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Heide Gerstenberger
Die subjektlose Gewalt: Theorie der Entstehung bürgerlicher Staatsgewalt.
Münster: Westfälisches Dampfboot,
2006, 2. überarbeitete Auflage,
Bruch und
Kontinuität, Geschichte und Konstitutionsgeschichte
Das Verlagshaus Westfälisches Dampfboot
hat das Buch von Heide Gerstenberger mit dem Titel „Die subjektlose Gewalt –
Theorie der Entstehung bürgerlicher Staatsgewalt“ in zweiter Auflage neu
herausgebracht, nachdem es 1991 bei ihm erschienen ist. Dies ist genauso
dankenswert wie die Niederschrift des Buches selbst, pflegt das Verlagshaus auf
diese Art nicht nur seine Autorin, sondern belebt auch einen etwas
vernachlässigten Diskurs. Worum also geht es in diesem Buch?
Das Buch selbst ist in vier Teile
gegliedert. Im ersten Teil wird das Thema vorgestellt und eine Leseanweisung
gegeben. Im zweiten, im umfangreichsten Teil haben wir es mit einer
ausgesprochen fleißig und präzis gemachten Studie zu tun, die jeweils die
Entwicklung von den feudalen Anfängen und den Ausbildungen von Feudalismus über
das, was Gerstenberger dann das „Ancien Régime“ nennt, bis hin zur Entstehung
bürgerlicher Staatsgewalt anhand der Historien von England und Frankreich
beinhaltet. Im dritten Teil fasst sie die Ergebnisse dieses historischen
Vergleichs zusammen und im vierten schließt sie das Werk mit einer begrifflichen
Fassung der von ihr vorgenommenen Epochengliederung (Feudalismus, Ancien Régime,
Bürgerlicher Staat) ab. Bleiben wir zunächst noch ein wenig bei diesen formalen,
Aufbau und Gestaltung betreffenden Aspekten.
Hier möchte ich betonen – und dies tue
ich jetzt noch vor einer inhaltlichen Würdigung des Buches –, dass uns da etwas
geboten wird, das gar nicht hoch genug einzuschätzen ist: ein – bei aller
Kompetenz und Autorität der Autorin – dialogisches Verhältnis zum Publikum. Dies
drückt sich etwa darin aus, dass im ersten Teil eine Art Gebrauchsanleitung für
das Buch mitgegeben wird. Die LeserInnen erhalten nicht nur eine Vorstellung der
Thesen und des wissenschaftlichen. diskursiven Anliegens der Autorin, sondern
auch den Hinweis auf eine Gliederung, die sich grafisch im Buch niederschlägt:
Durch kleinere Typen sind im Druck detaillierte, illustrative Beschreibungen –
vor allem im historischen Abschnitt – gekennzeichnet, deren Überspringen bei der
Lektüre die diskursive Ebene nicht angreift oder verkürzt. Diese wohltuende
Bescheidenheit der Autorin, die vom Publikum nicht verlangt, dass jedes Komma
mit hoch konzentrierter Aufmerksamkeit beachtet werden muss, die voraussetzt,
dass auch schon Bekanntes hier zur Verhandlung kommt, und daher auf den Gestus
durchgehender Originalität verzichtet, sollte wohl Schule machen.
Dazu gehört auch, dass der Apparat, der
der Lektüre folgt, sich auf die angenehmste Art von dem unterscheidet, was als
Literaturangabe in der Regel einem Artikel folgt oder am Ende eines Buchs dem
enervierten Publikum vor die Nase gesetzt wird: eine ellenlange Liste von
Literatur, bei der wir am Ende der Lektüre oft nicht mehr wissen, wie weit sie
sich auf das eben Abgehandelte überhaupt bezieht, und die uns den Verdacht nahe
legt, hier prunke bloß der Autor mit einem angelesenen Wissen von Titeln.
Gerstenberger hingegen hat an ihr Werk außer Autoren- und Sachregister eine
kommentierte Bibliographie angehängt, die auch nicht alphabetisch geordnet ist,
sondern dem kapitelweisen Aufbau der Lektüre folgt, dabei die Gliederung dieser
Kapitel mit Unterschrift, Untertitel, Nummerierung und Seitenzahl übernimmt,
sodass unsereins sofort mitten in einem Kapitel mittels eines zweiten
Lesezeichens zum Schluss des Bands zurück schlägt und dort findet, wer was wann
und wo zu dem eben Gelesenen veröffentlicht hat (und auch wie und warum im
gegebenen Fall). An wichtigen Stellen ist diese kommentierte Bibliographie auch
noch an Stichworte aus der Lektüre geknüpft.
