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Michael
Heinrich
: Welche
Klassen und welche Kämpfe?
Schreibt man eine Einführung in ein komplexes Werk, muss man notgedrungen Schwerpunkte setzen. Bei der Auswahl dieser Schwerpunkte und der Art und Weise ihrer Behandlung ist eine gewisse subjektive Färbung unvermeidlich. In meiner Einführung in die Kritik der politischen Ökonomie drückt sich meine Sicht der Dinge z.B. darin aus, dass ich den Fetischismus (nicht nur der Ware) stark betone oder dass ich ein Kapitel über den Staat geschrieben habe, obwohl es im „Kapital“ kein solches Kapitel gibt. Andererseits habe ich Verschiedenes ausgelassen oder nur sehr kurz behandelt. Einige dieser Auslassungen fielen mir leicht. So ist z.B. der ca. 200 Seiten umfassende Grundrentenabschnitt im dritten Band des „Kapital“ voll mit Detailüberlegungen, die man in einer Einführung guten Gewissens aussparen kann, die Grundrente wird von mir daher nur ganz kurz gestreift. Bei anderen Punkten war die Entscheidung schwieriger: so habe ich den „Umschlag der Aneignungsgesetze“ nicht deshalb ausgespart, weil ich ihn für unwichtig halten würde, sondern weil dessen Darstellung den Rahmen einer Einführung sprengen würde, die wirklich Einführung bleiben will. Karl Reitter kritisiert nun, dass in meiner Einführung der Klassenkampf zu kurz kommt. Das, was ich geschrieben habe, sei zwar nicht falsch, weil ich aber so wenig Gewicht auf Klassen und Klassenkampf gelegt hätte, würden die von mir dargestellten strukturellen Aspekte ein unangemessenes Übergewicht erhalten. Damit fehle nicht einfach nur irgendeiner von vielen Punkten, vielmehr vermittle meine Darstellung aufgrund dieser Auslassung ein teilweise schiefes Bild des Marxschen „Kapital“. Diese Kritik ist ernst zu nehmen und nicht ohne weiteres zurückzuweisen - allerdings auch nicht so ohne weiteres zu akzeptieren. Hinter dieser Kritik stehen nicht nur eine Reihe sachlicher Differenzen über die Rolle von Klassen und Klassenkämpfen, es überkreuzen sich vielmehr verschiedene Probleme, die ich im folgenden auseinander zu legen versuche. Die Logik der Darstellung Unabhängig von unterschiedlichen Einschätzungen gibt es zunächst ein spezifisches Problem der Darstellung. Das „Kapital“ ist nicht nur Analyse der kapitalistischen Produktionsweise, Marx „entwickelt“ hier überhaupt erst die zur Analyse der kapitalistischen Produktionsweise notwendigen Kategorien. Ich will hier nicht wiederholen, was ich andernorts über den Charakter dieser Entwicklung als „dialektische Darstellung“ und als „Einheit von Darstellung und Kritik“ geschrieben habe. Für unsere Debatte reicht der Sachverhalt aus, dass Marx bei seiner Darstellung nicht sofort alle relevanten Kategorien zur Verfügung hat. Wenn er zum ersten Mal von Kapital spricht, wie im 4. Kapitel des ersten Bandes, kann er nicht sofort mit allen Kategorien arbeiten, die für das empirisch existierende Kapital relevant sind (z.B. Profit, Profitrate, Zins etc.), sondern er muss diese Kategorien durch seine Darstellung überhaupt erst begründen. Daher ist im ersten Band zwar nach ca. 100 Textseiten bereits vom Kapital die Rede, aber erst ca. 1250 Seiten später (im dritten Band) vom Profit und auf den Zins muss man nochmals mehr als 300 Seiten warten. Andererseits müssen bestimmte Sachverhalte mehrfach dargestellt werden. So wird im ersten Band die Akkumulation als Moment des unmittelbaren Produktionsprozesses behandelt (also unter Abstraktion der vermittelnden Zirkulationsakte), im zweiten Band als Moment der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals und im dritten Band geht es um die Unterschiede von „realer Akkumulation“ und der Akkumulation von Geldkapital. Die Struktur der Darstellung ist komplex, auch das, was im ersten Band steht, wird eigentlich erst nach der Lektüre des dritten Bandes vollständig klar. Daher habe ich immer wieder betont, dass man unbedingt alle drei Bände des „Kapital“ zur Kenntnis nehmen müsse. Eine Einführung ins Marxsche „Kapital“, die nicht nur Ergebnisse benennen, sondern Begründungszusammenhänge verdeutlichen will, muss dem kategorialen Aufbau des „Kapital“ zumindest in groben Zügen folgen. Für eine Analyse bestimmter historischer Verhältnisse, die die Kategorien der Marxschen Ökonomiekritik bereits voraussetzt, würde dies anders aussehen. Für eine Einführung ist es jedenfalls