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Felix Schnell: Räume des Schreckens.
Gewalt und Gruppenmilitanz in der Ukraine
1905-1933.
Hamburg:
Hamburger Edition 2012, 575 Seiten, Euro 28
Martin Baxmeyer: Das ewige Spanien der Anarchie.
Die anarchistische Literatur des Bürgerkriegs
(1936-1939) und ihr Spanienbild.
Berlin: Edition
Tranvia 2012, 599 Seiten, Euro 36
Buchbesprechung
von Philippe Kellermann
Der wohl
gängigste Einwand, der dem Anarchismus gemacht wird, ist, dass er zwar eine
schöne Idee, aber nicht zu realisieren sei. Oder wenn, dann „erst in 200 oder
vielleicht 500 Jahren“, wie jener „russische Gendamerieoberst“ meinte, von dem
Kropotkin einmal erzählte, und der daraus den Schluss zog, dass „man vorläufig“
die PropagandistInnen des kommunistischen Anarchismus zur Bestrafung „einsperren
müsse“ (Kropotkin 1881: S.151). Folgerichtig bemühte man sich darum, die
Realisierbarkeit des Anarchismus spekulativ zu beweisen oder eben an ihn zu
glauben. Nicht zuletzt infolge der sich weltweit durchsetzenden Dominanz der
Sozialdemokratie seit Ende des 19. Jahrhunderts und des Bolschewismus seit der
Oktoberrevolution wurden diese Ansätze immer unbefriedigender und es gelang dem
Anarchismus kaum, etwas den greifbaren „Erfolgen“ ihrer sozialistischen
Widersacher entgegenzuhalten.
Umso wichtiger
wurden für die anarchistische Geschichts- und Gedächtnispolitik dann real
existierende Ereignisse, die diese Möglichkeit zur Verwirklichung demonstrierten
oder demonstrieren sollten. Vor allem zwei Ereignisse wurden und werden in
diesem Zusammenhang immer wieder angeführt: die Machno-Bewegung während der
Russischen Revolution und der Spanische Bürgerkrieg. Nun sind zwei Bücher
erschienen, die diese Ereignisse kritisch hinterfragen.
Felix
Schnell: Räume des Schreckens
Schnell widmet
sich in seiner Studie über „Gewalt und Gruppenmilitanz in der Ukraine 1905-1933“
vor allem drei Zeitabschnitten: (1) den Jahren nach der ersten Russischen
Revolution 1905, die als „erste konjunkturelle Hochphase kollektiver
Partikulargewalt“ und „eine Art ‚Laboratorium der Gewalt’“ beschrieben werden
und welche durch „Schwäche und Wegfall staatlicher Autorität“ (S.14) ermöglich
wurden; dann (2) der Zeitspanne, die vom Ersten Weltkrieg bis zum anschließenden
Bürgerkrieg reicht. Der Krieg hatte nicht nur die Bevölkerung des Zarenreiches
„entwurzelt“, die „Funktionsfähigkeit der Regierung“ untergraben, sondern er war
auch eine „Schule der Gewalt“ gewesen, „die Millionen von Bauern das Kämpfen
lehrte und sie dem friedlichen Leben entfremdete“ (S.14). Im Bürgerkrieg waren
die „Gewalträume (…) nicht mehr Einsprengsel in einer lediglich erschütterten
Ordnung, sondern“ wurden „vielmehr selbst zur herrschenden Ordnung“ (S.15); (3)
der Zeit der stalinistischen Kollektivierung Anfang der 1930er Jahre.
Es geht in Räume des
Schreckens um weit mehr, als um Machno und die Machno-Bewegung. Aber sie
spielt in seinen Ausführungen eine wichtige Rolle, weil sie als „Lehrstück von
Gruppenmilitanz in Gewalträumen“ verstanden (S.365) und als „zentrales
Fallbeispiel“ diskutiert wird (S.287). Hierauf konzentrieren sich meine
Ausführungen.
Das Verhältnis von
Machno zu den zeitgenössischen russischen AnarchistInnen war keineswegs
ungetrübt. Der Anarchist Arschinoff, Chronist und Teilnehmer an der Bewegung,
teilte heftige Hiebe gegen die russischen AnarchistInnen aus, weil diese die
Bewegung „verschlafen“ hätten (Arschinoff 1923: S.244). Und dies, obwohl doch
die Machno-Bewegung „eine anarchistische Massenbewegung der Werktätigen“ gewesen
sei, die, wenngleich „nicht ganz abgeschlossen, nicht ganz durchkristallisiert,
dennoch aber dem anarchistischen Ideal zugewandt (…) und den Weg des Anarchismus
beschritten“ habe (Arschinoff 1923: S.243). Immer wieder den volkstümlichen
Charakter der Bewegung hervorhebend, beklagte er vor allem, dass sich „von allen
intelligenten und theoretisch gebildeten Anarchisten nur Volin sich mit
Entschiedenheit der Bewegung“ angeschlossen habe (ebd. S.244f.).