Wir sehen also, die Lektüre des Bands
lohnt auch dann, wenn wir daraus keinen anderen Nutzen gezogen hätten als den,
zu wissen, wie wissenschaftlich geschrieben werden kann, ohne zwischen den
Mühlsteinen akademischer Unverständlichkeit und populärwissenschaftlicher
Verständnislosigkeit zerrieben zu werden. Dazu passt auch die durchgehend
freundliche, uneitle Sprache, mit der Heide Gerstenberger zu uns spricht, ohne
dabei der erworbenen Autorität zu entraten.
Doch auch auf inhaltlicher Ebene lohnt
es durchaus, sich dem Buch anzuvertrauen. Ich will hier nicht alles beschreiben
und kommentieren, um Euch auch die Pflicht und das Vergnügen, durch die über 600
Seiten hindurch zu kommen, nicht zu ersparen. Aber Lust darauf machen möchte ich
schon. Heide Gerstenberger formuliert ihr Programm für dieses Buch im ersten
Satz des Vorworts zur zweiten Auflage: „Die politische Form ,bürgerlicher Staat‘
war eine besondere Ausprägung des Strukturtypus moderner Nationalstaat. Diese
besondere Form erklärt sich – so die zentrale These dieser Arbeit – aus ihrer
spezifischen Vorgeschichte. Weil es diese Vorgeschichte nur in Europa – und in
abgeleiteten Formen in europäischen Siedlungskolonien – gab, entwickelte sich
auch nur hier die politische Form ,bürgerlicher Staat‘.“ (Gerstenberger Seite 8)
Diese Einleitung wird konsequent durchgehalten und schließt das Werk auch damit
ab, dass sie in der Schlussbetrachtung ein Unterkapitel mit der Überschrift
„Bürgerliche und andere kapitalistische Staaten“ einführt, in dem sie die
Differenz betont, die diese so genannten „anderen kapitalistischen Staaten“ im
Gegensatz zu jenen (europäischen) aufweisen, die sich aus den verschiedenen
Anciens Régimes heraus gemausert haben. Dazu schreibt sie – unaufgeregt und ohne
in die Falle kulturalistischer Differenzdiskurse zu tappen: „Die Differenzen
sind unterschiedlich gelagert und können hier nicht im einzelnen diskutiert
werden. Lediglich auf die Tatsache ist hinzuweisen, dass in vielen
nachkolonialen Staaten der Markt nicht aus Herrschaft freigesetzt ist. Der
fremde Betrachter sieht in der politischen Praxis solcher Staaten Korruption.
Tatsächlich handelt es sich vielfach darum, dass Staat in diesen Ländern – ganz
ähnlich wie in Europa im Ancien Régime – eine Vermittlungsinstanz für
private Aneignung ist und sich Solidarität weiterhin nahezu ausschließlich auf
den sozialen Nahbereich bezieht.“ (Gerstenberger, Seite 528 f.)
Zwischen diesen beiden Sätzen entfaltet
sich dieses Buch und hier kann auch eine Kritik einsetzen, wie ich sie
vorschlagsweise anbringen möchte. Gerade die Differenzen zwischen Staaten, die
eine – im populärwissenschaftlichen Diskurs wohl so genannte – „normale“
Entwicklung, und jenen, die eine nachholende, aufgepfropfte, postkoloniale
durchgemacht haben, verlangen nach einer weiteren Diskussion; nach einer
Diskussion, die auch das Gemeinsame zwischen diesen Staaten ins Blickfeld rückt
respective die Frage darnach, ob es so ein Gemeinsames geben kann, wenn ja, wie
es sich herstellt und wirkt. Ein kurzes Eingehen darauf unter der Überschrift
„Bürgerliche Staatsgewalt im Zeitalter der Globalisierung“ entbehrt leider jeder
systemischen Herangehensweise, stellt die verschiedenen Diskurse nicht so vor,
wie wir es aus der Einleitung gewohnt waren und bleibt beim Befund stehen, dass
nun so etwas wie „global governance“ entstanden sei. Gerechterweise muss ich
aber an dieser Stelle einräumen, dass dies nicht Titel und selbst gewählte
Aufgabe von Gerstenbergers Unterfangen ist. Ihr geht es um eine Theorie der
Entstehung bürgerlicher Staatsgewalt, nicht um die Diskussion dessen Endes.