nicht beliebig oder willkürlich änderbar, wo welches Thema behandelt wird. Kapital beruht zwar auf einem Klassenverhältnis, doch kann bei der Behandlung der allgemeinen Formel des Kapitals G - W - G nicht bereits ein entfalteter Klassenbegriff mitgeliefert werden. Daher ist es auch kein Zufall, dass Marx erst am Ende des dritten Bandes einen Abschnitt zu den Klassen vorgesehen hatte. Vorher war zwar an verschiedenen Stellen von Klassen die Rede, aber nie in einem systematischen Sinn. Man findet nicht einmal auch nur den Ansatz einer Definition von Klasse. Der Marxsche Sprachgebrauch macht hier einen ziemlich lockeren Eindruck - ganz im Gegensatz zu manchen Definitionsorgien in den späteren marxistischen Debatten. Über die Klassen wird gerade so viel ausgesagt, wie auf der jeweiligen Stufe der Darstellung nötig ist. Dieses methodische Konzept liegt auch meiner Einführung zugrunde: so geht es im ersten noch vorbereitenden (und vorgreifenden also nicht in die systematische Entwicklung der Kategorien eingeordneten) Kapitel ganz allgemein um den Unterschied von vorkapitalistischen und kapitalistischen Klassenverhältnissen, ein Unterschied, der eigentlich erst im Laufe der weiteren Darstellung begründet wird. Bei der Behandlung der allgemeinen Formel des Kapitals geht es dann um „doppelt freie“ Arbeiter und Arbeiterinnen als Voraussetzung kapitalistischer Produktion, was einen strukturellen Klassenbegriff voraussetzt, der an dieser Stelle auch, soweit wie dies möglich ist, eingeführt wird. Von Klassenkampf ist die Rede, wenn es kategorial erforderlich ist, wie etwa bei der Bestimmung des Werts der Arbeitskraft oder der Länge des Arbeitstages. Weitere Punkte wie die Reproduktion der Klassenverhältnisse oder die Bedeutung des Fetischismus für die Strukturierung der politischen Wahrnehmung der Klassen werden im Kapitel über den Staat angesprochen. Wird nun kritisiert, dass die Klassenverhältnisse in meiner Darstellung zu kurz kommen, dass nicht deutlich wird, dass Kapital und Krise auf Klassenkampf beruht, dann wäre zu überlegen, wo die einzelnen von Reitter genannten Punkte (über die sachliche Richtigkeit seiner Einwände wird gleich noch zu reden sein) überhaupt dargestellt werden sollen, wenn sich die Darstellung nicht auf die bloße Behauptung beschränken soll, dass etwas so und so sei. Es wäre also wichtig, nicht nur festzustellen, dass etwas fehlt, sondern auch zu überlegen, an welcher Stelle der Darstellung es überhaupt möglich ist, das Fehlende in einem systematischen Sinn zu behandeln. Dieser auf die Logik der Darstellung zielende Aspekt wird von Reitter leider überhaupt nicht berücksichtigt. Die von ihm angeführten Punkte scheinen mir auf ganz unterschiedlichen Ebenen zu liegen, zum Teil auch jenseits einer Darstellung der kapitalistischen Produktionsweise „in ihrem idealen Durchschnitt“, wie sie von Marx angestrebt wurde. Struktureller und historischer Klassenbegriff Zu Recht wendet sich Karl Reitter gegen einen verengten Klassenbegriff, der etwa Proletariat an historisch vorübergehende Merkmale knüpft und es mit schwitzenden Industriearbeitern identifiziert, die in einer Arbeitersiedlung wohnen. Allerdings scheint er mir das Kind mit dem Bade auszuschütten, wenn er gleich ganz von Merkmalen absehen und Klasse nur als „Verhältnis“ verstanden wissen will. Es stellt sich dann sofort die Frage, Verhältnis von was. Dass das Proletariat nur im Verhältnis zur Bourgeoisie existiert, hilft uns da nicht viel weiter, wenn wir nicht zumindest einen Vorbegriff von Proletariat und Bourgeoisie haben, der letztlich an bestimmten Merkmalen hängt. Dass auch Reitter nicht um solche Merkmale herumkommt, zeigt sich in seiner Aufzählung, dass auch „Arbeitslose, MigrantInnen, StudentInnen (in ihrer Mehrzahl), sogenannte Hausfrauen, PensionIstinnen (in der Mehrzahl)“ zum Proletariat gehören. Wie wird denn bei StudentInnen und PensionistInnen entschieden, ob sie zu dem Teil gehören, der dem Proletariat angehört und was ist mit den Hausfrauen in den Haushalten von Kapitalisten? Wenn wir über Klassen reden, sind zwei verschiedene Klassenbegriffe zu unterscheiden, ein struktureller und ein historischer (angedeutet wird diese Unterscheidung in meiner Einführung auf S.88f). Der strukturelle Klassenbegriff bestimmt Klassen aufgrund ihrer Stellung im „Gesamtprozess des Kapitals“, d.h. auf der im