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Klaus Neundlinger - Apologie der
Erstarrung “Die Gesichtspunkte der Eiszeit ermangelten nicht einer gewissen Größe. Der Mensch wurde nicht so sehr nach seiner Leistung geschätzt als vielmehr dem Vertrauen nach, das auf ihn (in ihm) gehäuft lag. Das ist kein unfreier Standpunkt. Das Gefühl der Freiheit wird gemeinhin weniger geschätzt als das der Sicherheit und der Übereinstimmung. Das Lebensgefühl jener Menschen äußerte sich in dem Wissen um die Mitgliedschaft in einem Gesamtkörper, der in seinem Haupt, gut oder schlecht, frei war.”[1] Distanz als Härte Die innere
Sicherheit, die über eine “gereifte” und zu sich selbst gekommene nationale
Identität demonstrierte Stärke nach außen, und die Notwendigkeit, auf
dem Altar der Weltgeschichte unausgesetzt Opfer zu bringen: Auf diesen
drei “Fundamenten” baut Österreichs zur Zeit am heftigsten diskutierter
Philosoph Rudolf Burger seine Analysen auf. Scheinbar mobilisiert er dabei
abseitige, distante Kräfte, inszeniert seinen Nationalismus und Militarismus
als auf- und abgeklärte Haltung, aus dem jenes “notwendige” Instrumentarium
hervorgeht, das der dem kühlen Kommentator ebenbürtige Staatsmann zur
Regierbarkeit der unreifen Massen einzusetzen hat. Ist aber, so könnte man dem
entgegenhalten, das Modell des national verfassten Staates als Antwort auf die
sozialen und ökonomischen Transformationen nicht längst ausgehöhlt? Hat nicht
längst und immer schon der Prozess der Liberalisierung die territoriale
Verfasstheit ökonomischer und sozialer Strukturen aufgelöst? Besteht das Wesen
des Kapitalismus nicht darin, jene Grenzen, die sich seiner Entfaltung
entgegenstellen, zu überschreiten, ja seine eigenen immanenten Grenzen immer
mehr zu verschieben?[2] Hat sich der
Sinn des Opfers der Eigeninteressen im Lichte der Vernunft der Geschichte nicht
grundlegend gewandelt, ist dieser Sinn selbst nicht so abstrakt geworden, dass
er nicht mehr von territorialen Maschinen wie der Staatsnation besetzt und redistribuiert
werden kann? Wir befinden uns in einer Entwicklung, in der das Opfer als
politische Kategorie besonders wichtig zu sein scheint. Deshalb gilt es zu
bestimmen, um welche Instanz es sich handelt, die unentwegt ihr Opfer
fordert. Wie sich
zeigen wird, folgen die Interventionen, die Burger in den Debatten der
österreichischen Zeitungen, Journale und anderer Periodika zum prominentesten
der so genannten “Philosophen der Wende” gemacht haben,[3]
aus einer politischen Theorie, die jenseits ihrer Option für den Nationalstaat
und einer vom “Begriff des Politischen” Carl Schmitts ausgehenden Konzeption
der Souveränität nur jenes undifferenzierte Außen, jenen steten Kriegszustand
ontologisch voraussetzt, durch den die Rede von der repräsentativen Demokratie
zur Beschwörung einer gespenstisch leeren Struktur gerät. Komplementär zur
symbolischen Auslöschung des Partikularen, des intensiven Werdens
gesellschaftlicher Zusammenhänge, rechtfertigt sich diese Option als Distanz,
sie vereinnahmt einen Begriff der politischen Rationalität, der aus mehreren
Gründen bedenklich ist. In dem zweifelhaften Versuch, den Nihilismus als
versteinerte Rationalität noch einmal für die Eliten zu beanspruchen,[4]
stellt sich ein solches Denken das wesentliche Problem nicht: das der Machtbeziehungen,
die jede Gesellschaft konstituieren, indem sie immer schon die Notwendigkeit
der Herrschaft gegenüber allem, was nicht männlich, hart und vernünftig, was
allzu romantisch, unreif und im Hegelschen Sinn deshalb auch noch nicht zu sich
gekommen ist, voraussetzt. Deshalb
ist es auch notwendig, im Gegenzug den Begriff des Politischen zu erweitern,
indem wir unsere Aufmerksamkeit auf das Nicht-Repräsentative lenken, als das,
was von Burger als Hysterie diffamiert und dessen soziale und historische
Realität von ihm negiert wird. Hysterie zeichnet sich durch ein “zu viel” an
Gegenwart aus, das durch den Hysteriker auf die Gegenstände verteilt wird. In
diesem Sinn, meint Gilles Deleuze, gibt es “kaum einen Unterschied zwischen dem
Hysteriker, dem Hysterisierten und dem Hysterisierenden.”[5]
Dieser Ununterscheidbarkeit wollen wir nachgehen, weil wir meinen, dass dort
die relevanten Probleme für einen nicht-repräsentativen Begriff des Politischen
verborgen sind. Den massiven Bewegungen des Ausschlusses, die das Denken
Burgers und seine Wirksamkeit exemplarisch im öffentlichen Raum bestimmen, wollen
wir das subjektive Vermögen der reflektierenden Urteilskraft entgegenstellen,
die im “Widerstand” und in der
Auflehnung gegen eine mittlerweile universell gewordene Unterdrückung durch
ökonomische Zwänge und die systematische Diskriminierung von politischen
Interessen in verschiedensten Formen einen subjektiven, nicht-repräsentativen
Zeichenkosmos entfaltet hat, innerhalb dessen sich das Erhabene, gerade weil es
nicht auf die konkrete politisch-historische Situation beschränkt bleibt, als
Größe schlechthin, als gegenuniverselle Forderung zu erkennen gibt.
Die
“Vereisung” des eigenen Denkens, die Haltung des Distanziertseins, die
ausgehend von einer Parteinahme für Ernst Jüngers angebliche Überwindung des
Nihilismus zum Fundament seiner Interventionen in den öffentlichen Debatten
wurde, sollte Burger jene Singularität und Unbestechlichkeit sichern, die ihm
zufolge entscheidend für den Intellektuellen und die ihm abgeforderte
Enthaltsamkeit nach dem Ende der Geschichte ist. Dabei bezieht er sich auf
Jüngers entomologische Studien: “Man
sagt, Jünger sei einer der größten Entomologen. Er ist es gewiss als Literat.
Sein Lieblingsverbum ist betrachten, sein Lieblingsnomen Bild. In diesen
Bildern drückt eine Distanz zur Welt sich aus und eine innere Vereisung, die
sich nach außen überträgt. Der kalte Blick des Betrachters verzaubert das
lebendige Wesen in ein Präparat, und alles Geschehen erstarrt zum Bild. Dem
Betrachter Jünger kommt es auf Lagebeurteilungen an, nicht auf Empathie.”[6] Lassen
wir zunächst einmal die Frage beiseite, ob sich Lagebeurteilung und Empathie in
dieser Schärfe ausschließen.[7]
Interessant ist hier nämlich vielmehr, ob es sich bei der kühlen
Distanziertheit tatsächlich um eine singuläre, einsame Haltung handelt. Unter
Bezugnahme auf Ernst Jüngers biographische Entwicklung weist Burger selbst
darauf hin, dass es sich bei der Abkehr vom Lebendigen und der Zuwendung zum
erstarrten Bild um eine Form der Selbsthistorisierung handelt. Ich unterstelle
der Hommage an Jünger von Rudolf Burger, die er zu dessen 100. Geburtstag
verfasst hat, eben dasselbe, indem er durch Jünger als eine heroische und
exemplarische Figur des 20. Jahrhunderts hindurch seinen Blick auf das
Zeitgeschehen richtet. Im Folgenden möchte ich zeigen, dass die Kälte im Urteil
den wesentlichen Entwicklungen der europäischen Gesellschaft in den letzten
Jahrzehnten entspricht und diese legitimiert, anstatt sie kritisch zu
kommentieren. Die “Distanz” des politisch-philosophischen Betrachters ist dabei
nicht mehr als eine leere Geste. Die Dichotomie zwischen Vernunft und Empathie,
die Burger zur Begründung seiner distanzierten Haltung bemüht, entspringt einer
Logik des Scheins, die ihm in seinen Analysen den Blick auf die soziale
Realität verstellt. In einer
Fernsehdokumentation über den Begriff des “Gutmenschen”[8]
hat Konrad Paul Liessmann, der den Positionen Burgers sehr nahe steht, diese
Logik des Scheins exemplarisch verdeutlicht. Nach einer Sequenz, in der man
Bilder der spanischen Exklave Ceuta sieht, die sich auf der marokkanischen
Seite der Meerenge von Gibraltar befindet und militärisches Sperrgebiet
darstellt, nimmt Liessmann zu Bildern von MigrantInnen Stellung, die in
primitiven Booten die Überfahrt von Afrika nach Europa wagen. An dieser Grenze
gibt es jährlich viele Opfer zu beklagen, Menschen, die beim Versuch, das
spanische Festland zu erreichen, umkommen. Liessmann spricht dann über die
“Empathie”, die die ZuschauerInnen angesichts solcher Bilder empfinden würden,
doch es sei die “politische Vernunft”, die einer solchen Empathie der
“Gutmenschen”[9]
kontrollierend und mäßigend entgegentreten müsse. Implizit unterstellt der
Kommentator Liessmann dem/r ZuschauerIn, dass dieseR reflexartig auf Bilder
reagiere, die keiner vernunftmäßig erfassbaren Wirklichkeit entsprechen.
