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Juergen Albohn: Theorie ohne revolutionäre Praxis ist Opium fürs Volk
- Eine Kritik der Wertkritik -

Die Wertkritik erfreut sich in linken Zusammenhängen ungebrochen großer Beliebtheit. Auch nach dem Ausschluss ihres prominentesten Vertreters Robert Kurz aus dem Krisisprojekt ist eher eine Erweiterung bzw. Verdopplung der Bedeutung dieser marxistischen Denkrichtung zu erwarten, da der Auschluss von Robert Kurz, Roswitha Scholz u.a., so wird aus Insider-Kreisen berichtet, primär mit internen persönlichen Querelen denn mit inhaltlichen Differenzen innerhalb der Krisis-Gruppe zu tun hat. Anlass genug, sich einmal mit den grundsätzlichen Merkmalen und Basiskategorien dieses Diskurses kritisch auseinanderzusetzen.

Der vorliegende Aufsatz versucht in einer Auseinandersetzung mit grundlegenden Arbeiten der Krisis-Gruppe Nürnberg, welche im Jahre 1986 als HerausgeberIn der Zeitschrift “Marxistische Kritik” ihre Arbeit begann, aber auch in einer mit dem ISF (Initiative Sozialistisches Forum) Freiburg, aufzuzeigen, dass zentrale theoretische Inhalte der spezifischen Marxinterpretation dieser  Wertkritik keine Praxisimplikation besitzen, mehr noch den Prozess emanzipativer Praxis in Hinblick auf das Widerspruchsverhältnis Kapital und Arbeit theoretisch blockieren.  

Einleitung

Die Marxsche Kategorie des Werts, wie sie anknüpfend an Ricardo formuliert wurde, muss als eine verstanden werden, die sich nicht als eine überhistorische zu postulieren anschickt. Der Wert, im kapitalistischen Produktionsprozess geschaffen, realisiert sich erst im Tausch. Werte werden so vergleichbar durch die abstrakt menschliche Arbeit, die in ihnen steckt. In diesem Sinne ist der Kapitalismus nicht nur eine ungeheure Ansammlung von Waren sondern auch von Tauschprozessen. Der Tausch der Werte ist das omnipräsente Geschehen in der kapitalistischen Welt und der spezifische Charakter, den alle Gegenstände annehmen, nämlich Ware und Wert zu sein, durchdringt auch die allgemeine Qualität von Beziehungsformen zwischen Individuen. Auch diese (menschlichen Beziehungen) werden ihrer Struktur nach ins warenförmige hinein überformt bzw. dahingehend destruiert und neu formiert. Allen Dingen innerhalb kapitalistischer Verhältnisse haftet so ein Fetischcharakter an, der Fetischcharakter des Werts bzw. der Waren. Der Austausch der Werte kann schließlich als eine den Raum der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft konstituierende spezielle Form der Wechselwirkung zwischen Individuen betrachtet werden. Damit stellt der Wert, wie er im Fetischkapitel (Kap. 1.4 in MEW23, Marx, 1988, S. 85-98) dargestellt wird, etwas ähnliches dar wie die Macht bzw. der Machtbegriff bei Foucault, wie er beispielsweise in “Mikrophysik der Macht” (Foucault, 1976, S. 114) entworfen wird. Dieser Zusammenhang oder vielmehr der Vorgang des Verstehens dieses Zusammenhangs, dem Marx immerhin ein ganzes Unterkapitel widmet, so einfach er sich auch in kurzen Sätzen zusammenfassen lässt,  begeistert die Apologeten und Adepten der Wertkritik. Erfreut darüber, diese Abstraktionsleistung vollzogen zu haben, wird die Tatsache der spezifischen Bedingtheit, der Beschaffenheit des kapitalistisch vergesellschafteten Raums als die zentrale Kategorie dargestellt und als eigentlicher Kern des Wesens des Kapitalismus postuliert, den es zu überwinden gilt. In diesem Zusammenhang wird gerne von einem “unbegriffenen” Vergesellschaftungszusammenhang gesprochen. Dies geschieht gebetsmühlenartig in fast jedem Artikel, Interview und Abstract, der uns aus Nürnberg (Krisis) und von anderswo zu diesem Thema erreicht (siehe bspw. Editorial –  Marxistische Kritik, 1988, S. 6; Stahlmann, 1988, S.38-39; Kurz, 1989, S. 13). Ernst Lohoff spricht in diesem Kontext von den Schönheiten der Wertformanalyse (Lohoff, 1988, S. 63).

Dass dieser gesellschaftliche Raum, der durch den Wert konstituiert wird, gerichtet ist, also eine Fließrichtung von über Produktionsmittel nicht verfügenden (ArbeiterIn) zum Produktionsmittelbesitzer (Kapitalist) aufweist, die Tatsache also, dass es  Klassen gibt, wird von der Wertkritik als sekundäres bzw. Oberflächenphänomen kapitalistischer Vergesellschaftung dargestellt oder wahlweise auch als Soziologismus denunziert (siehe Tomazky, 1989, S. 88; Kurz, 1989, S. 10, S. 12).

Wer nicht nur über wertförmige Vergesellschaftung sonntäglich philosophieren und lamentieren will, sondern diese Vergesellschaftungsform ausgehend von ihrer Dichotomisierung in  Klassen durch Klassenkampf beseitigen/aufheben will, der wird von Robert Kurz und anderen, gleich ob SozialdemokratIn, organisierte KommunistIn oder OperaistIn, als ewiggestriger Arbeiterbewegungsmarxist klassifiziert und abgestempelt.