Jener Volin war es dann, der Jahre später die wohl wichtigste anarchistische
Darstellung der Russischen Revolution aus der Perspektive eines Beteiligten
verfasste.
Dort schreibt Volin, der sein Kapitel über die Machnobewegung als das
„wichtigste und interessanteste“ bezeichnet (Volin 1976: S.177): „Die
Bolschewiki machten schließlich Machno und der Aufständischen Bewegung [neben
dem angeblichen Antisemitismus] noch etwas anderes zum Vorwurf: sie behaupteten,
daß Machno, wenn nicht ein Bandit, so doch ein Abenteurer (…) gewesen sei (…).
Sie behaupteten, daß Machno in der Bewegung persönliche Ziele verfolgte und dies
mit der anarchistischen Ideologie bemäntelte; daß er den großen Mann spielte,
indem er sich über alle Komitees, Kommissionen und Sowjets lustig machte; daß er
tatsächlich eine gnadenlose Diktatur ausübte und daß die besten Genossen, die an
der Bewegung teilnahmen sich bewußt oder unbewußt täuschen ließen; daß er sich
mit eine[r] Clique von Kommandanten umgab, die heimlich übelste Gewalttaten,
Raubzüge und anderes unternahmen und daß Machno diese Verhaltensweisen deckte
und hinter dem Rücken der ‚Ideologien’ selbst daran teilnahm, die er im Grunde
verachtete und über die er sich lustig machte, etc.“ (ebd. S.168) Damit ist
recht exakt das Bild skizziert, das Schnell von Machno und der Bewegung
zeichnet. Aber er kritisiert die bolschewistische, bzw. sowjetische
Machno-Interpretation: „Die sowjetische Geschichtsschreibung stellte Machno als
gewissenlosen Banditen und Konterrevolutionär dar und übersah dabei gerne, wie
viel er im Grunde mit der Revolution zu tun hatte, ja dass er in gewisser Weise
aus demselben Holz geschnitzt war wie die Bolschewiki, die im Bürgerkrieg und
dann später bei der Kollektivierung die Sowjetmacht behaupteten und die
sowjetische Staatsbildung durchsetzten.“ (S.289)
Nach Schnell sei
Machno mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ schon in frühen Jahren eine „psychisch
unausgeglichene Person“ gewesen, der als „Bandit[.]“ seine Laufbahn begann
(S.286) und Teil einer Gruppe war, deren Tun „mehr mit kriminellem als mit
revolutionärem Handeln zu tun“ hatte (S.79). Nach der Februarrevolution aus dem
Gefängnis entlassen, habe er dort angeknüpft, „wo er vor seiner Verhaftung und
Verurteilung aufgehört hatte: Bandenbildung und Bandenaktivität. Dazu griff er
auf Verwandte, Freunde und Bekannte zurück, mit denen er eine Art verschworene
oder besser gesagt mafiöse Gemeinschaft bildete“ (S.291). In „relativ kurzer
Zeit“ habe er einer „regelrechte[n] Armee“ vorgestanden (S.304), deren Stärke
unterschiedlich geschätzt wird, auf jeden Fall aber in die Zehntausende ging –
Anfang der 20er Jahre aber vor allem auf Grund von Typhuserkrankungen wieder
„auf das Format einer großen Bande“ zurückging (S.310). Bei alledem war Machno
vor allem eins: ein „Tatmensch“ (S.318) und „Genie der Praxis“ (S.319), ein
„brillanter Taktiker“ (S.324), der „stets vorn dabei war und sich nicht schonte“
(S.325).
Mit Anarchismus habe all
das nichts zu tun, es sei gerade Machnos Vorteil gewesen, dass ihm „das
großformatige Denken fremd war“ (S.365).
Zwar habe Machnos Denken irgendwie mit der Bauernutopie zu tun (vgl. S.293) und
einmal schreibt Schnell sogar: „Anfang 1919 hatte der Bat’ko noch große Ziele
und sah sich als Exponent einer umfassenden Bauernrevolution“ (S.197) Hiervon
erfahren wir im Hauptteil der Auseinandersetzung mit Machno dann nichts mehr.
Stattdessen heißt es: „Machno vermochte sich sehr bald breiter Zustimmung und
Sympathie unter den Bauern der südöstlichen Ukraine zu versichern und konnte
buchstäblich als Haupt einer regionalen agrarrevolutionären Bewegung
erscheinen.“ (S.286; H.v.m.) Diese doch merkwürdige ‚breite Zustimmung und
Sympathie’ erklärt aber kein politisches Programm, denn er habe „keine
politische Alternative anzubieten“ gehabt (S.313). Vielmehr gelte „die nüchterne
Feststellung, dass Machno im Grunde kein politisches Ziel und kein Programm
hatte (…). Er war im wahrsten Sinne des Wortes ein Sohn des Krieges und der
modernen russischen smuta, der ‚Zeit der Wirren’. Gewalträume waren für
Menschen wie Nestor Machno eine Art Biotop und die Machnovščina war vor allem
eines: Selbstzweck.“ (S.313f.) Damit ist die Brücke zu Schnells eigentlichem
Thema gebaut: der Gewalt.