Anstatt aber den politischen Gehalt der Migration näher zu bestimmen, weicht
Liessmann auf Gemeinplätze der Medienkritik aus und reduziert somit die
Diskussion auf psychologistische Deutungsmuster. Tatsächlich muss man dem
entgegenhalten, dass die BürgerInnen Europas in einem ganz anderen – eminent
politischen – Sinn mit der Realität der Migration kaum konfrontiert werden,
weil diese als Thema in erster Linie durch rassistische Diskurse von Seiten der
Politik und der Medien instrumentalisiert wird. Das ohnehin seltene Erscheinen
der mit der Migration verbundenen Schicksale auf den Bildschirmen erzeugt dadurch
eher Reaktionen der Abwehr, als dass es zu einer Diskussion um grundlegende
Rechte und die Frage nach der Solidarität käme. Die MigrantInnen haben kaum
eine Chance, sich in der europäischen Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Wenn
sie dies zustande bringen, dann vor allem aufgrund ihres autonomen politischen
Engagements, das immer jenseits der Institutionen ansetzt und deshalb auf
massive Hindernisse in der öffentlichen Diskussion stößt, weil arrivierte und
kommerzielle Medien sich kaum für die Anliegen von Minoritäten einsetzen. Im
Gegenteil, gerade in den österreichischen Medien herrscht eine ungebrochene
Kontinuität rassistischer Berichterstattung. An diesem Zusammenhang wird
besonders deutlich, wie abstrakt und verzerrend die Unterscheidung zwischen Empathie,
also emotionalem, reaktivem Verhalten und politischer Vernunft, also rationaler
Entscheidungskraft ist. Den Anliegen der MigrantInnen wird damit a priori
das Vermögen, allgemein formulierbare Interessen darzustellen, abgesprochen.
Dies spiegelt sich in einer anderen Aussage Liessmanns in der Dokumentation
wider, wenn er meint, dass Menschen, die sich in der Flüchtlingsbetreuung
betätigen – also solche, die mit der objektiven Realität der Migration
konfrontiert sind –, besonders deutlich um die Grenzen des Engagements Bescheid
wüssten. Dieser Begriff von Engagement entspricht kommunitaristischen
Vorstellungen von sozialer Aktivität. Es geht hierbei darum, besonders schlimme
Entwicklungen abzufangen, “Härten”, die durch das System entstehen, auszugleichen,
jedoch nicht um politisches Engagement im Sinne von Forderungen, die durch
Subjekte und Gruppen erhoben werden. Betrachtet
man diese Ansicht von politischer Vernunft weiter, dann muss man zu folgendem
Schluss kommen: MigrantInnen sind keine Menschen, sie haben keine allgemeinen
und unveräußerlichen Rechte, da sie entweder ausschließlich Objekte des
Mitgefühls oder Objekte des vernunftbegründeten Ausschlusses von der
Teilhabe am politischen und sozialen Leben in Europa sein können. Sie werden
ihrer Humanität beraubt, insofern sie auf ihr nacktes Leben reduziert
bleiben.[10]
Die “politische Vernunft” der europäischen Staaten setzt souverän und durch
eine letzten Endes grundlose Entscheidungsmacht, die die souveräne Gewalt
außerhalb jeder Rechtsordnung manifestiert, ein Asylrecht oder ein so genanntes
“Fremdenrecht” zur Regelung der Migration ein. Dieses Recht ist ein
Gnadenrecht, weil es von politischen Interessen abhängig gemacht wird, und
beruht in dieser Lesart – wenn auch nur implizit – nicht auf der
Menschenrechtskonvention, sondern im Gegenteil auf einem Ausschlussprinzip, das
den nationalstaatlichen Verfassungen zugrunde liegt: der
StaatsbürgerInnenschaft. Dieser Mechanismus der Exklusion von der Teilhabe an
grundlegenden Rechten, dessen Grund alles andere als rational ist, wird in dem
angeführten Statement von Liessmann verschwiegen oder implizit gerechtfertigt.
Es ist dies aber das historische Fundament, auf dem die rassistische
Migrationspolitik der europäischen Staaten aufbaut und gesetzlich durchgesetzt
wurde. Die 1986 von den Regierungen der Europäischen Gemeinschaft vereinbarten
Schengener Verträge haben es ermöglicht, das Problem der Migration mit dem der
“inneren” Sicherheit zu identifizieren, was es den rechtsextremen Parteien in
ganz Europa erleichtert, rassistische Politik über Forderungen nach
Intensivierung des Ausschlusses und die symbolische Konstruktion von homogenen,
völkischen Identitäten zu betreiben und damit die Identitätsdiskurse zu
besetzen. Ihre Forderungen werden insofern repräsentativ, als sie auf der Basis
des strukturellen Rassismus der Europäischen Union gestellt werden. Viele
unabhängige Gruppen bekämpfen deshalb diesen Zustand als “Rechtszustand”, sie
setzen sich in ihrer politischen Arbeit nicht nur für die Flüchtlinge und
MigrantInnen hinsichtlich ihrer individuellen Schicksale ein, sondern
reflektieren auch über mögliche Veränderungen in den Gesetzen, fordern das
Wahlrecht für Menschen ohne StaatsbürgerInnenschaft, weisen auf
Ungerechtigkeiten in den Verfahren, auf Menschenrechtsverletzungen bei
Abschiebungen, auf den Skandal der Schubhaft hin. Institutionen wie der
Europarat dokumentieren und analysieren rassistische und demokratiepolitisch
bedenkliche Entwicklungen, wiewohl sie konkret wenig Möglichkeiten haben,
Einfluss auf die verantwortlichen Parteien oder PolitikerInnen zu nehmen. Dies
alles als beschränkte Empathie und karitative Anstrengung gegen die
vermeintliche politische Vernunft der Gesetzgebung der europäischen Staaten
ausspielen zu wollen, stellt eine Argumentation dar, die die Diskussion
entpolitisiert und den rassistischen Ausschlussmechanismen Vorschub leistet. Tatsächlich
ist die “Kälte” in der Betrachtung weniger kritische Haltung als vielmehr dem sensus
communis entsprechend, insofern sie auf der reflexiven Ebene die Abgrenzung
des Wirtschaftsraums Europäische Union von anderen geographischen und
politischen Räumen widerspiegelt. Die Regierungen sind immer mehr auf die
Forderungen nach Zuwanderungsbeschränkung bis zur vollständigen Reduktion
eingegangen und haben damit rassistische Diskurse legitimiert bzw. die damit
verbundenen Ausschlusspraktiken und die politisch motivierte Gewalt als Normalität
zur Grundlage ihres politischen Handelns gemacht. Dies betrifft sowohl die
Gewalt rechtsextremer Gruppen (vor allem in Deutschland), als auch die
Übergriffe der einzelnen Polizeiapparate, sowie die Rhetorik und die
Forderungen der in den Parlamenten vertretenen rechtsextremen Parteien.
Plakatives repressives Vorgehen gegen rechtsextreme Gruppen oder Parteien[11]
ist als politisches Ablenkungsmanöver zu betrachten, da der Zusammenhang dieser
Gewalt mit den verschärften Bestimmungen in der Migrations- und Asylpolitik
verwischt wird. Der Widerstand gegen den Neoliberalismus hingegen wird – das
zeigen die Erfahrungen von Chiapas, Seattle, Prag, Davos, Stockholm, Salzburg
und Genua – nach wie vor mit massiven Polizeieinsätzen und einer entsprechenden
medialen Inszenierung tendenziell als “Gefährdung der inneren Sicherheit” verstanden.
Aus der Perspektive der Geschichte Europas gesprochen bedeutet dies aber auch,
dass sich der Kontinent fortgesetzt aus seiner historischen Verantwortung
stiehlt. Dagegen aufzutreten wäre eine Aufgabe der Intellektuellen, allerdings
müssen sich diese, der Geschichtsauffassung Walter Benjamins entsprechend, mit
Gruppen von Unterdrückten verbinden, um das Nicht-Vergangene im Gegenwärtigen
auszusprechen. Es geht nicht um Distanz in der Betrachtung, sondern um die
“blitzhafte Konstellation”,[12]
in der Gegenwart und Vergangenheit in einem Bild zusammentreffen. Indigene
Gruppen, Angehörige von Minderheiten, UmweltschutzaktivistInnen, ArbeiterInnen,
GewerkschafterInnen, BürgerInnenrechtsgruppen treffen trotz größter
Unterschiede in ihren Anliegen für einen gefahrvollen Moment zusammen, um
Geschichte zu de- oder zu konstruieren. Dies muss man geduldig
analysieren, wenn man das subjektive Vermögen, aus dem historische
Befreiungsbewegungen entstehen, beurteilen will. Der
Einsatz für eine den Menschenrechten gemäße Asyl- und Migrationspolitik ist
deshalb ein wichtiges Element des Nicht-Identischen in Bezug auf den Prozess
der “Europäischen Integration”, da er nicht aus dem Gegensatz zwischen Vernunft
und Interesse abgeleitet werden kann. Die Vereisung des Denkens dagegen steht –
als Figur der symbolischen Auseinandersetzung – in einer starken Affinität zu
den vorherrschenden politischen Diskursen. Man kann sogar sagen, dass sie eine
der zentralen Legitimationsstrategien der so genannten “Neuen Mitte” in Bezug
auf die Zerschlagung der sozialen Strukturen und die damit verbundene
Entsolidarisierung ist.[13]
Die Rede von der “Härte” im sozialen Feld, von der Notwendigkeit von
Einschnitten, die Politik der ökonomischen Austerität,[14]
der restriktiven Finanzpolitik, produziert ein ganzes Feld von
Bedeutungszusammenhängen, die im Prozess der europäischen Integration in
politische Programme, Gesetze, Abkommen und Verträge eingeflossen sind. Diese
Diskurse haben, das kann man in Österreich besonders gut verfolgen, den Zweck,
den systematischen Abbau des Sozialsystems zu verschleiern. Transferleistungen
werden nicht als Rechte von Gruppen oder Individuen verstanden, sondern es
werden mit den Gesetzesvorlagen ständig Ausnahmesituationen (so genannte
“Härtefälle”) konstruiert, welche die Einzelnen zu
BittstellerInnen gegenüber einem
restriktiven “Geldgeber” Staat degradieren.