Wertförmige Vergesellschaftung und Subjektlose Herrschaft

Über Kritik, Scheitern und Integration der klassischen Linien der ArbeiterInnenbewegung brauchen wir mit den Wertkritikern keinen Disput auszufechten. Hier besteht im großen und ganzen Konsens. In dieser Hinsicht ist an der Kritik der Krisis-Gruppe am klassischen Arbeiterbewegungsmarxismus, an der Politik der II. und III. Internationale, der klassischen Arbeiterparteien, wenig auszusetzen. Die Konzeption der Theorie insgesamt wird allerdings unsinnig, wenn sie selbst die autonome Eigenbewegung der Klasse, auf welche sich beispielsweise der Operaismus (vgl. Rinaudo, 1988, S. 37) bezogen hat, theoretisch negiert.

Wer mit Robert Kurz, Ernst Lohoff und ihren Gefolgschaften durch den Wald der Wertkritik zieht, bemerkt die Bewegung der Klasse nicht und das ist kein Zufall. Es ist gerade diese Bewegung der Klasse bzw. in ihrer verallgemeinerten Konzeption der Multitude (Negri), die das Kapital permanent in die Krise treibt, vor der das Kapital im Moment der Krise immer wieder ausweichen muss. Auch der Übergang vom Manchester Kapitalismus in den Sozialstaat am Ende des 19Jh. oder vom Fordismus zum Postfordismus, muss in dieser Hinsicht verstanden werden. Der Sozialstaat ist in erster Linie als Reaktion des Kapitals auf die sozialen Kämpfe zu verstehen, um die ArbeiterInnen wieder “einzufangen und produktiv einzuschließen” (Bonefeld, 2004, S. 11). In dieser Hinsicht ist auch der Übergang vom Fordismus mit tayloristischen Produktionsprozessen zum Postfordismus und der damit sich durchsetzenden toyotistischen Organisation der Produktion zu verstehen. Hier geht es neben der Ausdehnung der Wertschöpfung auf alle (gesellschaftlichen) Fähigkeiten und sozialen Kompetenzen der ArbeiterInnen auch darum, eine bestehende politische Zusammensetzung der Klasse aufzubrechen und unter veränderten Arbeitsbedingungen neu bzw. modernisiert zu integrieren. 

Die Wertkritik, genauer gesagt die Krisis (bis 1989 “Marxistische Kritik”) kann in diesem langen Verlauf von Klassenkämpfen und deren Integration nur die endgültige Disqualifikation von Klassenkämpfen an sich erkennen und diese nur im Sinne einer stabilisierenden Modernisierung und Verallgemeinerung des Systems dechiffrieren (vgl. Lohoff, 1996, S. 58). Robert Kurz behauptet: ”Somit kann der Klassenkampf nur die immanente Formbewegung des Kapitalverhältnisses sein, nicht aber die Bewegung zur Aufhebung des Kapitalverhältnisses” (Kurz, 1996, S. 45). Damit ist genau das Kapitalverhältnis gemeint, dessen Totenglocken die Krisis Gruppe seit geraumer Zeit läuten sieht. Von der Überlegung, dass dieser Zustand des Systems durch soziale Kämpfe im allgemeinen und durch Klassenkämpfe im speziellen erreicht wurde, ist die Krisis-Gruppe weit entfernt. In den Texten der Krisis-Gruppe ist lediglich von objektiven Tendenzen der kapitalistischen Krise zu lesen. Diese Tendenzen sind in den Marxschen Begriffen der Überakkumulation und des tendenziellen Falls der Profitrate (vgl. z.B. Kurz, 1989b, S. 12), im Prinzip schon zusammengefasst. Dazu kommt noch die in Krisis16/17 (Kurz, 1995, S. 21) diagnostizierte Himmelfahrt des Geldes, d. h. die Abkoppelung der (im bürgerlichen-ökonomischen Sinne) “Wert”schöpfung von der realen Verwertung menschlicher Arbeitkraft, welche den Imaginärteil des Geldes und damit auch seinen Nennwert (=Preis) in immer schwindelerregendere Höhen gleiten lässt. Dieser Sachverhalt ist im Prinzip auch nichts neues, auf die Tendenz der Entkopplung zwischen realer Verwertung und Geld machte Christian Marazzi bereits in den 70er Jahren, in dem Artikel: “Das Geld in der Weltkrise” (Marazzi, 1977, S. 241) aufmerksam. Alle diese von der Wertkritik als “objektive Tendenzen” des Kapitalismus abgehandelten empirischen Tatsachen sind nicht zuletzt Ausdruck der sozialen Kampfsituation im Antagonismus zwischen Kapital und Arbeit.

Wohingegen die Regulationsschule in ihrer Verbindung von Keynesianismus und Marxismus im Run durch die Akkumulationsregime von einem Findungsprozess spricht, in dem soziale Kämpfe mitgedacht sind, reduziert die Wertkritik die Dynamik des Kapitalismus auf den Begriff des “automatischen Subjekts”. Es wird versucht,  quasi aus der Vogelperspektive, eine Theorie des Kapitalismus außerhalb der realen Bewegungen der Klasse zu finden, was nach Karl Korsch (Marxismus und Philosophie, 1923) “einfache idealistische Metaphysik” wäre.