dritten Band erreichten Ebene der Darstellung. Der lediglich auf den Produktionsprozess bezogene Klassenbegriff, den Marx im ersten Band benutzt, wenn er die Besitzer der Produktionsmittel denen gegenüberstellt, die zum Verkauf der Ware Arbeitskraft gezwungen sind, ist ein noch vorläufiger struktureller Klassenbegriff, der allerdings in vielen marxistischen Diskussionen dominierte. Erst auf der Ebene des Gesamtprozesses wird aber klar, dass einerseits nicht das Eigentum an Kapital die zentrale Bestimmung des „Kapitalisten“ ist (womit sich dann auch die in Kapitalkursen häufig gestellte Frage beantwortet, ob denn Manager, die formal „Lohn“ erhalten, zum Proletariat gehören) und andererseits eine Person nicht schon deshalb außerhalb des Proletariats steht, weil sie den formalen Status eines Selbständigen hat (wie etwa bei den vielen in Deutschland aus der Arbeitslosigkeit herausgegründeten und von der rot-grünen Regierung als große Innovation gepriesenen „Ich-AGs“). Bei vielen der kleinen oder Scheinselbständigen findet die kapitalistische Ausbeutung lediglich unter noch etwas schlechteren Umständen statt, da bestimmte soziale Sicherungen entfallen, die bei einem regulären Lohnarbeitsverhältnis (noch) üblich sind. Dass die strukturelle Bestimmung der Klassen vollständig erst auf der Ebene des dritten Bandes zu diskutieren ist, scheint mir auch der Grund dafür zu sein, dass Marx seinen geplanten Abschnitt über die Klassen an das Ende dieses Bandes stellen wollte. Vor dieser Darstellung hat er nur einen rudimentären strukturellen Klassenbegriff zur Verfügung, um Produktionsmittelbesitzer und Arbeitskraftverkäufer gegenüber zu stellen. Dass diese beiden Klassen dann nicht einfach nebeneinander stehen, sondern eine in ständigem Fluss befindliche Beziehung aufweisen, eine Beziehung, die durch Herrschaft und Widerstand gekennzeichnet ist, deren organisatorische und technische Grundlage beständig umgewälzt wird, die im historischen Verlauf bestimmte und beständig umkämpfte Institutionen sozialer und politischer Regulation hervorbringt etc. - dies ist alles richtig, aber erst als Ergebnis der Analyse der kapitalistischen Produktionsweise festzuhalten und nicht bereits dann, wenn in Zusammenhang mit der Erklärung, wie Verwertung trotz Äquivalententausch überhaupt möglich ist, zum ersten Mal von Klassen die Rede ist. Vom strukturellen Klassenbegriff ist ein historischer Klassenbegriff zu unterscheiden: soziale Gruppen, die sich selbst als eine „Klasse“ (ob sie nun dieses Wort benutzen oder nicht) verstehen, die anderen Klassen gegenübersteht. In marxistischen Debatten wurde dieser Unterschied in Anlehnung an eine Formulierung aus dem „Elend der Philosophie“ (vgl. MEW 4: 180f) häufig als „Klasse an sich“ und „Klasse für sich“ bezeichnet. Unterstellt wurde dabei, dass es sich jedes Mal umfangsmäßig im wesentlichen um die selbe Klasse handle, einmal ohne und einmal mit Bewusstsein und dass der Prozess von der Klasse an sich zur Klasse für sich im Grunde vorgezeichnet sei. Die historische Erfahrung hat allerdings gezeigt, dass dem keineswegs so ist. So war das Proletariat als Klasse im historischen Sinn stets erheblich kleiner denn als eine Klasse im strukturellen Sinn. Und dass sich aus der strukturell bestimmten Klasse eine historische Klasse entwickelt, ist alles andere als sicher: es kann passieren oder auch nicht. Einerseits korrelieren die strukturell bestimmten Klassenlagen nach wie vor in einem statistischen Sinn sehr stark mit den Lebenslagen: im Durchschnitt unterscheiden sich „Bourgeoisie“ und „Proletariat“ in Einkommen, Bildungstand etc. bis hin zur Lebenserwartung erheblich. Andererseits gibt es innerhalb des strukturell bestimmten Proletariats aber nochmals erhebliche Unterschiede in Einkommen, Bildung, Konsumverhalten etc., von asymmetrischen Geschlechterverhältnissen und ethnisch konstruierten Spaltungslinien gar nicht zu sprechen. Alles das steht der Herausbildung einer historischen Klasse entgegen. Allerdings können in zugespitzten gesellschaftlichen Konflikten oder in Krisenperioden auch wieder Gemeinsamkeiten hervortreten. Mit den gerade in Deutschland durchgesetzten „Arbeitsmarktreformen“ wird dem gesamten strukturell bestimmten Proletariat mitgeteilt, dass es bei Arbeitslosigkeit (und die kann die große Mehrheit für sich selbst inzwischen nicht mehr ausschließen) nach