Die Entstehung bürgerlicher Staatsgewalt
aber wird anhand der Entwicklung von England und Frankreich bis zu ihrer
Durchsetzung aus den feudalen und absolutistischen Verhältnissen (bei
Gerstenberger: Anciens Régimes) dargestellt. Hier liegt eine große Stärke wie
auch eine kleine Schwäche des Buchs. Die Stärke ist unzweifelhaft in der
historischen Darstellung zu finden. Eines sei nun gleich voraus geschickt: Wer
da meint, eine chronologische Übersicht aus der Datengeschichte zu finden, wird
sich schlecht bedient sehen. Ein überblicksmäßiges Wissen über das, was zwischen
Wilhelm, dem Eroberer, und Napoléon, dem Ersten, sich ereignet hat, wird
vertrauensvoll vorausgesetzt. Dieses vorausgesetzte Wissen wird aber nicht
übermäßig strapaziert. Wer seine Schulbildung noch abrufbereit hat und weiß, wo
gegebenenfalls nachzuschlagen wäre, wird auf keinerlei Schwierigkeiten stoßen,
eher auf Überraschungen. Bevor noch Gerstenberger im ersten Teil sich, ihr
Anliegen und ihre Arbeitsweise vorstellt, dabei zu unserer großen Freude sich
bereit findet, auch großtheoretische Reflexionen anzustellen und nicht in
postmoderner Beliebigkeit zu versacken, verweist sie auf die Fähigkeit von
Königen des Mittelalters zu Wunderheilungen an Skrofelkranken.
Dies ist aber kein Gag, wie er gerne zur
Einleitung von Referaten, Vorträgen und Büchern angewandt wird, um das p. t.
Publikum geneigt zu stimmen. Im Gegenteil wird im späteren Verlauf noch einmal
darauf zurückgekommen, wenn es darum geht, dass die Päpste den Königen diese
Fähigkeit zur Wunderheilung absprechen, wird doch dadurch auch ein sakraler
Anspruch der Könige an den Päpsten reklamiert. Gerstenberger führt uns also mit
diesem ersten Satz, noch bevor sie einleitend die Feudalismus- und
Staatsdebatten der letzten Jahrzehnte kursorisch referiert, schon in eine Welt,
die von unserer nicht unterschiedlicher gesehen werden kann. Nichtsdestoweniger
war diese Welt real und wirklich, wenn auch unsereinem unverständlich. Und die
Autorin führt uns in diese Welt, bis wir in ihrer Logik denken. Das liegt auch
an ihrer einfühlsamen (überprüft einmal ihren Text auf geschlechtsneutrale
Ausdrucksweise; so wird s gemacht!) und unspektakulären Sprache. So etwa
erfahren wir in einem kurzen, keineswegs besonders hervor gehobenen Satz auf
Seite 124: „Die soziale Position war eine Eigenschaft von Personen.“ Das steht
da einfach ohne „Achtung! Aufgemerkt!“, es erklärt aber ruhig und sachlich,
warum sich Könige, Bischöfe, Friedensrichter, Bauern und Ritter so verhielten,
wie sie sich eben verhielten. Und wer darüber hinaus gewohnt ist, beim Lesen
mitzudenken, wird nicht umhin können, die Parallelen zu ziehen zum Wert, der als
Eigenschaft der Dinge sich zeigt, und sich so seine Gedanken über
gesellschaftlich hergestellte Realitäten machen. In Aussagen dieser Art, die zu
Vergleichen und Bezugnahmen herausfordern, zeigt Gerstenberger das Geschaffene
an den Gesellschaften (richtiger wäre es, hier „gesellschaftliche Verhältnisse“
zu sagen), auch wenn sich deren einzelne Akteurinnen und Akteure dessen nicht
bewusst sind.