Die Machno-Armee sei
eine „Gewaltkultur“ gewesen (S.316), die „durch Gewalt zusammengehalten“ wurde
(S.358).
Machno selbst habe es geliebt, „Furcht zu verbreiten.“ (S.317), erwiesen sei es,
„dass Machno sehr oft tötete und sowohl im Kampf als auch bei Exekutionen grob
geschätzt mehrere hundert Menschen mit eigener Hand umbrachte“ (S.325). Machno
erscheint als unangefochtener Führer, der diktatorisch herrschend, seine
Anweisungen mit: „oder ich bringe dich um!“ beendete (S.326). Exzesse seiner
Untergebenen wurden nicht aufgrund ethischer Impulse verurteilt, sondern weil es
dabei um „Kontrolle und Macht“ (S.328) ging – stellten diese doch „seine
Ausnahmestellung als Herr über Leben und Tod“ (S.329) infrage. Exekutionen und
Gnadensakte werden interpretiert einerseits als sehr passend „zur Art und Weise,
in der Machno seine vermeintliche Allmacht repräsentierte“ (S.350), andererseits
auch als Aspekt von Vergemeinschaftung: „Er entschied, wer mit dem Leben
davonkam und wer nicht. Zugleich schufen diese Hinrichtungen eine durch
Gewalttaten zusammengeschmiedete Tätergemeinschaft.“ (S.352) Begleitet von einem
„fürstlichen Gefolge“ (S.335), darunter einer „Art charismatische[r]
Aristokratie nach dem Prinzip des Jüngertums“ (S.321), gelte für diese, dass
„[j]eder von ihnen“ sich bemüht habe, „den anderen mit seiner Kühnheit zu
übertreffen – über Menschen sprachen sie dabei wie Schlachter über Vieh:
umgebracht, erstochen, mit dem Messer abgestochen, Bauchaufschlitzen. Diese
Worte wurden mit Gelächter begleitet“, wie eine Gefangene berichtet (zit.n.
S.353). Zum „Wettbewerb der Grausamkeit“ (S.354) gesellt sich dann noch die
kontinuierliche „Leichenschändung“ (S.355). Bisweilen erscheint Machno schlimmer
als die Bolschewiki, denn: „Anders als die Bolschewiki oder auch die Weißen
brauchte Machno keine Gefängnisse. Der Terror seiner Truppe war direkt und ohne
Umschweife.“ (S.195) Und wie ein deutscher Kolonist berichtete: „Die Bolschewiki
seien im Vergleich zu den Anarchisten Engel gewesen“ (S.204).
Einige überlieferte
Beispiele für die Gewalt werden angeführt.
Folgerichtig meint dann ein Rezensent: „Nestor Machno war ein brutaler Warlord
mit psychotischen Zügen, wie Schnell immer wieder eindrucksvoll belegt.“ (Chiari
2012: S.192)
Womit sich die Frage
nach der Machno entgegengebrachten Sympathie noch dringlicher stellt, zumal nach
Schnell auch Machno eine „reine Beuteökonomie“ (S.259) betrieben habe und „die
Bevölkerung ausrauben musste“ (S.311). Vage heißt es: „Obwohl Machno (…) den
Bauern eigentlich nur eine weniger intensive und vor allem unsystematischere
Variante des sowjetischen Verfahrens zu bieten“ hatte, konnte er „doch die
Illusion bäuerlicher Freiheit aufrechterhalten, so dass die Bauern
ihnen oft freiwillig gaben, was sie brauchten.“ (S.188; H.v.m.) Sie hätten die
„Wahl zwischen zwei Übeln“ gehabt und „wählten das vermeintlich
geringere“ (S.188; H.v.m.). Die betroffenen Bauern scheinen also nicht so recht
gewusst zu haben, was sie taten. Jedenfalls schätzten sie an Machno den
Alkoholkonsumenten
und hasserfüllten Visionär: „Auf jeden Fall konnte Machno anderen Menschen
Orientierung geben, Ordnung ins Chaos bringen. Er war in der Lage, den eigenen
Leuten klarzumachen, wer sie waren, und ihnen zu sagen, wer ihre Feinde waren,
die vernichtet werden mussten.“ (S.319) Und wie es sich für einen
Vernichtungsfeldzug gehört, gilt: „Es wurde gegen alles Mögliche
gekämpft, aber selten für etwas. Etwas, für das man kämpfen konnte, war,
Schwächeren seinen Willen aufzuzwingen.“ (S.359)
Aus anarchistischer
Perspektive ist die Lektüre des Buches ernüchternd, sogar erschütternd. Zwar
erscheinen manche Ausführungen des Autors über den Anarchismus
oder auch Machno
bisweilen etwas bizarr, dennoch: Sollte nur ein Bruchteil der erwähnten Quellen
zutreffendes Beschreiben, muss man schon zusammenzucken. In diesem Sinn ist
Schnells Arbeit wichtig und nicht einfach so beiseite zu schieben. Das Problem