einem Jahr Arbeitslosengeld, das noch ans vorherige Einkommen gebunden ist, den Absturz in die für alle gleich geringe Sozialhilfe gibt. Insofern kann sich auch ein Bewusstsein gleicher Betroffenheit herausbilden, insbesondere wenn gleichzeitig horrende Managergehälter wahrgenommen werden und selbst steigende Unternehmensgewinne (wie jüngst bei Daimler-Chrysler) die Belegschaften nicht davor schützen, zu Lohnverzicht bzw. unbezahlter Mehrarbeit gezwungen zu werden. Was aus einer solchen Gemeinsamkeit folgt, ist aber wieder offen. Auf der Darstellungsebene des Marxschen „Kapital“ kann die Unterscheidung von struktureller und historischer Klasse benannt werden; die Untersuchung der Gestalten, welche die historische Klasse annimmt, ist aber selbst eine historische. Festzuhalten ist allerdings, dass die Existenz von Klassenbewusstsein nicht automatisch etwas Emanzipatorisches an sich hat: ein klassenbewusstes Proletariat muss nicht revolutionär sein. Es ist in den meisten Fällen eher reformistisch eingebunden und setzt auf den Staat als neutralen Wahrer des Gemeinwohls, der einen „gerechten“ Ausgleich zwischen den Klassen bewerkstelligen soll (dass die trinitarische Formel solche Vorstellungen nahe legt, habe ich in Kapitel 11.2 meiner Einführung kurz angedeutet). Die beiden Fehlschlüsse von der strukturellen Klassenlage des Proletariats auf ein über kurz oder lang zwangsläufig entstehendes Klassenbewusstsein und vom Klassenbewusstsein auf den mehr oder weniger revolutionären Charakter der Klasse haben eine große Anzahl marxistischer Klassenanalysen motiviert, die auf der Suche nach dem „revolutionären Subjekt“ waren. Dieser politische Hintergrund erklärt den häufig verbissen geführten Streit darum, wer zum Proletariat und wer lediglich zum Kleinbürgertum zu zählen sei und wer innerhalb des Proletariats zu den produktiven (d.h. mehrwertschaffenden) ArbeiterInnen gehöre, denn die sollten am revolutionärsten sein. Auch für Karl Reitter scheinen solche Schlüsse von einer allgemeinen Klassenlage auf ein tatsächliches oder potentielles Bewusstsein eine Rolle zu spielen, wenn er es etwa als Leistung des von ihm favorisierten Klassenbegriffs ansieht, dass eine große Anzahl ganz verschiedener Gruppen zum Proletariat gehören (weil dem Kapital gegenüberstehend) und keine Rede mehr davon sein könne, dass etwa bei den Sozialforen vor allem Angehörige des Kleinbürgertums beteiligt wären. Demgegenüber ist jedoch festzuhalten, dass sich Bewusstsein und erst recht politisches Engagement nicht als mehr oder weniger direkte Übersetzung einer allgemeinen Klassenlage herstellen. Bewusstsein entsteht vielmehr aus der bewussten Verarbeitung der eigenen Lebenslage. D.h. es spielt einerseits die eigene Lebenslage (in einem umfassenden Sinn und nicht bloß als eine abstrakte Klassenposition) eine wichtige Rolle und die weist nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch Unterschiede zu anderen Gruppen der eigenen Klasse auf, sie kann statt von Klassenkonflikten auch von ganz anderen Konfliktlinien geprägt sein, die deswegen noch lange nicht zu „Nebenwidersprüchen“ werden, andererseits sind die Weisen der Verarbeitung aufgrund unterschiedlicher begrifflicher Mittel und Vorstellungswelten, unterschiedlicher Traditionen und eigener sozialer Erfahrungen individuell höchst unterschiedlich. Für das daraus resultierende Bewusstsein ist die Zuordnung der Person zum Proletariat oder zum Kleinbürgertum jedenfalls nicht besonders aussagekräftig. Klassenkampf, Wert der Arbeitskraft und Krise Bei Marx verhält es sich mit der Behandlung des Klassenkampfes im „Kapital“ ganz ähnlich wie mit der Behandlung der Klassen: von Klassenkampf ist im „Kapital“ so viel die Rede wie auf den einzelnen Stufen der Darstellung möglich und nötig ist: bei der Bestimmung des Werts der Ware Arbeitskraft (bei Marx indirekt, ohne den Begriff zu erwähnen), beim Kampf um die Länge des Arbeitstages etc. In meiner Einführung habe ich mich bemüht, dem einigermaßen zu folgen. Reitters Verständnis von Klassenkampf scheint mir gegenüber dem Marxschen mehrfach auf eine problematische Weise ausgedehnt zu sein: zum einen macht er in der Tradition des italienischen Operaismus den Klassenkampf für nahezu alles in der kapitalistischen Gesellschaft verantwortlich. In einer solchen Sichtweise besteht die Gefahr, dass sowohl strukturelle Faktoren