Die
Suche nach einer institutionellen europäischen Identität hält Rudolf
Burger für gefährlich, wenn damit eine tendenzielle Auflösung der
nationalstaatlichen Institutionen hinsichtlich ihrer Entscheidungskompetenzen
verbunden ist, da sie ihm die romantische, unaufgeklärte Suche nach der
nationalen Identität vor dem modernen bürgerlich-liberalen Staat zu
wiederholen scheint. Reife, so lautet Burgers Prinzip der politischen Analyse,
erlangt ein Gemeinwesen nur über die Hegelsche Idee des bürgerlichen Staates,
aus der die Staatsnation als Resultat eines Mangels hervorgeht, nämlich der
tendenziellen Anomie, also der aus den ökonomischen Interessen
entspringenden “Gesetzlosigkeit” der bürgerlichen Gesellschaft.[15] “Die
immer wieder geforderte Stärkung des Europäischen Parlaments jedoch, welche
diesem echte legislative Kompetenzen gegenüber der Kommission, dem Rat und also
auch gegenüber den nationalen Parlamenten einräumte, wäre ein
demokratiepolitischer Irrweg. Denn er führte zu einer widersprüchlichen
Verdopplung politischer Legitimität, damit zu permanenten Machtkämpfen zwischen
den nationalen Parlamenten und der europäischen Parteienvertretung und damit
wiederum zu Rechtsunsicherheit und letztlich erratischer Willkürherrschaft, mit
leicht voraussehbaren Konsequenzen.”[16] Das
Politische wird von vornherein auf nationale, repräsentative Institutionen
reduziert, jenseits derer Willkür, Irrationalität und der im “Naturzustand”
vorausgesetzte Kriegszustand herrschen. Konflikte müssen kontrolliert,
beherrscht und durch rationale Institutionen unterdrückt werden. Opposition ist
gleichbedeutend mit Unreife. Dies führt zu einem Verständnis des Rechts und des
Staates, wie man sie vor allem in den Theorien der liberalistischen und der
kommunitaristischen angloamerikanischen politischen Philosophie findet.[17]
Die Frage, wie sich Macht konstituiert, damit sie zur
institutionalisierten Herrschaft wird, wird in diesen Theorien
systematisch verdrängt, was zu einem abstrakten, “petrifizierten” Modell von
Gesellschaft und dem möglichen Ausgleich divergierender Interessen führt. Es geht
in dieser Perspektive nicht darum, wie sich Interessen konstituieren,
ausdrücken und verallgemeinern, sondern wie man sie am effizientesten
kontrolliert, verwaltet und unterdrückt. Nicht-repräsentative Interessen werden
dadurch der Tendenz nach in das unbestimmte Außen eines schwelenden
Kriegszustandes projiziert. Sie “gefährden” dementsprechend die “öffentliche
Ordnung”, und was von den Subjekten oder Gruppen gefordert wird, die solche
Interessen lancieren, ist Anpassung und Verzicht, worin sich das Wesen des
Gemeinschaftlichen und des darin angelegten Verantwortungsbegriffs ausdrückt.
Dass die Verengung des politischen Spielraums in Bezug auf die Möglichkeit des
Ausgleichs von Interessen vor allem darauf beruht, dass die Interessen als nationale
definiert werden, scheint in der Abkehr von der Frage nach der Möglichkeit
einer Legislative auf europäischer Ebene verdrängt zu werden. Ich halte diese
Frage dagegen für das entscheidende Problem in Bezug auf den
Integrationsprozess. Wenn man, wie Burger, die Geschichte der europäischen
Einigung als eine Reihe von souveränen Entscheidungen männlicher Politiker,
deren durch sie repräsentierte nationale Eigeninteressen in erster Linie von
ökonomischen Zwängen gezügelt wurden, auffasst,[18]
ist eine solche Verdrängungsleistung nur konsequent. Es erscheint dann als
geschichtlich notwendig (d. h. vernünftig), dass die maßgebliche Entscheidungskompetenz
im Ministerrat verbleibt, denn dort artikulieren sich die Interessen in ihrer
zur “politischen Reife” gebrachten Form: als einheitlich nationale, die
einander in einem Gremium zentralisierter Entscheidungsgewalt gegenübertreten.
Nicht nur die Gefahr einer Rechtsunsicherheit oder “erratischer
Willkürherrschaft” lässt Burger an einem Europa der Vaterländer festhalten,
sondern auch die Faszination für einen Raum souveräner Entscheidungsmacht,
durch den historische Größe erst entstehen kann. Die Größe, die sich darin
ausdrückt, stellt nichts anderes dar als eine Fortschreibung des Dezisionismus,
des Freund/Feind-Schemas von Carl Schmitt. Dass im Verlauf der europäischen
Sozialgeschichte Rechte (vor allem die der LohnarbeiterInnen und der Frauen) gegen
die Interessen der Herrschenden und die institutionellen Machtverhältnisse
erkämpft worden sind, fällt dabei ebenso aus dem Rahmen der Betrachtung wie die
Frage, worauf die ökonomische Prosperität, die von Burger als dynamische Kraft
des europäischen Einigungsprozesses veranschlagt wird, mit beruht: auf der
Kolonialgeschichte und der fortgesetzten Ausbeutung der Menschen, der Frauen
noch mehr als der Männer in Afrika, Asien und Lateinamerika. Vom steten Krieg
Wie
bekannt ist, lautet die Option Burgers seit dem Beitritt Österreichs zur
Europäischen Union auf Aufgabe der Neutralität und Mitgliedschaft bei der NATO.[19]
Erstarrtes Denken in unkritisch übernommenen realpolitischen Optionen zeichnet
hier die Analyse aus. Der offensichtliche Mangel an Distanz, der Burgers
Denken – wie übrigens auch dasjenige des von ihm verehrten Ernst Jünger –
kennzeichnet, äußert sich in der Faszination gegenüber der Männlichkeit
militärisch-strategischer Zusammenhänge. Ordnung und Sicherheit werden nicht
durch Politiker wie etwa Joschka Fischer (den er in einem Kommentar während des
Kosovo-Krieges zusammen mit anderen europäischen Politikern einen
“rechtschaffenen Idioten” nennt) hergestellt, sondern durch die strategischen
Optionen und die kühle Kriegsführung der Militärs. Denn Ordnung und Sicherheit
sind zentrale Begriffe der politischen Vernunft, nach innen wie nach außen.
Deshalb zeugt es nicht von Verstand, politisch an der Durchsetzung einer
universalen Friedensordnung zu arbeiten, sondern es kommt auf die Frage an, wie
sich die Vernunft in politischen Entscheidungen “manifestiert”. Der Analytiker
nimmt daran insofern Anteil, als es möglich ist, dass die Reflexion selbst den
Gang der geschichtlichen Entwicklung in sich aufnimmt. In diesen Argumentationen
zeichnet sich dadurch eine Rechtfertigung des Krieges in der Art ab, die Kant
in seiner berühmten Schrift “Zum ewigen Frieden” als politischen Moralismus
bezeichnet hat.[20] Die
Argumentation gegen die Moral als Regulativ für das Politische wird in einer
solchen – von Kant kritisierten – Argumentation durch das Erbringen von
Gegenbeispielen geführt, und die Position für die Idee eines universalen
Friedens wird als Dummheit und unverständige Schwärmerei diffamiert. Solch
historisch gelehrte Argumentation bringt es mit sich, dass die Bedeutung des
Engagements sich verschiebt. Sie erkennt im Anderen seine moralische
“Unversehrtheit”, die aber nur dadurch zu wahren ist, indem sie ihn zwanghaft
aus der Geschichte entlässt. Die Schuld beginnt mit der Geschichte und damit auch
die Notwendigkeit, sich zu rechtfertigen, sofern man an ihr teilnimmt. Wer
nicht teilnimmt, und Österreich als neutrales Land stellt einen Prototypen
dieser Nicht-Teilnahme dar, wird als “Trittbrettfahrer der Geschichte”[21]
denunziert. Ganz anders die großen Nationen, repräsentiert durch starke Männer
an deren Spitze. So meint Burger, als teilnehmender Analytiker dieser Stärke –
aus seiner Position der politischen Klugheit – Rechenschaft über das, was nach
dem Nihilismus kommt, ablegen zu müssen, und zwar in Form eines Geständnisses: “Im Rückblick wurde dem Autor
deutlich, in welchem Maße sich sein Denken militarisierte, auch im Umgang mit
dem philosophischen Erbe, mit Spinoza und vor allem mit Nietzsche. Das ist
nicht zu beschönigen, aber zu erklären: als Folge einer allgemeinen
