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Karl Reitter: Logisch oder historisch? Einführende Bemerkungen zu einer Kontroverse zwischen Michael Heinrich, Hans Georg Backhaus und Wolfgang Fritz Haug Absicht dieses Artikel ist es, die erneut aufgeflammte Debatte um den Gegensatz von „logischer“ beziehungsweise „historischer“ Interpretation des Marxschen Werkes, insbesondere des „Kapitals“ und der dazugehörigen Schriften, in groben Zügen allgemein verständlich darzustellen, aber auch auf mögliche politische Konsequenzen der verschiedenen Positionen hinzuweisen. Anlaß dazu sind mehrere Artikel von Heinrich, Backhaus und Haug, die in der letzten Nummer der Zeitschrift „Das Argument“ erschienen sind und von den HerausgeberInnen mit „Kritik der politischen Ökonomie: Methodenstreit“ übertitelt wurde.[i] Zwei Punkt möchte ich jedoch vorweg festhalten. Erstens: Sollte jemand, eventuell angeregt durch diesen Artikel, die Debatte im „Argument Nr. 251“ nachlesen, so muß der Eindruck entstehen, der Beitrag von Michael Heinrich sei unmittelbar als kritische Antwort auf die Thesen von Fritz Haug geschrieben worden, wobei letzterer in einem weiteren Artikel wiederum auf Heinrich antwortet. Das entspricht nicht ganz den Tatsachen. Ursprünglich war Heinrichs Beitrag, wie der Titel ja besagt, allein zum Thema Geld und Kredit konzipiert, erst später wurde er, auf Ersuchen von W.F. Haug, um einen kritischen Passus zur Kontroverse historisches/logisches erweitert.[ii] Wer sich also mit Heinrichs Text beschäftigt, sollte dies bei der Beurteilung berücksichtigen. Zweitens: Da es mir hier vor allem darum geht, eine Kontroverse erst mal in Grundzügen darzustellen, werde ich auf die einzelnen Beträge nicht unmittelbar eingehen. Allerdings will ich nicht verschweigen, daß mir die Artikel von Wolfgang Fritz Haug einiges Unbehagen bereitet haben. Einerseits stellt sich Haug scheinbar über die Kontroverse und erklärt unter anderem kurzerhand: „Sowenig wie eine logische gibt es eine historische Methode:“ (Haug 2003b; 436) Andrerseits zitiert er stets zustimmend die unduldsamsten VertreterInnen der historischen Richtung wie Holzkamp und polemisiert passagenlang gegen Heinrich, Reichelt und Backhaus. Insbesondere der Ton, den er gegenüber Heinrich anschlägt, verwundert. Dessen Auffassungen, so Haug, verrate „einen Mangel an Selbstrelativierung“ (Haug 2003b; 424) und auf den Schulter von Riesen lasse es sich leicht weiterblicken, als es Marx möglich war. Haug: „Heinrichs Programmbegriff der ‚monetären Werttheorie’, den er von Backhaus übernommen hat, weckt Zweifel, ob die Sektion, die er damit einführt, nicht am Ende nur eine Sekte bilden und ihren Anhängern einen hohen Preis in Gestalt der Praxisferne und sogar des partiellen Wirklichkeitsverlusts abverlangen wird.“ (Haug 2003b; 424) Ist ein solcher Ton tatsächlich nötig? Vielleicht erklärt ein Blick auf die Geschichte der Kontroverse zwischen dem historischen bzw. logischen Zugang zum Marxschen Werk ein wenig den Umstand, warum Haug gegenüber der historischen Rezeption wohlwollend und sachlich, gegenüber der logischen mitunter sehr polemisch argumentiert. Sehr vergröbernd läßt sich sagen, daß der Partei- und Staatsmarxismus in der Regel die historische Richtung vertrat (und vertritt), der durch die Kritische Theorie inspirierte unabhängige Marxismus eher die logische. Allerdings vertrat auch Ernest Mandel, Vordenker der trotzkistischen VI. Internationale, eine eher unreflektierte historische Lesart. Zudem haben sich seit dem Erscheinen des Buches „Zur logischen Struktur des Kapitalbegriffs bei Marx“ im Jahre 1970 (2001 wurde es wieder aufgelegt) von Helmut Reichelt die Standpunkte aller Beteiligten naturgemäß verändert. Eine klar abgegrenzte „historische“ bzw. „logische“ Programmatik läßt sich also nicht wirklich feststellen, eher markieren diese Ausdrücke mehr oder minder kohärente Strömungen, deren gemeinsamer kleinster Nenner allerdings durchaus darstellbar ist. Logisch oder historisch – eine erste GegenüberstellungKaum eine Darstellung der historischen Interpretation verzichtet darauf, jene berühmte Belegstelle von Engels zu zitieren, in der – scheinbar – die Methode des „Kapital“ unmißverständlich geklärt wird: „Die logische Behandlungsweise war also allein am Platz. Diese aber ist in der Tat nichts andres als die historische, nur entkleidet der historischen Form und der störenden Zufälligkeiten. Womit die Geschichte anfängt, damit muß auch der Gedankengang ebenfalls anfangen, und sein weiterer Fortgang wird nichts sein als das Spiegelbild des historischen Verlaufs;“ (MEW 13; 475) Wenn diese Aussage buchstäblich als Leitfaden einer Kapital-Lektüre benützt wird, so muß daraus folgen, daß jede Stufe der begrifflichen Entwicklung im Kapital einer typischen Stufe der geschichtlichen Entwicklung entspricht. Wenn Marx das „Kapital“ mit der Analyse der Ware beginnt, so muß es sich nach der historischen Lesart um jenes Stück Fell handeln, das der Jäger gegen den Fisch des Fischers eintauscht. Fell und Fisch wären sozusagen die ersten Waren gewesen, die noch ohne Vermittlung des Geldes getauscht worden wären. Weiters: Die Zirkulationsform W – G – W wird ebenfalls nicht als logische Darstellungsstufe verstanden, sondern unter dem Begriff „einfache Warenproduktion“ einer ganzen Epoche der Menschheitsgeschichte zugeordnet. Im ebenfalls oftmals zitierten Nachwort Engels zum dritten Band behauptet der Autor tatsächlich das Vorherrschen der „einfachen Warenproduktion“ über mehrere Jahrtausende: „Der Warentausch aber datiert von einer Zeit, die vor aller geschriebnen Geschichte liegt, die in Ägypten auf mindestens drittehalbtausend, vielleicht fünftausend, in Babylon auf viertausend, vielleicht sechstausend Jahre vor unserer Zeitrechnung zurückführt; das Wertgesetz hat also geherrscht während einer Periode von fünf bis sieben Jahrtausenden.“ (MEW 25; 909) In der Debatte um den Gegensatz von logischer oder historischer Marxinterpretation wurden natürlich diese und andere Passagen von Engels immer wieder zitiert und kommentiert. Allerdings hat unter anderem Hans Georg Backhaus darauf hingewiesen, daß selbst bei Engels die Zitatenlage nicht so eindeutig und wasserdicht ist, wie die VertreterInnen der historischen Sichtweise oftmals suggerieren. „Fixiert auf den historizistischen Engels – gelobt von jenen, die das ‚Historische’ akzentuieren, getadelt von den anderen, die vielmehr das ‚Logische’ hervorkehren – übersehen beide Orthodoxien gewisse Passagen wohlbekannter Texte, die unzweideutig belegen, daß Engels mehr als zehn Jahre lang die ‚einfache Zirkulation’ dezidiert im ‚logischen’ Sinn verstanden hat.