aber ist, dass fast alle der erwähnten Aspekte schon von Volin geschildert
wurden. Dieser hatte im Anschluss an das bolschewistische Zerrbild nämlich
festgehalten, dass es gelte „einige Tatsachen klar herauszustellen, die der
bolschewistischen Version den Schein von Wahrheit vermittelten und so ihre
Verbreitung und ihr hartnäckiges Fortbestehen ermöglichten“ (Volin 1976: S.160),
wobei es sich hier um „gewisse wirkliche Mängel und Schwächen der
Bewegung und ihres Führers“ handele (Volin 1976: S.168). Es ist eine große
Schwäche der Arbeit Schnells, dass er Volin als eine Art Trottel hinstellt,
dessen Ausführungen überhaupt keinen historischen Wert hätten: „Intellektuelle
wie Vsevolod Volin oder Petr Aršinov warteten bereits Anfang der 1920er-Jahre
mit Schriften über die vermeintliche Machno-Bewegung auf, bei denen es sich
nicht ausschließlich, aber in hohem Maße um eine Apologetik der eigenen
politisch-philosophischen Positionen handelte. Der Anarchismus oder als seine
besondere Spielart: der Anarchosyndikalismus figurierten hier als Wesen der
Bewegung und als Alternative zum Bolschewismus.“ (S.292)
Nicht nur bleibt unerwähnt, dass Volin Arschinoff kritisiert (vgl. Volin 1977:
S.172), sondern auch, was an den Darstellungen der beiden nicht ausschließlich
als Apologetik gelten kann.
Indem Schnell diese Diskussion nicht führt, kann er Machno und die
Machno-Bewegung mit Hilfe seines Gewaltkonzeptes in eins setzen: alle
Ambivalenzen und Differenzierungen, die Volin für wichtig erachtet, gehen dabei
verloren. Das ist wohl leider insofern verständlich, als dass Schnell mit dieser
Bewegung einfach fertig ist, während Volin daran festhielt, dass man „über die
Fehler und Irrtümer dieser Revolution des Volkes nachdenken“ solle (Volin 1977:
S.177). Dennoch: Ein wichtiges Buch, dem eine breite und kontroverse Diskussion
zu wünschen ist und es ist ja keineswegs ausgemacht, ob in dieser Schnell nicht
recht behalten wird.
Martin
Baxmeyer: Das ewige Spanien der Anarchie
Martin Baxmeyer ist
selbst in anarchistischen Zusammenhängen aktiv. Wenngleich ein kritischer Blick
auf die ‚eigene’ Geschichte eigentlich selbstverständlich sein müsste –
schließlich fordern wir das ja auch immer von MarxistInnen ein –, gilt es lobend
hervorzuheben, dass Baxmeyer als Ziel seiner „Arbeit“ und auch seiner
„zukünftigen Forschungen“ angibt, den „kritischen Blick auf die Vergangenheit
auch innerhalb der anarchistischen Bewegung etwas zu fördern“.
Und fürwahr: Baxmeyer macht mit seiner „Hauptthese“ sogleich deutlich, dass in
seiner Dissertation keine Nebensächlichkeiten behandelt werden: „Die
anarchistische Bürgerkriegsliteratur war nicht die Verwirklichung der
kulturellen Utopie der Anarchisten im Sinne einer neuartigen, freien und
kollektiven Praxis, die anarchistische Ideologeme aktualisierte, gestaltete und
zu verbreiten half. Zwar veränderten sich während des Bürgerkriegs in der Tat
die literarischen Produktions- und Rezeptionsbedingungen. Inhaltlich und formal
jedoch entfernte sich die libertäre Bürgerkriegsliteratur in signifikanter Weise
von ihren ideologischen ‚Wurzeln’. Sie näherte sich stattdessen der
profranquistischen Bürgerkriegsliteratur an, aktualisierte nationalistische,
kolonialistische und sogar rassistische Theoreme und schuf ihren eigenen
Spanienmythos.“ (S.30) Nachdem Michael Seidman in Gegen die Arbeit schon
über Abgründe der CNT-Politik informierte, geht es nun also auch noch den
LiteratInnen an den Kragen.
Der Diskurs, den
Baxmeyer untersucht, darstellt und kritisch diskutiert kreist um das Bild des
„ewigen Spaniens“, wobei es darum geht, zu analysieren „ob, wie und vor allem
warum sich eine kollektive Identität, nämlich jene der spanischen
anarchistischen Bewegung in all ihren politischen Schattierungen, die wesentlich
durch ihre Ablehnung des Nationengedankens definiert war, in ihrer
literarischen Selbstdarstellung während des Bürgerkriegs“ solchermaßen
verschieben konnte (S.50).
