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Robert Foltin: Das grundrisse-Sommerseminar
vom 19. – 21. August in Hegymagas/Ungarn Die Hügel bei Hegymagas aus vulkanischem Gestein sind ein wunderbarer Nährboden für den dort wachsenden Wein. Das Seminar in den Weinbergen über dem Balaton bot von dort einen atemberaubenden Blick auf die Ebene und den See. War es die Verlockung dieser Landschaft, oder war es doch das Thema, das dieses Mal mehr TeilnehmerInnen als letztes Jahr, nämlich 18, nach Ungarn lockte? Die Beteiligung war erstaunlich breit gestreut, von relativ jungen FreiraumaktivistInnen bis hin zu bereits pensionierten alten Linken, angereist nicht nur aus Österreich, sondern auch aus Deutschland und der Schweiz. Dafür, dass die Redaktion der grundrisse aus mehr oder weniger alten Männern besteht, war die Geschlechterverteilung – ein Drittel der TeilnehmerInnen waren Frauen – schon beinahe erstaunlich. Durch einen kleinen Aufstand wurde offensichtlich, dass die Gesprächskultur von alten Männern etwas zu wünschen übrig lässt. Es wurde zwar moderiert, formal existierte auch das Reißverschlussprinzip, tatsächlich wurden in den Wortmeldungen aber die alten Männer der Redaktion privilegiert (was neben den Frauen auch einige Männer benachteiligte). Zur Mitte des Seminars wehrten sich Frauen gegen die Männerdominanz in den Diskussionen, und siehe da: Die Veränderung der Diskussionsmöglichkeiten am letzten Tag war offensichtlich. Die Veränderung der Moderation (u.a wurde die Gesprächszeit der einzelnen Personen eingeschränkt) war natürlich nicht mehr als eine "Erste-Hilfe”-Aktion, wie ein Teilnehmer äußerte, die Geschlechterverhältnisse wurden noch nicht wirklich in Frage gestellt. Und nun zu den Themen: Unter dem Titel "The Next Great Transformation” hatten wir den Mut, über den Kapitalismus hinaus zu denken, was erst durch die Bewegungen der letzten Jahre wieder möglich geworden ist. In einem ersten Abschnitt ging es nach einer Berücksichtigung einiger Andeutungen von Marx über eine zukünftige Gesellschaft um gescheiterte historische Versuche, den Kapitalismus zu überwinden. Die Frage, warum emanzipatorische Entwicklungen in der Sowjetunion scheiterten, konnten selbstredend nicht endgültig geklärt werden (unabhängig von Banalitäten, wie dass die Weltrevolution nicht stattfand). Die beiden nächsten Teile behandelten aktuelle Beispiele des Denkens und Lebens außerhalb des Verwertungszwangs. Einmal um die entstehenden selbstverwalteten Betriebe in Argentinien nach dem Aufstand vom Dezember 2001, die entstanden, weil sich das Kapital verflüchtigte. Berechtigterweise wurde das trotzdem als revolutionäres Experiment interpretiert, das einen Blick auf zukünftige Verhältnisse erlaubte. Während die argentinischen Selbstverwaltungsstrukturen in einer Lücke des Kapitalverhältnisses entstanden, ist die Open-Source-Bewegung allein durch ihre Existenz eine Kritik am Kapitalismus. Tausende beteiligen sich an der Entwicklung hochkomplexer Strukturen, ohne dass kapitalistische Organisation dahinter stünde. In der Diskussion wurden allerdings die Grenzen solcher Projekte innerhalb des Kapitalismus ausgelotet. Eine zukünftige Gesellschaft muss sich auch mit der Frage der Ressourcen und der Zerstörung der notwendigen Umgebung des Lebens ("Natur”) auseinandersetzen. Die Diskussion kreiste nach einer Analyse, dass Nachhaltigkeit im Kapitalismus eine Illusion ist, um einen literarischen Entwurf für ein Leben in einer nachkapitalistischen Gesellschaft. Zuletzt verstieg sich die Diskussion noch in philosophische Sphären über Versuche, mit Hilfe der Konzepte von Baruch Spinoza, Toni Negri und Giorgio Agamben über den Kapitalismus hinaus zu denken. Naturgemäß drehte sich die Diskussion um die Frage der Immanenz, wie revolutionäre Veränderung, obwohl Teil des herrschenden Systems (es kann ja nicht anders sein), möglich wird. Zugleich ist aber genau dadurch die Perspektive sichtbar, dass revolutionäre Aktivität immer auch das Ganze ändert (und dort setzten die "dialektischen” Einwände ein, die bestimmte Zwischenstufen erfordern). Wie bei uns als "naive Wohlfühltruppe” nicht anders zu erwarten, kam auch das Leben außerhalb der rauchenden Köpfe nicht zu kurz. Ausflüge, Weinverkostungen und gemeinsam verbrachte Abende ergänzten die Diskussionen. Eine Veränderung der Gesellschaft ist nur möglich, wenn wir wissen, wofür wir leben und kämpfen. Was noch einmal eine Aufforderung an uns selbst sein sollte, an der Veränderung der Geschlechterverhältnisse zu arbeiten. Denn eine emanzipatorische Veränderung wird feministisch sein oder sie wird nicht sein! Zum Schluss möchten wir noch Ildikó Naetar-Bakcsi danken, dass sie als Ungarisch-Sprechende große Teile der Organisationsarbeit auf sich nahm und dadurch einen reibungslosen Ablauf ermöglichte. Für unsere LeserInnen hat sie uns das Rezept des mit Begeisterung aufgenommenen Kürbisgemüse geschickt. ZUTATEN für 4 Portionen 3/4 kg Hokkaido Kürbis ZUBEREITUNG Vom Kürbis die Schale waschen, aber nicht abschneiden; wir kochen die Schale mit! Die Samen entfernen, grob würfeln. Zwiebel und Knoblauch fein hacken. Zuerst die Zwiebel in Öl anschwitzen. Dann Knoblauch zugeben. Darauf rotes Paprikapulver und die aufgeschnittene Tomate geben. Mit dem Wein ablöschen. Die Kürbiswürfel und Curry zugeben und fünf Minuten auf mittlerer Flamme dünsten. Anstatt umrühren den Topf schütteln, wenn es notwendig ist. Mit der Gemüsebrühe auffüllen und 15 - 20 Minuten köcheln lassen. Mit Salz und Cayennepfeffer abschmecken. Anschließend Sauerrahm mit Mehl mischen und vorsichtig in die Gemüse geben. Warm oder lauwarm servieren. |
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