“ (Backhaus 1997; 238) So schreibt Engels etwa im „Anti-Dühring“, einer Schrift, die sich ja nicht unbedingt allgemeiner Wertschätzung erfreut, klipp und klar über dem Marxschen Wertbegriff: „Es handelt sich hier also keineswegs um den ‚absoluten Wert’, wo dieser auch immer sein Wesen treiben möge, sondern um den Wert, der in einer bestimmten Gesellschaftsform Geltung hat.“ (MEW 20; 183) Trotzdem – Engels galt und gilt als Protagonist des Historischen und das Historische als die Marxsche Methode, genuin auf den Begriff gebracht. Um welche Art von Historie handelt es sich denn bei jenem Historischen, das die logische Darstellung im „Kapital“ vorgeblich logisch nachvollzieht? Es handelt sich jedenfalls sicher nicht um die tatsächliche Geschichte, so wie sie wirklich verlaufen ist. Das spricht auch Engels in seiner bereits zitierten Besprechung der Schrift „Zur Kritik der Politischen Ökonomie“ klar aus: „Die Geschichte geht oft sprungweise und im Zickzack und müßte herbei überall verfolgt werden, wodurch nicht nur viel Material von geringerer Wichtigkeit aufgenommen, sondern auch der Gedankengang oft unterbrochen werden müßte;“ (MEW 20; 475) Anders gesagt, nicht die tatsächliche Geschichte, sondern eine bereits interpretierte, auf den Begriff gebrachte, entkleidet von störenden Zufälligkeiten und bereinigte Geschichte, soll die Folie des Historischen darstellen. Aber wer kann, und wie ist zu entscheiden, was als „störende Zufälligkeit“ im Gang der Geschichte zu bezeichnen ist, was als ihre „eigentliche“ Entwicklung? Gibt uns das „Kapital“ Auskunft über den Charakter der Ökonomie Chinas um die Zeitenwende, Hollands im 17. Jahrhunderts oder Norditaliens im 12. Jahrhundert? Muß nicht die Rede vom Historischen bereits eine vollbrachte Interpretationsleistung der Geschichte voraussetzen, die die logische Abfolge der Begriffe darstellend nur wiederholt? An diesem Punkt wird vielleicht der Zusammenhang zwischen der historischen Sichtweise und den Bedürfnissen des mehrheitlich untergegangenem Staats- und Parteimarxismus deutlich. Dieser Marxismus mußte ein großes Bedürfnis an gültigen Interpretationen entwickeln, genauer, Interpretationen und Sichtweisen durften nicht als solche gar nicht kenntlich werden. Daher auch die geradezu fetischisierte Liebe zu Ausdrücken wie „wissenschaftlich“, „objektiv“, „objektive Erkenntnis“, „Gesetze“ usw. Immerhin ging es darum, das jeweilige Regime als „real existierenden Sozialismus“, die jeweilige Partei als die „Avantgarde der Arbeiterklasse“ objektiv gültig auszuweisen. Die scheinbar problemlose Verknüpfung von begriffener Geschichte durch die logische Abfolge der Kategorien und umgekehrt, die logische Abfolge der Kategorien als korrekte Geschichtsdarstellung mußte einem Denken entgegenkommen, das an einer maximalen Reichweite seiner Aussagen ein massives, sagen wir ruhig, materielles Interesse hatte. Die Rückprojektion von Darstellungsstufen im „Kapital“ in die Tiefe der Geschichte bürdet uns nicht nur einen unhaltbaren Geschichtsschematismus auf, sondern ist auch schicht und einfach sachlich unrichtig. Alle Ergebnisse der Ethnologie und der Wirtschafts- und Sozialgeschichte zeigen, daß es den Tausch der Urjäger und Urfischer niemals in jener Form gegeben hat, wie er aus den ersten Abschnitten des „Kapitals“ zu buchstabieren wäre. Soziale Beziehungen dominierten und bestimmten ökonomische Praktiken, nicht umgekehrt. Karl Polanyi hat in zahlreichen historisch-ethnologischen Studien zu zeigen versucht, daß das sogenannte Ökonomische in vorkapitalistischen Gesellschaften keineswegs eine simple und vereinfachte Ausgabe der kapitalistischen Ökonomie darstelle. Diese Auffassung kritisiert er zu Recht am bürgerlichen Liberalismus, der in der kapitalistischen Wirtschaft nur eine komplexere und differenziertere Version früherer Formen des Wirtschaften erkennen will. Die liberale Wirtschaftsauffassung muß uns eine fiktive Geschichte von Kontinuitäten erzählen, von Märkten, die sich zum Marktsystem ausdehnten, von ökonomischen Kalkülen, die linear von einer Form in die nächste, höher entwickelte, hinübergleiten. Für Polanyi ist eine solche Auffassung barer Unsinn: „Die Transformation der vorangegangenen Wirtschaftsformen in das neue System ist so total, daß sie eher der Verwandlung der Raupe in einen Schmetterling gleicht, als jegliche andere Veränderung, die sich in stetem Wachstum und Entwicklung äußert.“ (Polanyi 1978; 70) In den gesellschaftlich bestimmten Distributionsformen früherer Kulturen findet sich mitnichten die New Yorker Börse, weder latent, noch tendenziell, noch in Keimform, noch sonst wie wesenhaft angelegt. Ein gutes Beispiel, wie unpräzise die historische Interpretation verfährt, ja verfahren muß, bietet das Thema des Handelskapitals und des Handelsprofits. Das Handelskapital zählt ohne Zweifel zu den frühesten Formen von Kapital. Im Gang der Darstellung tritt es aber erst im II. Band auf. Würde die Behauptung stimmen, im „Kapital“ folge der Gang der Begriffe dem Gang der Historie, so müßte es wohl vor dem industriellen Kapital thematisiert werden. Aber nicht nur das. Die Quelle des Profits des vorkapitalistischen Handelskapitals und jenes Handelskapitals, das Marx in seinem Hauptwerk im II. Band darstellt, ist eine völlig andere. Im „Kapital“ analysiert Marx, wie der Profit des Handelskapitals durch verschiedene Mechanismen, vor allem den Ausgleich der Profitrate auf das Handelskapital übertragen wird. Obwohl der Mehrwert durch das produzierende Kapital angeeignet wird, muß dieses einen Teil über den Ausgleich der Profitrate weitergeben. „Der Kapitalist, der den Mehrwert produziert, d.h. unbezahlte Arbeit unmittelbar aus den Arbeitern auspumpt und in Waren fixiert, ist zwar der erste Aneigner, aber keineswegs der letzte Eigentümer dieses Mehrwerts. (...) Der Mehrwert spaltet sich in verschiedne Teile. Seine Bruchstücke fallen verschiednen Kategorien von Personen zu und erhalten verschiedne, gegeneinander selbstständige Formen, wie Profit, Zins, Handelsgewinn, Grundrente usw.