubs oder zu einflussreichen Elitenetzwerken. Die weltweit
organisierten neo-liberalen Think Tanks vermitteln nicht nur
inhaltliche Konzepte, sondern bei den diversen Einladungen und Zusammenkünften
eher ganz beiläufig auch eine Empfindung für entsprechende politische
Notwendigkeiten. Unsichtbare „Türsteher“ allerdings prüfen vor Einlass in
die Elitezirkel, ob jeglicher soziale Parteiballast vorher abgestreift oder
gewerkschaftlicher und sozialer Bindungen entledigt worden ist.
Am Beginn eines neuen parlamentarischen,
linken Aufbruchs, der nur im intelligenten Zusammenspiel
außerparlamentarischen Aktivitäten seinen Schwerpunkt haben kann, sollte
sich unser Augenmerk jenseits von eingeschliffenen, mehr oder weniger
unhinterfragten, politischen und organisatorischen Traditionen auf die oben
skizzierten Schwierigkeiten richten, mit denen auch wir konfrontiert sind.
e-mail: johanna.klages@t-online.de
Literatur:
Bourdieu, Pierre 2001, Das politische Feld.
Konstanz
Bourdieu, Pierre 2005, Die männliche Herrschaft.
Frankfurt/Main
Butler, Judith (2001), Psyche der Macht. Das Subjekt der
Unterwerfung. Frankfurt/M.
Butterwegge, Christoph: Rückt die politische
Mitte nach rechts? Schlussfolgerungen aus dem „Fall Hohmann“. In: Forum
Wissenschaft
Sennett, Richard 2005, Gespräch im
Deutschlandfunk am 7. August (Manuskript)
Volpert, Walter 2005; Handeln, Können – Der Blick auf die
individuelle Kompetenz. Eingeladener Einleitungsvortrag auf der 5. Jahrestagung
der Österreichischen Gesellschaft für Forschung und Entwicklung im
Bildungswesen, 29.9. – 1.10. 2005, Universität Linz
[1] Erstaunlicherweise sind
die zivilgesellschaftlichen Initiativen und Aktivitäten sowie deren
Akteure zahlenmäßig während der letzten 20 Jahre stark angewachsen. Bis
auf wenige wie z.B. Attac und andere globalisierungskritische Bewegungen
sind die meisten in ungekehrtem Verhältnis zu ihrem zahlenmäßigen
Anwachsen politisch wenig einflussreich.
[2] Eines der ältesten
mächtigsten Netzwerke unterhält die Mont Pèlérin Society, in der
einst Friedrich von Hayek, einer ihrer Urväter, sowie die Chicagoer
neoliberalen Wirtschaftstheoretiker Friedman und Buchanan ein wichtige
Rolle spielten.
[3] Eine Unterscheidung
dieser drei Kapitalarten erscheint lediglich aus analytischen Gründen
sinnvoll, de facto bilden sie ein eng verwobenes, sich gegenseitig
begünstigendes Ensemble subjektiver Habitusformen. Politisches
Kapital ließe sich definieren als die Kenntnis der Geschichte des
politischen Feldes; soziales Kapital über ein Netzwerk von
Beziehungen verfügen zu können, kulturelles Kapital bedeutet
Besitz von Titeln, kultureller Kompetenz, auch von (Hoch-)Sprache und
Sprechweise etc., und symbolisches Kapital schließlich die
(gesellschaftliche) Anerkennung all dessen, was aufgeboten werden kann.
Mit anderen Worten: ein Arzt wird nur als Autorität in Sachen Gesundheit
akzeptiert, wenn er durch entsprechende Zertifikate in seiner
beruflichen Kompetenz (symbolisch) legitimiert ist. Ein Priester kann
z.B. nur dann (symbolisch) als Stellvertreter Gottes auf Erden wirken,
wenn er kirchlich anerkannte Weihen empfangen hat. Über symbolisches
Kapital verfügen auch gewählte Sprecher einer Partei, einer
Gewerkschaft oder sozialen Initiative, je nachdem wie angesehen oder/und
wie stark diese in zivilgesellschaftlichen Bereichen und
außerparlamentarischen Bewegungen verankert sind, wie groß ihre
Mitgliederzahl ist und wie viel Publizität die Organisation erreicht
hat. Das symbolische Kapital eines Politikers resultiert u.a. vor
allem aus der Position in der Hierarchie des politischen Feldes.
[4] Bourdieu, Pierre
(2000); Neoliberalismus und neue Formen der Herrschaft. In
Sozialismus 12/2000, S.10-16
[5] Wacquant, Loic (2005);
Zur Militarisierung städtischer Marginalität. Argument Jg. 47, Heft 5/6,
S. 145
[6] „Subjektivation besteht
eben in dieser grundlegenden Abhängigkeit von einem Diskurs (z.B. die
Art und Weise der Erziehung des Vaters, J.K.), den wir uns nicht
ausgesucht haben, der jedoch paradoxerweise erst unsere
Handlungsfähigkeit ermöglicht und erhält.“ (Butler 2001: 8)
[7] Volpert (2005/ 4)
schlägt vor, für den Begriff „Schemata“ eher den Begriff „Muster“
einzusetzen. Angebote sozialer Deutungen von Verhältnissen werden als
Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster aufgenommen, nachgeahmt
und in den Habitus einverleibt. Außerdem sind Muster als (relativ, J.K.)
flexibel zu betrachten, weil sie sich verändern können.
[8] Im übrigen war der
Begriff „Reform“ ursprünglich nicht nur eine sozialdemokratische
Schöpfung, sondern stand auch für ihr programmatisches Konzept einer
gesellschaftlichen Veränderung.
[9] Das
erinnerungsträchtige Abschiedsgeschenk von
Expertenkommissionsversitzender Hartz und Wirtschafts- und
Arbeitsminister Clement.
[10] Allein ein Versuch die
Begriffe Volk oder Mitte zu definieren, könnte demonstrieren, dass sich
„Volk“ nicht auf die nationale Komponente reduzieren lässt, außer man
will ihn explizit nationalistisch verstanden wissen, und auch der
Begriff „Mitte“ ist nicht präzise bestimmbar.
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