Mobilisierung, die teils schon läuft, teils zu erwarten ist. Darauf regieren
diese Kommentare, spiegelverkehrt. Denn das Unangenehme ist: Den Anfang machen
wie immer die Moral und kollektive Gefühle; am Ende stehen ein fester Glaube
(an das Wahre, an das Gute) und der Krieg.”[22] Diese
Passage ist erhellend, weil hier über die manifeste historische Gestalt der
transzendenten Moral hinaus das symbolische Gefüge der Schuld und des Opfers
fortgeschrieben wird. Die Transzendenz bleibt deshalb erhalten, das göttliche
Wesen, im Vergleich zu dem nichts Höheres gedacht werden kann, wird durch
männliche Vernunft ersetzt. Das Denken ist schuldhaft, es hat sich
militarisiert, aber das ist jenseits der Moral zu konstatieren, also nicht zu
bewerten. Dennoch, in der Distanz vom Affekt, die hier konstruiert wird, in der
Abkehr vom Glauben an das Gute und das Wahre, der den Anderen unterstellt wird,
bleibt das Denken Schuld, Mangel und muss deshalb rigiden Oppositionen
unterworfen werden. Die für
diesen Zusammenhang entscheidende Trennung ist die zwischen der inneren und der
äußeren Sicherheit. Dabei werden viele Übergänge, Differenzierungen und
Probleme, deren Reflexion man von einer politischen Analyse erwarten sollte,
übersehen, verstellt oder ignoriert. Versuchen wir diese Frage anhand der
militärischen Intervention im Kosovo im Jahr 1999 näher zu bestimmen. Worum es
Burger geht, ist die Frage, wie der Militäreinsatz von den westlichen
Politikern legitimiert wird. Der Militäreinsatz selbst steht außer Frage,
insofern er von “kompetenten” Generälen geführt wird: “...es ist nicht »die Nato«
verantwortlich zu machen – die macht ihre Sache als Militärapparat, das heißt
als Instrument der Politik, sogar ganz ausgezeichnet, sondern die von mir
genannten sozialdemokratischen Regierungschefs...”[23], das heißt die “Clintons”,
“Blairs”, “Schröders” und “Jospins”. Die politische Vernunft, an diesem Punkt
der Notwendigkeit ihres Handelns, befindet sich in den Händen einiger Vertreter
geistig-moralischer Werte. Genau das ist ihnen nach Burger vorzuwerfen. Kurz
gesagt, man hat – weil man an “das Gute” geglaubt hat – zu lange verhandelt,
man hat sich zu viel vom Verhandlungspartner gefallen lassen, um letztendlich
in einen nicht kontrollierbaren militärischen Konflikt mit diesem eintreten zu
müssen.[24]
Burgers Gegenvorschlag liest sich wie eine abgeschmackte Reminiszenz an die
internationale Politik des Kalten Krieges. Man hätte doch die UÇK aufrüsten,
die Flüchtlinge nach Möglichkeit außer Landes bringen und die Grenzen absichern
sollen, um dann dem “Unvermeidlichen” zuzuschauen, bis es vorübergeht. Der
Zynismus einer solchen Position wird deutlich, wenn man in Betracht zieht, dass
es mittlerweile viele regionale Konflikte gibt, in denen die internationale
Politik nicht eingreift, und zwar vor allem deshalb, weil es in diesen Regionen
weder strategische noch politische oder ökonomische Interessen zu verteidigen
gibt. Von einer konsequenten moralischen Haltung der westlichen PolitikerInnen
kann, man denke an den Krieg in Ruanda Mitte der 90er Jahre, in die von Seiten
der NATO nicht eingegriffen wurde, nicht die Rede sein.[25]
In Somalia fand zwar ein Einsatz statt, der nach dem Tod einiger amerikanischer
Soldaten jedoch abgebrochen wurde, ohne irgendein Ziel erreicht zu haben. Die
Polemik Burgers gegen die österreichische Neutralität nimmt sich angesichts
dieser Zusammenhänge einigermaßen grotesk aus. Sie konstruiert eine
geschichtsmächtige Gemeinschaft von Staaten, deren militärische Stärke als
Garant einer “Neuen Weltordnung” fungiert. Wer daran – wie Österreich – nicht
teilnimmt, entzieht sich dem geschichtlichen Prozess, um die Illusion
historischer Unschuld aufrechtzuerhalten. Die Unterstellung, die Politiker der
Nato-Staaten hätten aufgrund der “moralischen Werte”, die sie als Gemeinschaft
repräsentieren, einen Krieg begonnen, erweist sich als Projektion Burgers, die
es ihm ermöglicht, seine Polemik aufzubauen. Damit sind die politisch
relevanten Probleme codiert und entlang der abstrakten Unterscheidung von
“politischer” (männlicher, im eigentlichen Sinn rationaler) und “moralischer”
(romantischer, noch nicht zu sich gekommener) Vernunft aufgeteilt. Kein Platz
kommt in dieser Analyse der Frage der medialen Inszenierung eines militärischen
Konflikts zu, wie sie etwa Anton Pelinka in einer Replik auf Burgers Kommentar
im Standard einfordert.[26]
Daran müsste sich eine Kritik der politischen Vernunft entwickeln, die
einsichtig macht, inwiefern die Produktion von Bildern und Meinung politische
Interessen mitbestimmt, wie Konfliktlinien erzeugt und “kommuniziert” werden.
Insofern ist ein Detail besonders interessant: Der Presse-Sprecher der NATO
Jamie Shea hielt ein Jahr nach dem Kosovo-Krieg in Bern ein Seminar für
Wirtschaftsunternehmen ab, in dem er darüber referierte, wie er den Krieg an die
Medien und damit an die Öffentlichkeit “verkauft” hat.[27]
Dies ist als integraler Bestandteil des politischen Handelns der Staaten, die
den Lufteinsatz verantworteten, zu sehen, und nicht als äußerliches Defizit der
demokratischen Strukturen. Demgegenüber nimmt sich die Analyse Burgers
reichlich naiv aus. Das Festhalten an der “kompetenten Kriegsführung” der Nato
erscheint angesichts der Informationen, die im Nachhinein – vor allem durch die
Rekonstruktionsarbeit kritischer JournalistInnen – an die Öffentlichkeit
gelangten, als zweifelhafte Positionierung. Tatsächlich lief von Anfang an auch
von Seiten der Politiker (eine besonders bedenkliche Rolle kam in dieser
Hinsicht dem deutschen Verteidigungsminister Scharping zu) eine Propaganda, die
in den Monaten nach dem Krieg in vielen Details widerlegt wurde. Da das
öffentliche Interesse zu diesem Zeitpunkt aber schon stark gesunken war, hatte
diese Propaganda zur Legitimation des Einsatzes ihre Funktion erfüllt. Die
Meinung, dass die NATO bei dem Einsatz besonders “geschickt” vorgegangen wäre,
enthüllte sich später nicht zuletzt als Resultat der geschickten PR-Arbeit von
Jamie Shea. Die implizite Annahme, dass die Militärs von den medialen
Strategien unberührt operieren könnten und deshalb gewissermaßen als Leitbild
für die Politik fungieren könnten, zeugt von Naivität. Nicht nur, dass die NATO
zunächst im Kosovo serbische Panzerattrappen beschoss, auch das Bombardement
Belgrads war strategisch schlecht vorbereitet. Man verfügte nur über veraltete
Stadtpläne, was unter anderem zur nicht beabsichtigten Zerstörung der
chinesischen Botschaft führte. Darüber hinaus wurden Splitterbomben gegen die
Zivilbevölkerung eingesetzt, zivile Opfer als “Kollateralschäden” verharmlost
und das wochenlange Bombardement von Belgrad legt die Frage nahe, ob der
Einsatz sich noch auf dem Boden des Kriegsrechts bewegte.[28]
Der ausschließlich medial produzierte Mythos eines “chirurgischen” Krieges war
schon im Gefolge des Golfkrieges ins Wanken geraten, stellte sich anlässlich
des Kosovo-Krieges aber endgültig als gefährliche Illusion einer überkommenen
Technikgläubigkeit heraus. Allerdings wurde diese Illusion von den Medien, die
sich diesmal in einer objektiven Position vermuteten, auf der Ebene der
Propaganda reproduziert. Andernfalls wäre die öffentliche Meinung in Bezug auf
die Legitimität des Krieges während des Einsatzes schon differenzierter und
kritischer gewesen. Dies alles konnte man zu der Zeit, als die Kommentare
geschrieben wurden, vielleicht noch nicht wissen. Burgers Vorwurf lautet, dass
die verantwortlichen Nato-Mitgliedsstaaten, indem sie den Einsatz ohne
UNO-Mandat durchführten, ihre Entscheidungen aufgrund der Überzeugung, einer
“Wertegemeinschaft” anzugehören, trafen und deshalb das Völkerrecht verletzten.