“ (MEW 23; 589) Der Profit des Handelskapitals entspringt also einem komplexen Transfermechanismus, der entwickelte kapitalistische Produktionsweise voraussetzt. Mit diesem Transfermechanismus etwa die Profite der Amsterdamer Kaufleute zu Hollands Blütezeit im 17. Jahrhundert oder jene der arabischen Händler, die zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert über die Südküste Indiens letztlich nach China segelten, erklären zu wollen, ist einigermaßen absurd. Tatsächlich erklärt sich der Profit des historischen, vorkapitalistischen Handelskapitals recht trivial aus der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis. Was im entwickelten Kapitalismus Schein sein muß, nämlich daß der Profit des Handelskapitals aus der Zirkulationssphäre entspringt, ist für das historische Handelskapitals Realität. Diese Auffassung entspringt nun keineswegs nur meiner Vorstellung, sondern ist buchstäblich bei Marx zu lesen, der über den Profit des Handelskapitals folgendes festhält:„Sein Gewinn [...] scheint so rein aus der Zirkulation zu stammen und daher nur aus den Verlusten der mit ihm Handelnden zusammengesetzt. In der Tat kann Kaufmannsvermögen rein in dieser Weise entstehn, und die Bereicherung der Handelsvölker, die zwischen industriell weniger entwickelten Nationen Zwischenhandel treiben, entstand größtenteils in dieser Weise.“ (MEW 43; 26) Und im 3. Band des „Kapital“ formuliert Marx einen ähnlichen Gedanken: „Solange das Handelskapital den Produktenaustausch unterentwickelter Gemeinwesen vermittelt, erscheint der kommerzielle Profit nicht nur als Übervorteilung und Prellerei, sondern entspringt großenteils aus ihr.“ (MEW 25; 343) Anders gesagt: Nur zum Schein gleicht sich etwa das Handelskapital der Amsterdamer Kaufleute zu Spinozas Zeiten mit jenem der gegenwärtigen Konzerne. Tatsächlich ist die Quelle ihres Profits und ihre gesellschaftliche Funktion so verschieden wie Raupe und Schmetterling. Was kann dagegen logische Interpretation bedeuten? Zweifellos, und da gebe ich Haug recht, kann logisch synonym mit begrifflich verwendet werden. Unter logisch-begrifflicher Darstellung verstehe ich die Ordnung, in der die Begriffe voneinander abgeleitet werden. Diese Ordnung ist nicht willkürlich. Um etwa den Begriff des Kapitals zu entwickeln, ist es notwendig, zuerst den Begriff der Ware und des Geldes zu entwickeln. Daher verwendet Marx, mit Ausnahme des ersten Satzes, in dem er von „kapitalistischer Produktionsweise“ spricht, den Ausdruck Kapitalismus erst wieder, nachdem er den Begriff Kapital entwickelt hat und verwendet inzwischen das Wort „Warenproduktion“ synonym mit Kapitalismus. Ein weiteres Beispiel ist die Marxsche These, daß der logische Zusammenhang Wertsubstanz – Wertgröße – Wertform nicht umkehrbar ist, also die Wertform nicht vor der Wertsubstanz analysiert werden kann. Ich möchte allerdings betonen, daß mit der Methode der konzisen Entwicklung der Begriffe einmal nur ein Anspruch formuliert wird, ob Marx dies an allen Übergängen auch gelingt, ist eine andere Frage. Logisch-begrifflich bedeutet auch eine massive Reduktion des Geltungsanspruches. Marx analysiert das gesellschaftliche Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Eine Reduktion, die jedoch die Bedeutung des Marxschen Werkes keineswegs herabsetzt, sondern umgekehrt, diese erst klar sichtbar macht. Nicht zufällig versuchen die schärfsten Kritiker des Marxismus, Marx als allumfassenden Weltanschauungstheoretiker darzustellen, der angeblich zu jeder Frage des Seins und des Lebens, der Geschichte und der Zukunft, der Wissenschaft und der Methodologie eine Antwort parat hätte, um dann genüßlich die vorgeblichen Lücken und Defizite zu buchstabieren. Selbstverständlich hat der Kapitalismus eine Vorgeschichte, diese ist jedoch – abgesehen vom Kapitel über die ursprüngliche Akkumulation - nicht Thema des „Kapitals“. „Die Darstellung des historischen Prozesses der Herausbildung dieses Ganzen liegt außerhalb der dialektischen Entwicklung der Kategorien.“ (Heinrich 1999; 177) Das „Kapital“ stellt keine von störenden Zufälligkeiten bereinigte Geschichte der ökonomischen Sozialbeziehungen dar, sondern analysiert die gesellschaftliche Beziehung innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise. Dort, wo Marx tatsächlich geschichtliche Prozesse untersucht, nämlich im Kapitel über die „ursprüngliche Akkumulation“, kennzeichnet er diese historische Passage auch als solche. Ebenso bleiben andere Verhältnisse, vor allem das Geschlechterverhältnis, aber auch das Verhältnis zwischen den Generationen, Formen von Gemeinschaft usw. außerhalb der Analyse. Wenn das Thema also die gesellschaftliche Beziehung zwischen Lohnarbeit und Kapital darstellt, so müßte es sich eigentlich von selbst verstehen, daß jene Epochen, in denen dieses Verhältnis noch nicht ausgebildet war, außerhalb des Themenkreises des Kapitals liegen müssen. Umgekehrt: Muß die historische Interpretation die grundlegenden Kategorien (Ware, Wert, Kapital usw.) nicht mißdeuten? Dies ist auch der Fall. Die „Ware“ am Beginn der Kapitalanalyse, historisches Tauschgut oder Elementarform des Kapitals?Bekanntlich beginnt Marx die Analyse des gesellschaftlichen Verhältnisses von Lohnarbeit und Kapital mit der Ware. „Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ‚ungeheure Warenansammlung’, die einzelne Ware als ihre Elementarform.“ (MEW 23; 49) Um welche Ware handelt es sich, die an den Beginn des „Kapitals“ gesetzt wird? ? Handelt es sich um das berühmt-berüchtigte Fellstück des Urjägers, um jenen Sack Gewürze der europäischen Fernhändler, um Klumpen von Bernstein oder um baltisches Getreide in den Lagern der Amsterdamer Kaufleute? Wenn das Kapital tatsächlich historisch aufgebaut ist, dann müßte diese Ware, von der anfänglich im „Kapital“ die Rede ist, identisch sein mit jenen frühesten Tauschobjekten, die noch ohne Vermittlung des Geldes zirkulierten. Aber dieser Ware spricht Marx sofort, noch vor Entwicklung von Geld, Lohnarbeit und Kapital, jenen Doppelcharakter zu, der sich als Gegensatz von Gebrauchswert und (Tausch)wert erweist. Auch die ProtagonistInnen des Historischen plädieren dafür, in diesem Doppelcharakter keine natürliche, sondern eine gesellschaftlich erzeugte Eigenschaft zu sehen. Allerdings müssen die gesellschaftlichen Verhältnisse in der historischen Interpretation ganz allgemein aufgefaßt, die Lohnarbeit als unabdingbare Voraussetzung für Wert und Kapital relativiert werden. Unabhängig