als auch vom Klassenkampf unterschiedene oder quer zu ihm liegende Konfliktverhältnisse unterbelichtet werden. Auf zwei problematische Thesen, die Bestimmung des Werts der Arbeitskraft durch den Klassenkampf und das Verhältnis von Krise und Klassenkampf, will ich kurz eingehen. Marx stellt heraus, dass der Wert der Arbeitskraft durch deren Reproduktionskosten bestimmt sei. Dies macht insofern Sinn, da diese Reproduktion nicht nur für den Arbeiter, sondern für das Kapital eine Überlebensnotwendigkeit ist: ohne Klasse, die ausgebeutet werden kann, kann auch das Kapital nicht existieren. Auch ohne Klassenkampf muss das Kapital dieses für die Reproduktion notwendige Minimum gewährleisten, eventuell auch aufgrund staatlichen Zwangs, wobei der Staat dann das langfristige Interesse des Gesamtkapitals gegen das kurzfristige Interesse der Einzelkapitale durchsetzt. Für einen entwickelten Kapitalismus ist daher auch der Sozialstaat in gewissem Umfang funktional, denn die Sicherung der Ware Arbeitskraft über Zeiten der Arbeitslosigkeit oder der Krankheit hinweg ist auch für das Kapital nötig, um diese Arbeitskraft später wieder ausbeuten zu können. Daher ist auch die Geschichte der Entwicklung des Sozialstaats mehr als nur eine Geschichte von Klassenkämpfen. Sie ist natürlich auch eine Geschichte von Klassenkämpfen, denn es ist immer umstritten, zu welchen Bedingungen diese Sicherung der Arbeitskraft geschieht. Der „historisch-moralische“ Faktor, von dem Marx bei der Bestimmung des Werts der Arbeitskraft spricht, das, was als „normale“ Reproduktion gilt, ist nicht nur vom Klassenkampf bestimmt, sondern auch von der Entwicklung des gesellschaftlichen Reichtums, den Möglichkeiten der Akkumulation und nicht zuletzt auch von den Verwertungsstrategien wichtiger Einzelkapitale, für welche die für Reproduktion der Arbeitskraft benötigten Mittel (sei es auf individueller oder auf kollektiver Ebene, wie z.B. im Gesundheitssystem) eine wichtige Anlagesphäre darstellen. Die vorherrschende Familienstruktur, Groß- oder Kleinfamilie, ob normalerweise ein oder zwei Personen pro Haushalt ihre Arbeitskraft verkaufen etc., beeinflusst den Wert der Ware Arbeitskraft ebenfalls. Dass es nicht allein der Klassenkampf ist, der das Reproduktionsniveau bestimmt, scheint mir auch durch die tatsächlichen historischen Entwicklungen gut bestätigt zu sein: während es z.B. in den 70er Jahren in Italien eine ziemlich kämpferische Arbeiterklasse gab, war dies in Westdeutschland von einigen wenigen Ausnahmen nicht der Fall. Trotzdem fiel das Reproduktionsniveau in Deutschland gegenüber Italien keineswegs ab. Problematisch ist auch die von Reitter akzeptierte operaistische These vom Klassenkampf als Ursache der Krise: zwar könnten Krisen ab und zu auch von den „roten Zahlen“ in den Bilanzen stammen, im wesentlichen sei es aber der Klassenkampf, welcher das Kapital in die Krise treibe. Dass Klassenkämpfe Krisen verschärfen oder auch auslösen können, ist unbestritten. Im Grunde ist dies sogar die Paradethese der neoklassischen Ökonomen. Wenn diese Ökonomen regelmäßig zu starke Gewerkschaften, zu umfangreiche Schutzrechte der Beschäftigten, zu wenig (nach unten) flexible Löhne etc. als Krisenursachen herausstellen, dann machen sie im Grunde den Klassenkampf oder dessen Resultate für die Krise verantwortlich. Die Pointe der Marxschen Krisentheorie besteht aber gerade darin aufzuzeigen, dass es auch vom Klassenkampf unabhängige Gründe der Krise gibt, dass es also auch Krisen gibt, selbst wenn der Klassenkampf weitgehend still gestellt wäre. Die Bemerkungen zur Maschinerie als Kriegsmittel der Kapitalisten, die Karl Reitter als Beleg für die Klassenkampftheorie der Krise zitiert, sind bei Marx gerade nicht im Rahmen einer Krisentheorie gefallen. Sie dienen bei seiner Behandlung der Maschinerie als Methode der Produktion des relativen Mehrwerts vielmehr als Hinweis darauf, dass in bestimmten historischen Phasen der Einsatz von Maschinerie auch noch in einem anderen Kontext erfolgen kann als demjenigen, den Marx systematisch betrachtet. Von dem, was Marx im Rahmen seiner krisentheoretischen Überlegungen sowohl im 3. Band des „Kapital“ als auch in den „Theorien über den Mehrwert“ zu zeigen versuchte, dass dem Kapital eine Tendenz zur Krise inne wohnt, ganz unabhängig vom Stand und Verlauf der Klassenkämpfe, wollen jedoch