Auch wenn das Freiburger ISF die Krisis Gruppe nicht mag und Robert Kurz allen ernstes “Marxismus-Leninismus, nur ohne revolutionäres Subjekt” (Bruhn, 2004, S. 3) vorwerfen, blasen sie an dieser Stelle in dasselbe Horn der Hypostasierung des Kapitalismus als “automatisches Subjekt” (vgl. Behre, 2001). Der scheinbare Selbstlauf in der Entwicklung, Ausbreitung und Reproduktion des Kapitalverhältnisses, von Marx selbst an einer Stelle mit “automatischem Subjekt” (Marx, 1988, S. 169) gekennzeichnet, kann in diesem Sinne nur durch die permanente Fähigkeit des Kapitals funktionieren, die ArbeiterIn bzw. die ArbeiterInnenklasse anzukoppeln und einzubinden, egal ob durch Gewalt und Zwang, Ideologie oder  Partizipation. Autopoietisch mag der Prozess kapitalistischer Verwertung und Vergesellschaftung bloß uns erscheinen. Gerade die Mechanismen Ideologie und Partizipation bzw. das Vertrauen der ArbeiterInnenklasse auf Partizipation funktionieren so perfekt, dass sie im Laufe der nationalkorporatistischen Klassenkämpfe auch im Bewusstsein der ArbeiterInnen tief verankert sind. Dazu kommt das Konkurrenzverhältnis nicht nur der ArbeiterInnen, sondern auch der Kapitalisten untereinander. Diese müssen bei Strafe ihres Untergangs permanent zur Reproduktion des Kapitalverhältnises dieses vor dem Hintergrund der konkreten Kampfsituation Kapital – Arbeit, aber auch in Abgrenzung und Wettbewerb gegeneinander, erneuern (Reinvestitionen) und modernisieren. Auf der Grundlage dieser Verhältnisse von kapitalistischer Vergesellschaftung zu sprechen ist sicherlich legitim, der Begriff “automatisches Subjekt” drängt sich einem geradezu auf, bringt das Projekt der Emanzipation jedoch derart missverstanden und hypostasiert um nichts weiter. Die real existierende Wertkritik fetischisiert den Begriff des “automatischen Subjekts” und sieht praktisch nur noch ein Subjekt, das Kapital selber. Vor den Ruinen des reformistisch integrierten und stalinistisch verbrannten Klassenkampfs flüchtet die Wertkritik in eine Vorstellungswelt, die den sozialen Antagonismus, die Existenz von Klassen nur als sekundäre Erscheinung, als Oberfläche kapitalistischer Vergesellschaftung sieht und alle sich darauf beziehende Theorie als “Klassenkampf-Fetisch” theoretisch entsorgt (vgl. Kurz, 1989, S. 10). Ein solcher Marxismus bemerke “gar nicht, dass er mit einer solchen Diktion völlig an einer Kritik der Fundamentalkategorien des Kapitals vorbeizieht” (Kurz, 1989, S. 11). Und diese Fundamentalkategorie ist für die Wertkritik der Wert an sich und nichts weiter. Die Begriffe Mehrwert, Klasse und Subjekt spielen in dieser verschrobenen Metrik keine Rolle mehr. Damit wird aus dem Wert faktisch genau das was Robert Kurz den Poststrukturalisten und ihren Konzeptionen Macht (Foucault) und Text (Derrida) vorwirft, nämlich der Entwurf einer “Äthertheorie” (Kurz, 2002, S. 92). So nimmermüde die Wertkritik die historisch-spezifische d.h. nicht ontologische Formbestimmtheit des Werts herausstellt, in ihrem theoretischen Gesamtentwurf ist kein Moment impliziert, das die Wertvergesellschaftung stoppen könnte außer, das Kapital (das einzige Subjekt, das die Wertkritik noch sieht) verschluckt sich “an sich selber”. Was Wertkritik nicht leistet, und somit auch gar nicht leisten kann: in den Krisenmomenten des Systems die Bewegungen der Klasse und nicht nur der Klasse, sondern der Subjekte im allgemeinen sichtbar zu machen.

In diesem Sinne ist für Joachim Bruhns vom ISF die Sache klar: der Kapitalismus “wird scheitern, aber an sich selbst, an seiner inneren, an seiner logischen wie historischen Unmöglichkeit” (Bruhn, 1995, S. 9). Dann bräuchte man ja in der Zwischenzeit nur noch weiterarbeiten und abwarten bis das Kapitalverhältnis irgendwie von sich aus verdampft: Revolution als (intellektuelles) Pfingsterlebnis.