von den tatsächlichen konkreten gesellschaftlichen Verhältnissen werden die Grundbegriffe (Ware, Doppelcharakter, Gebrauchswert, Tauschwert usw.) zu a-historischen Universalien, die praktisch überall dort Geltung besitzen sollen, wo Menschen in Tauschverkehr treten. Wie kann, so stellt sich sofort die Frage, das „Kapital“ als Analyse der kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse gelesen werden, wenn doch Ware und Wert seit einer Periode von fünf bis sieben Jahrtausenden gesellschaftliche Geltung besitzen? Die ehrliche Antwort im Sinne der historischen Lesart müßte lauten: in den ersten Abschnitten des „Kapitals“ sei auch nur tendenziell von einer entwickelten kapitalistischen Gesellschaft die Rede. Mit der Entwicklung der Begriffe, etwa dem Umschlagen des Zyklus W – G – W zu G – W – G’, den Kategorien des absoluten und relativen Mehrwerts dringe die Analyse immer tiefer in die kapitalistischen Verhältnisse ein. Was im „Kapital“ in den ersten Abschnitten behandelt würde, sei also auch historisch früher anzusiedeln. Ich meine, daß diese historische Lesart sehr willkürlich, ja gewaltsam den Charakter jener Ware mißdeuten muß, den Marx an den Beginn seiner Analyse setzt. Kurz gesagt, es handelt sich dabei keineswegs um irgend ein getauschtes Arbeitsprodukt sondern bereits um Kapital, das in seiner Elementarform, eben als Ware, auftritt. Im sogenannten „Sechsten Kapitel“ – einer zur Lebzeiten von Marx unveröffentlichten Vorarbeit[iii] zum Kapital – heißt es: „Andrerseits ist der entwickelte Waarentausch und die Form der Waare als allgemein nothwendige gesellschaftliche Form des Products selbst erst das Resultat der kapitalistischen Productionsweise.“ (MEGA II.4.1; 24) Die Ware, die Marx also untersucht, ist bereits Produkt, es ist seine „Elementarform“. Die Ware des „Kapital“ ist nicht bloß ein Anfang, sie ist ebenso das Endprodukt der kapitalistischen Produktionsweise. Mit der selben Berechtigung, mit der gesagt werden kann, Marx entwickelt seine Analyse im Sinne fortschreitenden Entfaltens, kann auch gesagt werden, die Darstellung im „Kapital“ läuft im Krebsgang zurück. In der Ware sind die gesellschaftlichen Klassenbeziehungen bereits enthalten. Marx geht also von einem bereits fertigen Resultat aus, nämlich von der Ware als Elementarform der kapitalistischen Produktionsweise, von einer Ware, die sich als allgemeine Form von Dingen und vor allem der Arbeitskraft als Ware bereits historisch durchgesetzt hat. „Nur sobald die arbeitende Masse der Bevölkerung aufgehört hat, als Warenproduzenten auf den Markt zu treten, statt des Produkts der Arbeit vielmehr die Arbeit selbst rather ihr Arbeitsvermögen verkauft, wird die Produktion ihrem ganzen Umfang, ihrer ganzen Breite und Tiefe nach Warenproduktion, verwandelt sich alles Produkt in Ware und treten die gegenständlichen Bedingungen jeder einzelnen Produktionssphäre selbst als Waren in sie ein.“ (MEW 43; 308) Die Analyse geht vom Endprodukt aus und fragt nach den gesellschaftlichen Bedingungen, die so etwas Seltsames[iv] wie Warenproduktion überhaupt ermöglicht. Es ist also durchaus sinnvoll, die Kapitalanalyse als Kreisbewegung zu verstehen, ihr Ausgangspunkt, die Ware, ist kein erster unvermittelter Anfang, sondern selbst Produkt. Aus der logischen Perspektive ist auch die Redeweise zu relativieren, im „Kapital“ würde die Analyse vom Abstrakten zum Konkreten aufsteigen. Marx selbst bezeichnet im Manuskript von 1857/58, genannt „Grundrisse“, das Aufsteigen von abstrakten, allgemeinen Beziehungen „wie Teilung der Arbeit, Geld, Wert“ etc. zu konkreten Momenten wie Staat, Austausch der Nationen, Weltmarkt als „offenbar die wissenschaftliche Methode“. (Grundrisse; 21) Marx setzt allerdings sogleich hinzu, daß auch die abstrakten, „einfachen Kategorien“ wiederum keine zeitlose Geltung haben und demonstriert dies am Beispiel des Gegensatzes von Eigentum und Besitz und am Begriff der abstrakten, wertbildenden Arbeit. Diese einfachen, abstrakten und elementaren Kategorien, wie eben Arbeit, Ware usw. sind zwar einerseits Ausgangpunkt der Kapitalanalyse in ihrem Gang vom Abstrakten zum Konkreten, sie müssen aber zugleich das Resultat, als Ergebnis eben dieser Verhältnisse begriffen werden: „Dies Beispiel der Arbeit zeigt schlagend, wie selbst die abstraktesten Kategorien, trotz ihrer Gültigkeit – eben wegen ihrer Abstraktion – für alle Epochen, doch in der Bestimmtheit dieser Abstraktion selbst ebensosehr das Produkt historischer Verhältnisse sind und ihre Vollgültigkeit nur für und innerhalb dieser Verhältnisse besitzen.“ (Grundrisse; 25) Wenn klar ist, daß jene abstrakten Elemente, mit denen Marx die Kapitalanalyse beginnt, keine überhistorischen Gegebenheiten darstellen, „sondern in ihrer Vollgültigkeit“ selbst Produkt und Resultat der kapitalistischen Produktionsweise ist, dann ist gegen die These vom „Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten“ nichts einzuwenden, obwohl ich meine, daß diese Kennzeichnung für das Verständnis der Marxschen Aussagen wenig beiträgt, sondern eher Verwirrung stiften kann. Die „logische“ Auffassung des „Kapital“ trennt also klar zwischen zwei unterschiedlichen Themen. Die Analyse der gesellschaftlichen Beziehung zwischen lebendiger Arbeit und toter Arbeit (=Kapital) ist ein Thema, die Vorgeschichte des Kapitalismus und ihr Verhältnis zu den kapitalistischen Formen ein anderes. Im Einleitungsabschnitt zu den Grundrissen diskutiert Marx ausführlich die Frage des Verhältnisses zwischen diesen beiden Themenkomplexen und resümiert: „Wenn daher wahr ist, daß die Kategorien der bürgerlichen Ökonomie eine Wahrheit für alle andren Gesellschaftsformen besitzen, so ist das nur cum grano salis zu nehmen. Sie können dieselben entwickelt, verkümmert, karikiert etc. enthalten, immer im wesentlichen Unterschied.“ (Grundrisse 26) Und wenige Zeilen später findet sich jenes berühmte Zitat mit dem seltenen Wort „untubar“, das wir uns deshalb so leicht merken und sozusagen den methodischen Schlachtruf der logischen Interpretation darstellt: „Es wäre untubar und falsch, die ökonomischen Kategorien in der Folge aufeinanderfolgen zu lassen, in der sie historisch die bestimmenden waren. Vielmehr ist ihre Reihenfolge bestimmt durch die Beziehung, die sie in der modernen bürgerlichen Gesellschaft aufeinander haben, und die genau das umgekehrte von dem ist, was als ihre naturgemäße erscheint oder der Reihe der historischen Entwicklung entspricht.