weder Operaisten noch neoklassische Ökonomen etwas wissen. Tatsächlich zeigt aber sowohl die Weltwirtschaftskrise von 1974/75 wie auch die weltweite Rezession, die nach dem Crash der Aktienbörsen im Jahre 2000 begann, dass die Art und Weise wie die einzelnen Länder davon erfasst wurden, nicht viel mit dem jeweiligen Stand der Klassenkämpfe zu tun hatte. Auf der kategorialen Ebene, auf der das Marxsche „Kapital“ argumentiert, haben Klassenkämpfe jedenfalls nicht diese alles begründende Bedeutung, die ihnen Reitter zuspricht. Damit soll nun aber nicht umgekehrt die Bedeutung von Klassenkämpfen völlig negiert werden. Nur: welche Bedeutung ihnen im Einzelfall tatsächlich für die Bestimmung des Werts der Ware Arbeitskraft oder des Verlaufs von Krisen zukommt, ist eine in der jeweiligen historische Situation immer wieder neue und daher auch neu zu analysierende. Dasselbe gilt auch für den von Reitter benutzten Begriff einer „gesellschaftlichen“ Krise, der über die ökonomische hinausgeht und für die er die Bewegung von 1968 als Beispiel anführt. Dass sich grundlegende gesellschaftliche Umbrüche, die Delegitimierung zentraler politischer Institutionen etc. nicht einfach auf ökonomische Krisen zurückführen lassen, will ich überhaupt nicht bestreiten. Die Frage ist nur, lässt sich über derartige Umbrüche etwas bei der Darstellung der kapitalistischen Produktionsweise „in ihrem idealen Durchschnitt“ aussagen? Reitter mahnt an, um solche gesellschaftlichen Krisen zu verstehen, müsse man das Kapitalverhältnis breiter fassen, als ich dies nahe lege. Nur: wie soll diese breitere Fassung aussehen? Geht es nicht eher um die konkrete kapitalistische Gesellschaftsformation, mit einem bestimmten politischen System, bestimmten Strukturen der Öffentlichkeit, kulturellen Traditionen, ethnischen Spaltungslinien, asymmetrischen Geschlechterverhältnissen etc., das man in den Blick nehmen muss? Es ginge dann nicht um eine breitere Fassung des Kapitalverhältnisses, sondern darum, dass die kategoriale Darstellung an ihre Grenze stößt und in eine historische Untersuchung übergehen muss. Diese Differenz zwischen kategorialer Darstellung und historischer Untersuchung, die die zuvor entwickelten Kategorien zwar benutzt, aber nicht auf deren „Anwendung“ reduzierbar ist, scheint mir Reitter zumindest der Tendenz nach aufzulösen. Problematisch scheint mir auch die inhaltliche Ausdehnung des Begriffs Klassenkampf zu sein, die Reitter vornimmt. Zwar wendet er sich zu recht (ähnlich wie beim Klassenbegriff) gegen die Identifizierung von Klassenkampf mit bestimmten historischen Formen, doch die Beispiele, die er dann für aktuelle Formen des Klassenkampfes gibt, die Ströme der Migration oder die Unterminierung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisses durch das massenhafte Kopieren von Musikfiles im Internet, sind nicht unproblematisch. Bei Reitters Begriff von Klassenkampf ist mir jedenfalls nicht klar, was die Grenze dieses Begriffs ausmacht. Anders gefragt: was ist eigentlich kein Klassenkampf? Umfasst Klassenkampf aber alle Arten von gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, dann sagt der Begriff auch nichts mehr aus. Eine ähnliche Gefahr scheint mir auch bei Reitters allumfassenden Begriff vom Proletariat zu bestehen. So schreibt er im Abschnitt „Krisenbegriffe“, das „Kapital steht vor einem an sich unlösbaren Problem, es muss das Unbeherrschbare beherrschen, aber es darf es zugleich nicht zu Tode beherrschen“ und fährt dann fort: „Dieses Beherrschbare/Unbeherrschbare, ist dem Kapital nicht fremd, es ist das v, das variable Kapital, das Proletariat, also wir sind es.“ Das Proletariat soll mit dem „variablen Kapital“ identisch sein - strenggenommen ist diese Aussage unsinnig, gemeint sind offensichtlich die mittels des variablen Kapitals gekauften Arbeitskräfte, was aber ist mit denen, die nicht gekauft werden - und dann soll es auch noch mit einem ominösen, nicht weiter bestimmten „wir“ identisch sein? Was sagt der Begriff Proletariat hier eigentlich noch aus? Das „wir“, das hier und auch noch an einigen anderen Stellen von Reitter gebraucht wird, ist wohl eher Ausdruck eines Wunsches als Resultat einer Analyse. Zieht man von der zitierten Stelle das Pathos ab, dann ist nichts weiter als der einfache Sachverhalt angesprochen, der für jede auf Klassenherrschaft beruhenden Gesellschaft