So führt sie uns behutsam und
zielstrebig durch die englische und französische Geschichte. Zu dieser
Behutsameit gehört aber auch das sanfte Infragestellen tradierter Vorstellungen,
wenn sie etwa Frankreich über lange Strecken des Buchs unter Anführungszeichen
setzt, um den Unterschied zu England klar zu machen – ein Frankreich hat es
lange nicht gegeben und sie unterscheidet auch zwischen dem Norden und dem Süden
und ihren jeweiligen gesellschaftlichen Formen der Organisierung und der
Repräsentanz. So macht Gerstenberger auf den kleinen Unfug, der sich immer
wieder in die übliche Darstellungsweise von Nationalgeschichten einschleicht,
aufmerksam. Sie vertritt dabei durchaus ihre eigenen Positionen, zeigt im Text,
wo sie sich von anderen Autorinnen und Autoren in deren Ansichten unterscheidet,
ohne dabei einem rechthaberischen Gehabe zu verfallen, und macht ihr Publikum
mit eingeführten Begrifflichkeiten vertraut und mit der Entstehung und
Etablierung neuer; sowohl, was die diskursive Rückschau im historischen
Paradigma betrifft (und da kommt die sorgfältige Zitierung der entsprechenden
empirischen Arbeiten keineswegs zu kurz), als auch in Bezug auf die
Selbstwahrnehmung innerhalb der beschriebenen Zeiträume.
Zentrale Begriffe dieser Art sind
personale Herrschaft, deren Verallgemeinerung, Interessen und Aneignung, alle
bezogen auf „Feudalismus“ und „Ancien Régime“. In der Rezeption und Diskussion
über Gerstenbergers Ansatz hinaus bieten sich hier Anknüpfungspunkte für eine
Betrachtung, Untersuchung und Darstellung über die gewählte Einschränkung
England und Frankreich hinaus an. So wäre etwa, gerade was das Ancien Régime
betrifft, das Beispiel Schwedens ein lohnendes Gebiet, auf dem das Unterfangen
Gerstenbergers weiter geführt werden sollte – auch im Hinblick auf eine Sicht
Europas, das für die Entwicklung bürgerlicher Staatsgewalt von so eminenter
Bedeutung ist. Ähnliches gilt an anderer Stelle (Seite 198 f.), wenn sie
schreibt: „Bis in die letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts galt ,Interesse‘
als eine (vorwiegend) materiell begründete Beziehung zwischen konkreten
Personen. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts entstanden aber auch bereits die
wirtschaftlichen, sozialen und politischen Voraussetzungen für die moderne
Konzeption des Interesses. Sie ist gewissermaßen ,entpersonalisiert‘. Denn
moderne Interessengruppen verbinden Träger von Interessen, nicht ganz konkrete
Individuen. Die ,englische Form‘ der bürgerlichen Revolution ist die
Umwandlung von Angehörigen der herrschenden Stände des Ancien Régime in
privilegierte Angehörige von Interessengruppen einer bürgerlichen Gesellschaft.“
(Hervorhebungen von der Autorin) Wer an dieser Stelle statt „englisch“
„japanisch“ einsetzt, sieht sich plötzlich auf einer Fährte zu einem –
möglicherweise neuen – Verständnis für die Konstitutionsprozesse der Moderne,
das die japanische Entwicklung als „asiatischen Sonderweg“ (und quasi als
westeuropäischen „Normal“weg) mit einschließt. Insofern reiht sich
Gerstenbergers Buch auch bei einer thematischen Beschränkung auf England und
Frankreich durchaus in einen Kontext internationaler und wohl auch systemischer
Diskussionsprozesse der Moderne.
Gerade darum ist die kleine Schwäche des
Buches etwas ärgerlich. Sie besteht darin, dass die vom Publikum geforderten
Voraussetzungen, wie sie bei der historischen Datengeschichte noch legitim
waren, in Bezug auf den bürgerlichen Staat doch einer zuvor gemachten
Versicherung und Übereinkunft Raum hätten geben sollen darüber, was wir denn nun
unter bürgerlicher Staatsgewalt zu verstehen hätten. Zwar kann durchaus
zugemutet werden, über die eigenen Verhältnisse ohnehin Bescheid wissen zu
müssen, dennoch wäre so eine voraus geschickte Verständigung angebracht gewesen;
dies vor allem auch deswegen, weil damit eine thematische Beschränkung klar
ausgesprochen worden wäre.