“ (Grundrisse 28, MEW 42; 41) Verkürzung des Wertbegriffs durch die historische Interpretationa) die Substanz des Wertes Der Begriff des Werts zerfällt in drei Dimensionen. „Wir kennen jetzt die Substanz des Werths. Es ist die Arbeit. Wir kennen sein Größenmaß. Es ist die Arbeitszeit. Seine Form, die den Werth eben zum Tausch-Werth stempelt, bleibt zu analysiren.“[v] In diesem, aus der Erstauflage des Kapitals stammenden Zitat unterscheidet Marx ganz klar diese drei Dimensionen und definiert diese auch ganz kurz. Beginnen wir mit der Substanz. Es ist die abstrakte Arbeit, die in gegenständlicher Form, als „Gallerte menschlicher Arbeit“, in „geronnenem Zustand“, als „Kristall“ usw. die Substanz des Warenwertes bildet. Ich habe in den grundrissen Nr. 1 einen längeren Artikel zur Frage der abstrakten Arbeit veröffentlicht (leicht zu finden unter www.grundrisse.net) in dem ich genau zeigen wollte, daß der Begriff der abstrakten Arbeit nur unter logischer Perspektive Sinn macht. Da die Argumentation detailliert vorliegt, begnüge ich mich hier mit einer knappen Zusammenfassung: Für die historische, eigentlich müßte man im Falle der abstrakten Arbeit sagen, die a-historische Lesart, spricht die Gleichsetzung der abstrakten, wertbildenden Arbeit mit der sogenannten physiologischen Definition, also die Verausgabung von Muskel, Nerv und Hirn, die Marx durchaus vornimmt.[vi] Wird die wertbildende, abstrakte Arbeit mit jener physiologischen identifiziert, so verschwinden alle gesellschaftlichen Bezüge und Verhältnisse aus der Definition der substanzbildenden Arbeit, da wohl in jeder denkbaren Gesellschaft Menschen bei ihrer Arbeitstätigkeit Muskel, Nerv und Hirn verausgaben. Die Eigenschaft, Wert (nicht Gebrauchswert !) zu bilden, käme also jeder Arbeit unabhängig von gesellschaftlichen Verhältnissen zu. Selbst eine oberflächliche Lektüre des „Kapital“ zeigt an, daß diese Lösung nicht zutreffen kann. Wird die Frage gestellt, was abstraktifiziert die Arbeit eigentlich, so kann die Antwort nur im Hinweis auf soziale Verhältnisse bestehen, die diese Abstraktifizierung mit Notwendigkeit bewirken. Die bloß gedankliche Abstraktion des Theoretikers, der sozusagen aus verschiedenen Arbeitsformen (Schneiderarbeit, Weberarbeit usw.) auf Arbeit als solche im Kopf abstrahiert, so wie es möglich ist, von Tannen und Fichten auf Bäume zu abstrahieren, scheidet ebenfalls aus. Nun, das abstrahierende gesellschaftliche Verhältnis wird exakt im Fetisch-Kapitel genannt: Wenn die scheinbar unabhängigen WarenbesitzerInnen ihre Arbeitsprodukte als Werte aufeinander beziehen, setzten sie unbewußt ihre verschiedenen konkreten Arbeiten gleich. Marx: „Indem sie ihre verschiedenartigen Produkte einander im Austausch als Werte gleichsetzen, setzen sie ihre verschiednen Arbeiten einander als menschliche Arbeit gleich. Sie wissen das nicht, aber sie tun es.“ (MEW 23; 88) Nur zur Erläuterung: Marx verwendet für die wertbildende Arbeit mehre Ausdrücke synonym, oft spricht er von Arbeit als solcher, von Arbeit an sich, hier eben von menschlicher Arbeit, zumeist aber von abstrakter Arbeit. Mit diesem Ansatz wird der Begriff der abstrakten Arbeit unmittelbar aus den gesellschaftlichen Verhältnissen der kapitalistischen Produktionsweise abgeleitet, während die historische Lesart die abstrakte Arbeit zu einer universalen Eigenschaft von Arbeit überhaupt mißdeuten muß.[vii] Konsequent gedacht würde unser Urfischer bereits abstrakte Arbeit verausgaben und sein Korb mit Fischen würde bereits abstrakten Wert repräsentieren, allerdings noch in „latenter“ Form, der erst mehrere Jahrtausende später als Kapital manifest würde... b) das Maß des Wertes
Wie stellt sich nun das Maß des Wertes, „die im Durchschnitt notwendige oder gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit“ (MEW 23; 53) aus den beiden widerstreitenden Perspektiven dar? Die logische Auffassung knüpft die tatsächliche Durchschnittsbildung an entwickelte und gesellschaftlich hegemoniale kapitalistische Verhältnisse. Solange Warenhandel ein verstreutes Phänomen bleibt, Fern- und Lokalhandel nicht über diverse Mechanismen verbunden ist, sondern im Grunde beziehungslos nebeneinander praktiziert wird (diese Beschreibung findet sich in zahlreichen wirtschaftsgeschichtlichen Studien), solange kann von einer regelnden Durchschnittbildung kaum sinnvoll die Rede sein. Die Steuerung – bewußt oder unbewußt – der wirtschaftlichen Tätigkeit durch das Maß des Wertes wird auch von Marx als Wertgesetz bezeichnet. Der Ausdruck „Wertgesetz“ hat jedoch einige Tücken, denn er isoliert einen Aspekt des Wertbegriffs, eben das Maß oder die Wertgröße, zum primären, ja einzig relevanten Faktor und verzerrt durch dieses pars pro toto den Begriff des Werts insgesamt. Engels erklärt im Nachwort zum 3. Band klipp und klar die Wertgröße zum regelnden Faktor jeder wirtschaftlichen Tätigkeit; ja noch mehr, die gesellschaftlich durchschnittlich notwenige Arbeitszeit wäre als bewußte Steuerungsgröße ins wirtschaftliche Kalkül eingegangen. „Da war nicht nur auf diese Produkte verwandte Arbeitszeit der einzige geeignete Maßstab für die qualitative Bestimmung der auszutauschenden Größen; da war überhaupt kein andrer möglich. Oder glaubt man, der Bauer und der Handwerker seien so dumm gewesen, das Produkt zehnstündiger Arbeit des einen für das einer einzigen Arbeitsstunde des anderen hinzugeben?“ (MEW 25; 907) Hier geht natürlich alles durcheinander. Während Engels im Anti-Dühring, wie zitiert, noch Zweifel äußert, ob und wie der Wertbegriff auf vorkapitalistische Gesellschaften anwendbar sei, werden nun alle diese Fragen zugunsten einer simplen „Arbeitsmengentheorie (Arbeitsmenge bestimmt die Austauschverhältnisse)“ (Heinrich 2003; 398) aufgegeben, der Unterschied zwischen Mehrprodukt und Mehrwert bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Und tatsächlich deutet Engels das Wertgesetz strikt historisch. Es gelte nämlich „für die ganze Periode der einfachen Warenproduktion, also bis zur Zeit, wo diese durch den Eintritt der kapitalistischen Produktionsform eine Modifikation erfährt.“ (MEW 25; 909) Im Kapitalismus nämlich, so Engels, würde das Wertgesetz zugunsten des Produktionspreises aufgehoben, der nun in modifizierter Form das Erbe des Wertgesetzes angetreten hätte.