Um diesen “revolutionären” Attentismus zu legitimieren wird die im Prinzip strukturalistische Darstellung des Werts herangezogen, wie Marx sie im Fetischkapitel (Kapital Bd. 1 Marx, 1988, S. 85-98) erläutert. Aus ihm heraus wird die vermeintliche Oberflächlichkeit des Klassenverhältnisses abgeleitet und versucht zu begründen. Dies wird wie eingangs bereits erwähnt in nimmer müde werdender Emsigkeit von Artikel zu Artikel (Bsp. Editorial-Marxistische Kritik, 1988, S. 6; Stahlmann, 1988, S. 38-39; Kurz, 1989, S. 13) ausgewalzt und kommt im Endeffekt einer Fetischisierung des Fetischkapitels bei Marx gleich. Der Begriff des Wertes als gesellschaftlicher Vermittlungszusammenhang wird hypostasiert, der Begriff des Wertes als analytische Kategorie, die Ausbeutung sichtbar machen kann und will (nicht umsonst nimmt sich Marx einige Kapitel im Kapital Raum, um den Wert der Arbeit dahingehend zu definieren) wird auf der Rückseite dessen fallen gelassen. Zugleich mit dem Begriff der Ausbeutung wird dann derjenige der Klasse praktisch mit entsorgt. An Stelle der Subjekte, welche die Geschichte machen wird der Kapitalismus als automatisches Subjekt (Kurz, 1990, S. 105; Lohoff, 1990, S. 136,147) gesetzt (vgl. auch ISF, 2000, S. 20). Auch wenn es der Krisis-Gruppe und den WertkritikerInnen im allgemeinen sicherlich um die Überwindung des Kapitalismus geht, die Theorie, die sie dazu entfalten ist eine Theorie des Kapitals.

Wert und abstrakte Arbeit

Die Wertkritiker haben den Wert nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an...

Joachim Bruhns vom ISF in Freiburg geht in dieser Hinsicht noch “weiter”. Kurz wisse auch “nicht was das sein soll ‚Wert‘ , was das heißen soll: ‘abstrakte Arbeit‘ und ‚automatisches Subjekt‘ [...] und zwar deshalb, weil Marx das nicht wusste, und deshalb, weil man das gar nicht wissen können kann. (sic!) Jede Rede vom Wert, die ihren Gegenstand als theoriefähigen Gegenstand fasst und also auf Definitionen bringt, ist nach Marx antikritisch und also Ideologie” (Bruhn, 2004, S. 4,7).

Hier wird - was den Begriff des Werts anbelangt - eine marxsche Kategorie, die im Sinne naturwissenschaftlicher Bestimmtheit nicht exakt positivistisch fassbar, nicht messbar ist, fallen gelassen und ihrerseits in ein positivistisch-philosophisches Nirvana aufgelöst. Das Freiburger ISF, von Lohoff/Kurz als “Hausmeister der Kritischen Theorie” (Lohoff, 1998) bezeichnet, exerzieren uns vor, wie man mittels des Tickets kritischer Theorie, in der an sich lobenswerten Haltung, Kritik als normatives Konzept zu praktizieren (vgl. ISF, 2000, S. 38-39), den Standpunkt maximaler kritischer Kraft in Bezug auf die konkreten materiellen (Herrschafts-) Verhältnisse verlässt. Das Frankfurter “Grandhotel Abgrund” (Lukacs) schrumpft in punkto Marxismus bzw. “Wertkritik” zur Freiburger “Pension Sackgasse”.

Bei der wissenschaftlich präzisierten Verwässerung der marxschen Begriffe Wert und abstrakte Arbeit stehen Krisis und ISF aber nicht alleine da. Michael Heinrich, der sicherlich nicht zum eigentlichen Kreis der Wertkritik zu zählen ist, kommt in dieser Hinsicht, was den Begriff des Werts bzw. den Begriff der abstrakten Arbeit (welche den Wert konstituiert) anbelangt, in seinen Anstrengungen mit dem Begriff “nicht substanzialistische-Substanz” (Heinrich, 2001) zum Stillstand. Ein einziger Blick in die Warenwelt der Gegenwart lässt erkennen: abstrakte Arbeit und Wert sind - so konkret wie nur irgendetwas – Substanz! Trotz der Form der Darstellung der Ware und des Werts als gesellschaftliches Verhältnis (Marx, 1988, S. 85-98; vgl. auch Marx, 1987, S. 30-31) beschreibt Marx den Wert der Waren wie folgt.: ”Betrachten wir nun das Residuum der Arbeitsprodukte. Es ist nichts von ihnen übrig geblieben als dieselbe gespenstische Gegenständlichkeit, eine bloße Gallerte unterschiedsloser menschlicher Arbeit, d.h. der Verausgabung menschlicher Arbeitskraft ohne Rücksicht auf die Form ihrer Verausgabung. Diese Dinge stellen nur noch dar, dass in ihrer Produktion menschliche Arbeitskraft verausgabt, menschliche Arbeit aufgehäuft ist. Als Kristalle dieser ihnen gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Substanz sind sie Werte – Warenwerte” (Marx, 1988, S. 52; vgl. auch Marx, 1987, S. 4). 