Allerdings geht aus den beiden im Standard veröffentlichten Texten hervor, dass
es den Analysen Burgers an Verständnis für die politische Dimension dieser
Zusammenhänge mangelt. In einer nochmaligen Antwort auf Pelinkas Einwände
schreibt er: “Gewiß
findet unter massenmedialen Bedingungen auch und gerade in einer
Repräsentativdemokratie Außenpolitik unter starkem moralisierenden Druck statt,
doch das »zwingt« zu gar nichts, es legt nur ein populistisches Verhalten
nahe.”[29] Die
Vernunft versammelt sich in der unabhängigen Entscheidung souveräner
Politiker, die von medialer Darstellung frei gedacht werden muss, oder – wie
Burger das ausdrückt: “In
einer repräsentativen Demokratie aber gibt es keine demokratische Außenpolitik
– und das ist gut so –, sondern nur eine Außenpolitik demokratisch
legitimierter und verantwortlicher Funktionäre.”[30] Mit anderen Worten: Es gibt in der Zuspitzung auf politische Entscheidungen keine demokratische Öffentlichkeit, weil im strengen Sinn über den Ausnahmezustand entschieden wird. Es gibt keine differenzierte Auseinandersetzung, die politische Entscheidungen idealiter zu beeinflussen imstande wäre, weil es ein Festhalten an der souveränen Position einer politischen Vernunft gibt, die nur dann repräsentativ ist, wenn sie über den Raum der Auseinandersetzung entscheidet, also außerhalb des Politischen dieses erst zu artikulieren erlaubt. Wer über den Ausnahmezustand entscheidet, entscheidet auch über die Normalität.[31] Eine solche Position, die dem souveränen “Repräsentanten” die alle Rechtsordnung begründende exklusiv-inklusive Entscheidungsmacht zuspricht, geht mit einer ständigen Denunziation der Öffentlichkeit einher, einer bedenklichen Rede vom “Volk” als der plebs, einer undifferenzierten und dumpfen Masse. Demokratie heißt also nicht so sehr das Infragestellen der Institutionen und die Auseinandersetzung mit den Formen der Repräsentation durch die “Potenziale konstituierender Macht”,[32] sondern die kalkulierte Herrschaft über die “unkontrollierten” Affekte der politischen Romantik. In diesem Sinn scheitert die Kritik an der militärischen Intervention an ihren Voraussetzungen, an der Ignoranz gegenüber der Bedeutung der Medien, am Mangel an detaillierter Kenntnis dessen, was während des Krieges wirklich vorgefallen ist, und nicht zuletzt an den groben Vereinfachungen, die uns als politische Analyse präsentiert werden. Die für die Nato-Intervention verantwortlichen Politiker, die “westlichen Führer”, die Burger sie nennt, über die Verwendung des Plurals (die “Schröders”, “Clintons”, “Blairs”, “Jospins”) zu einer Art Typus zu stilisieren, mag bei unsensiblen LeserInnen als “Polemik” durchgehen, betrachtet man die Zusammenhänge genauer, dann kann man eigentlich nur von haltloser Denunziation sprechen. Demgegenüber hätte ein tatsächliches politisches Engagement andere Ziele verfolgen müssen. Lange vor dem Krieg hätten sich Intellektuelle über ihre Verbindungen mit Universitäten[33] in Serbien schon ein Bild von den Aktivitäten der freien Opposition jenseits der über die Medien bekannten Parteien machen können. Davon ausgehend hätte man Analysen betreiben müssen, in der es um Perspektiven abseits des medialen “Mainstreams” ging, um Allianzen mit JournalistInnen und Gegendarstellungen des politischen Lebens in Belgrad. Diese Aktivitäten hätten den Krieg nicht verhindert, allerdings sind die Mittel einer kritischen Öffentlichkeit nicht an militärischen Apparaten, den Massenmedien oder dem Einfluss regierender PolitikerInnen zu messen. Es hätte vielleicht genügt, den Schritt der Militarisierung des Denkens nicht zu vollziehen, und man hätte schließlich im Herbst 2000 besser verstanden, wie es einer Gruppe von Studierenden gelang, die serbische Öffentlichkeit mit einem einfachen Slogan so zu transformieren, dass eine friedliche Transformation des politischen Systems möglich wurde. Nationalismus und Rassismus als Hysterie? Die “politische Romantik” scheint auch ein bevorzugtes Analysemuster Burgers zu sein, wenn es um die Entwicklungen der österreichischen Innenpolitik in den letzten Jahren geht. Der auch im Feuilleton seit Mitte der 90er Jahre für seine geistige Vereisung bekannte Denker ließ sich im vorigen Jahr mit einer gewissen Konsequenz von Wolfgang Schüssel, der seine Rolle als Kanzler einer “Koalition mit dem Rassismus” bei öffentlichen Auftritten immer wieder unter Einsatz familientherapeutischer Phrasen zu verharmlosen versuchte, für dessen “politisches Marketing” einsetzen. Die Beruhigung der Affekte war angesagt, und so trafen sich mittlerweile zweimal einige Philosophen (darunter Alfred Pfabigan, Konrad Paul Liessmann, Peter Sloterdijk und Rudolf Burger), um mit dem Kanzler bei einem Essen in aller Ruhe die Lage zu besprechen. Indessen hagelte es Kritik von Seiten Burgers für den “Widerstand” gegen die schwarz-blaue Koalition. Den darin Engagierten wird vorgeworfen, hysterisch auf eine im Übrigen kontrollierbare Situation zu reagieren, es wird ihnen Opportunismus und Geltungsdrang unterstellt. Was aber die wichtigste Prämisse ist: Der “Widerstand” gegen die Bundesregierung wird auf ein paar KünstlerInnen und ehemalige oder noch aktive SPÖ- und Grün-PolitikerInnen reduziert. Bei Lektüre der veröffentlichten Kommentare von Burger fällt ein Umstand besonders auf: Was sich darin ausdrückt, ist Abstraktheit im schlechten Sinn des Wortes, nämlich der fehlende Bezug zu der scheinbar von ihm beurteilten sozialen Realität. Das Muster der Polemik ist dabei dasselbe, das sich schon in den Angriffen auf die Staatschefs der wichtigsten Nato-Mitglieder entfaltet hat. Es wird weniger darauf geachtet, einen kritischen Bezug zur Realität herzustellen, sondern die Argumentation erschöpft sich in der Deklination zweifelhafter Kategorien, die den Blick auf die Wirklichkeit verstellen. Besonders bedenklich ist dabei, dass die Angriffe mit diffusen Ressentiments arbeiten, in den angeführten Fällen gegenüber der Sozialdemokratie. Sind es also im Fall des Nato-Luftkrieges die “Schröders”, “Jospins”, “Clintons” und “Blairs”, die zu einem Typus von Politiker aufgebaut werden, gegen den sich der affektgeladene polemische Diskurs entlädt, so müssen im Kontext des Widerstandes gegen die Koalition zwischen FPÖ und ÖVP die “Jelineks”, die “Peymanns”, die “Scholtens” und die “Einems” herhalten,[34] um den Generalvorwurf an die GegnerInnen, nämlich deren angebliche Dummheit, zu verdeutlichen. Solch ein diskursiver Akt setzt voraus, dass man sich gegenüber den tatsächlichen Problemen verweigert, also im Verzicht auf eine differenzierte Darstellung mannigfaltige Realitäten symbolisch auslöscht, um an deren Stelle ein leeres Substitut zu setzen, einen imaginären Gegner, den man sich im Voraus zurechtgemacht hat. Bedenklich, dass ein Intellektueller sich dabei von der Propaganda einer offen rassistischen Partei, der FPÖ leiten lässt. Die Nennung der Namen Scholten, Peymann und Thomas Bernhard als RepräsentantInnen jener KünstlerInnen, die sich der nationalen, völkischen Einheit nicht beugen, diese im Gegenteil noch “besudeln”, erinnert zum einen fatal an die überwunden geglaubte kleinbürgerlich-faschistoide Kritik an der “modernen Kunst”, um anderen lassen sich direkte Bezüge zu der Propaganda herstellen, die die FPÖ vor einigen Jahren gegen so genannte “Staatskünstler”, also Protegés der damals noch staatstragenden Sozialdemokratie betrieb. Auf den entsprechenden Plakaten waren die Namen von Claus Peymann, Elfriede Jelinek und dem damaligen Wissenschafts- und Kunstminister Rudolf Scholten zu lesen. Aussage und Intention der Plakate erinnerte an die nationalsozialistische Propaganda gegen die von ihnen sogenannte “entartete Kunst”. Das Wiederaufleben des “Völkischen” als legitimer Kategorie in der Auseinandersetzung um kulturelle, politische und historische Identitäten wird in den Kommentaren Burgers entweder nicht wahrgenommen oder in seiner Gefährlichkeit heruntergespielt. Wie ich schon mehrmals festgestellt habe, scheint es dieses Phänomen für Burger nur als eines der “Unreife”, als eines der unbewussten, überschießenden Romantik zu geben. Konsequenterweise lesen wir dann auch in einem Aufsatz über den “Abschluss der österreichischen Nationsbildung”, wie er zum Problem der nationalen österreichischen Identität steht: “Die Ideologie von der Entstehung Österreichs aus dem Geiste des unschuldigen Opfers, die Viktimisierungsthese, wonach das kleine, schwache Land zu seiner eigenen, wahren Identität erst gefunden habe im männlich-brutalen Akt einer Vergewaltigung durch das starke Deutschland, schuf freilich auch jene wenig erfreulichen, deutlich neurotisch-effeminierten Züge des konzeptuellen Nationalcharakters, die für die ästhetische und moralische Selbstdarstellung der Zweiten Republik so charakteristisch wurden und die jeden ausländischen Beobachter peinlich berühren.”[35] Nicht die Frage, ob nationale Identität an sich ein fragwürdiges Konzept ist, das strukturell und historisch Ausschlüsse produziert und es ermöglicht, innerhalb eines Gemeinwesens grundlegende Rechte einer bestimmten Gruppe vorzubehalten, gerät hier in den Blickpunkt. Was am Charakter der österreichischen Nation “konzeptuell” ist – also unorganisch, nicht gewachsen, unlogisch –, stellt seinen weibischen Bezug auf den gewalttätigen Akt einer anderen (man darf ergänzen: starken, reifen, vernünftigen und organischen) Nation dar. Wie gesagt, die Kategorien der Identität und der Nation – aus meiner Sicht zwei der fragwürdigsten Begriffe der politischen Geschichte – sind in ihrer Gültigkeit immer schon vorausgesetzt. Deshalb lesen wir auch ein paar Absätze weiter, wie die österreichische nationale Identität von der deutschen Wiedervereinigung profitiert: “Aber jetzt, nach der Konsolidierung der deutschen Nation in Folge der Wiedervereinigung und nach der Integration Österreichs in die Europäische Union, welche die alte Anschlussangst zugleich bestätigt und widerlegt, die noch ältere Anschlusssehnsucht aber – und sie ist das eigentlich Verdrängte der österreichischen Geschichte! – auf höherer, europäischer Ebene befriedigt, hat die österreichische Nationsbildung einen entscheidenden Schritt nach vorwärts, zur Reifung und Normalisierung getan.”