[viii] Bei Marx können wir das freilich ganz anders lesen. Explizit unterscheidet unser Autor zwischen Mehrwert und Mehrprodukt. Daß in beiden Fällen die Arbeitszeit eine Rolle spielt, darf nicht dazu führen, diese Begriffe nicht mehr zu unterscheiden: „Die Fronarbeit ist ebensogut durch die Zeit gemessen wie die Waren produzierende Arbeit, aber jeder Leibeigene weiß, daß es ein bestimmtes Quantum seiner persönlichen Arbeitskraft ist, die er im Dienst seines Herrn verausgabt.“, (MEW 23; 91) schreibt Marx im ersten Band des „Kapital“ und bekräftigt dadurch die Zeitdauer als wesentliches Moment der Arbeit. Allerdings bleibt Marx bei einer bloßen Analogie nicht stehen, sondern betont den spezifischen Unterschied zwischen einer vorkapitalistischen und der kapitalistischen Ökonomie. Die Frage Mehrwert oder Mehrprodukt wird unmittelbar mit der Existenz der Klassen verklammert. In der Feudalität existiert die doppelt freie LohnarbeiterIn nicht: „Statt des unabhängigen Mannes finden wir hier jedermann abhängig – Leibeigene und Grundherrn, Vasallen und Lehnsgeber, Laien und Pfaffen. Persönliche Abhängigkeit charakterisiert ebensosehr die gesellschaftlichen Verhältnisse der materiellen Produktion als die auf ihr aufgebauten Lebenssphären.“ Und nun kommt Marx zur entscheidenden Schlußfolgerung: Weil die freie Lohnarbeit nicht existiert, macht der Begriff des Wertes und des Mehrwertes keinen Sinn. „Aber eben weil persönliche Abhängigkeitsverhältnisse die gegebne gesellschaftliche Grundlage bilden, brauchen Arbeiten und Produkte nicht eine von ihrer Realität verschiedne phantastische Gestalt anzunehmen.“ Diese „phantastische Gestalt“ ist – wie aus dem Kontext, wir lesen im Fetisch-Abschnitt, leicht ersichtlich ist – nichts anderes als der Wert, der als scheinbare (!) Dingeigenschaft an den Arbeitsprodukten klebt. Die „persönlichen Abhängigkeitsverhältnisse“ verhindern das entstehen der freien Lohnarbeit und damit der endgültigen Verwandlung des Arbeitsproduktes in Ware. Daher setzt Marx fort: „Sie gehen als Naturaldienste und Naturalleistungen in das gesellschaftliche Getriebe ein.“ (MEW 23; 91) Ich meine, daß diese Passage an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Wird das Wertgesetz im Sinne des Nachworts von Engels zum dritten Band verstanden, kann die kritische Pointe des Wertbegriffs nicht mehr ausgedrückt werden. Unter der Hand verwandelt sich die scheinbare Dingeigenschaft des Arbeitsproduktes, Träger von Wert zu sein, hinter der das gesellschaftliche Verhältnis der entfremdeten Lohnarbeit (ein Pleonasmus, Lohnarbeit ist immer entfremdete Arbeit) zu erkennen ist, in eine tatsächliche positive Werteigenschaft. Die Konsequenz, den Klassenkampf auf ein Gerangel um den Mehrwert zu depotenzieren, folgt leicht aus dem Gerede vom Wertgesetz. Wenn John Holloway schreibt: „Das ‚Kapital’ ist eine Untersuchung der Selbst-Negation des Tuns. Von der Ware bewegt sich Marx weiter zu Wert, Geld, Kapital, Profit, Pacht, Zins – zu immer dunkleren Formen, die das Tun verbergen, zu immer entwickelteren Formen der Unterdrückung der kreativen Macht.“ (Holloway 2002; 63) so kann eine reine Arbeitsmengentheorie diese fetischistische Verstellung gar nicht mehr formulieren. Tatsächlich kann die Reihe: abstrakte Arbeit als universale Eigenschaft jeder Arbeit – Wertgesetz als Arbeitsmengentheorie – Aneignung des Mehrwerts durch das Kapital - den Klassenbegriff und den Klassengegensatz bloß verteilungstheoretisch fassen. Wenn nun etwa John Roemer[ix] den Marxschen Ausbeutungsbegriff als Sonderfall einer allgemeinen Ausbeutungstheorie darstellt, und diese auf ein bloßes Input – Output Verhältnis reduziert[x], so zieht dieser in der Sprache des US-amerikanischen Wissenschaftsestablishments nur weitere Konsequenzen aus der Arbeitsmengentheorie des Wertes. c) Die Form des Wertes Es war Hans Georg Backhaus, der den Begriff der „prämonetären Werttheorie“ für jene verkürzte Sichtweise der Wertform geprägt hat, die durch die historische Sichtweise nahegelegt wird. „In der Darstellung der marxistischen[xi] Werttheorie erschöpft sich die Funktion des Werts darin, das Austauschverhältnis einer Ware gegen eine andere zu regulieren. Es erscheint für die Darstellung des Wertbegriffs ganz gleichgültig zu sein, ob die Werte als Geldpreise ausgedrückt sind und der Austausch durch Geld vermittelt wird oder nicht.“ (Backhaus 1997; 95) Wenn ich diese Kritik auf die drei Dimensionen des Wertes (Substanz, Maß und Form) beziehe, ergibt sich folgende weitere Verkürzung: Im Grunde wird der Wertbegriff als durch Substanz und Maß erschöpfend dargestellt betrachtet. Aus einer strikt historischen Lesart betrachtet, besitzt dies auch eine gewisse Logik. Wenn Felle gegen Fisch, Gewürze gegen Gold getauscht wurde, also Ware gegen Ware, dann muß unter der Annahme der Gültigkeit des Wertgesetzes alle Bestimmungen des Werts auch vorhanden gewesen sein. Tatsächlich wird das Geld in dieser Perspektive ausschließlich über seine Funktionen definiert. Die Definition des Geldes erfolgt also durch den Katalog seiner Funktionen, die da sind: Maß der Werte, Zirkulationsmittel, Wertzeichen, Mittel der Schatzbildung sowie Zahlungsmittel. Auch Ernest Mandel, der als trotzkistischer Theoretiker sich Zeit seines Lebens in kritischer Distanz zum Staats- und Parteimarxismus befand, vertritt in seinem Buch „Marxistische Wirtschafttheorie“ geradezu eine Bilderbuchversion der historischen Lesart. Daß das Wertgesetz seit Anbeginn der Zivilisation die Tauschvorgänge regelte, wird von ihm ebenso selbstverständlich angenommen, wie die Gültigkeit der „einfachen Warenproduktion“. Den Begriff des „allgemeinen Äquivalents“ erläutert Mandel an Tauschrelationen in Ägypten „Anfang des zweiten Jahrtausends v. Chr.“ (Mandel 1970; 76) Geld tritt nur über seine Funktionen in den Blick: „Die Notwendigkeit eines solchen Äquivalents (d.h. des Geldes K.R.) liegt auf der Hand.“, liest man in seinem Text. Und Mandel setzt fort: „Sir Samuel Baker erzählt, wie er auf dem Markt von Nyoroi in Uganda die Marktleute hat rufen hören: Milch für Salz zu verkaufen! Salz gegen Speerspitzen! Billigen Kaffee für rote Perlen! (...) Das allgemeine Äquivalent jedoch ist eine Ware, für die jede andere Ware erworben werden kann. Nehmen wir an, Salz sei das allgemeine Äquivalent. Sofort könnten die drei Geschäfte ohne Schwierigkeiten zustande kommen.