zutrifft, dass die „herrschende“ Klasse die subalterne Klasse beherrschen muss und da diese sich eventuell gegen die Last dieser Herrschaft zur Wehr setzt, es für die herrschende Klasse nicht immer einfach ist, die Herrschaft auszuüben. „Unlösbar“ ist dieses Problem keineswegs. Wie die Geschichte sowohl des Kapitalismus als auch vorkapitalistischer Gesellschaften zeigt, gelingt die Beherrschung dieses angeblich „Unbeherrschbaren“ in den allermeisten Fällen ziemlich gut. Was aber für eine Untersuchung der kapitalistischen Produktionsweise nötig ist, ist nicht der Verweis darauf, dass es sich hier um Klassenherrschaft handelt - das ist unbestritten, sondern die Untersuchung der Spezifik der Formen dieser Klassenherrschaft, und hier sehe ich, was gleich deutlich werden wird, das zentrale Problem bei Reitter. Klassen und Fetischismus Reitter betont im Abschnitt zum Klassenbegriff, dass „Kapitalanalyse substantiell Klassenanalyse“ sei. Wie dies genau gemeint ist, erklärt er leider nicht. Tatsächlich findet sich im „Kapital“, wie oben schon angesprochen, eher wenig zu Klassen und Klassenkampf und nirgendwo eine systematische Darstellung. Ganz anders sieht es im „Kommunistischen Manifest“ aus: dort wird nicht nur der Kapitalismus, sondern die ganze Geschichte als Geschichte von Klassenkämpfen aufgefasst. Die Analyse einer bestimmten Gesellschaftsform besteht in dieser Perspektive darin, die beiden entscheidenden, sich antagonistisch gegenüberstehenden Klassen zu identifizieren und ihren Klassenkampf zu verfolgen. Analyse des Kapitalismus bedeutet dann den Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie zu untersuchen. Was Marx im „Manifest“ über das Kapital selbst zu sagen hat, ist eher dürftig und geht vom kategorialen Gehalt her kaum über die ökonomische Theorie Ricardos hinaus, auf die er sich auch kurz vorher, im „Elend der Philosophie“, in seiner Polemik gegen Proudhon ganz explizit gestützt hatte. Kritik übt Marx lediglich an den Folgerungen der ökonomischen Theorie, aber noch lange nicht an den ökonomischen Kategorien selbst. Eine solche Kritik findet sich erst in den ab 1857 entstandenen Schriften. Was dies für den Klassenbegriff bedeutet, wird bereits ganz allgemein in der Einleitung von 1857 angesprochen. Klasse wird dort unter die nur scheinbar einfachen Begriffe eingereiht, mit denen die Darstellung keineswegs beginnen könne. Zuerst seien vielmehr die „abstrakten“ Kategorien zu entwickeln, von ihnen aus sei der „Aufstieg vom Abstrakten zum Konkreten“ zu bewerkstelligen, an deren Ende erst eine Kategorie wie Klasse stehe. Wie dieser „Aufstieg“ aussehen soll, darum dreht sich in den folgenden Jahren ein Gutteil der Marxschen Überlegungen. Kritik der politischen Ökonomie, wie sie Marx ab 1857 versteht, ist jedenfalls nicht „substantiell Klassenanalyse“, es ist vielmehr Analyse der ökonomischen Formbestimmungen, unter denen die Menschen handeln, die also auch den Aktionen der Klassen zugrunde liegen. Die ökonomischen Formbestimmungen definieren eine bestimmte Handlungslogik, der die Einzelnen folgen müssen, sofern sie nicht ökonomisch untergehen wollen. Diese Handlungslogik zwingt sich den Einzelnen durch die Konkurrenz auf, zugleich erscheinen in der Konkurrenz die gesellschaftlichen Beziehungen, die den ökonomischen Formbestimmungen zugrunde liegen, nicht als gesellschaftliche Beziehungen, sondern als dingliche Eigenschaften, die bürgerlichen Verhältnisse sind „fetischisiert“, die Menschen, auch wenn sie der „herrschenden Klasse“ angehören, stehen unter der „Herrschaft der Sachen“. Diese Herrschaft der Sachen wird durch die Praxis der Menschen erst ermöglicht, die Herrschaft des Werts kann nur existieren, weil sich die Menschen zu ihren Arbeitsprodukten als Waren verhalten. Insofern hat Karl Reitter recht, wenn er den Doppelcharakter der kapitalistischen Ökonomie betont, Verhältnis von Dingen und Verhältnis von Menschen zu sein. Allerdings scheint er Kritik der politischen Ökonomie dann darauf zu reduzieren, das soziale Verhältnis gegen den dinglichen Charakter der Beziehung auszuspielen, also gegen die „Autonomie des Kapitals“ darauf zu pochen, dass Kapital doch ein Klassenverhältnis sei. Dass hinter dem scheinbaren Ding ein soziales Verhältnis steckt und dass dieses soziale Verhältnis immer auch Kampf bedeutet, ist richtig - nur ist damit noch nicht viel