[36] Man weiß jetzt, was man unter Normalisierung zu verstehen hat. Der österreichischen “Nationsbildung” liegt eine “innere Notwendigkeit” zugrunde, gemäß der sich eine verdrängte Sehnsucht im Beitritt Österreichs zur Europäischen Union erfüllt. Man merkte dies ganz deutlich im Jahr 2000, als der neu amtierende Bundeskanzler Schüssel angesichts der Maßnahmen der übrigen EU-Staaten gegen die Beteiligung einer rechtsextremen Partei an seiner Regierung einen nationalen Schulterschluss ausrief, der einerseits schnell die antieuropäischen Ressentiments für die Koalition instrumentalisierte und andererseits zu einer zensurartigen Mediensituation führte. Als wichtigstes Instrument des neuen Regierungsstils stellte sich schnell der Druck auf ORF-JournalistInnen heraus. Das Ergebnis war ohne Zweifel eine “reife”, “geeinte” Nation, die keine “Verräter” in ihren Reihen duldete und die sich einer eher fassungslosen europäischen Öffentlichkeit gegenüber sah, die sich der – wie gesagt über massiven Druck auf den ORF und die übliche Propaganda der Kronen Zeitung hergestellten – “österreichischen” Sicht der Dinge nicht anschloss. Eine der wesentlichen Tendenzen der “Normalisierung”, die nach der Wende von 1989 einsetzte, stellt in Deutschland, aber auch in den meisten anderen Ländern der Europäischen Union, das Ansteigen rassistisch motivierter Gewaltakte gegen MigrantInnen oder Angehörige sozialer Randgruppen – und deren Duldung durch die Bevölkerung – dar. In Deutschland hat das Zurückweichen vor der rechtsextremen Gewalt und deren Instrumentalisierung in den fatalen Diskursen von den “berechtigten Ängsten” unter anderem dazu geführt, dass 1993 das an sich liberale Asylrecht äußerst eingeschränkt wurde. Die im Rahmen des fortschreitenden Integrationsprozesses durch die Schengener Verträge vorgezeichnete Abschottung Europas von anderen politischen Räumen schuf zusätzlich Argumentationslinien für eine restriktive Migrationspolitik und die sukzessive Aushöhlung der Menschenrechte in den Verfahren derer, die um eine Aufenthaltsgenehmigung ansuchen. Als am 1. Mai 1999 Marcus Omofuma in einem Flugzeug von Wien nach Sofia starb, weil man ihm bei seiner Abschiebung den Mund so stark verklebt hatte, dass er nicht mehr atmen konnte, war er nicht das erste Opfer des institutionalisierten Rassismus, der die Legislation und die Politik der Europäischen Union in Bezug auf Flüchtlinge und MigrantInnen auszeichnet. In Deutschland und Belgien kamen um jene Zeit Menschen unter ähnlichen Umständen ums Leben. “...ein Nigerianer kam bei der Abschiebung durch die Polizei zu Tode, doch das ist ein Fall für die Gerichte, kein Grund für nationale Hysterie.”[37] Versuchen wir, die rigide Opposition zwischen “funktionierenden Institutionen” und “nationaler Hysterie” aufzubrechen. Zunächst einmal hätten sich – wäre, wie Alfred Noll dies formulierte, genügend rechtsstaatliches Bewusstsein vorhanden gewesen – die mit der Abschiebung betrauten Beamten sofort selbst zur Anzeige bringen müssen, was sie nicht getan haben. Dann wären unverzügliche Ermittlungen möglich gewesen. Darüber hinaus hätten sie ebenso ohne Verzögerung suspendiert werden müssen. Dass der zuständige Innenminister Karl Schlögl dies erst auf Grund massiven öffentlichen Drucks tat, zeugt ebenfalls nicht von hohem rechtsstaatlichem Bewusstsein. Eigentlich hätte er neben einer eingehenden Untersuchung gleich seinen Rücktritt bekannt geben müssen, ein Schritt, den Schlögl aus einem fragwürdigen parteitaktischen Kalkül nicht setzen konnte oder wollte. Er war jener Minister, den die Kronen Zeitung und vor allem Jörg Haider immer wieder als Exekutor ihrer rassistischen Forderungen nach Zuwanderungsbeschränkungen hochstilisiert hatten – und er war einer der Politiker in der SPÖ, die sich im Jänner 2000 eine Koalition mit der FPÖ vorstellen konnten. In den Wochen nach dem Tod von Marcus Omofuma gelang es der Kronen Zeitung, zusammen mit der FPÖ das Meinungsklima umzudrehen, indem man angebliche Details aus dem Leben des Toten präsentierte, die ihn in die Nähe des Drogenhandels und des “Asylmissbrauchs” brachten. Dies genügte, um seinen Tod in den Augen vieler ÖsterreicherInnen zu rechtfertigen. Der Fall Omofuma ist deshalb kein “akzidenteller” Todesfall, den man im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens klären könnte. Es geht um die Klärung der politischen Verantwortung, und in dieser Hinsicht muss man die Proteste der African Community, die von ÖsterreicherInnen unterstützt wurden, verstehen. Die African Community kann in Burgers Begrifflichkeit nicht als politisches Subjekt erscheinen, weil die Auseinandersetzung sich nur um das Urteil der Nation über sich selbst dreht. Deshalb erscheint der Protest Burger als Hysterie einiger österreichischer Intellektueller oder Gruppen, und nicht als Ausdruck politischen Engagements in Zusammenhang mit dem strukturellen und offenen Rassismus in Österreich, mit dem die MigrantInnen zu leben haben. In diesem präzisen Sinn steht der Tod von Marcus Omofuma im Kontext einer medialen Inszenierung von Rassismus gegenüber MigrantInnen aus Schwarzafrika, die als Gruppe über Jahre gezielt in die Nähe von Kriminalität und Drogenhandel gerückt wurden. Gleichzeitig wurden in der Wiener Stadtzeitung Falter immer wieder Zeugenaussagen über gewalttätige Übergriffe von Polizeibeamten veröffentlicht oder von unabhängigen Organisationen dokumentiert. Am 27. Mai 1999 (und dann noch einmal im September, also im Vorfeld der Nationalratswahlen) kam es dann zu der berüchtigten “Operation Spring”. Tage zuvor hatte die FPÖ in der Kronenzeitung ein ganzseitiges Inserat mit dem Titel “Polizei machtlos gegen 1000 Nigerianer” geschaltet, worin noch einmal die imaginäre Verbindung “Afrikaner – Drogendealer” hergestellt wurde. Die Polizei stürmte daraufhin ein Wohnheim der Caritas und nahm Dutzende Afrikaner wegen Verdachts auf Drogenhandel fest. Die Prozesse selbst, die immer noch (ohne öffentliches Interesse) geführt werden, basieren auf dem Kronzeugenprinzip, was bedeutet, dass die Urteile nicht aufgrund von Beweisen, sondern aufgrund von Aussagen eines afrikanischen Zeugen, dessen Identität im Gerichtssaal durch das Tragen eines Helms unkenntlich gemacht wird, gefällt werden.[38] Dazu muss man auf Aussagen von FPÖ-PolitikerInnen vor allem während des Wahlkampfes zurückkommen, von der bekannten Parlamentsrede von Helene Partik-Pablé, in der sie von “den Afrikanern” behauptete, sie sähen nicht nur anders aus, sondern “sie sind auch anders, und zwar sind sie besonders aggressiv”. Von ihr stammte auch die Forderung nach der so genannten “A-Card” (von ihr verharmlosend als Austria-Card bezeichnet), einer Identifikationskarte für “Ausländer” (also in Wirklichkeit Ausländer-Card), die deren lückenlose Kontrolle ermöglicht, was nichts anderes bedeutet als eine stigmatisierende Kennzeichnung und eine drastische Einschränkung von BürgerInnenrechten.[39] Dazu kamen die Plakate, die mit Parolen wie “Stopp der Überfremdung” recht ungeniert an der Sprache des Nationalsozialismus anschlossen, phantastische Erzählungen des Spitzenkandidaten Thomas Prinzhorn von Hormonpräparaten, die vom Gesundheitsamt gratis an “Ausländer” abgegeben würden und die Infragestellung des Asylrechts durch dessen unmittelbare Assoziation mit seinem “Missbrauch”. Die Funktion, die Burger vor allem zusammen mit Liessmann in diesem Zusammenhang übernommen hat, bestand darin, abstrakte Polemiken gegen imaginäre Gegner zu führen, und somit zu verhindern, dass sachliche Diskussionen auf Basis sozial- und politikwissenschaftlicher Forschung geführt würden. Für das Feuilleton der österreichischen Zeitungen schien dies als “Standpunkt” zu genügen. Dort galt es offensichtlich, repräsentative Debatten abgeschirmt von der sozialen Wirklichkeit derer, die nicht repräsentiert werden sollen, zu entfalten. Insofern ist auch kritisch zu hinterfragen, warum sich in dieser Diskussion Burger und Liessmann auf der einen Seite und Figuren wie Elfriede Jelinek oder André Heller auf der anderen Seite gegenüber stehen. Denn letztendlich führen sie, das bewiesen einmal mehr Hellers und Jelineks Reden auf der Kundgebung der Demokratischen Offensive vom 16. März 2001, ein und denselben exklusiven Diskurs. Heller bemühte sich, die “Schande” der Regierungsbeteiligung der FPÖ von der durch ihn verteidigten “österreichischen Kulturnation” fernzuhalten, indem er sich in Aufzählungen jener berühmten KünstlerInnen erging, die aus der Hauptstadt Wien stammen, während Jelinek die antisemitischen Äußerungen Jörg Haiders im Wahlkampf für den Wiener Landtag mutatis mutandis als “ungustiöse Rülpser” darzustellen versuchte. In beiden Fällen liegt eine diskursive Entpolitisierung der angesprochenen Problematiken vor, die sich durch die meisten Reden der Großkundgebungen seit dem “Lichtermeer” 1993 zieht. Diese steht in scharfem Kontrast dazu, dass in