“ (Mandel 1970; 75f) Der Wert ist also „immer schon“ vorhanden, das Geld fungiert als praktisches Zirkulationsmittel, oder wie Marx spöttisch schreibt: „In anderen Worten, unter dem Vorwand, den einfachen Tauschhandel zu betrachten, veranschaulichen sich die Ökonomen gewisse Seiten des Widerspruchs, den das Dasein der Ware als unmittelbare Einheit von Gebrauchswert und Tauschwert einhüllt. Andererseits halten sie dann konsequent am Tauschhandel als adäquater Form des Austauschprozesses der Waren fest, der nur mit gewissen technischen Unbequemlichkeiten verknüpft sei, wofür Geld ein pfiffig ausgedachtes Auskunftsmittel.“ (MEW 13; 36) Das entscheidende methodische Vergehen, das der historischen Darstellung zur Last zu legen ist, ist die stillschweigende Beseitigung des Doppelcharakters der Ware. Wie Marx in der soeben zitierten Stelle ja ausführt, erkennen die prämonetären Werttheoretiker zwar das Problem, daß die Ware für den Verkäufer als Tauschwert, für den Käufer als Gebrauchswert relevant ist. Geld tritt da quasi als probates Mittel auf, die Zirkulation zu beschleunigen. Der Verkäufer A muß nicht so lange suchen, bis er am Gebrauchswert des Verkäufers B und umgekehrt interessiert ist, sondern das Geld ermöglicht die Zerlegung des Tauschaktes in zwei getrennte Kaufakte. Was der prämonetären Werttheorie jedoch nur als Zirkulationsproblem erscheint, ist tatsächlich ein Problem der Form des Wertes selbst. Anders gesagt, die Ware kann an sich selbst, isoliert, darstellen was sie ist, das heißt: sie kann ihre Werteigenschaft nur in Bezug auf eine andere Ware darstellen, an einem bestimmten Quantum an Gebrauchswert einer anderen Warenart. Die Wertformanalyse leitet Marx mit der Tauschrelation zweier Waren ein - „x Ware A = y Ware B“ (MEW 23; 63) – und untersucht die Nichtidentität der beiden Seiten der Gleichung. „Es spielen hier zwei verschiedenartige Waren A und B, in unsrem Beispiel Leinwand und Rock, offenbar verschiedne Rollen. Die Leinwand (Ware A) drückt ihren Wert aus im Rock (Ware B), der Rock dient zum Material dieses Wertausdrucks.“ (MEW 23; 63) Das Verhältnis zwischen der Ware A, die ihren Wert in einem Quantum der Ware B ausdrückt, und der Ware B, die als Wertausdruck dient, ist mit dieser Gleichung zwar schon gesetzt, aber noch nicht fixiert. Über verschiedene Stufen entwickelt Marx nun den Begriff des allgemeineren Äquivalents, das wir hier vereinfachend als Geldware bezeichnen können. Also: eine Warengattung wird zum Wertspiegel aller anderen Waren, und alle anderen Waren drücken ihren Wert in dieser einen bestimmten Ware, dem allgemeinen Äquivalent, aus. Von Zirkulationsproblemen, ja von Zirkulation und Austausch allgemein ist in diesem Abschnitt des Kapitals überhaupt noch nicht die Rede. Damit Ware als Ware existierten kann, muß sie sich verdoppeln in Ware und Geld. Sie muß sich äußerlich verdoppeln, weil sie von Haus aus Doppelcharakter besitzt. Betrachte ich die Ware ausschließlich unter dem Gesichtspunkt, Produkt angehäufter, geronnener abstrakter Arbeit zu sein, so befinde ich mich mitten in einem Denkweg, der jedoch noch nicht bis zum Ende zurück gelegt ist. Oder anders gesagt, Waren, die nicht verdoppelt als Ware und Geld gesellschaftlich existieren, sind keine Waren im emphatischen Sinne des Wortes. Sie können auch nicht als Träger von Wert fungieren, weil sie ihr Wertsein nicht darstellen können. Marx: „Sagen wir: als Werte sind die Waren bloß Gallerten menschlicher Arbeit, so reduziert unsre Analyse dieselben auf die Wertabstraktion, gibt ihnen aber keine von ihrer Naturalformen verschiedne Wertform.“ (MEW 23; 65) Naturalform ist ein von Marx sehr häufig verwendeter Begriff. Wir können ihn mit der Gebrauchswertseite der Dinge gleichsetzen. Das Arbeitsprodukt, bloß als Gallerte abstrakter Arbeit betrachtet, ergibt mir noch keine Ware. Das ist der Punkt. Daher setzt Marx fort: „Anders im Wertverhältnis einer Ware zur anderen. Ihr Wertcharakter tritt hier hervor durch ihre eigne Beziehung zu einer anderen Ware.“ (MEW 23; 65) Jenseits von logisch/historisch?In der Diskussion des ersten Entwurfes dieses Artikels in der grundrisse – Redaktion wurde angemerkt, ich würde mit meiner Kritik an der historischen Interpretation offene Türen einrennen. Nun, was vorgebliche offene Türen betrifft, so bin ich immer skeptisch, ob diese tatsächlich so weit offen stehen, daß sich eine Auseinandersetzung erübrigt. Hinter der historischen Lesart steht doch eine bedeutende Traditionslinie, die Gesellschaft darwinistisch primär unter den Aspekten der Kontinuität dachte, und die tiefen Brüche im historischen Verlauf nicht erkennen konnte oder wollte. Wesentlich ist der Zusammenhang zwischen diesem Geschichtskonzept und der Verkennung der Marxschen Werttheorie als Arbeitswert- und Arbeitsmengenlehre. Wenn Arbeit Wert schafft und die in der Ware enthaltene Arbeitsmenge den Austausch regelt, so ist nicht einzusehen, warum dies ein Spezifikum der kapitalistischen Produktionsweise sein soll. Wird jedoch umgekehrt Wert, Ware und Kapital strikt als dinglicher Ausdruck eines gesellschaftlichen Verhältnisses erkannt, gewissermaßen bloß als die andere Seite der selben Medaille, so kann der Wertbegriff nicht vom Lohnarbeitsverhältnis und das Lohnarbeitsverhältnis nicht vom Wert getrennt werden. Ob innerhalb der Linken in dieser Frage tatsächlich alle Türen offenstehen und die historische Mißdeutung endgültig Vergangenheit ist, wage ich doch zu bezweifeln. Bevor ich abschließend auf die Grenzen der logischen Lesart zu sprechen komme, noch eine Klarstellung: Märkte, Waren und Geld existierten schon lange vor dem Kapitalismus. Auch gegen die Verwendung des Kapitalbegriffs etwa für antike Verhältnisse ist prinzipiell nichts einzuwenden, solange immer die Vorbehalte mitgedacht werden, die Marx so eindringlich in den ersten Abschnitten des „Rohentwurfes“ von 1857/58 formuliert hat: „In der Anatomie des Menschen ist ein Schlüssel zur Anatomie des Affen.“ (Grundrisse 26) Zur Verdeutlichung ein Vergleich: Ebenso wie das zentrale Nervensystem des Huhnes wie des Menschen als Gehirn bezeichnet werden kann, kann von mittelalterlichem und modernen Kapital gesprochen werden, wobei jedoch der wesentliche Unterschied mitzudenken ist. In diesem Sinne ist auch die Aussage von Engels zu bewerten, der im „Anti-Dührung“ bezweifelt, ob der Wertbegriff umstandslos auf frühere Epochen angewendet werden kann: „...; und daß in dem ganzen Abschnitt des ‚Kapital’ über den Wert auch nicht die geringste Andeutung darüber vorkommt, ob oder in welcher Ausdehnung Marx diese Theorie des Warenwerts auch auf andre Gesellschaftsformen anwendbar hält.