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Andrea Truman, „Feministische Theorie. Frauenbewegung und weibliche Subjektbildung im Spätkapitalismus“ Stuttgart: Schmetterling Verlag, 2002 Mit der globalen Protestbewegung ist auch das Interesse gewachsen, mehr über Bewegungen zu erfahren, die direkt oder indirekt mit den neuen politischen Aktivitäten zu tun haben könnten. So hat es sich der Schmetterlingverlag unter dem Titel „theorie.org“ zur Aufgabe gemacht, linke und emanzipatorische Debatten kritisch aufzuarbeiten, aber auch Überblickswissen anzubieten. In dieser Reihe ist die „Feministische Theorie“ von Andrea Truman erschienen. Nach der Beschreibung der „Studentenbewegung“ als patriachale Antiinstitution, gegen die die Frauen rebellieren, geht es um die sexuelle Befreiung der Frauen. Die genitale (schwanzfixierte) Sexualität der studentischen Männer wird in Richtung Klitoris verschoben. Es bleibt aber die leistungsorienterite Fixiertheit auf den Orgasmus. Im Zusammenhang mit der „Studentenbewegung“ sind auch die Kinderläden zu sehen. Sie sind zwar ein kollektives Projekt, aber auch ein erster Schritt in Richtung der flexiblen postfordistischen Gesellschaft. Parallel zu den marxistisch-sektiererischen Ausflügen der Linken setzte sich auch der Feminismus mit dem Subjektbegriff auseinander. Die Anerkennung als Mensch, aber auch als Frau wurde ins Zentrum gerückt. Diese existenzialistisch beeinflußte Individualisierung ging parallel mit dem Kampf um die Freigabe der Abtreibung. In diesem Zusammenhang zeigt Truman auf, daß die kapitalistische Gesellschaft den Wunsch nach Selbstbestimmung der Frauen für seine Bevölkerungspolitik nutzbar machen konnte. So wird z.B. Abtreibung von internationalen Organisationen im Trikont als günstig für die Bevölkerungsentwicklung propagiert. Die weitere Entwicklung in berechtigter Separation von den Männern führte den Feminismus dazu, sich die „eigene Natur“ wieder anzueignen. Das bedeutete die Bestätigung von Weiblichkeitsbildern wie sie von der bürgerlichen Gesellschaft produziert wurden und werden. Truman vergleicht diese Sichtweise mit dem Romantizismus des Aufklärers Jean-Jacques Rousseau. Die gesellschaftlich bedingte Aufspaltung in Kultur und Natur wird nur umgedreht, indem das Natürliche (Weibliche) im Gegensatz zum Abstrakten-Kulturellem als positiv gesehen wird. Aus diesen Strukturen ist die Institutionalisierung der Frauenbewegung entstanden, Dekonstruktion und Queer-Theorie wird als Kritik daran gesehen. Ausgehend von der Kritik migrantischer Frauen, wird die Verallgemeinerung der Identität „Frau“ als Sichtweise der weißen, mittelständischen Frau dekonstruiert. Anschließend kritisiert Truman an der Queertheorie, daß deise an neuen, allerdings vielfältigeren Identitätskonstruktionen basteln würde und dadurch die flexiblen Identitäten für den postfordistischen Kapitalismus erzeuge und bereitstelle. Truman sieht es auch nicht als zufällig an, daß die Theorien zur Dekonstruktion der Natur genau jetzt entstehen, wo die Natur auch durch die Gentechnologie in Frage gestellt wird. In diesem Text wird der Feminismus in seinen gesellschaftlichen Zusammenhängen dargestellt, nicht allein als Aufzählung von Ereignissen und Texten, die nur für sich selbst sprechen. Die verschiedenen Phasen der Entwicklung sind detailiert dargestellt und an Hand wichtiger Diskussionen nachgezeichnet. Mancher Aktivistin werden einige Diskussionen fehlen, z.B. die Subsistenzdebatte der Bielefelderinnen, manches wird auch anders gewichtet sein als in ihrer Vorstellung, z.B. daß die Mittäterinnen-Debatte nur im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus dargestellt wird. Insgesamt ist dieses Büchlein eine ausgezeichnete Zusammenstellung der wichtigsten feministischen Strömungen, auch wenn es sehr stark auf die Bundesrepublik bezogen ist. In manchen Teilen zeigt sich die Autorin als Anhängerin der kritischen Theorie ein bißchen arrogant gegenüber den konkreten Bewegungen, wenn sie einerseits die Funktion der Feminismen für die Modernisierung des Kapitalismus betont, andererseits aber selbst die Benutzung der bürgerlichen Wissenschaft positiv sieht. Außerdem ist es erstaunlich, daß sie Michel Foucault in Zusammenhang mit der disziplinierenden Funktion der Sexualität so positiv rezipiert, während sie die Theorie Judith Butlers nur als Ausdrucksform des flexibiliserten und liberalisierten Kapitalismus sieht. In ihrer Kritik am Feminismus will Truman natürlich nicht zurück in die Zeiten vor der zweiten feministischen Welle, trotzdem sieht sie die Strömungen der Frauenbewegungen hauptsächlich aus dem Blickwinkel ihrer Funktion für den Kapitalismus. Ich würde vorschlagen, die Sichtweise umzudrehen, die Integration feministischer Elemente in den Kapitalismus als Antwort auf die Rebellion der weiblichen Subjektivität und die Radikalität des Feminismus zu sehen. Und als Ansporn, weiter für eine befreite Gesellschaft ohne geschlechtliche Unterdückung zu kämpfen. Robert Foltin |
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