Österreich seit Jahren verschiedenste Gruppen von Minderheiten für ihre Anliegen kämpfen, ohne jedoch die gleiche mediale Präsenz genießen zu können wie die angesprochenen KünstlerInnen. (Viele SchauspielerInnen, SchriftstellerInnen und SängerInnen setzen ihr symbolisches Kapital für Organisationen wie SOS-Mitmensch ein, ohne jemals zur politischen Dimension eines solchen Handelns vorzustoßen). Die Großkundgebung vom 16. März 2001 stellte hier einen Wendepunkt dar, da neben der politisch uneindeutigen Parole “Gesicht zeigen! Stimme erheben!” auch eine konkrete Forderung im Zentrum stand: “Wahlrecht für alle”, also der Ruf nach Einführung des kommunalen Wahlrechts für alle in Wien lebenden Menschen, getragen von der als Mitveranstalterin auftretenden Wiener Wahlpartie. Erstmals wurde im Vorfeld der Kundgebung – nach langen Diskussionen – auch darauf geachtet, VertreterInnen von Minderheiten als RednerInnen einzuladen, damit diese als politische Subjekte den Raum der Sichtbarkeit besetzen konnten. Solche Bewegungen werden von Burger nicht einmal in Ansätzen wahrgenommen, sie existieren in seiner Analyse einfach nicht, was ihrer symbolischen Auslöschung gleichkommt. An der Forderung nach dem kommunalen Wahlrecht wird jedoch deutlich, dass solch ein grundlegendes Recht[40] durch Gruppen, die davon ausgeschlossen werden, gegen die strukturelle Diskriminierung öffentlich erkämpft werden muss. Es bedurfte des Einsatzes vieler Menschen, um über Plakate, Aktionen, Veranstaltungen und Publikationen den öffentlichen Raum für dieses Thema jenseits der Institutionen zu besetzen.[41] Es sei hier nur die engagierte Arbeit eines einzelnen Aktivisten erwähnt, der wochenlang sämtlichen verantwortlichen SPÖ-Funktionären im strengen Sinn des Wortes ins Gewissen redete. Die vielen Anrufe, die die zuständige Stadträtin und andere PolitikerInnen von ihm erhielten, hatten den Zweck, diese an abgegebene Versprechen bzw. programmatische Formulierungen zu erinnern. Die Tatsache, dass das Wahlrecht bis dato noch nicht geändert wurde, verdankt sich dem erwähnten Umstand, dass die repräsentative Politik den rechtsextremen Forderungen seit dem Ende des Kalten Krieges kein politisches Handeln entgegensetzte und so in einem Kernbereich wie der Demokratiepolitik in symbolischer Hinsicht kaum noch initiativ werden kann. Diesen Stillstand thematisierte peter.xyz, um ihn bei seiner virtuellen Identität zu nennen, in den Telefonaten mit der Wiener Sozialdemokratie. Er entwickelte in diesen Wochen, indem er immer wieder mit Ausreden konfrontiert war, eine äußerst konsequente Argumentation für das kommunale Wahlrecht, eine Wunschmaschine, die er in Form eines permanenten feedbacks an die Verantwortlichen anschließt. Dabei versucht er bewusst, einen Raum der möglichen Verhandlung politischer Interessen zu öffnen, indem er seine Identität mit “Teil der Neuen Zivilgesellschaft” umschreibt, also nicht im Namen einer bestimmten Organisation zu sprechen vorgibt, sondern nur eine demokratiepolitische Forderung konkret formuliert und konkrete Antworten verlangt. Wenn das Wahlrecht in Kraft tritt, können die davon betroffenen Gruppen auch in anderen Bereichen legitime Interessen wirksam durchsetzen. An der Formulierung solcher Forderungen arbeiten seit Jahren auch engagierte Intellektuelle, die selbst MigrantInnen sind. So geht Ljubomir Bratic in seinen Analysen des österreichischen politischen Systems und vor allem der Sozialpartnerschaft von der strukturellen Diskriminierung der migrantischen ArbeitnehmerInnen durch das “Ausländerbeschäftigungsgesetz” aus, das diese seit den Zeiten, in denen sie noch “Gastarbeiter” genannt wurden, benachteiligt. WelcheR österreichische Intellektuelle hätte in den letzten Jahren, als gerade das Prinzip der Sozialpartnerschaft immer mehr in Zweifel gezogen wurde, einen solchen Standpunkt eingenommen? Im Gegenteil, bereitwillig ließen sich die Feuilletonisten auch hier die Begriffe und Perspektiven von Jörg Haider vorgeben, dem es vor allem darum ging, den demokratischen Konsens aufzuweichen und entgegen seiner eigenen Rhetorik seine Partei zur dritten Proporzpartei zu machen. Wenn den deklarierten GegnerInnen der FPÖ etwas vorzuwerfen ist, dann nicht Hysterie, sondern die Ignoranz gegenüber der sozialen Realität derer, für die sie sich einsetzen. Diese Kritik wird ebenfalls, offensichtlich ohne dass Burger davon Kenntnis hätte, seit längerem innerhalb des so genannten Widerstands gegen die Koalition zwischen FPÖ und ÖVP geführt. “Es verschafft den nachträglich Empörten ein gutes Gewissen, einen moralischen Surplus, parasitär an einer Gestalt wie Haider gewinnen sie durch die Aufregung über ihn ein wenig Statur – moralische Empörung ist, wie Marshall McLuhan sagte, jene Strategie, die selbst Idioten Würde verleiht. Für sie plant man ein »Haus der Toleranz.« Denn gesellschaftspolitisch ist Aufarbeitung unmittelbar identisch mit »Verdrängung«, nicht ihr lösendes Gegenteil. Sie bedeutet nicht mehr und nicht weniger als die Durchsetzung eines politisch korrekten Sprachkodex in der öffentlichen Rede, d.h. sie schafft erst jene Tabus, die Haider dann frivol skandalisierend durchbricht, durch seine »ludistische Rhetorik« [...].”[42] Was hier als Tabu diffamiert wird, ist nichts anderes als die in den 80er Jahren eingeleitete (um Jahrzehnte verspätete), in ihrer Wirksamkeit beschränkte Diskussion der Kontinuitäten des Antisemitismus als gesellschaftlichen Phänomens. Erinnern wir an das Tabu, das Haider 1991 als Landeshauptmann von Kärnten brach, als er von der “ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich” sprach, oder an das Tabu, das er brach, als er 1995 bei einer Rede vor ehemaligen Mitgliedern der Waffen-SS deren Gesinnung lobte, an der sie “gegen jeden Zeitgeist” festhalten würden. Die diskursiven Formationen, in die sich diese Aussagen einreihen, weisen auf eine lange Tradition des christlichen, später deutschnationalen, nationalistischen und schließlich nationalsozialistischen Antisemitismus hin, dessen Aufarbeitung (auch als Auseinandersetzung mit dem Faschismus) eine beständige politische Forderung bleibt. Im Wahlkampf für den Wiener Landtag im März 2001 versuchte Haider schließlich, jenen Antisemitismus, der gerade zu Beginn der so genannten “Sanktionen” gegen die am 4. Februar 2000 angelobte Bundesregierung wieder mehr als sichtbar wurde, politisch zu nutzen.[43] Neben Angriffen auf den amerikanischen Wahlkampfberater Michael Häupls (“Greenberg von der Ostküste”) lancierte er in seiner Rede vor versammeltem Parteivolk am Aschermittwoch eine Beleidigung an den Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Ariel Muzicant, indem er ihn in einem Wortspiel mit seinem Vornamen verhöhnte. Es sollte überflüssig sein, hinzuzufügen, dass dies eine der Praktiken darstellte, die vor allem Goebbels in den 20er Jahren bei Reden vor NSDAP-Mitgliedern verwendete, um jene Rhetorik des Antisemitismus, die später in der Vernichtung von Millionen Juden enden sollte, zu verbreiten und so das symbolische Feld zu besetzen. Wem zu solchen Zusammenhängen nicht mehr einfällt, als von “Tabus” zu fantasieren, die eine imaginierte Gemeinde von politisch korrekten Empörten geschaffen habe, der versteht entweder nicht viel von der Funktionsweise dieser Rhetorik, oder er bedient sich – aus welchen Gründen auch immer – der Argumentationsfiguren der neuen Rechten. Wer könnte Zweifel darüber hegen, dass es in der Rhetorik Haiders um nichts Anderes geht, als darum, Tabus zu brechen, jedoch nicht solche, die von irgendeiner Gruppe geschaffen worden sind, sondern solche, die den demokratischen Grundkonsens artikulieren? Wer nur einigermaßen aufmerksam die Diskussion um die antisemitische Aussage über Ariel Muzicant verfolgt hat, wird bemerkt haben, dass in dieser Hinsicht das Ziel erreicht wurde. Es konnte in den Kommentaren, Debatten und Diskussionen kein Konsens mehr darüber hergestellt werden, dass es sich bei dieser Aussage tatsächlich um eine antisemitische gehandelt hat. Vielmehr wurde der Konsens auf eine vage, äußerst bedenkliche Ebene verschoben. Am Ende hieß es, man könne diese Aussage als antisemitisch bezeichnen, weil viele Leute sie als solche “empfinden” würden. Das Urteil wurde also von konkreten historischen Zusammenhängen abgeschnitten und entpolitisiert. Ebenso verstellt man den Zusammenhang, wenn man davon ausgeht, es handle sich nur um “Worte”, denen keine Taten folgen würden.[44] Dem ist entgegenzuhalten, dass es etwa während des rassistischen Nationalratswahlkampfes der FPÖ 1999 in Wien 80 dokumentierte gewalttätige Übergriffe gegen Juden gegeben hat. Auch in den Wochen nach Haiders “Aschermittwochrede” stieg die Zahl der Drohanrufe bei der Israelitischen Kultusgemeinde signifikant an. Aufgabe von Intellektuellen zusammen mit den Medien wäre es hingegen, einer solchen Verletzung demokratischer Grundsätze und der in ihr angelegten revisionistischen Geschichtsauffassung klare Grenzen zu setzen. In Österreichs Zeitungen dagegen scheint man es zu bevorzugen, wenn ein so “brillanter Analytiker” wie Rudolf Burger andere Menschen immer wieder als Idioten bezeichnet, egal um welchen Zusammenhang es sich handelt. Seine eigenen politischen Standpunkte sind mittlerweile auf entpolitisierte, subjektive Geschmacksurteile reduziert: “Diese Regierung ist mir in ihren ideologischen Elementen unsympathisch. [...] Ich halte diese Koalition für unerfreulich, aber für durchaus »legitim« [...] Meine Verachtung für den so genannten »Widerstand« ... ist dadurch nur gestiegen ...” Die Form eines solchen Urteils ist einmal mehr das Geständnis, und als solche dem entgegengesetzt, was wir zu Beginn als subjektives Vermögen der Urteilskraft beschrieben haben. Die Geste, mit der hier eine Mannigfaltigkeit an Bewegungen pauschal entwertet wird, gleicht eher der Rede des Großinquisitors,[45] der zwanghaft die Menschen vor ihrer Freiheit, für die sie angeblich nicht reif sind, bewahren muss. Es entspricht der Arroganz eines sich repräsentativ gebenden Intellektuellen, die ganze abstrakte Schuld des Denkens auf sich zu nehmen, um das, was sich seinem Verständnis verschließt, als Wirklichkeit und mögliche Erfahrung aus diesem Denken a priori auszuschließen. Sich den Mangel, der dadurch entsteht, als Tugend anzurechnen, treibt ihn von selbst in die teils heftig akklamierte Isolation. [1] Bert Brecht: “Monarchie”. In: Schriften zur Politik und Gesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1967, S. 3. [2] Vgl. G. Deleuze: “Kontrolle und Werden”. In: Unterhandlungen 1972 – 1990. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1993, S. 246. [3] “Wende” ist der Begriff, der von Wolfgang Schüssel zur Legitimation der Koalitionsregierung mit der offen rassistischen FPÖ geprägt und von den Medien als solcher übernommen wurde. [4] “Die Stunde des aktiven Nihilismus ist vorüber,