gewonnen. Was Marx der klassischen politischen Ökonomie vorwarf, dass sie zwar der Arbeit als Inhalt des Werts auf die Spur gekommen sei, dass sie aber niemals auch nur die Frage gestellt habe, warum dieser Inhalt jene Form annimmt (MEW 23, S.94f), darum geht es auch hier. Dass, wie der Operaismus betont, Kapital ein Klassenverhältnis ist, das Klassenkampf einschließt, wusste Marx auch schon lange bevor er das „Kapital“ geschrieben hatte und die „ricardianischen Sozialisten“ wussten dies auch schon lange vor Marx. Auch der Punkt, den mir Reitter entgegenhält, wenn ich betone, dass Herrschende und Beherrschte dem Fetischismus unterliegen, dass nämlich „Marx sowohl für das Proletariat als auch die Bourgeoisie ... ein unterschiedliches gesellschaftliches Sein erkannt hat“, ist nicht gerade eine umwerfende Erkenntnis: viele Menschen dürften sie auch schon gehabt haben, ohne sich jemals mit der Marxschen Ökonomiekritik beschäftigt zu haben. Was Marx im „Kapital“ Neues an Analyse liefert, ist gerade das, was über solche Feststellungen hinausgeht. Etwas polemisch formuliert: das Marxsche „Kapital“ in operaistischer Weise als „substantiell Klassenanalyse“ aufzufassen, läuft im Grunde darauf hinaus, das „Kapital“ auf den begrifflichen Stand des „Kommunistischen Manifests“ zurückzudrehen. Spezifisch für den Kapitalismus ist weder Ausbeutung noch Klassenherrschaft (darauf verweise ich bereits im ersten Kapitel meiner Einführung). Was die kapitalistische Form von Klassenherrschaft von allen anderen unterscheidet, sind sachliche Herrschaft und Fetischismus. Diese Spezifik wird gerade verfehlt, wenn Reitter betont, dass es persönliche, unmittelbare Herrschaftsverhältnisse auch noch im Kapitalismus gäbe, und sie „im Grunde nur durch ein weiteres Herrschaftsverhältnis ergänzt werden“ (Fußnote 3). Die sachliche Herrschaft ist aber gerade nicht „Ergänzung“ persönlicher Herrschaftsverhältnisse, es ist die für die kapitalistischen Verhältnisse spezifische, strukturierende Form von Herrschaft. Die den Kapitalismus charakterisierende Klassenherrschaft beruht gerade nicht mehr auf dem persönlichen Zwang, sondern auf dem sachlichen Zwang. Wenn Reitter schließlich (in Anlehnung an eine Marxsche Bemerkung in den „Resultaten des unmittelbaren Produktionsprozesses“) hervorhebt, dass sich die Bourgeoisie unter kapitalistischen Bedingungen ganz wohl fühlt, die Arbeiter zu diesen Bedingungen aber in einem „rebellischen Verhältnis“ stünden, so ist das zwar richtig, nur ist dieses „rebellische Verhältnis“ in den meisten Fällen eines, das gerade durch diese sachliche Herschaft und den Fetischismus geprägt ist. Wenn z.B. ein „gerechter Lohn“ gefordert wird, dann geht es nicht einfach nur um bessere Bedingungen unter der Herrschaft des Kapitals. Dieser Kampf folgt dann auch noch den vom Lohn als einer irrationellen Form (Lohn als Bezahlung des Werts der Arbeit) hervorgebrachten Bewusstseinformen. D.h. auch noch die vorherrschenden Formen des Klassenkampfes, der zunächst Kampf für die Lebensbedingungen der Klasse innerhalb kapitalistischer Verhältnisse ist, unterliegt der vom Fetischismus geprägten alltäglichen Wahrnehmung. Diese Prägung bedeutet nun gerade nicht, dass es sich beim Fetischismus um einen undurchdringlichen Verblendungszusammenhang handeln würde oder dass jeder Einzelne nur eine Marionette des Kapitals wäre. Nur kann die Existenz einer solchen Prägung auch nicht einfach mit dem Verweis auf unterschiedliche Klassenlagen bagatellisiert werden; die Klassenlage allein garantiert noch überhaupt nichts. Klassenkämpfe, die zunächst innerhalb kapitalistischer Verhältnisse geführt werden, können in gesellschaftlichen Krisensituationen (d.h. nicht allein ökonomischen Krisen, sondern den umfassenderen Krisen des gesellschaftlichen Systems, von denen weiter oben die Rede war) durchaus in Kämpfe gegen den Kapitalismus umschlagen. Weder ist die Existenz des Fetischismus ein Argument gegen eine solche Möglichkeit, noch stellt die Klassenlage der Kämpfenden einen solchen Umschlag sicher. Ob ein solcher Umschlag stattfindet oder nicht, wird von der Gesamtheit der konkreten gesellschaftlichen Bedingungen und Auseinandersetzungen in der jeweiligen Situation abhängen, die, daran sei nochmals erinnert, mehr als nur Klassenverhältnisse und Klassenkämpfe umfasst. |
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