Wir haben es nämlich nicht mit einer
Untersuchung zu tun, die sich den Konstitutionsprozess der Moderne selbst zum
Vorwurf genommen hätte, sondern bloß einen Teil aus diesem Prozess, eben die
Entstehung bürgerlicher Staatsgewalt. Hier ist es unzweifelhaft Gerstenbergers
Verdienst, wenn sie diese Entstehung als etwas völlig Neues, für vorherige
gesellschaftliche Formationen auch Unlogisches heraus stellt. Dabei mag es eins
dann doch etwas unbefriedigt zurücklassen, wenn einerseits anfangs des Buches
die Differenz zu vormodernen Gesellschaften betont wird, im Durchgang in die
Moderne aber eine allmähliche Entwicklung beschrieben wird. Dies ist aber vor
allem einem historischen Verständnis, nennen wir es Alltagsverständnis,
geschuldet, das seine Wahrnehmung an Revolutionen im „klassischen“ Sinn fest
macht, also an Jakobinismus und Washington.
Gerstenberger mag dies geahnt haben,
sonst hätte sie nicht – erklärtermaßen – auf dem Begriff der bürgerlichen
Revolution beharrt, auch und gerade für die englische Entwicklung. Dazu werden
die Probleme der Kontingenz der Aufmerksamkeit empfohlen, worin sich dann auch
das Verhältnis zwischen Kapitalismus und bürgerlicher Staatsgewalt ausdrückt.
Eine schlichte (und naive, historisch-materialistische) Ableitung und Kausalität
wird von Gerstenberger zurück gewiesen, das Verhältnis zwischen der Entstehung
und Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise und der bürgerlichen
Staatsgewalt für England und Frankreich grundverschieden diskutiert. (Ein
ähnlich kontingentes Verhältnis zwischen bürgerlicher Staatsgewalt und
Demokratie wird leider nicht so deutlich, sehen wir von den durchaus
erhellenden, im Zusammenhang mit der Globalisierung zitierten Bemerkungen ab.)
Das Hauptaugenmerk liegt eben auf der Gesellschaftlichkeit personaler Herrschaft
und auf der Tatsache der jeweiligen Sonderwege bei deren Überwindung: Europas
gegenüber der übrigen Welt, Englands und Frankreichs innerhalb Europas und auch
im Verhältnis zueinander. Hier scheint es mir aber, dass es dem Publikum
überlassen bleibt, Feudalismus und Ancien Régime (um in Gerstenbergers
Terminologie zu bleiben) in der Klammer der personalen Herrschaft und ihrer
Verallgemeinerung zusammenzudenken, sowie den distinkten Bruch damit in der
bürgerlichen Revolution (welche Verlaufsformen sie nun immer annehmen mag und
hier kann ich mir nicht verkneifen, neben den von Gerstenberger dargestellten
die Meiji-Restauration in Japan anzuführen).
Als letzte, abschließende Bemerkung
lässt sich sagen: Das Buch – in jedem Fall lesens- und empfehlenswert – hält
mehr, als der Titel verspricht. Wir erfahren über die vormodernen Formationen
eben so viel wie über das im Titel vorgegebene Thema, wenn nicht sogar mehr.
Dazu gehört auch, dass wir mit Begriffen wie „verallgemeinerter personaler
Herrschaft“ zu tun haben, die uns das Bild vormoderner gesellschaftlicher Praxis
erhellen. Ich will darauf nicht mehr eingehen, sondern darauf neugierig machen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff der Aneignung, der auch mit
gesellschaftlicher Praxis in der Vormoderne zu tun hat und den ich lieber als
Alimentation bezeichnet gesehen hätte. Ihr seht, wir haben es nicht nur mit
einer monographischen Analyse zu tun, sondern auch mit einer interessanten
Einführung in historische Diskurse, die der Mühe lohnen; wenn das Buch
beschrieben ist als erster Band einer Reihe des Verlagshauses mit dem Titel
Theorie und Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft, so wollen wir uns weitere
Bände wünschen auf dem selben Niveau, inhaltlich wie sprachlich.
Und als allerletzte Bemerkung, quasi als
Postskriptum: Der Verlag ist dafür zu loben, dass Lektorat und Endredaktion
nicht der nun schon vielerorts grassierenden Schlamperei erlegen sind; dennoch
würde ich ein klein wenig weniger Originalität bei der Zeichensetzung erhoffen
dürfen und ein klein wenig mehr Achtsamkeit, die auch die spärlichen, kaum
merkbaren Druckfehler vermieden hätte.
Gerold Wallner
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