Absolut
faszinierend jedenfalls sind die Ausführungen über die „anarchistischen
Vorstellungen zur Genese eines revolutionären pueblo (…) von einer
ästhetischen (Selbst-)Erziehung der Anarchisten“ (S.106), wie sie Baxmeyer
anhand des spanischen Vorkriegsanarchismus erläutert. Er meint: „Das Besondere
an den bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unbestreitbar revolutionären
kulturpolitischen Zielen der Anarchisten war, dass sie stets die
schichtenübergreifende kulturelle Produktion miteinbezogen [haben] und
niemals nur die Rezeption.“ (S.107) Wieder einmal gelingt es einem Autor,
die Attraktionskraft und den besonderen Charme des spanischen Anarchismus
darzustellen. Mit dem Bürgerkrieg aber wendet sich in gewisser Weise das Blatt:
„Für eine langsame und geduldige ästhetische (Selbst-)Erziehung, wie sie die
Anarchisten bis zum Bürgerkrieg propagiert und realisiert hatten, war ab dem 18.
Juli 1936 ihrem Verständnis nach keine Zeit mehr. Von nun an galt der
unmittelbare Nutzen – auch von Literatur.“ (S.241) Nun habe die
„anarchistische Bürgerkriegsliteratur (…) eine ahistorische Essenz ‚wahren
Spaniertums’“ postuliert und konstruiert, der „sie eine Neubewertung des
pueblo-Begriffs während des Bürgerkriegs zugrunde legte und die die
nationale anstelle der sozialen Zugehörigkeit in den Vordergrund
rückte“ (S.244). Der Bürgerkrieg wurde so „auch zum dichterischen Kampf darum,
wer im Namen der spanischen Geschichte zu sprechen und zu handeln berechtigt
sei“ (S.244), „ein regelrechter Kampf um Deutungs- und Definitionsmacht in der
Literatur“ (S.328). Dabei seien „zum Teil offen reaktionäre Konzepte, die mit
Kollektivsymbolen wie den Reyes católicos oder den conquistadores
verbunden waren, (…) keiner kritisch-ideologischen Prüfung mehr unterzogen,
sondern im literarischen Diskurs auf jene Aspekte reduziert“ worden, „die das
Bild des ‚ewigen’, revolutionären Spaniens stützten. Das ‚ewige Spanien der
Anarchie’ wurde von genau den gleichen historischen Helden gestützt und getragen
wie das der autoritären Rechten.“ (S.334) Kurz: „Was immer auch nur eine Ahnung
nationaler, kriegerischer Größe transportierte, wurde, bildlich gesprochen, in
der anarchistischen Literatur des Bürgerkriegs in eine Milizuniform gesteckt,
notdürftig ideologisch bewaffnet und an die Front geschickt.“ (S.333) Der wohl
„radikalste[.] Bruch mit der universalistischen und egalitären
Menschheitsutopie, den die anarchistische Literatur während des Bürgerkriegs
vollziehen konnte“ war dabei die „rassistische Verteuflung afrikanischer
Menschen als einer Horde unzivilisierter, blutrünstiger Bestien“ (S.363) – was
sich auf die afrikanischen Soldaten im Gefolge Francos bezog.
Wie konnte es zu
diesem „nationalistischen ‚Schwenk’ in der anarchistischen Literatur“ kommen
(S.245)? Baxmeyer präsentiert folgende „Hypothesen“ (S.485): Erstens, als
„sicherlich wichtigste Ursache“: „der Bürgerkrieg selbst. Genauer: die
Notwendigkeit, der Behauptung der putschenden Militärs, im Namen und zum Wohle
Spaniens zu handeln, propagandistisch etwas entgegenzusetzen.“ (S.486) Woraus
folgt: „Der Nationalismus der anarchistischen Literatur war ein reagierender
Nationalismus.“ (S.487) Zweitens: „der Konformitätsdruck innerhalb der
republikanischen Zone (…). Praktisch vom ersten Tage an verlegte sich die
republikanische Propaganda auf eine nationalistische Agitation, wenn es darum
ging, Machenschaften und Ziele des Kriegsgegners auch international zu
delegitimieren“ (S.494). Möglicherweise sei dabei der „anarchistische
Nationalismus (…) nicht nur der Versuch, sich von der kommunistischen,
sozialistischen oder republikanischen Propaganda nicht delegitimieren und als
‚unspanisch’ hinstellen zu lassen, sondern auch deren vielversprechende
Mobilisierungsstrategie zu kopieren“ gewesen (S.499f.). Drittens: „Die
nationalistische Utopie war nicht bloß von außen, als ‚ideologischer
Fremdkörper’, in das kulturelle Spektrum der Anarchisten eingedrungen. Sie hatte
dort seit dem Ende des 19.Jahrhunderts bereits eine feste Heimstatt“ (S.505) –
wenngleich sie vor dem Bürgerkrieg äußerst marginal war. Viertens: „Eine letzte,
wiewohl nicht zu vernachlässigende Ursache für den nationalistischen ‚Schwenk’
in der anarchistischen Bürgerkriegsliteratur liegt womöglich in der neu
definierten Funktion, die diese während des Bürgerkriegs zu erfüllen hatte. (…)
Die anarchistische Literatur des Bürgerkriegs war in ihrer überwältigenden
Mehrheit weder Revolutionskunst noch revolutionäre Kunst. Sie war Kriegskunst,
literatura de combate. Sie sollte agitieren, aufrütteln, ermutigen, zur
Beteiligung an Krieg und Revolution auffordern. Die Bilder und Symbole, die sie
dafür nutzte, mussten ihren Adressatinnen und Adressaten unmittelbar einsichtig
sein. Eine neue, womöglich eigenständigere oder differenziertere Bildsprache zu
entwickeln, unternahmen während des Kriegs nur wenige Autorinnen und Autoren.“
(S.514f.)