“(MEW 20; 184) Ich gebe allerdings gerne zu, daß mit dem Plädoyer für ein logisches Verständnis der Kapitalanalyse zwar ein notwendiger, aber keineswegs ein zureichender Schritt gesetzt ist. Ist es möglich, mit einigem Vorbehalt von einer historischen Schule zu sprechen, so erscheint mir das bezüglich der logischen Ausrichtung noch viel weniger der Fall. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige Rezeptionslinien, die sich mit der logischen Methode vereinbaren lassen: Sowohl der an Adorno anknüpfende Monismus des abstrakten Wertes, der in Begriffen wie dem „automatischen Subjekt bei Marx“ vorgetragen wird, Backhaus´ Beharren auf der dialektischen Entwicklung des Wertbegriffs, ausgehend und beruhend auf dem Doppelcharakter der Ware, einem „Begriffs eines entwicklungsfähigen und entwicklungsbedürftigen Werts, der erst als Kapitalwert sich selbst adäquat geworden ist“ (Backhaus 2003; 420), allen in dieser großen Linie der logischen Interpretation. Aber auch die operaistische Marxlektüre baut insbesondere auf einem logischen Verständnis auf, als gerade sie das soziale Verhältnis zwischen den Klassen, konkret den Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie in das Zentrum der Betrachtungen rückt. So konstatiert auch Holloway: „Marx führt den Begriff des Fetischismus in Zusammenhang mit der Produktion und dem Austausch von Waren ein. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine vorkapitalistische Phase, denn die Verallgemeinerung der Warenproduktion setzt das Vorhandensein von Arbeitskraft als Ware, also die Existenz einer kapitalistischen Gesellschaft voraus.“ (Holloway 2002; 65) Und zur Bekräftigung der Abgrenzung von vorkapitalistischen Verhältnissen zitiert er zustimmend aus dem „Kapital“: „Was also die kapitalistische Epoche charakterisiert, ist, daß die Arbeitskraft für den Arbeiter selbst die Form einer ihm gehörigen Ware, seine Arbeit daher die Form der Lohnarbeit erhält. Andererseits verallgemeinert sich erst von diesem Augenblick an die Warenform der Arbeitsprodukte.“ (MEW 23; 184 Fußnote 41) So verstanden ermöglicht der Begriff des Logischen bloß eine Stufe in der Entwicklung eines adäquaten Verständnisses von Ware, Wert und Kapital. e-mail: karl.reitter/ at /univie.ac.at Literatur:Hans Georg Backhaus (1997), “Dialektik der Wertform. Untersuchungen zur marxschen Ökonomiekritik“, Freiburg (2003) „Über das ‚Logische’ in der Nationalökonomie“, in: Das Argument Nr. 251, Seite 410 – 423, Berlin Ingo Elbe, „Marx vs. Engels – Werttheorie und Sozialismuskonzeption“, http://www.rote-ruhr-uni.org/texte/elbe_marx_vs_engels.shtml Wolfgang Fritz Haug (2003a), „Historisches/Logisches“, in: Das Argument Nr. 251, Seite 378 – 398, Berlin (2003b) „Wachsende Zweifel an der Monetären Werttheorie, Antwort auf Heinrich“, in: Das Argument Nr. 251, Seite 424 – 437, Berlin Rolf Hecker, „Einfache Warenproduktion“, http://www.rote-ruhr-uni.org/texte/hecker_einfache_warenproduktion.shtml Michael Heinrich (1999), „Die Wissenschaft vom Wert“, Münster (2003) „Geld und Kredit“, in: Das Argument 251, Seite 397 – 409, Berlin John Holloway (2002), „Die Welt verändern, ohne die Macht zu übernehmen“, Münster Ernest Mandel, (1970), „Marxistische Wirtschaftstheorie“, Frankfurt am Main Karl Polanyi (1978), „The Great Transformation“ Frankfurt am Main Nadja Rakowitz, (2000), „Einfache Warenproduktion“, Freiburg Helmut Reichelt (1979/2001), „Zur logischen Struktur des Kapitalbegriffs bei Marx“, Freiburg [i] Es handelt sich dabei um folgende Artikel: Wolfgang Fritz Haug, „Historisches/Logisches = (Haug 2003a), Michael Heinrich, „Geld und Kredit“ = (Heinrich 2003), Hans Georg Backhaus, „Über das ‚Logische’ in der Nationalökonomie“ = (Backhaus 2003), Wolfgang Fritz Haug, „Wachsende Zweifel an der Monetären Werttheorie. Antwort auf Heinrich“ = (Haug 2003b), alle Artikel in: „Das Argument“ Nr. 251, Berlin – Hamburg 2003, Seite 378 - 437 [ii] Quelle: Persönliche Mitteilung von Michael Heinrich. [iii] Dieses Manuskript ist teilweise unter den Titel: „Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses“ (Frankfurt am Main 1969) veröffentlicht worden und findet sich nun in MEGA II:4.1 [iv] In der bürgerlichen Gesellschaft muß dies genau umgekehrt erscheinen, Warenproduktion als das Selbstverständliche vom Selbstverständlichen, Produktion jenseits der Warenform als seltsame Utopie. [v] Karl Marx, „Das Kapital“ Nachdruck der Erstauflage, S. 6, = MEGA II.5/21 [vi] „Schneiderei und Weberei, obgleich qualitativ verschiedne produktive Tätigkeiten, sind beide produktive Verausgabung von menschlichem Hirn, Muskel, Nerv, Hand usw., und in diesem Sinne beide menschliche Arbeit.“ (MEW 23; 58f) [vii] Die Auffassung, die wertbildende, abstrakte Arbeit habe nur für die kapitalistische Produktionsweise Vollgeltung, wird u.a. auch von Michael Heinrich vertreten. Haug kritisiert diese Auffassung mit folgenden Worten: „Heinrichs rhetorische Frage, ‚ob abstrakte Arbeit in allen Produktionsweisen existiert habe oder ob sie für die Warenproduktion spezifisch sei’, ist keine Frage des Existierens sondern der systemischen Indienstnahme.“ (Haug 2003b; 435) Systemische Indienstnahme? Tatsächlich Fragen durch rhetorisches Ornament zu überspielen, ist auch ein Weg der Auseinandersetzung. [viii] Der Ausdruck „Produktionspreis“ ist an den Begriff des Ausgleichs der Profitrate gebunden, die ich hier nicht darstellen kann. [ix] John Roemer, „A general Theory of Exploitation and Class”, Cambridge, Massachusetts,1982 [x] Wenn A und B je 8 Stunden Arbeiten, A jedoch 10 und B nur 6 Anteile erhält, so zeige dies das Klassen- und Ausbeutungsverhältnis auf einer abstrakteren Stufe, die Marxschen Klassen würden einen Sonderfall darstellen. Wenn sich das Klassenverhältnis tatsächlich auf eine solche ungleiche Zuteilung beschränken würde, sehe ich keinen Grund, es aufheben zu müssen. [xi] Backhaus unterschiedet zwischen der marxschen und der marxistischen Position. Die marxsche sei jene von Karl Marx selbst entwickelte, die „marxistische“ jene, die durch verschiedene Filter verzerrt dargestellt wurde und wird. Soweit zur Terminologie von Backhaus. |
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