Auch die Zeitschrift Grundrisse aus Wien, welche keinesfalls zum Umfeld der Wertkritik zu zählen ist und im Editorial der 1. Ausgabe schreibt „Letztlich sollen aber alle Beiträge in den Grundrissen dazu dienen, die Reflexion der gesellschaftlichen – geschichtlichen Entwicklung im Hinblick auf deren emanzipatorische Überwindung voranzutreiben” (Editorial-Grundrisse, 2002, S. 3) und Michael Heinrich in dankenswerter Weise dahingehend kritisiert, dass er mit seiner „strukturale[n] Methode [(vgl. Heinrich, 1999, S. 208ff)], der er sich bedient, [...] zwar die wissenschaftliche Präzision” verbessere,  aber das Element der Praxis zugunsten dieser Wissenschaftlichkeit tilge bzw. verschweige (Birkner, 2002, S. 38), tappt im Hinblick auf den Begriff des Werts in die gleiche Falle. In dem Artikel über abstrakte Arbeit schreibt Karl Reitter: ”Mir ging es darum zu zeigen, dass einige Formulierungen, insbesondere die physiologische Definition der abstrakten Arbeit, die Verausgabung von Muskel, Nerv und Gehirn, zu unsinnigen und widersprüchlichen Konsequenzen führen müssen. Kurz gesagt liquidiert diese Fehldeutung die tiefe Geschichtlichkeit des Marxschen Denkens, sie verwischt die historischen Besonderheiten der sozialen Beziehungen im Kapitalismus und schreibt der Arbeit an sich die geradezu magische Fähigkeit zu, ‚Wert‘ zu produzieren. Damit ist der Weg verbaut, im Wert ein gesellschaftliches Verhältnis zu erkennen, und auch kritisieren zu können” (Reitter, 2002, S. 16). Immerhin muss mensch den Grundrissen aus Wien insgesamt zugute halten das sie das Problem der fehlenden Praxisimplikation dieser Werttheorie in der Auseinandersetzung mit Michael Heinrich erkannt haben. Davon ist die Krisis Gruppe noch weit entfernt. Ernst Lohoff (Krisis) bezichtigt, in genau dieser für die Wertkritik typischen undialektischen Haltung die klassischen Marxisten, sie seien verliebt “in die Auflösung von Wert in menschliche Arbeit” und würden sich so systematisch den Weg zur Wertformanalyse vermauern (Lohoff, 1988, S. 63). In völliger Kohärenz dazu bemerkt das ISF, dass “die Rede von abstrakter Arbeit als Wert stiftend durch Energieverausgabung irreführend [sei], denn diese bestimmt weder Form noch Größe des Werts einer Ware” (ISF, 2000, S. 34) und statt dessen sei der “Wert als Inbegriff der Vermittlung der sozialen Totalität” (ISF, 2000, S. 33) zu begreifen.

Angesichts dieser, in einseitiger Hinsicht auf die gesellschaftliche Strukturen bildende Eigenschaft des Werts abzielenden Haltung, fragt es sich, ob es tatsächlich so schwer sein kann, für Leute die eigentlich wissen was Dialektik bedeutet, dualistisch zu denken und dabei noch hinter die Abstraktionsfähigkeit der positivistischen Wissenschaften - beispielsweise der Physik - am Anfang des 20. Jahrhunderts zurückzufallen. Es ist heutzutage eine Binsenweisheit der Quantentheorie, dass, ob Elektronen oder Licht, beide Welle oder Teilchen sein können. Es gibt zahllose Experimente und Naturerscheinungen, deren korrekte Beschreibung im Teilchenbild gelingt und ebenso zahllose, deren korrekte Beschreibung im Wellenbild gelingt. Dieser Widerspruch ist bis heute nicht dialektisch aufhebbar, ohne das sich noch irgendein Naturwissenschaftler daran stört. Wieso soll also der Wert (auch als historisch-spezifische, nicht-ontologische Kategorie) nicht ein dualistisch zu begreifendes Ding sein, in dem menschliche Arbeit angehäuft ist und gleichzeitig eine den Raum der kapitalistischen Gesellschaft konstituierende Form darstellen. Gerade die nicht von der Hand zu weisenden Oszillationen in der marxschen Art der Darstellung des Werts sind als Versuch zu sehen, zwischen diesen Polen begrifflich zu vermitteln ohne dabei den einen oder den anderen Aspekt fallen zu lassen. Der Begriff “abstrakte Arbeit” mit all seinen Implikationen ist ein Ausdruck der theoretischen Anstrengungen Marx‘ diese Stereophonie begrifflich auf einen Nenner zu bringen.

Die lachenden Dritten dieser verkürzten “Wertkritik” und dieser “Wissenschaft vom Wert” sind die bürgerlichen Ökonomen und deren Ideologie mit ihren verdinglichten Kategorien wie beispielsweise “Lohn” und “Gewinn”, die es ja, so sollte man meinen, mit den Begriffen v (variables Kapital) und m (Mehrwert), zu desavouieren gilt. Trotz der Vielschichtigkeit der Marxschen Argumentation war es ein zentrales Anliegen seiner Arbeiten in der “Kritik der bürgerlichen Ökonomie” im Kapitalverhältnis Ausbeutung als analytische Kategorie, über das moralische hinausgehend, sichtbar und benennbar zu machen.