Festzuhalten sei
aber auch: „Die nationalistische Utopie konstituierte sich während des
Bürgerkriegs auf der Ebene der Bilder und Symbole, und kaum einmal wurde sie zu
einem politischen Programm ausgearbeitet: dem einer populären, anti-elitären,
demokratischen, anti-imperialistischen, säkularen oder sogar atheistischen
spanischen Volksnation beispielsweise. Diesen Kontext mussten die Rezipienten
sozusagen im Stillen ‚mitlesen’, und wenn die Medialität der anarchistischen
Bürgerkriegsliteratur eine solche Lektüre auch ohne Zweifel erleichterte, so
wurde sie durch die noch zu analysierenden logischen Zwänge, die sich bei der
Übernahme einer nationalistischen Topologie in einen libertär-revolutionären
Kontext ergaben, gleichzeitig deutlich erschwert.“ (S.479f.) Und Baxmeyer zieht
als Möglichkeit auch in Betracht: „Allein die Häufung nationaler
Kollektivsymbole in der libertären Bürgerkriegspoesie ließe sich ebenso gut als
Indiz dafür deuten, dass die neue, nationalistische Deutung von Krieg und
Revolution keine selbstverständliche Akzeptanz fand. (…) Hier zeigt sich, dass
vor allem ältere, streng syndikalistisch und antinationalistisch geprägte
Anarchistinnen und Anarchisten (…) den patriotischen Zungenschlag ihrer (nicht
nur literarischen) Propaganda eher mürrisch oder überhaupt nicht zur Kenntnis
nahmen.“ (S.485) Man muss sich bei alledem auch vor Augen führen, dass Baxmeyer
seine Aufmerksamkeit einem streng eingegrenzten Gegenstand widmet. So meint er
beispielsweise auch, dass „in der anarchistischen Prosa und auf dem Theater (…)
Raum für eine differenziertere Auseinandersetzung mit nationalistischen Topoi“
blieb, und dieser auch genutzt wurde (S.516). Und das Verhältnis, bzw. der
wechselseitige Einfluss von Dichtung und anarchistischer Politik müsste erst
noch geklärt werden. So zeigen Beispiele, dass es hier auch spürbare Differenzen
gab. Beispielsweise wurde die Heiligengestalt der Virgen [Jungfrau] del Pilar –
als „am stärksten propagandistisch wie literarisch umkämpfte[s] religiöse[s]
Kollektivsymbol des Bürgerkriegs“ (S.465) – von der anarchistischen
Bürgerkriegsliteratur positiv besetzt, während die anarchistische Presse „in der
Figur der Heiligen und ihrer Basilika (…) kaum etwas anderes als Symbole des
verhassten Katholizismus“ sahen (S.468).
Kurz und gut:
Baxmeyers Buch diskutiert auf anschauliche und spannende Weise ein
hochinteressantes Thema und ist weit entfernt von irgendwelchen billigen
Lobeshymen oder Verteufelungen. Mal von einer anderen Seite her gibt er einen
Einblick in jenes so außergewöhnliche Ereignis Ende der 30er Jahre, das – so
merkwürdig das nach den obigen Ausführungen klingen mag –meines Erachtens nach
wie vor etwas absolut Faszinierendes hat. Vielleicht ist es die in ihr
enthaltene Ambivalenz… das „menschliche“?