er hat seine Zeit gehabt. Heute ist er selbst schon ein europäisches Kulturgut,
vielleicht das einzige, das zu verteidigen sich lohnt: gegen seine sekundäre
Aufladung mit Sinn durch eine kokett dekonstruktive Ästhetik.” R. Burger: In
der Zwischenzeit. Adnoten zu Politik und Philosophie. Wien / New
York: Springer 1996, S. 5. [5] G. Deleuze: Francis Bacon – Logik der Sensation. München: Fink 1995, S. 35. [6] “Die Kunst der Schleife”. In: R. Burger: In der Zwischenzeit. Adnoten zu Politik und Philosophie, S. 93. [7] Lassen wir auch die Frage offen, ob die Bezugnahme auf den Entomologen Ernst Jünger nicht wesentliche Entscheidungen in Bezug auf die Verfasstheit der allgemeinen Begriffe “Bild” und “Blick” vorwegnimmt. Die Sache würde wesentlich anders aussehen, wenn man die Formen der Betrachtung etwa ausgehend vom Werk des Entomologen Jean-Henri Fabre rekonstruieren würde, der seine Forschungen in der Provence, also in lebendigen Zusammenhängen betrieb. In der Bezugnahme Burgers werden die Insekten zuerst als aufgespießte Stücke einer Sammlung beschrieben und dann mit Spielzeugsoldaten verglichen, was nicht unbedingt auf eine distanzierte Haltung des Betrachters schließen lässt, sondern eher auf regressives Verhalten in Form von Allmachtsphantasien. [8] Diese Dokumentation wurde von Andreas Gruber im Jahr 2000 im Auftrag des ORF gedreht und im Rahmen der Sendung kreuz + quer ausgestrahlt. [9] Gutmensch ist im Übrigen ein Ausdruck, den auch Hitler in “Mein Kampf” zur Diffamierung seiner politischen Gegner benutzte. [10] Vgl. G. Agamben: Homo sacer. Il potere sovrano e la nuda vita. Torino: Einaudi 1995. [11] Der deutsche Bundeskanzler Schröder sprach von einem “Aufstand der Anständigen”, es ging in der öffentlichen Auseinandersetzung mit der rechtsextremen Gewalt letztlich nur um ein Verbot rechtsextremer Parteien. [12] Vgl. W. Benjamin: Das Passagen-Werk. Gesammelte Schriften V.1. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1982, S. 576f. [13] Vgl. W. Fach: “Staatskörperkultur. Ein Traktat über den »schlanken Staat«”. In: U. Bröckling / S. Krasmann / T. Lemke: Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2000, S. 110-130. [14] Das diesem ökonomischen Begriff zugrunde liegende lateinische Wort austeritas bedeutet “Strenge” oder “Härte”. [15] Vgl. R. Burger: “»Ein herrlicher Sonnenaufgang« oder Die Tugend und der Terror”. In: Abstriche. Vom Guten. Und Schönen. Im Grünen. Wien: Sonderzahl 1991, S. 37-59, ders.: “Patriotismus und Nation” In: Überfälle. Interventionen und Traktate. Wien: Sonderzahl 1993, S. 49-61 und ders.: “In der Zwischenzeit”. In: In der Zwischenzeit, S. 29-44. [16] R. Burger: “Vae neutris! Determinanten der europäischen Integration in österreichischer Perspektive”. In: In der Zwischenzeit, S. 22. [17] Vgl. A. Negri/M. Hardt: Die Arbeit des Dionysos. Materialistische Staatskritik in der Postmoderne. Berlin: ID-Archiv 1997, S. 70-124. [18] R. Burger: “Vae neutris! Determinanten der europäischen Integration in österreichischer Perspektive”. In: In der Zwischenzeit, S. 9-23. [19] Ebd., S. 28. Diese Option zeichnet sich schon früher ab, in der Kritik an der Anerkennungspolitik des damaligen Außenministers Alois Mock zu Beginn der Balkankriege 1991. Auch in jener Situation hatte Burger nur Verachtung für die Neutralität übrig, was in seinem starren Festhalten an der dialektischen Methode notwendig zu einer NATO-Mitgliedschaft führen musste, da in seiner Analyse die Europäische Union über keine eigenständige Außenpolitik verfügt Vgl. “Kriegsgeiler Kiebitz”. In: Überfälle. Interventionen und Traktate, S. 42. [20] I. Kant: Zum Ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf. In: Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik. Erster Teil. Werke, hg. v. W. Weischedel, Band XI. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 191-251. [21] R. Burger: “Vae neutris! Determinanten der europäischen Integration in österreichischer Perspektive”. In: In der Zwischenzeit, S. 26. [22] In der Zwischenzeit, S. 5. Es kann hier leider nicht ausgeführt werden, inwiefern Burgers Interpretation der Philosophie Spinozas vollkommen verfehlt ist. [23] R Burger; “Nicht »das Volk« hat die Ultimaten gestellt”. In: Der Standard, 3./4./5. April 1999, S. 39. [24] R. Burger: “Der Dämon des Guten”. In: Der Standard, 30. März 1999, S. 31. [25] Vgl. P. Conesa: “Die neue Welt-Nutzen-Ordnung”. In : Le Monde diplomatique, März 2001, S. 3. Solche regionalen Konflikte gibt es in Westafrika, Zentralasien, Indonesien und Osteuropa. [26] A.
Pelinka: “Die Stunde der wahren Empfindungen”.
In: Der Standard, 1. April 1999, S. 33. [27] Vgl. Carlotte Walser: “The Ultimate PR-Challenge. How to sell a conflict.”. In: Der Standard, 30. März 2000. [28] Die Organisation Human Rights Watch warf
der Nato unter der Berufung auf den Artikel 8 der Genfer Konvention zumindest
Verletzung des humanitären Völkerrechts vor (Erklärung vom 7. 2. 2000). Darüber
hinaus stellte auch die OSZE in einem Bericht vom 6. Dezember 1999 fest, dass
erst ab dem Beginn des Nato-Einsatzes die willkürlichen Hinrichtungen durch
serbische Milizen im gesamten Gebiet des Kosovo anstiegen. Dies wurde in den
westlichen Medien auch lange nach dem Konflikt nie in seiner ganzen Schärfe
hervorgehoben. Vgl. S. Halimi/D. Vidal: “Ein Jahr danach – Hintergründe eines humanitären Unternehmens”. In: http://www.friwe.at/jugoslawien/vornach/4_lemo.htm [29] R. Burger: “Nicht »das Volk« hat die Ultimaten gestellt”. In: Der Standard, 3./4./5. April 1999, S. 39. [30] Ebd. [31] Vgl. G.
Agamben: Homo sacer. Il potere sovrano e la nuda vita, S. 17-35. [32] Vgl. A. Negri / M. Hardt: Die Arbeit des Dionysos. Materialistische Staatskritik in der Postmoderne, S. 125-181. [33] Ein Beispiel dafür wäre die Initiative “Äquidistanz”, die im März 1999 von Lehrenden der Universität Wien und der Akademie der Bildenden Künste ausging und über eine Vernetzung von Personen in Österreich und im ehemaligen Jugoslawien unabhängige Standpunkte im Konflikt zu etablieren versuchte. [34] R. Burger: Brief an Franz Vranitzky vom 9. Jänner 2001, erschienen als: “Kann nur hoffen, dass Schüssel bald intelligentere Gegner bekommt”. In: Der Standard, 27./28. Jänner 2001, S. 39. [35] R. Burger: “Zeit der Reife”. In: In der Zwischenzeit, S. 54 [36] Ebd., S. 55. [37] R. Burger: “Romantisches Österreich”. In: Der Standard, 11./12. Dezember 1999, S. 39. [38] Zur Zweifelhaftigkeit dieses Prinzips, das etwa in Italien seit den 80er Jahren in den Mafia-Prozessen und letztlich auch in den politischen Prozessen der so genannten Aktion “mani pulite” angewandt wurde, vgl. C. Ginzburg: Der Richter und der Historiker. Der Fall Adriano Sofri. Berlin: Wagenbach 1991. [39] Ähnliche Forderungen wurden auch in anderen Ländern Europas erhoben, etwa Anfang 1997 in Frankreich, wo ein rigides Meldesystem für MigrantInnen und die so genannten Sans papiers eingeführt werden sollte, was damals durch massive Proteste verhindert werden konnte. In Deutschland ist ein ähnlicher Kontrollmechanismus unter dem Namen “Residenzpflicht” wirksam. [40] Das allgemeine und gleiche Wahlrecht wird in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte unter Artikel 21 als Menschenrecht deklariert. Das bedeutet, dass konsequenterweise das Wahlrecht für MigrantInnen auf nationaler Ebene gefordert werden muss, ebenso wie die “Legalisierung” der ohne Aufenthaltstitel in Österreich lebenden Menschen, da diese jeder möglichen Form von Ausbeutung und Gewalt schutzlos ausgesetzt sind. [41] Vgl.
http://www.wwp.at [42] R. Burger: “Romantisches Österreich”. In: Der Standard, 11./12. Dezember 1999, S. 39. [43] Die Spekulationen über eine vermeintliche “konzertierte” Aktion der “Sozialistischen Internationale” sind bekannt. Darüber hinaus wurden die USA und dann vor allem Israel von Seiten Österreichs immer wieder für ihre Haltung gegenüber der Beteiligung der FPÖ an der Bundesregierung kritisiert. [44] Vgl. dazu G. Deleuze/F. Guattari: “20. November 1923 – Postulate der Linguistik”. In: Tausend Plateaus. Berlin: Merve 1992, S. 105-154. [45] F. M. Dostojewski: “Der Großinquisitor”. In: Die Brüder Karamasow. Frankfurt a. M.: Insel 1986, S. 423-454. Ich verdanke diesen Hinweis C. Kobald. |
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