Dichotomie von Gebrauchswert und Tauschwert und soziale Praxis

Ein weiteres Problem, welches die “Wertkritik” schafft, ist die apodiktische Setzung der Trennung zwischen Gebrauchswert und Tauschwert. Selbstverständlich ergeben diese von Marx aufgezeigten Kategorien nicht nur hinsichtlich der historischen Entstehung kapitalistischer Produktionsverhältnisse einen Sinn sondern es geht letztendlich um die Zurückführung der Ökonomie in die Gesellschaft (Polanyi) und somit um die Aufhebung kapitalistischer und in diesem Sinne warenförmiger Vergesellschaftung. Die apodiktische Trennung dieser letztlich auch zusammengehörenden Formen Tauschwert und Gebrauchswert (es gibt keinen Tauschwert ohne Gebrauchswert) steht der Praxis der Aneignung von Produktionsmitteln und der Übernahme der Produktion in ArbeiterInnenselbstverwaltung, welche innerhalb der Verhältnisse kapitalistischer Vergesellschaftung zwangsläufig beginnen muss, aber theoretisch im Wege (vgl. Kurz, 1986; Lohoff, 1988, S. 59-65). Dazu ein Beispiel:

Im Zeitraum 2003/2004 waren in Argentinien und Brasilien hunderte von Fabriken besetzt. Der Umstand innerhalb einer kapitalistischen Gesamtumgebung in ArbeiterInnenselbstverwaltung zu produzieren, was in dieser Hinsicht insbesondere über die Sphäre der Vermittlung und den in diesem Zusammenhang möglicherweise stattfindenden ungleichen Tausch auch Selbstausbeutung bedeuten kann, stellt selbstverständlich ein Problem dar. Auch wenn das Kapitalblatt “The Economist” (9.11.2002) gelassen bemerkt, dass “diese Bewegung keine Bedrohung für kapitalistische Unternehmen darstellt”, so wird doch eingeräumt, dass man von einer “Erosion der Eigentumsrechte” sprechen kann. Die Besetzungen, so wird aus Argentinien berichtet “entstehen als Überlebensprojekt in einer defensiven Situation. Aber sie werfen Fragen auf, die weit über das unmittelbare Ziel, den Erhalt der eigenen Arbeitsplätze, hinausgehen” (Wildcat-Beilage, 2004, S. 26). Mehr als 10.000 ArbeiterInnen haben in Argentinien das Privateigentum praktisch in Frage gestellt, und sie müssen sich teilweise noch heute handgreiflich gegen die Staatsgewalt durchsetzen. “Sie machen die Erfahrung, dass sie in der Lage sind, die Produktion selbst zu organisieren. In der Fabrik ohne Chefs ist plötzlich nichts mehr selbstverständlich, nichts muss als gegeben hingenommen werden. Es gibt keine Vorarbeiter und Meister mehr; die ArbeiterInnen verändern Arbeitszeiten und -organisation entsprechend ihrer eigenen Bedürfnisse und entscheiden in Versammlungen, was und wie produziert wird. Nicht mehr Profit und Gewinnmaximierung sind das Ziel der Produktion, sondern Einkommen für möglichst viele Menschen und die Herstellung nützlicher Dinge unter erträglichen Bedingungen” (Wildcat-Beilage 2004, S. 26). Trotz alledem stehen die ArbeiterInnen, die sich z. T. rätedemokratisch organisieren (vgl. Fernandes, 2003), mit ihren Fabriken in einem gesamtgesellschaftlich-kapitalistischen Kontext, der die beschriebenen neu gewonnen Freiheiten begrenzt und einschränkt. Dieses Problem, dem sich die ArbeiterInnen zweifelsohne bewusst sind, wird aber nicht kleiner, wenn sie vor oder während der Fabrikbesetzung das Fetischkapitel im Kapital Band 1 lesen oder die Krisis im Abo beziehen und damit einerseits über die vermeintliche Totalität wertförmiger Vergesellschaftung und andererseits über den soziologisch oberflächlichen Charakter dessen was sie da gerade tun - nämlich als Klassensubjekte zu kämpfen - informiert sind. So aufschlussreich und erhellend das Verständnis um den Fetischcharakter der Waren ist, er bringt den Prozess der Emanzipation in dieser Hinsicht nur mittelbar weiter. Würde mensch jedoch das von der Wertkritik aufgespannte Theoriegebäude hier konsequent zur Anwendung bringen, so könnten die ArbeiterInnen aus den Fabriken ruhig wieder rauskommen, weil sie dort natürlich Produkte herstellen, die weniger den Charakter von Gebrauchswerten, sondern eher den von Tauschwerten hätten. Sie hätten dann entlang der wertkritischen Hypostasierung des Fetischcharakters der Waren und der letztlich noch nicht geknackten Warenform ihrer Produkte (nämlich immer noch Tauschwerte zu sein) den kapitalistischen Vergesellschaftungszusammenhang bzw. den “fetischistischen Ware-Geld Nexus” (Kurz, 1990, S. 115) noch nicht einmal auf ihrem eigenen Terrain angekratzt. Auch an diesem einfachen Beispiel wird das Spröde der theoretischen Metrik der Wertkritik sichtbar. Sie hat in dem von der Krisis-Gruppe oder dem ISF konzipierten theoretischen Argumentationszusammenhang keine Praxisimplikation.

