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Editorial Nr. 9 / Gruß, Dank, Bericht Liebe LeserInnen, richtig erkannt, die grundrisse, hat ein neues Umschlagslayout. Zwei Jahrgänge Personenkult und Bleiwüste sind genug! Dank Harry schreiten wir nun in eleganter Aufmachung munter zu neuen Taten. Die Ausweisung der Artikel bereits am Umschlag soll die Orientierung erleichtern, da wir in der Vergangenheit nicht selten ratlose Gesichter ob der forschen Zitate, die obendrein - wie in der letzten Nummer - oft gar keine inhaltliche Entsprechung im Heft fanden. Ab sofort weiß mensch (fast) auf den ersten Blick was sie im Inneren erwartet ... und entschließt sich möglicherweise sogleich zu einem Abonnement. So, genug der Zaunpfähle, kurzer Bericht: Während Karl sich wochenlang in Indien erholte – sein Bericht vom World Social Forum in Mumbai beweist, dass dies keineswegs eine Auszeit vom Klassenkampf bedeutete – waren die in eisiger Kälte zurückgebliebenen jedenfalls keineswegs untätig. Neben der „normalen“ Redaktionstätigkeit veranstalteten wir gemeinsam mit der HochschülerInnenschaft an der Wiener Akademie der bildenden Künste eine gut besuchte Diskussion zu „Sozialforen und radikaler Emanzipation“, in der aus verschiedensten, meist kritischen, Blickwinkeln über die emanzipativen Potentiale des Sozialforenprozesses berichtet wurde. Vor allem die Riesenhaftigkeit und die große Häufigkeit der Sozialforen wurden kritisiert, aber auch die Unterbelichtung des antirassistischen Kampfes nicht zuletzt als Folge der hohen „FunktionärInnendichte“. Das Problem, dass VertreterInnen von finanzstarken Großorganisationen ungleich mehr Einflussmöglichkeiten haben als BasisaktivistInnen, und dass sich diese Asymmetrie demokratiepolitisch ungünstig auf den Sozialforumsprozess auswirkt, wird sich wohl weder schnell lösen, noch sollte es Menschen vom aktiven und kritischen, ja radikalen Mitmachen abhalten. In Karl Reitters Bericht vom WSF findet sich – wenig überraschend – diese Problematik dann auch wieder. Auch das beinahe schon traditionelle grundrisse-Galadiner zur hochwertigen Befüllung von Mägen und Kassen im Jänner war wieder ein voller Erfolg und hat uns (und somit indirekt auch euch) mehr als 300 Euro Einnahmen beschert. An dieser Stelle noch einmal ein dreifaches Hoch auf Wolfgang, Koch aller Köche. Außerdem beteiligten sich die grundrisse auch in den letzten Monaten aktiv an verschiedenen politischen Projekten, nicht zuletzt an der Wiener Stadtwiederaneignungsinitiative F13. Vor einigen Jahren begann F13 als politisch motivierte Schwarzfahrkampagne. Initiiert durch die Obdachlosenzeitung „Augustin“, sollte an jedem Freitag dem 13. auf die Situation von Obdachlosen aufmerksam gemacht werden und wurde für diese Freifahrt auf allen öffentlichen Verkehrsmitteln gefordert. „Dank“ der uneinsichtigen Wiener Stadtregierung ist dieser Aspekt nach wie vor aktuell, F13 hat sich jedoch mittlerweile zu einem äußerst mannigfaltigen Aktionstag entwickelt, an diesmal rund 10 verschiedne Aktionen stattfanden: Von einer Demonstration über Straßentheater, alternative Fahrscheinkontrollen und Volxküchen bis hin eben zum grundrisse-F13-Beitrag, einer Veranstaltung zur Frage des garantierten Grundeinkommens, abgehalten in einer Straßenbahn der Linie 5, selbstverständlich fahrscheinfrei. Bei der anschließenden Diskussion blieben wir zwar eher unter uns, immerhin wurden wir aber nicht angepöbelt und unsere Flugblätter interessiert gelesen. Und nun zur Zukunft: Thematisch planen wir für die nächste Zeit, uns – wie überraschend – der Frage nach dem Kommunismus zu widmen, näher: der Auseinandersetzung um das Verhältnis von sozialen Kämpfen und Utopie oder jenes um Aneignung und gemeinsamen Gebrauch. Auch das Männerproblem sollte einer entsprechenden Behandlung zugeführt werden ... Bleibt noch, auf zwei Veranstaltungen hinzuweisen, die uns ganz besonders am Herzen liegen, und zu denen wir drei Gäste aus dem näher bzw. weiter entfernten Ausland (und hoffentlich auch euch) begrüßen dürfen, nämlich John Holloway aus Mexiko sowie Lars Stubbe und Ingo Elbe aus Deutschland. Am Montag, dem 15. März 2004 findet im Institut für Wissenschaft und Kunst in der Berggasse 17, 1090 Wien, eine Arbeitstagung unter dem Motto „Die Welt verändern, ohne die Macht zu ergreifen“ statt. 17:00 Begrüßung 17:15 Prof. Dr. John Holloway (Mexiko City) „Die Welt verändern, ohne die Macht zu übernehmen“ anschließend Diskussion 18:30 Lars Stubbe (Hamburg) „Peripherer Widerstand? Herausforderungen durch die neuen Bewegungen in Lateinamerika“ anschließend Diskussion 19:45 Dr. Karl Reitter (Wien) Binärer Antagonismus – Einheit des Wir? anschließend Diskussion Tags darauf wird es in unserem Hauptqartier in der Martinstraße 46 in 1180 Wien die Möglichkeit geben, im kleinen Rahmen mit John Holloway und Lars Stubbe zu diskutieren. Bei Interesse bitte um eine e-mail an grundrisse/ at /gmx.net. Ingo Elbe von der Roten-Ruhr-Uni Bochum wird uns Mitte April besuchen und über „Umwälzungsmomente der alten Gesellschaft. Revolutionstheorie und ihre Kritik bei Marx“ referieren. Nähere Informationen zu dieser Veranstaltung folgen in Kürze auf unserer Homepage (www.grundrisse.net) und via e-mail. Bleibt nur noch, euch eine spannende Lektüre zu wünschen sowie last not least dankbar auf die grafische Gestaltung dieser Nummer durch Annette Wehrmann und Linda Bilda hinzuweisen. Die Redaktion Erratum: Wir möchten uns an dieser Stelle für den Fehler entschuldigen, der uns beim Abdruck des Artikels „Glanz und Elend der kritischen Theorie“ von Meinhard Creydt in der Nummer 8 der grundrisse unterlaufen ist: Auf S. 35 heißt es: „Adorno aber kann anderes Falsches so blockieren und lähmen, zersplittern und verwirren, daß...“ Dieser Satz macht nicht nur keinen Sinn, sondern verkehrt auch die inhaltliche Intention ins Gegenteil. In der vom Autor übermittelten Datei heißt es: ‚Falsches' (sensu Adorno) aber kann anderes Falsches so blockieren und lähmen, zersplittern und verwirren, daß aus dieser besonderen Gemengelage heraus wünschenswerte Impulse mehr Entfaltungsraum erlangen als in der herrschenden Normalform üblich.“ |
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