Schluss
Nun hilft Faszination
für sich genommen kaum jemandem. Und beide Bücher verweisen vor allem auf ein
Problem, dem sich der Anarchismus zu stellen hat: dem Handeln in Räumen
verdichteter Gewalt, bzw. im Krieg. Felix Schnell hatte lapidar gemeint:
„Schlichte Tatsache ist wohl, dass Anarchismus im Krieg ein schlechter Ratgeber
ist, und Machno verhielt sich entsprechend, denn er war zwar ein Draufgänger und
Revolutionär, aber kein Idiot.“ (S.297) Tatsächlich haben sich die „idiotischen“
AnarchistInnen immer wieder am Problem des Krieges gerieben. So wies Volin mit
Hinblick auf Machno auf die „Gefahr“ hin, die selbst „eine freie und
volkstümliche Armee, die aus Freiwilligen zusammengesetzt ist“ darstelle, wenn
sie „Gefallen an der Machtausübung“ findet (Volin 1976 S.169f.). Rudolf Rocker
meinte ganz ähnlich: „Nicht bloß, daß der Krieg im allgemeinen verheerend auf
die Natur des Menschen wirkt, indem er fortgesetzt an seine brutalsten und
grausamsten Triebe appelliert, die militärische Disziplin, die er erfordert,
erstickt auch jede freiheitliche Regung im Volke und züchtet systematisch jenen
Ungeist des Kadavergehorsams, der noch immer der Vertreter jeder Reaktion
gewesen ist.“ (Rocker 1949: S.100) Und es war Simone Weil, die das klassische
Dilemma benannte: „Es scheint, als habe eine im Krieg befindliche Revolution nur
die Wahl, den tödlichen Schlägen der Konterrevolution zu erliegen oder durch den
Mechanismus des militärischen Kampfes selbst zur Konterrevolution zu werden. Die
Aussichten der Revolution scheinen dadurch sehr begrenzt, denn kann eine
Revolution den Krieg vermeiden? (…) Solange wir nicht erkennen können, wie diese
Herrschaft der Apparate über die Massen im Akt des Produzierens oder des
Kämpfens selbst zu vermeiden ist, hat jede revolutionäre Anstrengung etwas
Verzweifeltes“ (Weil 1933: S.16 und S.18). Tröstet über diese Verzweiflung
hinweg, dass der Anarchismus zunehmend in die öffentliche Debatte gerät und auch
vermehrt in der akademischen Forschungslandschaft wahrgenommen zu werden
scheint.
Nein, das hilft nicht, denn: „Wer will – vor allem innerhalb der Linken – schon
gegen Herrschaftsfreiheit, soziale Gerechtigkeit und gegenseitige Hilfe Stellung
beziehen? Der Knackpunkt ist in der Regel nicht die Idee, sondern das
Realisierungspotential. (…) Es ist die Aufgabe der Apologet_innen des
Anarchismus, diesen als tatsächlich ernstzunehmende revolutionäre Bewegung zu
beweisen bzw. mehr sein zu lassen als idealisierter historischer Referenzpunkt,
moralisches Hoheitsgebiet oder identitär-subkultureller Rückzugsraum.“ (Kuhn
2012) Dass ein unreflektierter Verweis auf „Machno“ oder „Spanien“ dazu nicht
ausreicht, sollte mehr und mehr selbstverständlich sein.
Literatur
Arschinoff,
Peter (1923): Geschichte der Machno-Bewegung. Münster: Unrast Verlag, 1998.
Avrich, Paul
(1988): Anarchist Portraits. Princeton: Princeton University Press.
Chiari, Bernhard
(2012): Rezension von Felix Schnell. Räume des Schreckens, in:
Militärgeschichtliche Zeitschrift 71 (2012). S.190-192.
Kropotkin, Peter
(1881): Sie alle sind – Sozialisten!, in: ders. Worte eines Rebellen. Reinbek:
Rowohlt Verlag, 1972. S.148-152.
Kuhn, Gabriel
(2012): Rezension von Philippe Kellermann. Anarchismus, Marxismus, Emanzipation.
Gespräche über die Geschichte und Gegenwart der sozialistischen Bewegungen (Die
Buchmacherei, 2012), unter:
http://www.alpineanarchist.org/r_kellermann_rezension.html
Mark, Rudolf A.
(2012): Rezension von Felix Schnell. Räume des Schreckens, unter:
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=18953&count=35&recno=1&type=rezbuecher&sort=datum&order=down&search=felix+schnell
Rocker, Rudolf
(1949): Nationalismus und Kultur. Münster: Bibliothek Thélème, 1999.
Volin (1976):
Die unbekannte Revolution. Band 3. Hamburg: Verlag Association, 1977.
Weil, Simone
(1933): Gedanken über den Krieg, in: dies. Krieg und Gewalt. Essays und
Aufzeichnungen. Zürich: Diaphanes Verlag, 2011. S.7-19.
Am Rande sei vermerkt: Viele hier nicht thematisierte Aspekte in
Schnells Studie sind interessant – so z.B. seine Skizzierung bäuerlicher
Widerstandsstrategien, wenngleich manches kontrovers diskutiert werden
könnte: z.B. die sehr stark an eine Sichtweise bei Hobbes erinnernden
Aspekte, wobei Schnell, anders als sein Förderer Jörg Baberowski (Verbrannte
Erde. Stalins Herrschaft der Gewalt) den modernen Staat nicht aus
der Gewaltgeschichte herausnimmt, sondern – bei allem Fokus auf
„staatsferne Räume“ und deren Gewaltpotential –festhält, dass – wie das
sowjetische Beispiel vor allem der 1930er Jahre zeige –, „ein
staatliches Gewaltmonopol keineswegs eine Garantie für die Abwesenheit
von Gewalt“ ist, es vielmehr „Grundlage systematischer Terrorgewalt von
oben“ sein kann (S.541f.).