Marx beschreibt im Kapital zu recht, dass sich der Gegensatz zwischen Gebrauchswert und Tauschwert auch mit dem Gang der technologischen Entwicklung vertieft hat. Ist “Große Maschinerie” erst einmal durchgesetzt (so gewaltsam dieser Prozess auch gewesen sein mag), so wird auch unter Bedingungen einer nur in etwa zu antizipierenden ArbeiterInnenselbstverwaltung der Produktion ein zurück zur klassischen Subsistenzwirtschaft wohl kaum wünschenswert sein und die damit verbundene Produktion von phasenreinen Gebrauchswerten wird es in diesem Sinne in “entwickelten” Gesellschaften nicht oder kaum mehr geben. Dennoch stellen die Fabrikbesetzungen wie sie in Argentinien und Brasilien von statten gingen und gehen sicherlich einen Bruch mit dem Schema G – W - G (Geld – Ware – Geld) und insbesondere G – W – G‘, hin zur eigentlichen Tauschform W – G – W dar. Nach ihrem stofflichen Inhalt ist das die Bewegung W – W (vgl. Marx, 1988, S. 120). Marx stellt diese Bewegung in seiner Schrift “Zur Kritik der politischen Ökonomie” folgendermaßen dar:” Betrachten wir nun das Resultat von W – G – W, so sinkt es zusammen in den Stoffwechsel W – W. Ware ist gegen Ware, Gebrauchswert gegen Gebrauchswert ausgetauscht worden, und die Geldwerdung der Ware, oder die Ware als Geld, dient nur zur Vermittlung des Stoffwechsels. [...] Das Geld ist nur das Mittel und die bewegende Kraft, während die dem Leben nützlichen Waren das Ziel und der Zweck sind” (Marx, 1990, S. 77).

Der Tausch von “Waren” ob mit oder ohne Geld (vgl. Allgemeine Wertform, Marx, 1988, S. 79 und Geldform, Marx, 1988, S. 84) wird sicherlich auch in einer nachkapitalistische Ära noch von statten gehen. Keine ArbeiterIn und kein Kollektiv wird gleichzeitig Keramikkacheln, Lebensmittel und Eisenbahnwaggons herstellen. Trotzdem ist jede besetzte Fabrik ein Schritt zur Destruktion des Geldes, die in ihrer Funktion als schärfste und unmittelbarste Kommandoform Arbeit in Wert setzt. Dieser Kampf in der sich entwickelnden ArbeiterInnenautonomie, so eingezwängt in den kapitalistischen Gesamtzusammenhang er auch immer sein mag, wird automatisch, ausgehend von der eigenen Subjektivität der ArbeiterIn, auch ein Kampf gegen die Arbeit als entfremdete Arbeit sein. Es wird sich ein neuer Typus von Produkten/”Waren” bilden, der in den Marxschen Kategorien von Gebrauchswert, Tauschwert und Wert nur noch bedingt abbildbar ist. Dieser Prozess ist offen. Die Wertkritik blockiert jedoch theoretisch mit ihrer apodiktischen Fassung des Verhältnisses von Gebrauchswert und Tauschwert (es gibt kein richtiges Leben im Falschen) den Prozess der Aneignung und den Kampf um selbstbestimmte Produktion, der im Beispiel der Fabrikbesetzungen in Argentinien auch ein Kampf der ArbeiterInnen ist, ihr Überleben zu sichern.

Der, wenngleich auf dem bürgerlichen Ökonomen Ricardo fußende Vorschlag von Marx , den Wert einer Ware über die in ihr steckenden Arbeitszeit zu messen, kann auch für die nachkapitalistische Ära, in der die Produktion unter ArbeiterInnenselbstverwaltung nach tatsächlichen Bedürfnissen ausgerichtet ist, von Bedeutung sein. Insbesonders wenn es daran geht, verschieden hergestellte oder herzustellende Produkte in Kontrast zur subjektiven Wertlehre und zum Nutzenkalkül der Neoklassik, gerecht zu bewerten bzw. zu vermitteln, wird auf werttheoretische Überlegungen kaum zu verzichten sein. Die von Marx explizit als historisch-spezifisch konzipierte Kategorie des Werts von Waren bzw. von Produkten könnte in diesem Sinne durchaus überhistorische Qualität gewinnen, d. h. über den kapitalistischen Vergesellschaftungszusammenhang hinausweisen (vgl. dazu auch Haug, 1976, S. 119).

Das entscheidende ist neben den Eigentumsverhältnissen das Kommando über den Mehrwert, der in den Betrieben geschaffen wird. Liegt dieses Kommando bei den ArbeiterInnen, die ihn erarbeitet haben und gibt es in diesem Sinne keine Klassen mehr, so ist dem “Wert”, sofern man dann überhaupt noch von “Wert” reden kann, der dämonische Charakter genommen - der Kapitalismus ist erloschen. Das einige hundert besetzte Fabriken noch keine Revolution bedeuten, ist eine triviale Feststellung. Die Menschen setzen sich jedoch nicht nur in Argentinien und Brasilien gegen Ausbeutung zur Wehr. Sie tun dies überall und in den verschiedensten Formen. An den so gesetzten Praxispunkten im Antagonismus Kapital Arbeit gilt es diese Bewegungen theoretisch/kritisch und auch begrifflich zu flankieren und dahingehend zu radikalisieren, dass die Subjekte den kapitalistischen Gesamtzusammenhang erkennen und die lange Geschichte reformistischer Integration unters Kapitalverhältnis durchbrechen. Dies gilt gerade auch für die Situation in den Metropolen. In diese Richtung hat die freundliche Fratze des janusköpfigen Spätfordismus einiges an falschem Bewusstsein erzeugt und hinterlassen.