Emma Goldman berichtet über ein Zusammentreffen mit den Anarchisten
Aaaron Baron und Joseph Goodman, die ihr mitteilten: „Wiederholt hatte
er [Machno] die Anarchisten im ganzen Land aufgefordert, die
Möglichkeiten der Propaganda, die der Süden bot, auszunutzen. Er würde
uns alles Notwendige zur Verfügung stellen, Geldmittel, eine
Druckmaschine, Papier und Boten, sagten unsere Genossen und drängten auf
eine schnellere Entscheidung.“ (Goldman 1931: S.742)
„Diese Funktionen kompensierten die Tatsache, dass die Machnovščina, die
auch als Speerspitze einer agrarrevolutionären Bewegung angetreten war,
im Verlauf des Bürgerkriegs kein höheres Ziel mehr verfolgte. Der
Anarchismus war kein sinnstiftendes Element – selbst in seiner auf die
bäuerliche Freiheit (volja) reduzierten Form. Man wollte keine
Herren, wollte selbst Herr, wollte frei sein. Und solange es andere gab,
die sich zu Herren aufwarfen, konnte man nur kämpfen. Es mag sein, dass
die volja oder volnica der Welt zumindest eines Teils der
Machno-Soldaten eine gewisse utopische Tiefe verlieh. Aber
wahrscheinlich ist, dass es für die meisten so etwas wie eine konkret
denkbare Zukunft kaum gab und die Welt buchstäblich auf das Hier und
Jetzt zusammenschmolz. Die nackte Existenz, das Überleben wurde so zum
Ziel.“ (S.359)
Bedenkenswert sind Schnells Ausführungen, dass es sich bei
antisemitischen Pogromen durch Angehörige der Machno-Armee „eher um
Einzelfälle“ gehandelt habe und Neigungen zu Pogromen, wenn überhaupt,
dann nur „in Bezug auf die deutschen Kolonisten und Mennoniten“ zu
konstatieren seien (S.347). In gewisser Weise, so Schnell, „kann man
sagen, dass die Mennoniten und deutschen Siedler eine ähnliche Funktion
hatten wie die Juden im Westen und im Zentrum der Ukraine: Sie waren
eine fremde, wenn nicht feindliche Minderheit, der gegenüber alles
erlaubt war.“ (S.348)
Zwei Beispiele: „Die Offiziere wurden nacheinander erschossen, einer von
ihnen, der gewagt hatte, angesichts Machnos Auftritt zu lächeln, als
letzter. Als man mit den Offizieren fertig war, zeigte Machno auf einen
jungen Soldaten: ‚Das ist ein Offizier, er hat eine Herrenfresse!’ Der
Soldat sagte, er sei Regimentsschreiber, das könnten die anderen
bezeugen. Er könne schreiben?, fragte Machno, dann sei er wohl
Gutsbesitzersohn, und befahl, ihn abzuführen. Der Soldat sah sich in
Panik hilfesuchend um. Ein Machno-Soldat nahm ihn ein Stück zur Seite,
hielt ihm sein Gewehr hin und forderte ihn auf, das Laufende zu küssen –
dann werde er leben. Der Soldat tat wie ihm geheißen. In diesem Moment
knallte es trocken“ (S.351) Oder: „Auf der Straße wurde buchstäblich auf
alles geschossen, was sich bewegte, danach das Geschäftszentrum der
Stadt geplündert und größtenteils in Schutt und Asche gelegt. Inmitten
des Tumults stand Machno an einem kleinen Feldgeschütz und ließ auf die
höchsten Gebäude feuern.“ (S.198)
Eine andere Rezension weist in die gleiche Richtung: „Basierend auf der
Auswertung umfangreicher bisher noch nicht bzw. wenig genutzter
Archivmaterialien kann Schnell belegen, dass etwa das bis in die
Gegenwart virulente Bild von den Bauernanarchisten und ihrem Traum von
einer herrschaftsfreien Welt literarische Konstrukte ex post darstellen,
die mit der Wirklichkeit der Machno-Armee wenig gemein haben.“ (Mark
2012)
So meint Schnell zu Machnos „berühmt-berücksichtigt[en]“
Alkoholexzessen, dass diese „eine wichtige Funktion für die Reproduktion
seiner Autorität spielten und seinem Ansehen bei den Bauern gerade
nicht schadeten“ (S.343): „Mit Alkoholismus hat dies vermutlich
weniger zu tun als mit der traditionell wichtigen Rolle, die Alkohol als
ländliche Alltagsdroge und Vergemeinschaftungsmittel spielte.“ (S.321)
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