Die inhärenten Widersprüche der “Wertkritik”

Eine dennoch verbleibende Restsympathie für die Krisis-Gruppe speist sich einzig und allein aus ihren eigenen Widersprüchlichkeiten. Es scheint, als würde ihnen im Gegensatz zum Freiburger ISF irgendwie dämmern, dass ihre Theorie insgesamt den Raum einer “revolutionären” Wartehalle aufspannt. Im Verlauf dieser Dämmerung kommen sie zu seltsamen Vorstellungen. Wie bereits geschildert negieren Kurz/Lohoff und andere die Kategorie des (revolutionären) Subjekts insgesamt. Der Ausweglosigkeit dieser Konstruktion scheinen sie sich dennoch irgendwie bewusst zu sein und phantasieren sich in ihrer enormen Schreibwut - quasi als (virtuellen?) Ersatz - eine “Antiklasse” (Kurz, 1989, S. 38-41) herbei, welche den kapitalistischen Wertvergesellschaftungszusammenhang, den Ware-Geld Zusammenhang (vgl. Kurz, 1990, S. 115) irgendwie zerstören soll. Gleichzeitig denunzieren sie aber linksradikale Bezüge wie z.B. die der “Autonomie Neue Folge” auf die Kämpfe im außerkapitalistischen Milieu bzw. an den Rändern der Inwertsetzungszonen. Diese Kurz/Lohoffsche Kategorie der Antiklasse  ist so nicht haltbar. Wenn es “innerhalb” des kapitalistischen Zusammenhangs keine Subjekte mehr geben kann und auch der Bezug auf die Kämpfe im außerkapitalistischen Milieu negiert wird, stellt sich die Frage, woraus denn so eine “Antiklasse” entspringen könnte. Der schwäbische Autonome, der in Kreuzberg bei Kaisers die Sonderangebote klaut oder was soll das sein? Nichts gegen den Bezug auf neue soziale Bewegungen und den Prozess der Aneignung, aber dann kann der auch so benannt werden. Aus den Texten der Krisis-Gruppe geht jedoch deutlich hervor, dass sie weder die Autonomen (Editorial - Marxistische Kritik, 1986) noch die Zeitschrift “Autonomie NF” (vgl. Tomazky, 1989, S. 86) besonders schätzen.

Ein besonderes Schmankerl ist dann noch die Tatsache, dass sich auf der von positiven Bezügen auf revolutionäre Subjekte und Klassenkampf ansonsten gründlich gesäuberten Homepage der Krisis ein Link zur Wildcat-Homepage, zum eigentlich, so sollte man meinen, dreifach verbotenen Hort des Operaismus und Klassenkampfs in der BRD findet. Hier beißt sich die Katze endgültig in den Schwanz und es scheint als wären den Gehirnen der “Wertkritiker”, in ihrer “theoretischen Wartehalle der Revolution” beim hegelianischen Formbestimmen des Werts und dem langen Warten auf den großen Knall, mit der Zeit doch Zweifel am eigenen theoretischen Entwurf eindiffundiert.

Wenn die Krisis den Klassenkampf nur im Sinne einer systemimmanenten Verallgemeinerung und Ausweitung, sprich Modernisierung des Kapitalismus, dechiffrieren kann (vgl. Lohoff, 1996, S. 58-59), dann stellt die Aussage, dass der “wertimmanente Interessenkampf” (Lohoff, 1998) nicht einfach preiszugeben sei, einen Widerspruch dar. Von der Einsicht jedenfalls, dass proletarisches Handeln in seiner ganzen Widersprüchlichkeit “kapitalimmanent und systemüberwindend zugleich sein kann” (Hüttner, 1995 S. 19) und dass eine bloße Gemeinschaft der Einsichtigen, den Wertvergesellschaftungszusammenhang des “automatischen Subjekts” durchschauenden als “praktische soziale Bewegung” (Kurz, 2004, S. 5) etwas dürftig ist, scheint die Krisis-Gruppe noch weit entfernt zu sein.

Schluß

Wenngleich der Wert der Waren über die menschliche Arbeitszeit, die darin verausgabt ist, exakt im positivistisch-naturwissenschaftlichem Sinne nicht messbar, nicht quantifizierbar ist, verwendet Marx doch einige Kapitel im Kapital darauf den Wert von Waren in diesem Sinne zu definieren. In den Begriffen des variablen Kapitals und des Mehrwerts findet die Überlegenheit der marxschen Kritik gegenüber der bürgerlichen Ökonomie ihren Ausgangs- und Kernpunkt. In diesem Sinne ist die Kategorie des Wertes die Kategorie mit der die bürgerliche Ökonomie kritisiert wird. Neben der Tatsache der Raumkonstitution durch den Wert wird dadurch Wertraub bzw. Ausbeutung sichtbar und begreifbar. Wichtiger noch als die Gewissheit, dass Wert- und Warenaustausch den Raum der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft strukturieren, ist die Tatsache, dass durch den damit faktisch verschränkten Wertraub (Ausbeutung) und durch die so bedingte Akkumulation des Kapitals, Herrschaft konstituiert wird. Diese Verschränktheit der Marxschen Kategorien, wie sie sich auch in der Darstellung der “Kritik der bürgerlichen Ökonomie” in ihrer Gesamtheit feststellen lassen, muss theoretisch sichtbar bleiben. In dieser Hinsicht marxsche Kategorien gegen das Kapitalverhältnis Arbeit und Kapital oder konkreter noch „Arbeiter und Kapital“ (Tronti) permanent in Stellung zu bringen muss Aufgabe jeder linksradikalen, marxistischen und sozialrevolutionären Theorie und Praxis sein.

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